03 Okt

Opposition sucht junge, kluge, zukunftsorientierte OB-Kandidatin

SPD und Grüne wollen den pensionierten, ehemaligen Bochumer Polizeipräsidenten Jörg Lukat als Oberbürgermeister vorschlagen. Was bedeutet das für die Stadt und die Opposition im Stadtrat?

Jörg Lukat (62), ehemaliger Chef der Bochumer Polizei, ist als freundlich, verlässlich und sympathisch bekannt. Doch ist er deswegen bereits der richtige für das Amt des Oberbürgermeisters? Auch Erfahrungen mit der Leitung einer Behörde mit fast 2.000 Beschäftigten hat er. Er sollte also auch die Stadtverwaltung leiten können.

Jörg Lukat, designierter OB-Kandidat SPD und Grüne, Foto: IM NRW

Polizei- und Stadtverwaltung sind verschiedene Welten

Jedoch unterscheiden sich Polizei- und Stadtverwaltung in vielen Bereichen sehr grundsätzlich. Die Polizei ist streng hierarchisch organisiert, alle wesentlichen Abläufe gibt das Land per Verordnung oder Gesetz vor. Lukats Aufgabe war es nie die Behörde zu reformieren oder wesentlich weiterzuentwickeln. In Bochum wäre eine seiner wichtigsten Aufgaben die Verwaltung zu reorganisieren, schneller und schlanker zu machen sowie diese zu modernisieren. Diese Aufgabe hatte er bei der Polizei nicht, diesen Job hat er noch nie gemacht

Stadtverwaltung und städtische Unternehmen werden unter Beachtung gesetzlicher Vorgaben im Wesentlichen von der Stadt selbst organisiert. Für Bochum sieht die Bochum-Strategie vor, die Stadt zur Vorreiterin modernen Stadtmanagements zu machen. Die reine Behördenleitung wird also nicht die primäre Aufgabe des neuen OBs sein, sondern die Stadtbehörden und –unternehmen fit für die Zukunft zu machen und sie entsprechend neu zu aufzustellen. Nötig ist zudem eine erhebliche Reduzierung des Personalaufwands zu erreichen und die sich in finanzieller Schieflage befindlichen städtischer Unternehmen (SBO und BOGESTRA) zu sanieren.

Die Strukturen bei der Polizei sind dagegen fest vorgegeben, ebenso das Finanzbudget, daran konnte der Polizeipräsident nie maßgeblich etwas ändern. In der Stadtverwaltung ist beides flexibel. Es hängt wesentlich vom Geschick und vom politischen Kurs des OB und der Politik ab, ob der städtische Haushalt am Ende mit einem Minus oder einem Plus dasteht. Das alles wäre für den ehemaligen Polizeipräsidenten völliges Neuland.

Wesentliche Aufgaben des OB sind zukünftige Stadtentwicklung und -gestaltung

Ebenso ist der Oberbürgermeister entscheidend für die zukünftige Entwicklung und Gestaltung der Stadt. Faktoren wie Stadtbild, Stadtgestaltung, Lebensqualität und Verkehrsorganisation entscheiden darüber, ob die Stadt wächst, also Menschen und Unternehmen gewinnt, oder sie weiter verliert. Auch damit hat Jörg Lukat keine Erfahrungen.

Als Polizeipräsident ist er nicht dadurch aufgefallen, von der Stadt die beschleunigte Schaffung einer modernen Verkehrsinfrastruktur einzufordern, um Unfälle zu verhindern und die Sicherheit der alternativen Verkehrsmittel zu stärken. Es blieb bei der polizeilichen Verkehrsüberwachung und öffentlichkeitswirksamem Aktionismus. Statt z.B. der Stadt einen fachgerechten Ausbau der Springorumtrasse mit getrenntem Rad- und Gehweg vorzuschlagen, damit die Trasse gleichermaßen gut und ohne Konflikte von Menschen zu Fuß und auf dem Rad zu nutzen ist, stellte in einer Aktion mit der Stadt öffentlichkeitswirksam Schilder für mehr Rücksichtnahme auf (Vorfahrt für Rücksicht: Schilder werben auf Geh- und Radwegen für faires Miteinander), deren Wirksamkeit bezweifelt werden darf, denn es gab noch nie eine Kampagne für mehr Verkehrssicherheit, von der im Nachgang nachgewiesen wurde, dass sie irgendwas gebracht hat (Fachleute halten nichts von Verkehrskampagnen).

Jörg Lukat, rechts – Foto: Stadt Bochum

Dass Verkehrssicherheit und Vision Zero besonders durch bauliche Maßnahmen zu erreichen sind, zu denen auch die Polizei im Rahmen ihrer Aufgaben die Stadt auch öffentlichkeitswirksam drängen müsste, hat Lukat als Polizeipräsident nicht als seine Aufgabe gesehen (Polizei Bochum muss mehr für Vision Zero tun). Er blieb bei klassischen Polizeimaßnahmen, Bußgelder verteilen und öffentlichkeitswirksam mit Kampagnen aufklären.

Offen ist, ob Lukat in seiner Rolle als Oberbürgermeister komplett umdenken könnte und es ihm gelänge, statt der Verwaltung des Istzustandes, die Gestaltung und Entwicklung von Stadt und Zukunft in den Mittelpunkt seiner Politik zu stellen.

Innovationsfähigkeit und Bereitschaft neue Wege zu gehen

Auch sein vergleichsweise hohes Alter steht eher für Erfahrung, aber nicht für Innovation, Kreativität  und die Bereitschaft neue Wege zu gehen. Eigentlich ist Lukat mit 62 bereits in Pension gegangen. Es ist davon auszugehen, dass er nur ein Übergangs-OB für eine Amtszeit wäre, denn am Ende einer zweiten Amtszeit wäre er schon 72 Jahre alt.

Das von ihm zum Abschluss seiner Zeit als Polizeipräsident erfolgreich umgesetzte Projekt, in Bochum einen Ort für ein neues Polizeipräsidiums zu finden, kommt ebenfalls nicht besonders innovativ daher. Optisch kann das geplante Gebäudeensemble als zweckmäßig, aber recht einfallslos bezeichnet werden. Bau- und Klimatechnisch bleibt der Neubau hinter den Baustandards der Stadt zurück. Das ist im Wesentlichen allerdings nicht Lukat geschuldet, sondern den Vorgaben des Innenministeriums.

Neues Polizeipräsidium – Foto: Polizei NRW

Zwar hat Lukat hier gezeigt, dass er auch besondere Aufgaben und Projekte erfolgreich abwickeln kann, doch einen besonderen persönlichen Stempel konnte er dem Projekt nicht aufdrücken. Aus städtebaulicher Sicht hätte man sich eine andere, deutlich zukunftsweisendere Gestaltung, an einem zentraleren Ort gewünscht. Optimal und zeitgemäß wäre eine Fortentwicklung des Gebäudebestands am bestehenden Standort gewesen. Würde Lukat OB, wäre es einer seiner Aufgaben, seinen ehemaligen Arbeitgeber in vielerlei Hinsicht noch zu Verbesserungen des Projekts zu bewegen.

Ideal für die SPD, Niederlage für die Grünen

Im Juni wurde Lukat SPD-Mitglied. Für die Bochumer Genossen ein wichtiges Kriterium, um ihn aufstellen zu können. Er kommt nicht aus Bochum, sondern lebt in Herten, sollte Bochum aber aufgrund seiner Arbeit ausreichend gut kennen.

Für die SPD ist er insoweit also der ideale Kandidat, liegt doch der Fokus der SPD-Politik ohnehin primär auf der Versorgung der in Bochum wohnenden Menschen (mit Sozialwohnungen, Parkplätzen usw. sowie der bei Stadt und städtischen Betrieben Beschäftigten), und wird die Entwicklung und Gestaltung von Bochum zu einer modernen Großstadt, die mit den anderen deutschen Großstädten mithalten und Menschen wie Unternehmen für die Stadt gewinnen kann, als nachrangig angesehen.

Für die Grünen dagegen wäre die Nominierung eine schwere Niederlage. Zeigt sie doch, dass die Partei erneut niemanden Geeigneten finden konnte, der oder die für die Bochumer Grünen kandidieren wollte.

Dass man erneut einen SPD-Kandidaten unterstützen will, belegt zudem, dass die Bochumer Politik von der SPD dominiert und deren Politik seit 25 Jahren willig von den Grünen mitgetragen wird. Die Chance auf ein eigenes politisches Profil scheinen die Grünen ein weiteres Mal zu verspielen. Dass sie jetzt einen Kandidaten mittragen wollen, dessen Lebenslauf so gar nicht für eine moderne, innovative und zukunftsgerichtete Stadtentwicklung im Sinne der Grünen steht, zeigt auch, dass in dieser Hinsicht große Ansprüche bei den Grünen in Bochum nicht vorhanden sind.

Im Vordergrund steht, über den jetzt unterstützten OB-Kandidaten behalten die Grünen den Zugriff auf die von ihnen bisher gehaltenen Posten im Verwaltungsvorstand (Kämmerin und Sozialdezernentin), auch für den Fall, dass es nach der Wahl zu einer Koalition ohne grüne Beteiligung (Schwarz-Rot) oder mit einer grünen Minderheitsbeteiligung (Schwarz-Rot-Grün) kommt.

Opposition sucht eine unabhängige Kandidatin

Was bedeutet ein OB-Kandidat Jörg Lukat für die Opposition? Da Lukat von Grünen und SPD unterstützt wird, ist fast sicher, dass er mindestens in die Stichwahl kommt. SPD und Grüne werden aus heutiger Sicht bei der Kommunalwahl zusammen auf 40 bis 48% der Stimmen kommen. Das bedeutet, ein reiner CDU-Kandidat hätte wie schon 2020 keine Chance. Würde die CDU doch einen Partei-Kandidaten aufstellen, wäre sogar zu befürchten, dass Lukat die Wahl schon im ersten Wahlgang gewinnt.

Dabei wäre es für die CDU von entscheidender Bedeutung die OB-Wahl zu gewinnen und einen von den Grünen mit getragenen SPD-OB unbedingt zu vermeiden. Gewinnt die CDU nicht den OB, wäre man bei einer Koalition mit der SPD nur Juniorpartner, selbst dann, wenn man stärkste Fraktion würde.

Nur ein breit von vielen politischen Gruppierungen der Opposition auch schon im ersten Wahlgang getragener unabhängiger Kandidat (Zeit für einen unabhängigen Oberbürgermeister?) kann gegen Lukat gewinnen. Die besten Chancen hätte eine junge, dynamische, kluge und kompetente Kandidatin ohne Parteibuch, mit validen Erfahrungen in Sachen moderner und zukunftsgerichteter Stadtentwicklung, die sich auch schon in leitender Position in einer Verwaltung oder einem Unternehmen profilieren konnte. Ideal wäre eine Kandidatin, die auch für Menschen, die eigentlich dem grünen Wählerspektrum zuzurechnen sind, wählbar wäre. Eine solche Kandidatin wäre der Gegenentwurf zu Jörg Lukat und verspräche eine spannende OB-Wahl.

Die STADTGESTALTER suchen noch bis zum 17.10.2024 einen unabhängigen Kandidaten oder eine unabhängige Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl (Stellenanzeige Oberbürgermeister*in). Bisher gibt es nur männliche Bewerber, die STADTGESTALTER würden sich sehr freuen, wenn sich auch weibliche Kandidaten fänden, die sich das Amt der Oberbürgermeisterin zutrauen.

25 Sep

Stellenanzeige – Oberbürgermeister*in Bochum

Unabhängige/r Oberbürgermeister*in (m/w/d)
für die Stadt Bochum
Kandidat*in für die Kommunalwahl 2025

Bewerbungsfrist: bis zum 17.10.2024 
Bewertung: Besoldungsgruppe B 10, LBesG NRW 
Die Wahlzeit beträgt fünf Jahre. Die Wahlperiode beginnt voraussichtlich im November 2025 

Bochum sucht ein neues Stadtoberhaupt. Der Amtsinhaber hat öffentlich erklärt, dass er bei der Kommunalwahl 2025 nicht erneut antreten wird. 

Als Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister sind Sie das Oberhaupt der Verwaltung der Großstadt Bochum mit 364 056 Einwohner*innen (Zensus 2022). Gleichzeitig sind Sie Vorsitzender des Stadtrats und beraten und entscheiden dort mit. In dieser Funktion nehmen Sie maßgeblichen Einfluss auf die politischen Themen und machen Vorschläge, welche Politik verfolgt werden soll. Als Chef oder Chefin der Stadtverwaltung vollziehen Sie die Gesetze sowie die Beschlüsse des Stadtrats und der Ausschüsse, die die Verwaltung dann umsetzt. 

