25 Aug

BOlympics – Sportevent in der Bochumer Innenstadt

In Bochum gibt es tolle Veranstaltungen, aber ein Sportfest fehlt. Die STADTGESTALTER haben eine Idee: Ein Event mit 3×3-Basketball, Beachvolleyball, Breaking, Skateboarding und anderen spannenden Sportarten zentral in der Innenstadt.

Die olympischen Spiele in Paris haben gezeigt, welche einzigartige Atmosphäre und Begeisterung Sportevents direkt im Stadtzentrum hervorrufen können. Wenn die Sportstätten nur wenige Meter voneinander entfernt liegen, wird die Stadt zu einer einzigartigen Kulisse für den urbanen Sport. Die Begeisterung der Fans überträgt sich auf die ganze Innenstadt.

Sportevents in Innenstädten

Auch unsere Nachbarstadt Essen hat mit der Austragung der Fußball-Kleinspielfeld-WM einen großen Erfolg gefeiert (Kasachstan gewinnt Kleinfeld-Fußball-WM). Auf dem Kennedyplatz wurde ein temporäres Stadion aufgestellt. Der Publikumszulauf war mit 300.000 Zuschauern gigantisch, obwohl es sich um eine unbekannte Randsportart handelt. Auch aktuell wirkt der Kennedyplatz in Essen wieder als Publikumsmagnet. Dort findet die Deutsche Meisterschaft im 3×3-Basketball statt (Nach Olympia-Gold: 3×3-Basketball am Wochenende in Essen).

Andere Städte feiern Leichtathletik-Events in der Innenstadt: Heilbronn ein Hochsprung-Event (Hochsprung Heilbronn – Weltklasse in der Heilbronner City), die Stadt Hof präsentiert eine Stabhochsprung-Veranstaltung (Südamerikanischer Stabhochsprung-Rekord durch Augusto da Silva de Oliviera in Hof), andere Städte wie Stuttgart und Heidelberg veranstalten Beachvolleyball-City Turniere (Beachvolleyball-City Turnier BaWü), In Bochum sind Sportformate wie Urban Run und Halbmarathon sehr beliebt, die aber nur teilweise in der Innenstadt stattfinden.

Die Idee der “BOlympics”

Die STADTGESTALTER schlagen vor, für die Bochumer Innenstadt ein eigenes Sportfest zu schaffen, insbesondere für jugendorientierte Sportarten wie Skateboarding, BMX-Freestyle und Breaking, deren Spiel- und Sportplatz ohnehin die Stadt ist, aber auch für Sportarten der Leichtathletik, die sich perfekt in der Stadt erleben lassen (Hochsprung, Weitsprung, Sprint u.ä). Das ist besonders in Bochum naheliegend, da ein wichtiger Olympiastützpunkt für Leichtathletik in Wattenscheid liegt.

Die Bochumer Innenstadt ist der ideale Ort für solche Sportspiele, die “BOlympics” genannt werden könnten, denn die Stadtplätze, auf denen die temporären Sportstätten aufgebaut werden könnten, liegen im Bochumer Stadtzentrum dicht beieinander:

  • Rathaus-Platz – 3×3 Basketball/ Rollstuhlbasketball
  • Husemannplatz – Hochsprung/ Stabhochsprung
  • Dr.-Ruer-Platz –  Skateboarding/ BMX-Freestyle
  • Boulevard/ Schützenbahn – Weitsprung/ Dreisprung
  • Kurt-Schumacher-Platz – Beachvolleyball/ Beachhandball
  • Viktoriastraße am 3Eck – 100-Meter-Lauf/ Hürdenlauf
  • Konrad-Adenauer-Platz – Breaking
BOlympics – Plan Innenstadt

Von einem Venue zum nächsten sind es nur wenige Schritte. Im Verlauf eines Tages können sich Besucher und Besucherinnen an allen Veranstaltungsorten für die unterschiedlichsten Wettkämpfe begeistern. Die Stadtplätze in Bochum sind zwar nicht annähernd so groß wie die in Paris, dafür ist die Atmosphäre intimer. “Klein, aber fein”, wäre das Motto. Die Kleinstolympiade könnte über 10 Tage und zwei Wochenenden von Freitag bis Sonntag stattfinden. Mit einer kleinen Eröffnung, Siegerehrungen und einem passenden Rahmenprogramm ließe sich über eine Woche Olympiastimmung erzeugen.