Sie stehen vor großen Herausforderungen, insbesondere der Abwendung eines Haushaltsnotstandes, einer grundlegenden Reform der Verwaltung, der Sanierung des städtischen Nahverkehrsunternehmens (BOGESTRA), einer beschleunigten und konsequenten Transformation von Bochum zu einer modernen und zukunftsgerichteten Großstadt sowie der Weiterentwicklung und Umsetzung der Bochum-Strategie

Sie müssen am Wahltag das 23. Lebensjahr vollendet haben (§ 65 GO NRW (2)). Das Amt erfordert eine verantwortungsvolle, handlungsorientierte und innovative Persönlichkeit, die über herausragende Führungseigenschaften, Durchsetzungsvermögen und den Mut verfügt, neue Wege zu beschreiten. 

Sie verstehen es, mit unterschiedlichen Gruppen professionell und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Bei Verhandlungen zählt für Sie allein der Erfolg in der Sache. Sie verstehen es, als unabhängiger Mittler zwischen den verschiedenen politischen Interessen zu überzeugen und funktionierende Lösungen zu finden. 

Sie besitzen die für das Amt erforderliche Organisations- und Führungskompetenz und haben entsprechende Fähigkeiten in einem Unternehmen oder einer Verwaltung in ähnlicher Weise unter Beweis gestellt. Sie verfügen über Erfahrungen aus anderen Städten und sind mit moderner Stadtentwicklung von Großstädten aus eigener Anschauung in Deutschland, Europa und der Welt vertraut. 

Sie sind bereit einen sehr engagierten Wahlkampf zu führen, um das Amt des Stadtoberhauptes zu gewinnen. Sie sind in der Lage, die Wählerinnen und Wähler von Ihrer Person, Ihren Kompetenzen und Ihrer politischen Agenda zu überzeugen. 

Ihr Amtssitz wird sich im historischen Rathaus der Stadt Bochum befinden, einer multikulturellen und weltoffenen Hochschulstadt im Herzen der Ruhrstadt, die zahlreiche bisher ungenutzte Entwicklungschancen bietet. 

Sind Sie interessiert? 

Bitte senden Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bis zum 17.10.2024 (persönlich – Bewerbung Oberbürgermeister*in) ausschließlich an die Mailadresse bewerbung-ob@die-stadtgestalter.de

Bewerbungen werden absolut vertraulich behandelt. Nach einer ersten Auswahlrunde durch die STADTGESTALTER werden in Frage kommende Bewerber oder Bewerberinnen interessierten demokratischen Parteien aus Bochum vorgestellt. Diese überlegen, wen sie als Oberbürgermeisterkandidat*in bei der Kommunalwahl am 14.09.2025 stattfinden wird, unterstützen und aufstellen wollen. Danach entscheiden Sie, ob Sie als Kandidat oder Kandidatin bei der Kommunalwahl 2025 antreten möchten. 

Weitere Informationen: 

Die STADTGESTALTER 
Agnesstraße 22 
44791 Bochum 
0234-9586523 
bewerbung-ob@die-stadtgestalter.de 

15 Sep

OB Eiskirch geht – Zeit für einen unabhängigen Oberbürgermeister?

2025 wird Bochum ein neues Stadtoberhaupt wählen. Amtsinhaber Thomas Eiskirch tritt nicht mehr an. Was für einen unabhängigen OB bzw. eine parteilose OBin spricht und welche Herausforderungen zu stemmen sind, damit befasst sich dieser Beitrag.

Thomas Eiskirch steht nach 10 Jahren als OB nicht mehr zur Wiederwahl. Sein Vermächtnis wird die Bochum Strategie sein. Zumindest auf dem Papier ist dort der Weg zu einem modernen und zukunftsgerichteten Bochum vorgezeichnet. Der Einschätzung von Eiskirch selbst “Mit der Bochum Strategie haben wir ein politisch und stadtgesellschaftlich breit getragenes Fundament geschaffen, um das ‚Bochum der Zukunft‘ nicht nur zu beschreiben, sondern es auch zu gestalten.” ist zutreffend (Oberbürgermeister Thomas Eiskirch wird bei der Kommunalwahl 2025 nicht erneut antreten), sein Eindruck, dass bei vielen “aus der ‚Sorge vor Veränderung … die Lust auf Veränderung‘ geworden” sei, jedoch leider nicht.

Politische Ausrichtung auf die Zukunft erforderlich

Die Politik im Stadtrat ist weiterhin einseitig auf die Versorgung der in Bochum wohnenden Menschen (mit Sozialwohnungen, Parkplätzen usw. sowie der bei Stadt und städtischen Betrieben Beschäftigten) fokussiert, die Entwicklung und Gestaltung von Bochum zu einer modernen Großstadt, die mit den anderen deutschen Großstädten mithalten kann, und Menschen wie Unternehmen für die Stadt gewinnen kann, wird immer noch als nachrangig angesehen.

Zur Umsetzung seiner Ambitionen fehlte dem amtierenden OB zu oft die erforderliche Unterstützung. Gleichzeitig konnte Thomas Eiskirch nicht das nötige Durchsetzungsvermögen und den Mut aufbringen, gegen diese Widerstände die eigene Strategie schnell und konsequent umzusetzen. So wird die Ausrichtung der Stadt in Sachen Modernität und Zukunft auch im neuen Prognos-Städteranking weiterhin als “eher schwach” bewertet (Städteranking 2024).

Große Herausforderungen, gewaltige Aufgaben

Die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Eiskirch wird also vor großen Herausforderungen stehen. Auch die Rahmenbedingungen sind schwierig. Die kurze Zeit, in der die Stadt keine neuen Schulden machen musste, sind vorbei. Der neue Haushalt 2025/26 sieht bereits massive finanzielle Defizite vor. Auf der Tagesordnung ab 2025 wird also neben der Umsetzung der Bochum-Strategie insbesondere die Abwendung des Haushaltnotstandes durch eine einschneidende wie durchgreifende Reform der Verwaltung, die Sanierung der BOGESTRA (Bochumer BOGESTRA wird zum Sanierungsfall) und die Beschleunigung der Transformation der Stadt in Richtung Zukunft stehen.

Die Aufgaben sind gewaltig.. Gebraucht wird ein Oberbürgermeister bzw. eine Oberbürgermeisterin, die sich mit Verwaltungsreformen und Unternehmenssanierungen auskennt und bereit ist, die nötigen, teilweise schmerzhaften Maßnahmen gegen erhebliche Widerstände umzusetzen. Gefragt ist neben Kompetenz und Mut auch Durchsetzungsvermögen und der unbedingte Wille die Stadt in möglichster kurzer Zeit zu modernisieren. Bochum kann es sich nicht leisten, dass der Abstand zu wirtschaftlich erfolgreichen Großstädten sich weiter vergrößert.

Was für einen unabhängigen OB-Kandidaten spricht

Wichtig wäre also, dass das neue Stadtoberhaupt in seinen Entscheidungen möglichst frei und unabhängig ist, kein Parteibuch (= keine Mitgliedschaft in einer politischen Gruppierung) besitzt oder zumindest überparteilich agiert. Im Wahlkampf sollte ein geeigneter überparteilicher Kandidat, der mindestens von einer der größeren Parteien SPD, CDU oder Grünen unterstützt wird und von einzelnen kleinen politischen Gruppierungen mitgetragen wird, gute Chancen haben, die OB-Wahl gegen reine Parteikandidaten zu gewinnen.

Nach jetzigem Stand wird es 2025 zu einer Koalition von Rot-Grün nicht mehr reichen. Diese wird selbst mit Hinzunahme kleinerer Koalitionspartner schwierig. Am wahrscheinlichsten ist eine Rot-Schwarze-Koalition ggf, mit einem weiteren Partner. Nicht unwahrscheinlich ist auch eine “ganz-große” Koalition aus SPD, CDU und Grünen.

Somit wird die Partei, die in Bochum den OB oder die OBin stellt bzw. diese/n bei der Wahl maßgeblich unterstützt hat, in welcher Koalition auch immer das Sagen haben. Für Rot, Schwarz und Grün wird es bei der Kommunalwahl somit das Wichtigste sein, die Oberbürgermeisterwahl zu gewinnen und das oberste Amt der Stadt mit einem selbst gewählten Kandidaten zu besetzen. Wer beim zukünftigen Stadtoberhaupt im Hinblick auf die Zusammenarbeit nur an zweiter Stelle auf der Liste steht, wird in einer Koalition nur Juniorpartner sein.

Einem kompetenten unabhängigen Kandidaten, der gut mit Menschen umgehen kann, wird es leichter fallen Wählerstimmen über Parteigrenzen hinweg zu gewinnen. Für die Wählern und Wählerinnen ist Kompetenz wichtig, nicht das Parteibuch. Eine Parteizugehörigkeit schreckt Wählende ab, es wird schnell Klüngel und Postengeschacher vermutet. Ein Kandidat mit Amtsbonus tritt 2025 nicht an. Die voraussichtlichen Stimmanteile von Grünen, CDU und SPD (14 – 27 %) sind zu klein, um nur mit eigenen Stimmen einen OB-Kandidaten durchzubringen. Die Chancen eines unabhängigen Kandidaten, wenn möglich ohne Parteibuch, waren nie größer als bei der anstehenden Wahl 2025. 10 von 81 deutschen Großstädten haben bereits unabhängige Oberbürgermeister*innen, darunter Aachen, Köln, Mainz, Heidelberg und Freiburg, also Städte, die zu den besonders erfolgreichen Deutschlands zählen.

Ein unabhängiger Kandidat, der über einen Blick von außen auf die Stadt verfügt, gegebenenfalls auch über Erfahrungen aus anderen Städten, dessen Blick auf morgen und übermorgen gerichtet ist und der nicht an überkommene Politikstrukturen gebunden ist, würde der Stadt guttun. Er oder sie könnte da nahtlos weiter machen, wo Thomas Eiskirch aufhören wird und die bisher primär auf die soziale Versorgung der in der Stadt lebenden Menschen gerichtete Stadtpolitik endgültig aufs Abstellgleis schieben, um stattdessen die zukünftige Stadtentwicklung, Stadtgestaltung, ein modernes Stadtbild, Attraktivität und hohe Lebensqualität in den Mittelpunkt der Politik zu stellen. Vorrangiges Ziel sollte sein für Bochum neue Perspektiven zu schaffen und die Stadt in die Lage zu versetzen, wieder mit den anderen Großstädten Deutschlands und Europas mithalten zu können.

Offen bleiben die Fragen: Wer verfügt über die nötigen Kompetenzen und Fähigkeiten? Wer traut sich den OB-Job zu? Und wer ist, wenn er oder sie nicht schon hier wohnt,  bereit, dafür nach Bochum zu kommen? Die STADTGESTALTER haben eine Stellenanzeige (Unabhängige/r Oberbürgermeister*in (m/w/d) für die Stadt Bochum) veröffentlicht und nehmen Vorschläge und Bewerbungen gerne entgegen: bewerbung-ob@die-stadtgestalter.de.

Fotos im Beitragsbild: Frank Vincentz; Martin Steffen

07 Mai

Gericht: Die Behandlung von Bürgeranregungen im Rat einzuschränken ist rechtswidrig

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen stellt fest, der Versuch von OB und Verwaltung sowie Teilen der Politik die Befassung des Rats und seiner Ausschüsse mit Anregungen und -Beschwerden von Einwohnern und Einwohner*innen einzudämmen, ist rechtswidrig.

Wieder zeigt sich, dass Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, Teilen des Rates wie der Verwaltung offenbar ein gesundes Rechtsempfinden fehlt einzuschätzen, wie sie mit den Rechten von Einwohnern und Einwohnerinnen umgehen können, ohne gegen Gemeindeordnung und grundlegende demokratische Rechte bürgerlicher Partizipation zu verstoßen. Wieder musste ein Gericht einschreiten, um die Rechte der Einwohner*innen zu wahren.

Bochumer Politik schätzt Rechtslage immer wieder falsch ein

Schon bei den rechtlichen Einschätzungen zu der beabsichtigten Sperrklausel bei Kommunalwahlen (Die Ret­tung des Wahl­rechts) wie bei der Absicht Fraktionen des Bochumer Stadtrates stimmberechtigte Sitze in Ausschüssen des Rates vorzuenthalten (WAZ vom 27.01.21) standen die Ansichten der Bochumer Fraktionen von SPD, Grünen und CDU nicht mit den demokratischen Grundsätzen des Landes in Einklang. Verfassungs- und Verwaltungsgericht kippten die entsprechenden Vorhaben, mit Verweis auf deren Unvereinbarkeit mit Gemeindeordnung und Grundgesetz.

Der Plan: Bürgerbeteiligungsrechte einschränken

Zu Beginn der laufenden Wahlperiode fassten Oberbürgermeister und seine Verwaltung, offenbar im Einvernehmen mit SPD, Grünen und CDU, den Plan, die Rechte der Bochumer Einwohner und Einwohnerinnen, Anregungen und Beschwerden gemäß §24 GO-NRW im Rat und seinen Ausschüssen vorbringen zu dürfen, deutlich einzuschränken. Für die Ratssitzung vom 25.03.21 legte der OB dem Stadtrat eine Beschlussvorlage zur Änderung der Hauptsatzung (Vorlage 20210976) mit dem Passus vor, dass Anregungen nicht zu behandeln seien, wenn “für die Behandlung des Sachverhaltes besondere Verfahren vorgeschrieben sind und/oder gesetzliche und/oder freiwillige Beteiligungsverfahren vorgegeben sind oder durchgeführt wurden“ (§9 (4) Satz 2 h) Hauptsatzung). Der vorgeschlagenen Änderung der Hauptsatzung stimmten alle Fraktionen des Bochumer Rates zu, nur STADTGESTALTER & PARTEI, sowie Die Linke stimmten dagegen (Niederschrift Ratssitzung vom 21.03,21).

Obwohl § 24 (2) GO-NRW den Städten und Gemeinden des Landes hinsichtlich des Anregungs- und Beschwerderechts der Einwohner*innen ausdrücklich nur das Recht gibt “Einzelheiten” in der Hauptsatzung zu regeln, meinten OB, Verwaltung und Teile der Politik, man könne mit der Hauptsatzung auch Sachverhalte festlegen, zu denen Anregungen und Beschwerden der Einwohner *innen gar nicht erst zulässig seien.

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: Einschränkung ist nicht zulässig

Ein Rechtsverständnis, das das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seinem Beschluss vom 27.04.23 deutlich zurückwies. Zuvor hatte in der Ratssitzung am 30.03.2023 bereits der Vorsitzende der Fraktion “PARTEI und STADTGESTALTER” in einer persönlichen Erklärung ausgeführt, dass seine Fraktion und er die Entscheidung des Oberbürgermeisters für rechtswidrig halten (Stream der Ratssitzung vom 30.03.2023.

OB und Verwaltung hatten zuvor die Behandlung einer Anregung des Netzwerks für Bürgernahe Stadtentwicklung und sieben weitere Bürgerinitiativen im Stadtrat mit Verweis auf den in die Hauptsatzung 2021 eingefügten Unterpunkts abgelehnt (24iger Eingabe abgelehnt) Daraufhin entschieden sich die Initiativen gegen diese Entscheidung gerichtlich vorzugehen. Beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wurde, beantragte im Rahmen einer Einstweiligen Verfügung den Oberbürgermeiste zu verpflichten, die Anregung im Rat der Stadt behandeln zu lassen und damit seine Verweigerungshaltung aufzugeben.

Auszug Beschluss VG Gelsenkirchen, 15 L 549/23 vom 27.04.2023

Das Verwaltungsgericht folgte dem Antrag und verpflichtete den OB die Anregung des Bürgernetzwerkes in der nächsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses auf die Tagesordnung zu setzen (Beschluss vom 27.04.2023). Im entsprechenden Beschluss wird das Gericht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des in die Hauptsatzung eingefügten Unterpunkts sehr deutlich: “§ 9 Abs. 4 Satz 2 lit. h der Hauptsatzung ist bereits als solcher nicht geeignet, das Recht der Antragstellerin auf sachliche Befassung mit ihrer Eingabe einzuschränken oder gar auszuschließen. Die Vorschrift erlaubt angesichts ihres ungenauen und beinahe uferlos-umfassenden Anwendungsbereichs keine klare Bestimmung der konkreten Verfahren, die einer sachlichen Befassung einer Eingabe durch das angegangene Gremium entgegenstehen sollen. … In dieser Pauschalität ist die in § 9 Abs. 4 Satz 2 lit. h der Hauptsatzung getroffene Regelung, auch angesichts der Bedeutung des an Art. 17 GG angelehnten kommunalen Petitionsrechts, weder mit § 24 GO NRW vereinbar noch wahrt sie den Grundsatz der Normenklarheit und -bestimmtheit.

§ 9 (4) Satz 2 h) der Hauptsatzung der Stadt Bochum ist somit nicht nur mit § 24 GO-NRW nicht vereinbar, sondern auch nicht mit Art. 17 Grundgesetzes. Die Einfügung des Unterpunkts in die Hauptsatzung war unzulässig, weil er das Anregungs- und Beschwerderecht der Bochumer Einwohner*innen unangemessen einschränkt.

Politik sollte Einstellung zu Bürgerbeteiligung überdenken

Der Rat der Stadt muss somit die Hauptsatzung der Stadt umgehend ändern, um diesen eklatanten Rechtsmangel zu beheben. Der Unterpunkt sollte nach Meinung der STADTGESTALTER ersatzlos gestrichen werden. Alle Fraktionen, die für seine Einführung gestimmt haben, einschließlich dem Oberbürgermeister, sollten zudem ihre Einstellung zu Bürgerbeteiligung überdenken, und zwar nicht nur in rechtlicher Hinsicht, sondern auch ganz allgemein, welche Wertschätzung sie Menschen entgegenbringen, die sich für die Stadt außerhalb politischer Organisationen engagieren.

Denn es fragt sich, warum OB und die entsprechenden Fraktionen, es überhaupt für nötig erachtet haben die Anregungs- und Beschwerderechte der Einwohner*innen rechtswidrig einzuschränken. Die Behandlung einer Anregung oder Beschwerde jede zweite bis dritte Ratssitzung sollte die Mitglieder und Mitglieder*innen nicht überfordern. Dagegen könnte es vielmehr so sein, als wollten Oberbürgermeister Eiskirch und manche Fraktionen mit unliebsamen Anregungen und Beschwerden, die ihren politischen Ansichten entgegen stehen, nicht konfrontiert werden. Es fehlt offenbar an Kritikfähigkeit. Es scheint so, als hinge so manche/r noch in einem Politikverständnis aus den 50er-Jahren fest, wo die von der Verwaltung ausgearbeiteten Beschlussvorlagen ohne echte Diskussion im Rat von der immer wieder gleichen Mehrheitsfraktion durchgewunken wurden.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Stadtgesellschaft und die politische Landschaft in Bochum jedoch erheblich verändert Die Politik ist pluralistischer geworden, mittlerweile sitzen statt nur drei Fraktionen acht im Stadtrat, immer mehr Menschen und Initiativen wollen direkt an Entscheidungen über das Leben in ihrer Stadt beteiligt werden und darauf Einfluss nehmen. Diesen Ansprüchen wird man nicht gerecht, in dem man versucht die Beteiligungsrechte der Einwohner*innen in unzulässiger Weise einzuschränken oder man meint, statt echter Bürgerbeteiligung würde eine alibimäßige Beteiligung der Menschen ausreichen, wie das z.B. bei der Trassenfindung zum Radschnellweg geschehen ist (RS1-Trassensuchshow).

Die rechtswidrige Einschränkung von Bürgerbeteiligung war also kein handwerklicher Fehler von Oberbürgermeister und Verwaltung, sie ist Folge einer in der Bochumer Politik leider immer noch weit verbreiten Geisteshaltung, die echte Bürgerbeteiligung als lästig und überflüssig ansieht.

12 Mrz

Warum es auch nach 7 Jahren keinen Innenstadt-Spielplatz gibt

Trotz ständiger Absichtserklärungen des Oberbürgermeisters und eines Ratsbeschlusses, einen Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz zu bauen, schafft es die Verwaltung seit 7 Jahren nicht, das Vorhaben umsetzen. Woran liegt es? Unwille, Unfähigkeit? Die STADTGESTALTER haben Akteneinsicht genommen, um das aufzuklären.

Moderne, lebenswerte Innenstädte aber auch Einkaufszentren punkten mit attraktiven Spielplätzen, die besonders Familien mit Kindern zu den Einkaufsmeilen locken. Die Kinder bekommen die Eltern besser von einem Einkaufstag überzeugt, wenn sie ihnen versprechen können, dass es danach noch auf einen tollen City-Spielplatz geht. 2016 schien es schon so, als hätte man das auch in Bochum verstanden, doch bis heute, 7 Jahre später, ist ein solcher Innenstadt-Spielplatz immer noch nicht in Sicht.

Die Vorgeschichte 2016-2023

2016 – Schon vor 7 Jahren schlugen die STADTGESTALTER einen Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz vor (Innenstädte sollen neue Spielplätze erhalten). Ein Antrag, der für die Bochumer wie die Wattenscheider City eine familienfreundliche Gestaltung sowie zeitgemäße und interaktive Spielplätze vorsah, wurde von STADTGESTALTERn und FDP zum 18.02.16 in den Rat eingebraucht (Vorgang 20160325). Im Ausschuss für Strukturentwicklung erklärte der Oberbürgermeister, die Verwaltung sei bereits an entsprechenden Planungen dran und würde diese bald vorstellen. Er bat daher den Antrag zurückzustellen. Im Vertrauen auf die Worte des OB kamen die Antragsteller dieser Bitte nach.

Spielplatz Kuhhirtenplatz, STADTGESTALTER 2016

    2018 – Doch bis 2018 tat sich nichts. Also stellten STADTGESTALTER und FDP den Antrag in aktualisierter Form am 07.06.2018 erneut (Vorgang 20181424). Dieses Mal erklärte die Verwaltung jetzt sei man an entsprechenden Planungen im Rahmen des gerade in Bearbeitung befindlichen Entwicklungskonzeptes für die Innenstadt (ISEK-Innenstadt) dran und könnte diese in Kürze vorstellen. Erneut vertrauten die Antragsteller auf die Worte der Verwaltung und nahmen den Antrag zurück.

    2019 – in diesem Jahr wurde das ISEK Innenstadt vorgestellt, doch entgegen den Ankündigungen der Verwaltung kommt in dem Konzept die Anlage eines Innenstadt-Spielplatzes nicht vor. Es ist lediglich davon die Rede, dass man bis 2025 ein Konzept “Begrünte und bespielbare Innenstadt“ entwickeln wolle (Maßnahme C1).

    Diesmal ergriff die CDU die Initiative und stellte zur Ratssitzung am 12.12.19 den Antrag einen Innenstadt-Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz zu schaffen (Vorgang 20193683). Der Rat stimmte dem einstimmig zu und beauftragte die Verwaltung einen Gestaltungs- und Finanzierungvorschlag auszuarbeiten und diesen den politischen Gremien zur Beratung vorzulegen. Den hat die Verwaltung jedoch bis heute weder erarbeitet noch vorgelegt.

    2022 – Im Rahmen der Beratungen zu einem weiteren Antrag der CDU, in der Innenstadt einen betreuten Spielplatz in der Bochumer Innenstadt einzurichten (Vorgang 20221605), erklärt der Oberbürgermeister, dass es einen Innenstadt-Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz geben werde und die Planungen dazu bereits aufgenommen worden seien (Rats-TV zur Ratssitzung am 21.06.22).

    2023 – Die Verwaltung beantwortet eine Anfrage der CDU, wieweit denn jetzt die Planungen zum Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz gediehen seien (Mitteilung 20230015). Tenor, man prüfe noch die Möglichkeiten zum Umbau des Platzes, es gäbe noch keine Ergebnisse und man wisse auch noch nicht, wie lange man noch brauchen werde.

    Wie so häufig in Bochum wurde also jahrelang viel über das Projekt Innenstadt-Spielplatz gesprochen, viel angekündigt, zugesichert und erklärt, was die Verwaltung angeblich schon tue, nur real gebaut wurde in 7 Jahren nichts.

    Die Akteneinsicht

    Also beantragten die STADTGESTALTER im Februar 2022 Akteneinsicht, um zu klären, was die Verwaltung in Sachen Innenstadt-Spielplatz tatsächlich seit 2016 unternommen hat. Die Verwaltung antwortete, die Bereitstellung der Akten würde etwas Zeit in Anspruch nehmen, da alle Vorgänge seit 2016 bereitgestellt werden müssten.