Auf den Spielstätten könnten Olympiasportler ihre Leistungen genauso zeigen wie Sportler*innen und Mannschaften aus Amateurvereinen oder solche, die einfach Lust haben an den BOlympics teilzunehmen. Auch eine Schulolympiade, eine Nutzung der temporären Spielstätten im Rahmen des Ferienpasses oder eine Olympiade der sechs Bochumer Stadtbezirke wäre denkbar.

Einzigartiges urbanes Sportfest

Die BOlympics wären ein einzigartiges urbanes Sportfest, das über 10 Tage Menschen nach Bochum lockt. Tagsüber finden die Wettbewerbe statt, am Abend Breaking im Bermud3Eck. Dazu könnte die Laufstrecke auf der Viktoriastraße zum “Medalwalk” werden, wo die Sieger*innen des Tages abgefeiert werden. Nicht zuletzt wären die BOlympics auch eine gute Möglichkeit, junge Menschen für die gezeigten Sportarten zu begeistern.

Über die Größe des Events entscheidet das Budget der Stadt und die Möglichkeiten Sponsoren für das Sportfests zu gewinnen. Die BOlympics wären für die Stadt eine einmalige Chance sich überregional zu präsentieren und ihren Anspruch als Hotspot der Live-Kultur zu untermauern, der nicht nur Kultur- und Musikevents, sondern auch auf Sportevents umfassen sollte.

In einem ersten Schritt fragen die STADTGESTALTER nun an, wie die Stadt generell zur Veranstaltung von Sportevents in der Innenstadt sieht: Anfrage: Die City als Arena – Sportveranstaltungen publikumswirksam in der Innenstadt.

18 Aug

Mit welchem Verkehrsmittel kommt man in Bochum am schnellsten ans Ziel?

Anhand von 100 Strecken zwischen 0,5 und 30 km haben die STADTGESTALTER untersucht mit welchem Verkehrsmittel, Auto, Rad, E-Bike oder ÖPNV man am schnellsten durch Bochum kommt. Das Ergebnis für den ÖPNV ist erschreckend, die Nutzung von Bus und Bahn ist auf den meisten Strecken unzumutbar.

Wie gut kommt man mit Auto, Rad, E-Bike oder ÖPNV in Bochum von A nach B oder von Bochum in eine der Nachbarstädte? Um diese Frage zu beantworten haben die STADTGESTALTER Bochumer und Bochumer*innengefragt, welche Wege sie oft zurücklegen.

Untersuchung von 100 Wegstrecken

So kamen 100 Wege zusammen. Entsprechend des Modal Splits in der Stadt (Mobilitätssteckbrief Bochum), teilen sich diese Wege wie folgt auf: 22 Strecken bis 1 km Länge, 27 Wege von über 1 bis 3 km, 24 Strecken von über 3 bis 5 km, 18 Wege von über 5 bis 10 km und 19 Wege mit einer Länge von über 10 km. Mit Hilfe des Routenplaners von Google Maps wurde anschließend ermittelt, wie lang man für die entsprechenden Wege mit Auto, Rad und ÖPNV benötigt.

Dabei sind für die Verkehrsmittel folgende Besonderheiten zu beachten:

Auto – Der Routenplaner gibt die Zeit für die Autofahrt vom Start zum Zielpunkt wieder, In der angegebenen Fahrtdauer nicht enthalten ist die Zeit des Weges bis zum Parkplatz, um loszufahren, beispielsweise von der Haustür zur Garage und nicht die Zeit vom Parkplatz am Ziel zum eigentlichen Zielort, zum Beispiel vom Parkplatz in der Innenstadt zum Geschäft, das man aufsuchen möchte. Ebenfalls nicht berücksichtigt ist die Zeit, die für eine eventuelle Parkplatzsuche benötigt wird oder Zeit für mögliche Staus und Verkehrsbehinderungen. Betrachtet man den Weg von Tür zu Tür, würden sich die ermittelten Zeiten somit um 2-10 Minuten erhöhen.