    Am 08.03.23 konnten die Akten eingesehen werden. Drei schmale Leitzorder wurden vorgelegt. Der erste beinhaltete die Vorgänge zum temporären Spielplatz am Kuhhirtenplatz 2021 und 2022, der zweite die Vorgänge zu Spielplätzen für politische Gremien (u.a. Spielleitplanung), die alle auch im Ratsinformationssystem zu finden sind. Nur der dritte dünne Ordner befasste sich mit den Planungen zur Anlage eines Spielplatzes in der Innenstadt, genauer dem auf dem Kuhhirtenplatz. Dieser Ordner beginnt mit dem Antrag der CDU vom 12.12.19 einen Innenstadt-Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz zu schaffen. Bemühungen oder Planungen zu einem Innenstadt-Spielplatz vor diesem Antrag, gab es gemäß Aktenlage nicht. Entsprechende Aussagen des Oberbürgermeisters und der Verwaltung aus 2016 und 2018 waren somit falsch. Die Politik wurde hinters Licht geführt, um sie zu bewegen diesbezügliche Anträge zurückzustellen.

    Das nächste und zweite Blatt in der Akte ist der Antrag der CDU vom Juni 2022, in der Bochumer Innenstadt einen betreuten Spielplatz einzurichten. Auch in der Zeit bis zu diesem Antrag (Dezember 2019 bis Juni 2022) hat sich die Verwaltung gemäß Aktenlage, anders als der OB es in der Ratssitzung am 21.06.22 vorzugeben versucht hatte, in keiner Weise mit Planungen zum Kuhhirtenspielplatz beschäftigt. Es stellt sich die Frage, haben Oberbürgermeister und Stadtbaurat den Beschluss zur Schaffung eines Innenstadt-Spielplatzes auf dem Kuhhirtenplatz aus der Ratssitzung am 12.12.19 absichtlich unter den Tisch fallen lassen, ggf. weil ihn nicht SPD und Grüne gestellt hatten, sondern die CDU, oder war Organisationsversagen im Dezernat des Stadtbaurats die Ursache, wo man den Überblick verloren hat, welche Beschlüsse des Rates noch umzusetzen sind?

    Der Akte ist jedenfalls zu entnehmen, dass erst nach dem erneuten Antrag der CDU im Juni 2022 die Planungen für den Spielplatz am Kuhhirtenplatz aufgenommen wurden. Allerdings enthält die vorgelegte Akte weder einen Arbeitsauftrag, noch einen Projektzeitplan oder einen Katalog von Aufgaben und Maßnahmen, in welchem Zeitrahmen mit welcher Fragestellung, wer in der Verwaltung welche Aufgabe abzuarbeiten hat. Offenbar wurde eine Mitarbeiterin beauftragt, sich mal zu den Planungen Gedanken zu machen, die erforderlichen Platzpläne zu besorgen, mit Veranstaltungsakteuren zu reden und erste – durchaus spannende – Planungsideen zu entwickeln und diese mit Spielgeräte-. und Sitzmobiliarherstellern abzuklären. Dass es ein durchdachtes Projekt zur Schaffung des Innenstadt-Spielplatzes bis zu einem festgelegten Datum x, gibt, ist der Akte jedoch nicht zu entnehmen. Auch war die Akte in keiner Weise vollständig, sondern stark lückenhaft und folgerichtig auch entgegen der rechtlichen Vorgaben nicht paginiert (mit fortlaufenden Seitenzahlen versehen). U.a. fehlten Vorgänge, aus denen sich andere Vorgänge ergeben haben müssen, zudem Besprechungsprotokolle von offenbar durchgeführten Besprechungen und Vermerke zu Absprachen, wie bestimmte Vorgänge zu behandeln sind. Es hatte sehr den Anschein als wäre die Akte extra für die Akteneinsicht zusammengestellt worden.

    Letztlich bestätigt die Akteneinsicht den Verdacht, dass Aussagen von Oberbürgermeister und Verwaltung, wieweit man sich mit Angelegenheiten schon beschäftigt hat, grundsätzlich nicht zu trauen ist und dass im Dezernat des Stadtbaurats Beschlüsse des Rates nicht systematisch, sondern nach Gutdünken abgearbeitet werden. Ob dies absichtlich so geschieht oder in Folge schlechter Organisation, mag dahinstehen, beides ist inakzeptabel.

    Folgerungen und Konsequenzen

    Die Angelegenheit zeigt, wie wichtig es wäre, dass die Stadt ein Umsetzungsregister führt, in dem die Verwaltung mindestens jährlich zu berichten hat, wie weit die Umsetzung der Beschlüsse des Rates fortgeschritten ist (Bochum fehlt Umsetzungsregister für Beschlüsse des Rates und der Bezirksvertretungen). Ein solches Register hatten die STADTGESTALTER im Mai 2022 im Rat vorgeschlagen. Der Antrag wurde jedoch von SPD und Grünen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt, die Koalitionsparteien waren nicht bereit diese wichtige Voraussetzung für eine ordnungsgemäße politische Kontrolle der Verwaltung zu schaffen.

    Nachdem schon im Rahmen der Akteneinsicht zur Trassenführung des Radschnellwegs schwere Defizite bei der Verwaltungsarbeit offensichtlich wurden (Akteneinsicht: Verwaltung “lenkt” große RS1-Trassensuchshow zum gewünschten Ergebnis) bestätigt die Akteneinsicht zum Innenstadt-Spielplatz, dass eine deutlich verstärkte Kontrolle der Verwaltungsabläufe durch die Ratsmitglieder erforderlich ist. Die STADTGSTALTER haben sich daher vorgenommen systematisch weitere Verwaltungsvorgänge mittels Einsicht in die Akten zu beleuchten. Zu hoffen ist, dass andere Fraktionen in gleicher Weise vorgehen, um aufzuklären, was in der Verwaltung falsch läuft, warum die Realisierung von Beschlüssen häufig endlos dauert (Stadtverwaltung – viel zu oft viel zu langsam) und in nicht wenigen Fällen dann nicht mal überzeugen kann (Radverkehrskonzept ist kaum zu gebrauchen).

    15 Jan

    Verwaltung wird immer teurer, Geld fehlt für Zukunftsinvestitionen

    Im Zeitraum von 2015 bis 2024 werden die Kosten der Verwaltung um 120,4 Mio. Euro steigen. Das sind pro Einwohner*in 331 Euro mehr im Jahr. Die Zahl der Stellen wächst um 900. Das Geld für die Verwaltung fehlt im Stadthaushalt für Zukunftsinvestitionen. In anderen Großstädten kostet die Verwaltung deutlich weniger.

    Seit Thomas Eiskirch (SPD) Oberbürgermeister ist, wurde immer mehr städtisches Geld in die Stadtverwaltung gepumpt, das für Investitionen in Schulen, Klimaschutz, Stadtgestaltung, moderne Mobilität, KiTa-Plätze usw. fehlt. Seit 2015 explodieren die Kosten der Verwaltung. 2024, wird der städtische Personalaufwand um 38% gegenüber 2015 gestiegen sein. Die Zahl der Vollzeitstellen wird dann in nur 10 Jahren um 900 angewachsen sein. Das sind 18% mehr Stellen als 2015. Statt 313,5 Mio. Euro sollen in Bochum 2024 433,9 Mio. Euro für das Personal der städtischen Verwaltung ausgeben werden. Somit steigt der Personalaufwand in einem Jahrzehnt um 120,4 Mio. Dabei sind in der Personalkostensteigerung die Mehrkosten für Büros, EDV- und sonstige Ausstattung, die für 900 neue Beschäftigte benötigt werden, noch gar nicht enthalten.

    Entwicklung Personalaufwand und Stellenzahl

      Betrugen die jährlichen Kosten der Verwaltung pro Einwohner und Einwohnerin 2015 noch rund 860 Euro, werden es 2024 fast 1.200 Euro sein (+38%). Auch der Anteil der Personalaufwendungen an den gesamten Aufwendungen der Stadt stieg leicht von 25% auf 26%.

      Immer mehr Personal und Kosten, aber kaum Leistungssteigerung bei der Verwaltung

      Trotz stagnierender Einwohnerzahl und Digitalisierung, benötigt die Stadt immer mehr Personal um ihre Aufgaben zu erfüllen. Sicher muss die Stadt 2024 mehr Aufgaben bewältigen als noch 2015., die Explosion von Personalkosten und Stellen rechtfertigt das jedoch nicht. Bei der massiven Steigerung der Kosten sollten die Einwohner*innen zudem erwarten können, dass sich Leistung und Geschwindigkeit der Verwaltungsarbeit in gleichem Maß erhöhen wie die zusätzlichen Kosten. Das ist allerdings nicht festzustellen.

      Die Verwaltung kann ihre eigenen Zeitplanungen immer öfter nicht einhalten (Stadtverwaltung – viel zu oft viel zu langsam), erhebliche Verzögerungen von Projekten und Bearbeitungen sind mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme (Städtische Bauprojekte im Schnitt 0,8 Mio. teurer sowie 1 Jahr und 3 Monate später fertig als geplant).

      Seit Jahrzehnten rechtfertigt die Verwaltung massive Defizite bei der zeitlichen Umsetzung von Ratsbeschlüssen reflexartig mit Personalmangel. Bei der Realisierung des Radwegekonzeptes und Radinfrastrukturprojekten zum Beispiel schon seit nunmehr 23 Jahren (seit 1999, Trauriges Jubiläum – 20 Jahre Radkonzept, kaum Zählbares passiert). Angesichts der erheblichen Zunahme an Stellen, sind solche Rechtfertigungen jedoch mittlerweile unglaubwürdig. Entweder handelt es sich um Ausreden oder die Verwaltung war trotz des massiven Stellenzuwachses in 23 Jahren unfähig eine effiziente Abarbeitung entsprechender Ratsbeschlüsse zu organisieren.

      Auch der Personalmangel im Ausländerbüro (Zustände im Ausländerbüro sind seit drei Jahren untragbar) ist angesichts der erheblichen Stellenzunahme gerade in den letzten Jahren nicht durch zu wenig Personal zu erklären, die Ursache scheint vielmehr darin zu liegen, dass zusätzliches Personal nicht dort zum Einsatz kommt, wo es dringend erforderlich wäre.

      Kalkulation von Personalaufwand und Stellenzahl

      Um die Entwicklung von Personalaufwand und Stellenzahl seit 2015 zu betrachten, müssen in Bochum drei Bereiche berücksichtigt werden: Die Verwaltung selbst, die Zentralen Dienste, in die wesentliche Dienstleistungen der Verwaltung ausgegliedert wurden und die Wasserwelten GmbH, in die ab 2018 der Betrieb der städtischen Bäder der Stadt ausgelagert wurde.

      Personalaufwand, Verwaltung Bochum

        Ein erheblicher Personalzuwachs wie eine deutliche Zunahme der Personalkosten ist sowohl bei der Verwaltung wie den Zentralen Diensten festzustellen. Das für den Betrieb der städtischen Bäder erforderliche Personal wurde 2018 von den Wasserwelten übernommen, wird aber noch im städtischen Stellenplan 2018/19 aufgeführt, weshalb bei der vorliegenden Kalkulation die Stellen bei den Wasserwelten erst ab 2020 berücksichtigt werden. Aus den Wirtschaftsplänen der Wasserwelten geht nicht hervor, ob sich die Stellenzahl dort seit 2018 verändert hat, sie wurde daher ab 2018 unverändert fortgeführt.

        Stellenzahl, Verwaltung Bochum

          Die bei den Zentralen Diensten beschäftigten Beamten werden weiterhin im städtischen Stellenplan aufgelistet und wurden in der vorliegenden Kalkulation daher nicht bei den Stellen der Zentralen Dienste eingerechnet.

          Immer wieder werden Stellen zwischen Verwaltung und Zentralen Diensten hin und her geschoben, insbesondere 2019 und 2023, so dass der Stellenplan der Verwaltung für sich gesehen hinsichtlich der Entwicklung der Stellenzahl der gesamten Verwaltung nicht aussagekräftig ist. Bis 2017 wurden in den Daten zum Haushalt die Personalaufwendungen noch ohne Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen ausgewiesen, folgerichtig wurden die Daten für die Jahre 2015 bis 2017 um die entsprechenden Versorgungsaufwendungen erhöht.

          Die Hinweise zur vorliegenden Kalkulation zeigen, die Entwicklung von städtischen Personalausgaben und deren Entwicklung ist intransparent und für die Bürger*innen nicht nachvollziehbar. Das sollte für die Zukunft geändert werden.

          Die sich massiv erhöhenden Personalkosten gehen einher mit einer stark sinkenden Investitionstätigkeit der Stadt. Sind im Stadthaushalt für 2023 noch 292 Mio. Euro für Investitionen eingeplant, sind es 2027 nur noch 121 Mio. (Abnahme: -171 Mio. Euro, -41%). Das Geld das mehr für die Verwaltung ausgegeben wird fehlt bei den Investitionen in die Zukunft der Stadt.

          Geplante Investitionen, Stadt Bochum, Auszug Präsentation zur Einbringung des Haushalts 2023/24

            Spitzenplatz bei den Personalkosten für Bochum

            Vergleicht man die Kosten für das städtische Personal mit den Personalaufwendungen anderer Großstädte, sieht man, es geht auch deutlich günstiger. Bezogen auf das Jahr 2020, belegt Bochum bei den Personalaufwendungen pro Kopf der 10 größten Städte von NRW den Spitzenplatz. Beachtet werden muss allerdings, dass auch bei einigen anderen Städten Verwaltungspersonal in städtische Eigenbetriebe ausgegliedert und daher in den Stellenplänen der Verwaltung nicht ausgewiesen wird. Eine Ausgliederung von zentralen Verwaltungsstellen in der Größenordnung wie in Bochum mittels der Zentralen Dienste ist in anderen Städten allerdings nicht festzustellen.

            Städtevergleich Peronalaufwand

              Betrachtet man bei den Großstädten, deren Personalkosten 2020 unter 1.000 Euro pro Einwohner/in lagen, die geplanten Personalausgaben für 2024, dann liegen diese zwischen 144 und 294 Euro pro Kopf und Jahr niedriger als die in Bochum. Es sollte in Bochum also ebenfalls möglich sein den Personalaufwand um 125 bis 250 Euro pro Einwohner/in und Jahr zu senken. Das würde eine Ersparnis im Haushalt von 45 bis 90 Mio. Euro im Jahr bedeuten. Dieses Geld stünde dann jedes Jahr zusätzlich bereit, um es in z.B. Schulen, Bildung, KiTa-Plätze, Stadtgestaltung, Mobilitätswende und andere Dinge zu investieren.

              Verwaltungsreform unumgänglich

              Um die ausufernden städtischen Personalaufwendungen zu senken, bedarf es dringend einer grundlegenden Verwaltungsreform, bei der alle Verwaltungsabläufe untersucht und optimiert werden. Mängel in der Verwaltungsorganisation durch immer mehr Personal lösen zu wollen, funktioniert nicht. Wie sich In Bochum zeigt, werden die Verwaltungsabläufe trotz immer mehr Beschäftigter nicht kürzer, sondern immer länger.

              Die Lösung ist also nicht mehr Personal, stattdessen müssen die Verwaltungsabläufe effektiver werden. Personal muss da bevorzugt eingesetzt werden, wo es erforderlich ist. Wie die Explosion von Personalaufwand und Stellen zeigt, kann die Verwaltung eine entsprechende Verwaltungsreform nicht selbst stemmen. Die Potentiale für Effizienzsteigerungen müssen durch unabhängige externe Berater*innen untersucht und aufgezeigt werden.

              Erst die Bedürfnisse der Einwohner*innen, dann die Wünsche der Verwaltung

              Auch muss sich die Haltung der Politik ändern. Primäre Aufgabe der Politik ist nicht das Wohlergehen der Verwaltung sicher zu stellen und deren Wünschen nach mehr Beschäftigten und möglichst wenig Veränderungen der Organisationsabläufe nachzukommen. Vielmehr ist es Aufgabe der Politik sicher zu stellen, dass die Verwaltung so organisiert ist, dass sie den Bedürfnissen der Einwohner*innen hinsichtlich schneller und effizienter Bearbeitung ihrer Anliegen bei möglichst geringen Kosten gerecht wird. Dass dabei die Rechte und Bedürfnisse der Beschäftigten der Verwaltung ebenfalls hinreichend berücksichtigt werden müssen. ist selbstverständlich. Dass aber z.B. eine grundlegende Verwaltungsreform scheitert, weil die Verwaltung systematische Untersuchungen der Abläufe durch externe Berater*innen ablehnt, darf kein Hinderungsgrund sein, diese im Sinne der Einwohner*innen gleichwohl durchzuführen.

              Bochum ist vom Ziel Vorreiterin modernen Stadtmanagements zu sein weit entfernt

              Wesentliches Ziel der von Oberbürgermeister Eiskirch initiierten Bochum Strategie ist, Bochum soll Vorreiterin modernen Stadtmanagements werden (Vorreiterin modernen Stadtmanagements, Zielbild 2030:). Dazu gehört eine effiziente, schnelle Verwaltung. Explodierende Personalkosten und ausufernde Stellenzahlen sind hingegen kein Kennzeichen für modernes Stadtmanagement. Der Oberbürgermeister ist Chef der Verwaltung, bisher sieht es nicht so aus, als sei es ihm möglich das selbst gesetzte Ziel zu erreichen.

              11 Dez

              Der erhoffte nachhaltige Aufschwung bleibt aus

              Nach dem Ende der Ära Ottilie Scholz wollte Bochum sich aufmachen, um den Rückstand zu anderen deutschen und europäischen Großstädten wett zu machen. Doch die Erwartungen werden enttäuscht. Für grundlegende Veränderungen fehlt es an Mut, die Verwaltung ist zu langsam, dem Oberbürgermeister fehlt die Souveränität nötige Entscheidungen durchzusetzen.

              Sieben Jahre nach Amtsantritt von Thomas Eiskirch als Oberbürgermeister steht kein einziges großes Infrastrukturprojekt in Bochum vor der Fertigstellung. Eine grundlegende Reform der Verwaltung ist nicht in Sicht. In Sachen Mobilitäts- und Energiewende sowie Klimaschutz wurden viele schöne Sonntagsreden gehalten, real passiert ist aber kaum Nennenswertes. Der Oberbürgermeister und seine rot-grüne Koalition sind weder in der Lage die erforderlichen grundlegenden Veränderungen für die Stadt auf den Weg zu bringen noch sie umzusetzen.

              Dürftige Bilanz

              In wichtigen Bereichen der Stadtentwicklung wird der nötige Richtungswechsel weiter ausgesessen. Es gibt keine nennenswerten Projekte zum Ausbau des Nahverkehrsnetzes. Beim Ausbau des Radverkehrsnetzes tut sich nichts Grundlegendes, dafür werden Nichtigkeiten hemmungslos aufgeblasen, die in anderen Städten nicht mal eine Erwähnung in der Presse wert wären. So ist sich der Stadtbaurat nicht zu schade mit großem Pressetermin 500 Meter Fahrradstraße, als großen Schritt bei der Verlängerung des Radschnellweges abzufeiern (Radschnellweg Ruhr RS1: Stadt eröffnet weiteren Abschnitt an der Unteren Stahlindustrie).

              Auch bei der Stadtentwicklung ist nichts Greifbares in Sicht. Kein Gebäude und kein städtischer Platz von Format wird bis zum Ende der Wahlperiode 2025 fertiggestellt sein. Auch mit neuer Vonovia-Hauptverwaltung, City-Tower, Sparkassengebäude am Dr.-Ruer-Platz kann die Stadt keine neuen Impulse setzen (City-Tower – Vom architektonischen Highlight zum trostlosen Klotz). Wichtige Chancen werden vertan. Belanglosigkeit statt Unverwechselbarkeit scheint weiterhin das Leitbild Bochumer Architektur zu sein.

              Bei den Stadtentwicklungsprojekten (ISEK) in Wattenscheid, Hamme, Langendreer/Werne und Innenstadt tut sich neben Fassadenprogramm, der Finanzierung der Stadtteilbüros und der Neugestaltung nicht mal einer Hand voll Schulhöfe und Spielplätze kaum mehr was. Die Stadt ist nicht bereit eigene Projekte voll zu finanzieren. Die Fördergelder vom Land fließen nur noch tröpfchenweise. So können die Ziele des sozialen Stadtumbaus in den entsprechenden Stadtteilen sowie die dringend erforderliche Verbesserung des Stadtbildes nicht erreicht werden.

              Nicht ein einziger bedeutender Stadtplatz konnte in den sieben Jahren der Ära Eiskirch zeitgemäß umgestaltet werden. Husemannplatz und August-Bebel-Platz werden erst nach 2025 fertig. Aber auch zwei dann hoffentlich ansprechend gestaltete Plätze, gegenüber über hundert weiterhin trostlosen, fallen kaum ins Gewicht (Ranking der Stadtplätze).

              Ein paar wenige neue Pocketparks und das Urban Green am Hausacker sowie die Pflanzung von mehr Bäumen reichen lange nicht aus, um Bochum endlich ein zeitgemäßes, modernes und grünes Stadtbild zu geben.

              Die Projekte des Handlungskonzepts Wohnen scheitern immer öfter am Widerstand der Menschen, die den Zubau von noch mehr Grün- und Naturflächen ablehnen und dafür eine Zunahme des Wohnungsbaus im Bestand fordern. Womit sich aber die Verwaltung mit ihrer trägen Organisationsstruktur überaus schwertut.

              Das SmartCity-Projekt hört sich gut an, bildet aber in weiten Bereichen nur das ab, was in Sachen Digitalisierung ohnehin schon lange üblich sein sollte. Das Bochum Gigabit-City wird war ein schnell verpuffter Werbegag. Wie desaströs es wirklich um die Digitalisierung der Stadt steht, zeigte sich in der Corana-Krise (Corona-Krise legt digitale Defizite der Stadt offen). Auch 2022 verfügen immer noch nicht alle Schulen über einen Glasfaseranschluss und schnelles Internet.

              Statt die Ursachen der strukturell sich verfestigenden Armut in der Stadt anzugehen, beschränkt sich die Stadt weiterhin darauf die Armut zu verwalten. Im Wahlkampf wollte der OB noch den Stock in die Speiche bekommen und das Armutsproblem von der Wurzel her angehen. In der Realität wurde dazu jedoch bisher keine wirksame Maßnahme auf den Weg gebracht.

              In Schule und Bildung investiert die Stadt weiterhin nur dann, wenn entsprechende Maßnahmen zum Großteil aus Fördermitteln von Land und Bund finanziert werden. Die Bereitschaft, als Stadt aus eigenen Mitteln die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Schülerinnen und Schüler ihre Potentiale voll ausschöpfen und den maximalen Bildungserfolg erreichen können, besteht nicht.

              Die Bochum-Strategie, eigentlich eine gute Idee des Oberbürgermeisters, kann einige kleine Erfolge vorweisen, zum Beispiel den Aufbau der Ehrenamtsagentur, die über den Bochum-Fonds finanzierten Projekte oder das Rathausclubbing Doch das ist viel zu wenig. Die erhofften Leitprojekte, mit der die Stadt in den nächsten 10-20 Jahren den Rückstand zur Entwicklung moderner Großstädte aufholen soll, bietet die Bochum-Strategie nicht. Sie verliert sich in Kleinstprojekten mit sehr begrenzter Wirkung auf die Gesamtsituation.

              Einziges echtes Vorreiterprojekt der Stadt ist das Haus des Wissens (Haus des Wissens – Viele Ideen der STADTGESTALTER werden Realität), das zwar nicht auf einer Idee des Oberbürgermeisters basiert, dass er aber mit großem Engagement voran treibt. Schade nur, dass die Verwaltung mit Planung und Bau überfordert scheint. Statt 90 Mio. Euro soll das Projekt jetzt 164 Mio. verschlingen und 3 Jahre später fertig werden als geplant. Die Kosten- und Zeitplanung ist völlig aus dem Ruder gelaufen.

              Die aktuell größten in der Umsetzung befindlichen städtebaulichen Entwicklungsprojekte der Stadt, die Wohnbebauung Ostpark und Mark 51°7 sind beide erfolgreich, wurden aber schon unter Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz auf den Weg gebracht. Mit Fördergeldern von jenseits der 90 Mio. ist es allerdings nicht schwer für die alten Opelflächen neue attraktive Unternehmen und Einrichtungen zu gewinnen. Statt der von Ruhr-Universität und Unternehmen gewünschten Seilbahnanbindung, will die Verwaltung vom BUR-Campus zum neuen Innovationsquartier auf Mark 51°7 ein Anrufsammeltaxi einrichten. Auch bei diesem Projekt vergibt die Stadt die Chance sich als innovativ und zukunftsgewandt zu präsentieren, sondern kommt provinziell, unambitioniert daher.

              Es fehlt an Mut

              Dieses Beispiel zeigt, dass der Stadt immer wieder der Mut fehlt, um Vorreiter in Sachen Stadtentwicklung zu werden. Der Oberbürgermeister traut sich weder der Stadt ein modernes Verkehrskonzept zu verordnen noch Stadtentwicklungsprojekte mit überregionaler Ausstrahlungskraft anzugehen oder die Stadtverwaltung grundlegend zu reformieren. Auch dafür, den Parteifreuenden in Land und Bund öffentlich klar und deutlich die Meinung zu sagen, dort wo sie die Stadt bei den Finanzen, den Schulen oder der sonstigen öffentlichen Infrastruktur im Stich lassen, ist er nicht bekannt.