Rad – Hier wurde ebenfalls keine Zeiten außerhalb der reinen Fahrtzeit berücksichtigt, die zum Beispiel erforderlich sein könnten, um das Rad aus dem Keller oder einer Garage zu holen.

E-Bike – Zur Ermittlung der Fahrtzeiten mit einem Fahrrad mit elektrischem Hilfsmotor wurde zugrunde gelegt, dass man mit dem E-Bike nach Untersuchungen des Umweltbundesamtes im Schnitt etwa 83% der Fahrtzeit benötigt, die mit einem Rad ohne elektrische Unterstützung erforderlich ist (Pedelec und E-Bike fahren ).

ÖPNV – Die ermittelten ÖPNV-Zeiten beziehen sich immer auf den Fahrplan im Zeitraum von 8 bis 18 Uhr an den Wochentagen Montag bis Freitag. Als Fahrzeit wurde jeweils die kürzeste angegebene Fahrdauer übernommen. Es ist also möglich, dass sich zu anderen Zeiten teilweise deutlich längere Fahrzeiten ergeben. Mögliche Verkehrsstörungen und Verspätungen blieben auch beim ÖNV unberücksichtigt. In den Fällen, wo für Strecken vom Routenplaner keine ÖPNV-Verbindung angegeben werden konnte, wurde die Dauer des Fußwegs zugrunde gelegt.

Die Auswertung

Für jede der 100 Wegstrecken ergaben sich so vier Fahrzeiten für Auto, Rad, E-Bike und ÖPNV. Die Auswertung der Fahrtdauern erfolgt nach Wegelängen:

Auswertung Fahrtdauern

Bis 1 km – Bei diesen sehr kurzen Strecken ist erwartungsgemäß das E-Bike das schnellste Verkehrsmitte, gefolgt vom Auto. Aber auch das normale Rad schneidet gut ab. Der ÖPNV erweist sich für sehr kurze Strecken allerdings zumeist als ungeeignet. In der Hälfte der Fälle ist keine ÖPNV-Verbindung verfügbar, der Routenplaner verweist auf den Fußweg. In allen anderen Fällen benötigt man mit dem ÖPNV 5 bis 15 Minuten länger als mit Auto oder Rad, das ist gerade bei so kurzen Strecken kaum zumutbar.

Wege bis 1 km, Modal Split, siehe rechts

Über 1 km bis 3 km – Auch bei diesen Wegelängen ist in der Regel das E-Bike das schnellste Verkehrsmittel, dicht gefolgt vom Auto. Das normale Rad ist nur 1 bis 3 Minuten langsamer. Was kaum ins Gewicht fällt, da mit dem Rad regelmäßig die Fußwege zum und vom Parkplatz entfallen, die beim Auto in den Fahrtzeiten nicht enthalten sind. Die Fahrzeiten beim ÖPNV sind durchweg 5 bis 31 Minuten länger als bei Auto oder E-Bike. In 16 von 24 Fällen beläuft sich die zusätzlich nötige Fahrtzeit auf über 10 Minuten, während die maximal Fahrtzeit bei Auto bzw. E-Bike ohnehin bei nur 5 Minuten liegt. Wieder ist der ÖPNV in keiner Weise konkurrenzfähig.

Wege über 1 bis 3 km, Modal Split, siehe rechts

Über 3 bis 5 km – Bei diesen Streckenlängen ist regelmäßig das Auto das schnellste Verkehrsmittel. Würde man zusätzlich die Wegedauern vom Startort zum Parkplatz und vom Parkplatz zum Zielort berücksichtigen, könnte man in den meisten Fällen das E-Bike mithalten, die reinen Fahrtzeiten sind im Schnitt nur 4 Minuten langsamer, mit normalem Rad sind es 7 Minuten, mit dem ÖPNV allerdings inakzeptable 22 Minuten. Auch in diesem Streckenbereich stellt der ÖPNV keine nutzenswerte Alternative dar.