              Vorreiterstädte zeichnet aus, dass sie heute schon tun, was andere Städte erst in 10 Jahren nachmachen. Das geht nicht ohne den Mut, auch mal etwas zu tun, was nicht schon hunderte Städte erfolgreich jahrelang erprobt haben. Auf der einen Seite hätte die Stadt schon gerne vorzeigbare Landmarken, andererseits findet man sich mit belangloser, allenfalls mittelmäßiger Architektur ab. Man will die Energiewende, aber statt sich mit Agrothermie, schwimmenden PV-Anlagen oder Solartrackern vor Ort in Bochum zu beschäftigen, sollen sich die Stadtwerke lieber an PV- und Windkraftanlagen irgendwo anders in Deutschland beteiligen. Während über Jahre erfolgreiche Bürgermeister wie Boris Palmer, Daniel Zimmermann oder Anne Hidalgo für grundlegende zukunftsweisende Stadtprojekte stehen, diese umsetzen und dann mit den sichtbaren Erfolgen punkten, steht Eiskirch 2025 mit leeren Händen da. Das ständige Posten von Bildern seiner Person, auf denen er einen Baum pflanzt, ein Band durchschneidet oder einen Spaten in die Kamera hält, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihm bisher der Mut fehlt grundlegende Stadtentwicklungsprojekte durchzusetzen und anzugehen.

              Zu langsame Verwaltung

              Anspruchsvolle zukunftsweisende Projekte lassen sich allerdings nur mit einer effizient arbeitenden Verwaltung umsetzen. Davon ist die Bochumer Verwaltung weit entfernt. Stattdessen fällt sie immer wieder durch gepflegte Langsamkeit und provokante Behäbigkeit auf (Stadtverwaltung – viel zu oft viel zu langsam). Brauchen andere Städte für die Erstellung von Konzepten Monate, sind es in Bochum Jahre, siehe z.B. Klimaschutz- oder Radverkehrskonzept. Das gleiche gilt für Planungen wie z.B. August-Bebel-Platz oder Radschnellweg Ruhr. Die Summe der Terminüberschreitungen bei den aktuellen Bauprojekten der Stadt beträgt sagenhafte 125 Jahre. In Bochum werden städtische Bauprojekte im Durchschnitt 1 Jahr und 3 Monate später fertig als geplant (Städtische Bauprojekte im Schnitt 0,8 Mio. teurer sowie 1 Jahr und 3 Monate später fertig als geplant). Zwar wird der Etat für das städtische Personal von 2014 bis 2024 um fast 100 Mio. steigen, schneller und effektiver wird die Verwaltung dadurch aber nicht.

              In kurzer Frist den Anforderungen des Klimanotstands gerecht zu werden und die eklatanten Rückstand auf moderne Städte bei der Stadtentwicklung aufholen kann nur mit hohem Tempo bei Planung und Realisierung der entsprechenden Projekte gelingen, das sollte auch Politik und OB bewusst sein. Trotz der unübersehbaren Dringlichkeit die Versäumnisse der Vergangenheit schnell aufzuarbeiten, ist seitens der Verwaltung keine Bereitschaft zu erkennen die Arbeitsgeschwindigkeit auf das nötige Maß zu erhöhen. Dem Oberbürgermeister fehlt auch hier der Mut die schon lange überfällige Reform der Verwaltung durchzusetzen, um die notwendige Beschleunigung der Verwaltungsabläufe zu bewirken.

              Fehlende Souveränität

              Die Umsetzung vieler zukunftsweisender Projekte und Ideen scheitert zudem daran, dass es dem OB neben Mut an Souveränität mangelt. Überall sieht er bei Projekten die Risiken des Scheiterns, ist zutiefst misstrauisch wie Projekte aufgenommen und wie diese bei den städtischen Beschäftigten, Politik und Bürger*innen ankommen könnten. Zu oft fehlt das Selbstvertrauen, Dinge, die er für nötig hält und von denen er überzeugt ist, mit seiner Person zu verknüpfen, diese auch gegen Widerstände offensiv durchzusetzen, um schließlich mit ihrem Erfolg persönlich punkten zu können.

              Scheinbar wird der OB beständig von der Angst verfolgt, Vorschläge und Ideen, die nicht aus den beiden Parteien kommen, die ihn aufgestellt haben, könnten bei erfolgreicher Umsetzung SPD und Grüne Wählerstimmen kosten. Also werden diese samt und sonders aus rein wahltaktischen Gründen abgelehnt und jede Diskussion darüber aktiv vermieden. Diese irrationale Unsicherheit führt sogar soweit, dass Stadt und OB versuchen auf private Akteure Einfluss zu nehmen, indem sie die Teilnahme von Vertreter*innen der Stadt an Veranstaltungen oder Projekten davon abhängig machen, dass z.B. Vertreter*innen der STADTGESTALTER zuvor wieder ausgeladen werden.

              Die mangelnde Souveränität in der Art und Weise mit Vorschlägen anderer umzugehen, zeigt sich auch in den Ratssitzungen, in denen man beobachten kann wie der OB versucht, immer dann, wenn Argumente gegen die Annahme eines Antrags der Opposition fehlen, die Diskussionen abzuwürgen, oder erst gar nicht erst entstehen zu lassen. Der Versuch vortragende Personen wenig souverän lächerlich zu machen, ist eine weitere Unart, die den Eindruck erweckt, es ginge ihm nicht um die Stadt, sondern allein um den Wahlerfolg im Wahljahr 2025.

              Souveränen Bürgermeister*innen gelingt es Ideen und Vorschläge, unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit der Ideengeber aufzunehmen und sich mit dem Vorantreiben der Realisierung selbst zu profilieren. Sie machen den Erfolg von umgesetzten Vorschlägen zu ihrem Erfolg und präsentieren sich als unabhängige/r nur am Wohl der Stadt interessierte/r erste/r Bürger*in der Stadt.

              Trotzdem Thomas Eiskirch diese Souveränität fehlt, ist anzuerkennen, dass er derjenige ist, der in der Rot-Grünen Koalition immer wieder das Ziel vorgibt, die Stadt für die Zukunft modern aufzustellen.

              Rot-Grüne Ratsmitglieder verstehen sich als verlängerten Arm der Verwaltung

              Denn sonst ist ein politischer Gestaltungswille weder bei SPD noch Grünen zu erkennen. Diesen Part überlassen beide Fraktionen  ganz dem Oberbürgermeister. Die Ratsmitglieder beider Parteien heben dann im Rat die Hand, wenn OB und Verwaltung dies von ihnen erwarten. Die Wortmeldungen im Rat wirken oft wie von der Verwaltung vorformuliert. Die meisten rot-grünen Ratsmitglieder verstehen sich als verlängerter, politischer Arm der Verwaltung.

              Entsprechend waren nennenswerte strategische Initiativen der Rot-Grünen-Koalition bei den grünen Zukunftsthemen Mobilitäts-, Energiewende, Klima- und Umweltschutz in Bochum in den letzten über 20 Jahren nicht festzustellen und sind es auch während der laufenden Wahlperiode nicht Die Politik beider Ratsfraktionen zeichnet sich im Wesentlichen durch aufgesetzte Lobhudelei hinsichtlich der Arbeit der Verwaltung aus und die durchgehende und systematische Abweisung fast sämtlicher Initiativen und Anträge anderer Fraktionen. Folgerichtig brachte die Rot-Grüne Koalition zu den Haushaltsberatungen 2022 selbst nicht einen einzigen eigenen Vorschlag zustande, lehnte aber alle 72 Anträge anderer Fraktionen im Sinne der Verwaltung ab. Diese nur auf den eignen Vorteil bedachte  Politik ist destruktiv und schadet der Stadt.

              Nach 7 Jahren Rot-Grün unter OB Eiskirch ist festzustellen, zu einem nachhaltigen und dauerhaften Aufschwung der Stadt wird es nicht kommen, so lange weiterhin der Mut fehlt, die dafür erforderlichen Veränderungen auf den Weg zu bringen, die Offenheit und Souveränität nicht vorhanden ist Ideen und Vorschläge unabhängig davon zu verfolgen, wer die Ideengeber sind und die Verwaltung nicht in der Lage ist die entsprechenden Veränderungen unbürokratisch, schnell und konsequent umzusetzen.

              03 Apr

              Bochum fehlt Umsetzungsregister für Beschlüsse des Rates und der Bezirksvertretungen

              Viel zu viele Ratsbeschlüsse in Bochum werden zu langsam oder gar nicht umgesetzt. Es fehlt die notwendige Kontrolle und Aufsicht der Stadtverwaltung durch die Politik. Ein erster Schritt die Situation zu verbessern wäre die Einführung eines Umsetzungsregisters für Beschlüsse des Rates und der Bezirksvertretungen.

              Die vom Rat beschlossenen Maßnahmen aus den Klimaschutzkonzepten werden nur teilweise umgesetzt. So gibt es  die Smartkarte mit der ÖPNV und Mobilitätsleistungen in Anspruch genommen werden sollten und die mit dem Klimaschutzteilkonzept Verkehr 2014 beschlossen wurde, bis heute nicht. Über Schulwegpläne verfügt immer noch kaum eine Bochumer Schule, obwohl diese der Rat bereits 2010 beschlossen hat. Das Radverkehrskonzept 1999 wurde bis heute nur in Ansätzen realisiert. Immer wieder beschweren sich auch die Bezirksvertretungen, dass Beschlüsse von der Verwaltung nicht umgesetzt oder verschleppt werden. Zuletzt in Höntrop bei der Kreuzung Alte Post/Westfälische Straße (WAZ vom 28.03.22).

              Bochum braucht Umsetzungsregister für Ratsbeschlüsse

              Entsprechend beabsichtigen die STADTGESTALTER dem Rat ein Umsetzungsregister für Ratsbeschlüsse vorzuschlagen, indem jeder Ratsbeschluss eintragen wird und jährlich vermerkt, wird wie weit die Umsetzung durch die Verwaltung fortgeschritten ist.

              Keine effektive Kontrolle und Aufsicht der Stadtverwaltung durch die Politik

              Eigentlich besteht aber ein viel grundsätzlicheres Problem, es fehlt wie in vielen Gemeinden auch in Bochum eine effektive Kontrolle und Aufsicht der Stadtverwaltung durch die Politik wie diese die Gemeindeordnung vorsieht (§55 GO-NRW Kontrolle der Verwaltung). Vielmehr bestimmt viel zu oft die Verwaltung die Stadtpolitik und nicht die politischen Fraktionen im Rat und der Bezirksvertretungen. Den ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*innen fehlt häufig das Fachwissen um die Aussagen der Verwaltung kritisch hinterfragen zu können. Entsprechend werden in den Verwaltungen die politischen Gremien nicht ernst genug genommen. Millionenteure Verlustprojekte wie die Beteiligung an der STEAG oder Cross-Border-Leasing waren in Bochum nur möglich, weil es im Stadtrat an politischen Vertreter*innen mit dem zur Beurteilung solcher Projekte nötigen Sachverstand fehlte.

              Die beständig auftretenden exorbitanten Kosten- und Zeitüberschreitungen bei städtischen Bauprojekten zeigen, dass der Stadtrat nicht in der Lage ist, die Verwaltung zu einem funktionierenden Projektmanagement zu verpflichten. Immer wieder wird die Politik von der Verwaltung zum Beschluss von vermeintlich günstigen Bauprojekten verleitet, die schließlich nicht selten um ein Vielfaches teurer werden und die die Ratsmitglieder nicht beschlossen hätten, hätten sie beim Beschluss die wahren Kosten und Kostenrisiken gekannt. Auf der anderen Seite werden Kosten von der Verwaltung bewusst massiv aufgebauscht, um andere Projekte zu verhindern. Dies konnte man in Bochum zuletzt bei der Kostenschätzung für den RadEntscheid erleben (Verwaltung frisiert Kostenschätzung zum RadEntscheid). Auf diese Weise entscheidet am Ende allein die Verwaltung, was in der Stadt passiert und die Politik tut, was die Verwaltung ihr vorgibt.

              Lenkung von Ratsentscheidungen durch die Verwaltung

              Auch hat eigentlich der Rat zu entscheiden, wie beispielsweise die Ausarbeitung und Entwicklung eines Schwimmbadkonzept für die ganze Stadt inklusive Bürgerbeteiligung erfolgen soll. Tatsächlich überlässt man das in Bochum der Verwaltung, dem Oberbürgermeister und einer städtischen GmbH wie den Wasserwelten. Auf diese Weise gestaltet nicht mehr die Politik im Stadtrat den Entscheidungsablauf, sondern die Verwaltung. Die Politik wird zum bloßen Spielball in dem Verfahren, das die Verwaltung kontrolliert. Die Verwaltung trifft letztlich die wesentlichen Vorentscheidungen, insbesondere über welche Lösungsalternativen die Politik abstimmen darf und über welche nicht. Auf diese Weise wird der eigentliche Entscheidungsspielraum der Politik immer wieder unangemessen eingeschränkt.

              Ganz besonders deutlich wird diese Vorwegnahme von Entscheidungen, wenn die Verwaltung der Politik, wie etwa bei der Trassensuche zum Radschnellweg durch die Innenstadt nur noch eine einzige Lösungsvariante zum Beschluss vorlegt und damit der Politik faktisch gar keinen Entscheidungsspielraum mehr zwischen mehreren Alternativen lässt. Wenn die Verwaltung schon alle ihr nicht genehmen Lösungsvorschläge vor der Entscheidung des Rates vorab aussortiert hat, muss sie im Rat auch keine Diskussion und Entscheidung über bzw. für Varianten befürchten, die ihr nicht gefallen. In diesem besonders auffälligen Fall, z.B. Diskussionen über eine der 14 vom Gutachterbüro zwar am besten bewerteten aber von der Verwaltung vorab aus dem Entscheidungsverfahren entfernten Lösungsalternativen.

              Der Einsatz von Gutachtern um Entscheidungen zu lenken

              Dass die Verwaltung nicht politisch unabhängig agiert, zeigt sich auch, wenn sie bewusst einseitig vorbefasste Gutachter auswählt, bei denen sie von vornherein sicher sein kann, dass diese das Vorhaben in der Weise stützen, wie sich die Verwaltung das vorstellt. Will die Verwaltung ein Bürgerbegehren wegen mangelnder Zulässigkeit ablehnen, sucht sie sich keinen unabhängigen Gutachter, sondern genau den, von dem sie weiß, dass er in ähnlich gelagertem Fall bereits ein Gutachten mit gewünschtem Ergebnis, also die Unzulässigkeit festzustellen, verfasst hat. In Bochum so geschehen beim  Bürgerbegehren RadEntscheid, wo praktischer Weise der Gutachter auch noch das gleiche Parteibuch sein Eigen nannte wie Oberbürgermeister und die Mitglieder einer der beiden Mehrheitsfraktionen.

              Will die Verwaltung, dass die Politik in einer bestimmten Weise entscheidet, nutzt sie das mangelnde Fachwissen der Kommunalpolitiker*innen im Stadtrat aus und beauftragt den Gutachter, der das von ihr gewünschte Ergebnis unterstützt. Das macht es den Politiker*innen schwierig eine andere Position zu vertreten, denn selbst ein Gutachten beauftragen können die Ratsmitglieder auf die Schnelle in der Regel nicht. Mit eigenem Fachwissen die Ergebnisse der Gutachten bestreiten ist vielen aufgrund fehlender Fachkompetenzen nicht möglich.

              Verwaltung bestimmt defacto die Stadtpolitik nicht der Stadtrat

              Die Macht in den Gemeinden, also auch in Bochum, geht somit immer weniger von den Repräsentant*innen der Bürger*innen in den Stadträten aus, sondern hat sich auf die Verwaltung verlagert. Es kommt zu einer Dominanz von Verwaltung und Mehrheitsfraktionen, die vom Bundesverfassungsgericht auch als „Neuer Dualismus“ bezeichnet wird. Nicht der gesamte Stadtrat kontrolliert die Verwaltung (alter Dualismus), sondern die Mehrheitsfraktionen und die Verwaltung stehen auf der einen Seite und die Opposition auf der anderen. Bei der Mehrheitsfraktionen besteht kaum mehr Interesse die Verwaltung zu beaufsichtigen und zu kontrollieren. Nur noch die Opposition sieht dies als ihre Aufgabe. Das ist auch in Bochum festzustellen, wenn die Mehrheitsfraktionen von SPD und Grünen konsequent verhindern, dass das Rechnungsprüfungsamt den Ursachen für die massiven Kostenüberschreitungen bei Bauprojekten wie Husemannplatz oder den Kanalbauprojekten auf den Grund geht und entsprechende Anträge aus der Opposition immer wieder ablehnt.

              Verwaltung reagiert gereizt auf Kritik aus dem Stadtrat

              Gerne versucht die Verwaltung auch jede grundlegende Kritik an ihrer Arbeit zu unterbinden, in dem sie, wie der Oberbürgermeister zuletzt in der Ratssitzung vom 01.04.22, darauf verweist, dass der Rat Teil der Verwaltung sei. Entgegen der Auffassung des Oberbürgermeisters ist der Stadtrat zwar Teil der Exekutive der Gemeinde, aber nicht Teil der Verwaltung. Wie schon ausgeführt, ist es gemäß §55 GO-NRW (Kontrolle der Verwaltung) seine Aufgabe die Verwaltung zu kontrollieren und die Durchführung seiner Beschlüsse zu überwachen.

              Es mag wünschenswert sein, dass der Rat Kritik an der Verwaltung zunächst intern äußert und darauf verzichtet rechtlich gegen die Verwaltung vorzugehen. Das ist aber nur möglich, wenn die Verwaltung vom Rat beschlossenen Maßnahmen auch konsequent und zeitnah umsetzt und dem Rat Beschlüsse unvoreingenommen zur Entscheidung überlässt, ohne diese bereits in eine der Verwaltung genehme Richtung zu lenken. Sofern das regelhaft nicht passiert, ist öffentliche, scharfe Kritik ebenso gerechtfertigt wie der Gang vor Gericht, um eine rechtlich einwandfreie Behandlung von Angelegenheiten durchzusetzen. Der Verwaltung wie dem Oberbürgermeister sollte klar sein, dass die fortlaufende Negierung von Ratsbeschlüssen wie die unangemessene politische Einflussnahme der Verwaltung auf die zur Abstimmung gestellten Entscheidungsoptionen von all jenen Ratsmitgliedern als respektlos empfunden wird, die ihre Aufgaben im Rat ernst nehmen. Diese reagieren auf solches Verhalten somit auch entsprechend unmissverständlich.

              27 Mrz

              Bürgerbeteiligung in Bochum nur Alibi

              Die durchsichtige Ablehnung des RadEntscheids aufgrund angeblicher formaler Mängel, der Umgang mit den Bürger*innen bei den Schwimmbadschließungen oder den Wohnbebauungsplänen sowie die große Trassensuchshow für den Radschnellweg, zeigen, wirklich ernst nehmen Stadt und Politik in Bochum Bürgerbeteiligung nicht. Zumeist findet sie nur alibimäßig statt.

              Die Ablehnung von Bürgerbegehren aus “formalen Gründen” hat in Bochum schon Tradition. Schon die Bürgerbegehren zum Stadtbad und zum Musikzentrum wurden so abgeschmettert. Beim Bürgerbegehren zum Cross-Border-Leasing ging man noch dreister vor. Kaum waren die Unterschriften der Bürger*innen eingereicht und das Begehren als zulässig eingestuft, flog die damalige Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) nach New York, unterschrieb den Cross-Border-Leasing-Vertrag und machte damit das Bürgerbegehren unmöglich. Der geschlossene Vertrag ließ sich nicht mehr zurück nehmen. Das Bürgerbegehren war sinnlos geworden.

              Stadt will Bürgerbegehren RadEntscheid mit zweifelhaften Gutachten kippen

              Jetzt soll das Bürgerbegehren zum RadEntscheid unzulässig sein. Während die RadEntscheide in den allermeisten Städten problemlos akzeptiert wurden, begründet Bochum seine Ablehnung auf angeblichen formellen Mängel. So erklärten in Aachen, Marl, Bonn und Essen die Stadtverwaltungen und der Rat die Bürger­begehren, die dem RadEntscheid-Bochum in Form und Inhalt sehr ähnlich sind, für zulässig und nahmen sie ganz oder im Wesentlichen an. In Bochum besorgte sich die Stadtverwaltung vom SPD-Parteifreund ein Gutachten, um das Begehren aus formalen Gründen ablehnen zu können, die Grünen zogen nach, und ließen ebenfalls ein Gutachten erstellen, das, wen wundert es, zum gleichen Ergebnis kam, allerdings aus ganz anderen Gründen. Dass beide Gutachten nicht aus gleichen Gründen zu dem Schluss kommen, das Begehren sei unzulässig, wirft Fragen auf. Was der eine Gutachter für unzulässig hielt, hielt der andere für zulässig und umgekehrt, trotzdem kam man zum gewünschten Ergebnis. Inhaltlich überzeugen beide Gutachten ohnehin nicht. Die Strategie der Gutachter mit viel Matsch werfen, am Ende bleibt schon was hängen, und begründet die Unzulässigkeit ist durchsichtig, ein weiteres Rechtsgutachten aus Bochum zeigt das auf (Gutachten Zulässigkeit RadEntscheid).

              Bürger*innen schätzten Angelegenheiten besser ein als die Stadt

              Die Ablehnung der Bürgerentscheide jetzt und in der Vergangenheit sind auch deswegen kein Ruhmesblatt für die Stadt, weil sich im Nachhinein immer herausstellte, dass die Bürger*innen die Angelegenheiten besser einschätzten als Politik und Verwaltung. Der Cross-Border-Leasing-Deal scheiterte und wurde zu einem Millionen-Verlust-Geschäft für die Stadt, das neue Stadtbad konnte gerade mal 10 Jahre betrieben werden, dann musste es wegen “Wasserschaden” und weil es die Stadt nicht mit einem Euro pro Besucher*in bezuschussen wollte, geschlossen werden, Das Musikforum ist, wie es die Kritiker vorhergesagt haben zu einem Konzerthaus der Bochumer Symphoniker mit Musikschulalibi geworden, ein offenes Musikzentrum für alle, an dem jeden Tag die unterschiedlichsten Konzerte und andere Veranstaltungen zur Musik stattfinden, ist es entgegen der Versprechungen von Stadt und Politik nie geworden.

              Der RadEntscheid enthält letztlich nur Forderungen, die die Stadt ohnehin eigentlich verfolgen müsste, um die von ihr selbst beschlossenen Ziele zu erreichen. 2014 hatte die Stadt im Rahmen der Bewerbung als fußgänger- und fahrradfreundlicher Stadt den Beschluss gefasst den Radverkehr so auszubauen, dass der Anteil der Wege, die mit dem Rad zurückgelegt werden, bis 2019 um 5%P steigen soll, bis 2030 sogar um 19%P (AGFS-Bewerbung 2014). Unternommen haben die großen Redner von SPD und Grünen freilich bis heute kaum Nennenswertes um dieses Ziel zu erreichen. Der Radverkehr stieg bis 2019 um einen mageren Prozentpunkt.

              Zielbild Stadt Bochum zur Entwicklung des städtischen Mobilität, beschlossen vom Rat der Stadt 2014

              Mit dem Mund verfolgen Oberbürgermeister und die Mehrheitskoalition aus SPD und Grünen in Bochum immer große Ziele, sind aber weder Willens noch in der Lage diese zu erreichen. Die Verwaltung boykottiert seit Jahrzehnten mit ihrer provokativen Langsamkeit die Mobilitätswende, die Politik traut sich jedoch nicht die Verantwortlichen im Rathaus auf Trab zu bringen. Angesichts dessen ist es schon zynisch, wenn die Stadt in ihrer Pressemitteilung erklärt “Die Stärkung des Radverkehrs genießt aber auch bereits heute in der Stadtpolitik einen großen Stellenwert.” (Pressemitteilung der Stadt vom 21.03.22). Wenn man die selbst gesetzten Ziele nicht mal im Ansatz erreicht, dann kann diese Aussage wohl kaum wahr sein.

              Politik will verhindern, dass von ihr selbst beschlossene Ziele erreicht werden

              Absurd wird es, wenn erst die Bürger*innen mit einem Bürgerbegehren auf den Plan treten müssen, damit das Nötige von Verwaltung und Politik auf den Weg gebracht wird, um die genannten Zielsetzungen zu erfüllen, dann aber Politik und Verwaltung alles daransetzen, die Umsetzungen des Bürgerbegehrens RadEntscheid abzuwenden, um quasi aktiv zu verhindern, dass die selbst gesetzten Ziele erreicht werden. 17.000 Menschen unterschreiben dafür, dass die Stadt endlich das erfüllt, was die Politik schon lange beschlossen hat und Oberbürgermeister, SPD und Grüne haben nichts Besseres zu tun als den Bürger*innen den gehobenen Mittelfinger zu zeigen.

              Andere Städte wie u.a. Aachen, Marl, Bonn und Essen haben  haben sich dagegen fair verhalten. Sie haben erkannt, sie müssen in Sachen Radverkehr endlich wirklich was tun und können nicht immer nur große Reden schwingen. Sie haben sich einsichtig gezeigt und die Forderungen der Radentscheide ganz oder mindestens zu großen Teilen übernommen. Dieses Verhalten zeigt Respekt vor den Bürger*innen, der in der politischen Kultur von Bochum bisher leider kaum vorhanden ist.

              Schwimmbadkonzept wurde ohne Bürgerbeteiligung entwickelt

              Das wird leider auch bei anderen Themen sichtbar. Über Jahre bastelt die Stadt vorgeblich an einem Schwimmbadkonzept für die ganze Stadt, allerdings ohne jede Bürgerbeteiligung. Die Bürger*innen waren in den Prozess, wie die neue Bäderlandschaft der Stadt zukünftig aussehen soll. an keiner Stelle eingebunden. Das Konzept wurde hinter den Kulissen zwischen den Ratsfraktionen von Rot und Grün und den gleichfarbigen Politikfürsten aus den Stadtbezirken ausgekungelt. Verständnis für die Entscheidungen, die das neue Konzept für einige Bäder bedeutet, kann man bei den Bürger*innen bei so einem Vorgehen allerdings nicht erwarten. Statt mögliche Bäderkonzepte zu entwickeln und mit allen Bürgerinnen Situation und Möglichkeiten bei den Bädern offen zu diskutieren sowie ernsthaft zu prüfen in wieweit der Betrieb von einigen Bädern zukünftig unter Umständen als Bürgerbäder möglich ist, um dann sogar gegebenenfalls die Bürger*innen entscheiden zu lassen, welches Konzept umgesetzt werden soll, hat man Fakten geschaffen (Bau Freibad Werne), noch bevor das Konzept überhaupt vorlag, und mit voreiligen Versprechungen falsche Vorstellungen (Erhalt aller Bäder) geweckt.

              Bei Baulandentwicklung lässt Bürgerbeteiligung zu wünschen übrig

              Auch bei der Planung von neuen Wohngebieten fällt die Bürgerbeteiligung immer wieder dürftig aus. Es gibt bis heute kein regelhaftes Bürgerbeteiligungsverfahren, das sicherstellt, dass die betroffenen Bürger*innen frühzeitig und substanziell in die Planungen in ihrer Nachbarschaft eingebunden werden. Mal gelingt die Bürgerbeteiligung besser (Gerthe West), mal stellt sie sich desaströs dar (Am Ruhrort, WAZ vom 25.03.21). Immer noch ist das Vorgehen der Verwaltung bei den meisten Bebauungen schematisch, man sucht eine Fläche, dann einen Investor und versucht im nächsten Schritt für dessen Planung Baurecht zu schaffen. Mögliche Anforderungen an eine Bebauung erst mit den Bürger*innen auszuhandeln und erst danach einen Investor zu suchen, geschieht noch viel zu selten. Die Folge sind viel zu viele anspruchslose 08/15-Bebauungen, wo sich schon in wenigen Jahren die Bürger*innen fragen werden, wie man die 2022 noch so zulassen konnte.

              Negativbeispiel Trassenshow schreckt Menschen von Bürgerbeteiligung ab

              Bürgerbeteiligung bedeutet in Bochum oft auch nur, die Bürger*innen werden um ihre Meinung sowie Ideen, Kritik und Anregungen zu bitten, die zu erfassen, alles in zwei Ordnern abzuheften und das war es dann. Der krasseste Fall von vorgespielter Bürgerbeteiligung war sicher die Trassensuchshow zur Streckenführung des Radschnellwegs (RS1) durch die Innenstadt (Verwaltung “lenkt” große RS1-Trassensuchshow zum gewünschten Ergebnis). Erst wurden die Bürger*innen eingeladen ihre Vorschläge zu möglichen Trassen des RS1 zu machen, dann bewertete der Gutachter die Vorschläge. Das Bewertungsergebnis passte aber der Verwaltung nicht, also wurden alle Streckenführungen, die nicht genehm waren aus dem Verfahren geworfen, so dass am Ende nur die Trasse übrigblieb, die die Verwaltung schon vor der großen Suchshow als beste präferiert hatte. Pro Forma durfte der Stadtrat dann noch über deren Umsetzung abstimmen. Das Vorgehen erinnert fatal an Wahlen im real existierenden Sozialismus, erst durften die Bürger*innen Kandidat*innen zur Wahl vorschlagen, die nicht Genehmen wurden dann von der Wahl ausgeschlossen und der verbliebene Kandidat oder die übrig gebliebene Kandidatin wurden dann mit großer Mehrheit gewählt. Vor der Presse strich man heraus, welch große Zustimmung doch der bzw. die Gewählte erhalten habe.

              Politische Kultur an neuem Tiefpunkt

              In Bochum fehlt es somit an zweierlei: Bürgerbeteiligung wird in den meisten Fällen immer noch nicht ernst genommen, sie dient in der Regel immer noch als Alibi. Zum Zweiten werden den Bürger*innen von der Politik viele Versprechungen gemacht, welche Ziele die Stadt verfolgt und umsetzt, real verfolgt die Verwaltung diese allerdings nicht ernsthaft und die Politik ist nicht bereit, die Verwaltung dazu zu bewegen, die von ihr getroffenen Beschlüsse umzusetzen. Das gilt ganz besonders für Beschlüsse zur Mobilitätswende aber auch für jene zum Klimaschutz. Denn auch von der Masse an Maßnahmen, die vom Stadtrat zum Klimaschutz getroffen wurden, hat die Verwaltung bis heute nur einen Bruchteil umgesetzt (Klimaschutz, viel Papier, wenig Greifbares).

              In Bochum bestimmt nicht die Rot-Grüne Mehrheitskoalition im Stadtrat die Politik, sondern die Verwaltung bestimmt die Stadtpolitik und erwartet, dass Rot-Grün diese abnickt und die Veraltung mit entsprechenden Huldigungen für ihre tolle Arbeit beweihräuchert. Die Erwartungen der Bürger*innen, dass die Verwaltung das umsetzt, was die Politik ihnen versprochen und beschlossen hat, interessiert die Politik dagegen nicht. Beim nächsten Wahlkampf verspricht man den Bürger*innen einfach wieder neu, dass man sich diesmal ganz bestimmt für die Umsetzung der selbst getroffenen Beschlüsse einsetzt und dann geschieht, wie gewohnt wieder nichts.

              Die politische Kultur in Bochum hat mit dem Verhalten zum RadEntscheid einen neuen Tiefpunkt erreicht. Die Glaubwürdigkeit der Politik befindet sich im Sinkflug. Es wird Zeit, dass die Politik Bürgerbeteiligung ernst nimmt und alles dafür tut die Versprechungen auch zu erfüllen, die sie gegenüber den Bürger*innen abgegeben hat. Die Politik hat sicher zu stellen, dass, wenn sie einen Beschluss getroffen hat, dieser von der Verwaltung ohne Wenn und Aber umgesetzt wird. Jene Bürger*innen stattdessen vor den Kopf zu stoßen, die nicht mehr tun als zu versuchen mittels eines Bürgerentscheids festzuschreiben, dass die Stadt, das tut, was die Politik bisher versäumt hat, nämlich einen verbindlichen Fahrplan festzulegen, wie die von der Politik schon vor Jahren beschlossenen Ziele endlich erreicht werden, sollten sich SPD und Grüne nochmal überlegen. Noch ist Zeit die Ratssitzung am 01.04. zu nutzen und das Begehren, das 17.000 Menschen unterschrieben haben, als gerechtfertigt anzuerkennen und ihm zu folgen.

              15 Okt

              Tag des offenen Rathauses – Präsentation Verwaltung top, Darstellung Stadtpolitik flop

              Am 18.09. präsentierten sich Stadt und Politik beim Tag des offenen Rathauses. Der Verwaltung gelang das gut, die Darstellung der Stadtpolitik war mau und wurde entsprechend kaum besucht. Das sollte beim zweiten Mal besser werden. Jedoch steht die Mehrheit im Rat Ideen zum live Erleben von Stadtpolitik eher ablehnend gegenüber, wie die Ablehnung der Open-Air-Ratssitzung zeigt.

              Das historische Bochumer Rathaus macht schon was her. Es ist ein imposantes Gebäude. Allerdings wirft es als hochgemauerte Trutzburg auch einen langen Schatten auf die Einwohner*innen. Um den Eindruck, die Verwaltung würde sich von ihren Bürger*innen verbarrikadieren, abzutragen, hat man das Mauerwerk bildlich und auch wortwörtlich an manchen Stellen etwas aufgebrochen. Der neue Haupteingang, der in den Ostflügel hineingeschnitten ist, und die ersten Ansätze eines Besucherleitsystems, wenden sich den Bürger*innen zu. Und auch der Tag des offenen Rathauses vor Kurzem konnte in einigen Bereichen punkten.

              Glanzlos blieb allerdings der Auftritt der Ratsfraktionen, die als Staffage für die schnell durch hastenden Besucher*innen Spalier an ihren Stehtischen standen. Dass dies so kam oder auch so kommen musste, lag definitiv unter Anderem an dem von der Verwaltung aufgestellten wenig biegsamen Konzept. Frontalunterricht gibt man sich heute eher nicht mehr freiwillig. Das volle Bühnenprogramm, das mit jeweils einer halben Stunde Frage-Antwort-Spiel durchaus auf die maximale Aufmerksamkeitsspanne der aktuellen Twitter-Generation angepasst war, gab sich keine Besucher*in in voller Länge – Auch wenn Moderation und ehrenamtliche Politikerin ihren Job sehr solide gemacht haben.

              Die Politik muss sich ankreiden lassen, dass sie sich im Vorfeld zurück gelehnt hat und nun eine Nachbereitung blickdicht in Schweigen hüllt. Während Ersteres angesichts eines „Ersten Mals“ noch verzeihlich ist, so ist zweites schon grundsätzlich bedenklich. Im Vergleich zur Verwaltung steckt die Politik nur ungern den Kopf aus dem Ratssaal heraus. Allein die Idee, die dort geschwungenen Reden nicht nur der unmittelbaren Peer-Group von zusammen gluckenden Ratsmitgliedern und den Verwaltungsbediensteten, die ihre Zeit im Ratssaal auf ihre Arbeitszeitkarte gutschreiben lassen können, per Rats-TV zugänglich zu machen, brauchte gefühlt mehrere erdgeschichtliche Epochen.

              Open-Air-Ratssitzung ohne Begründung vom Stadtrat abgelehnt

              Ein Vorschlag der Fraktion Partei/Stadtgestalter, den Tag des Rathauses aus Sicht der Politik erfolgreicher aufzustellen, verhallte in der letzten Ratssitzung nicht nur ungehört, sondern auch unbeantwortet. Ratsmitglied Nils Brandt begründete, warum man im Sommer im Rahmen des offenen Rathauses den Rat zu einer Sitzung samt Dialogteil mit den Bürger*innen auf einen Platz in die Innenstadt holen sollte. Das mangelnde Echo, das sich durch eine gänzlich fehlende Gegenrede zur Begründung der erdrückenden Ablehnung zeigte, ist ein Armutszeugnis für den Rat. In einem Gremium, in dem samt Oberbürgermeister 87 Bürgervertreter*innen sitzen, kann niemand mit auch nur einer Silbe begründen, warum man nun diesen Vorschlag ablehnen wolle. Dass zu dieser Zeit weder Vertreter*innen der Presse noch erkennbar Bürger*innen vor Ort die Tagesordnung verfolgten, ist dabei symptomatisch.

              Die Grundidee von Partei/Stadtgestalter fußte auf einem Erfolg des Grünflächen- und Tiefbauamts sowie u.a. den Mädels und Jungs vom USB und Co, die sich mit ihrer technischen Gerätschaft und Fahrzeugen nach draußen wagten und auf dem Rathausplatz die Herzen besonders der jüngsten Bochumer*innen gewinnen konnten. Das sollte sich die Politik zum Vorbild nehmen.

              Es bleibt spannend, ob die Politik die Verwaltung mit den Mühen, die Rathausämter und -gremien an die Bürger*in zu bringen weiter alleine lässt, oder ob von Seiten der anderen Fraktionen ernsthafte Vorschläge kommen werden.

              DH