Wege über 3 bis 5 km, Modal Split, siehe rechts

Über 5 bis 10 km – In diesem Wegebereich ist das Auto nur in einem Fall nicht das schnellste Verkehrsmittel. Das E-Bike ist im Schnitt 7 Minuten langsamer, das Rad ohne E-Unterstützung 12 Minuten. Während man mit dem Auto 10 bis 21 Minuten für die Strecken benötigt, ist mit dem ÖPNV im Schnitt eine Fahrtzeit von über einer halben Stunde (31 Min.) mehr einzukalkulieren. Nimmt man Bus und Bahn ist man im schlechtesten Fall 55 Minuten länger unterwegs als mit dem Auto. Auf den Streckenlängen, wo der ÖPNV eigentlich eine Alternative zum Auto darstellen müsste, ist er somit ebenfalls keine.

Wege über 5 bis 10 km, Modal Split, siehe rechts

Über 10 km – Geht es über die Stadtgrenze hinaus, liegt das Auto weit vorne. Rad und E-Bike sind für Strecken über 10 km keine Alternative, das sollte eigentlich der ÖPNV sein, Doch der ist im Schnitt 35 Minuten langsamer als das Auto und damit sogar noch 9 Minuten langsamer als das E-Bike. Die Fahrtzeit mit dem ÖPNV ist im Schnitt mehr als doppelt so lang wie mit dem Auto (27 zu 62 Minuten). Nur in einem Fall ist der ÖPNV konkurrenzfähig, in allen anderen Fällen sind die Fahrtzeiten unzumutbar bis inakzeptabel.

Wege über 10 km, Modal Split, siehe rechts

Die Ergebnisse

Betrachtet man alle Streckenlängen zusammen, ist im Ergebnis die Leistung des ÖPNV in 54 % der Fälle unzumutbar bis inakzeptabel, das bedeutet die Fahrtzeiten liegen mehr als 15 Minuten über der des schnellsten Verkehrsmittels. E-Bike und Rad haben Vorteile bei den kurzen Strecken. Das E-Bike kann mit dem Auto bis 5 km gut mithalten, ist oft sogar schneller. Also ist das E-Bike auf immerhin 63% der Wege, die in Bochum gefahren werden, eine gute Alternative. Ab 5 km liegt das Auto vorn, nur bis 10 km kommt das E-Bike nur noch bedingt mit.

Auswertung Fahrtdauern

Die Ursachen

Es stellt sich somit die Frage nach den Ursachen für diese Ergebnisse, insbesondere den Gründen für das desaströse Abschneiden des ÖPNV . Diese sind vielfältig:

Auto– Anders als in Großstädten sonst, gibt es in Bochum nach wie vor Schleichwege durch Wohngebiete. Durchgangsverkehr wird in Wohngebieten in Bochum immer noch geduldet. Schnell fließender Autoverkehr hat Priorität gegenüber hoher Wohn- und Lebensqualität,

Zudem wurde das ganze Stadtgebiet mit Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen überzogen, die auch heute noch zu Lasten der Lebensqualität der Bewohner*innen mit Milliardenaufwand weiter ausgebaut werden (u.a. Westkreuz, Opelspange, 6-spuriger Ausbau A43 und A40.).

Im Ergebnis steht für das Auto ein erstklassiges Straßennetz zur Verfügung, das eine sehr schnelle Fortbewegung mit dem Auto ermöglicht.

Rad- und E-Bike – Insbesondere bei den Fahrtdauern auf den Strecken zwischen 3 und 10 km wird sichtbar, dass die Stadt nicht über ein durchgängiges Radverkehrsnetz verfügt. Schnelle durchgängige Radverkehrsverbindungen fehlen ebenso wie eigene Ampelschaltungen für Radfahrende und Grünpfeile. Menschen mit dem Rad auf Gehwege oder schlechte Radwege zu verweisen, wie es in Bochum üblich ist, verhindert hohe Fahrgeschwindigkeiten mit dem Rad.

Um das Rad auch für Wege über 10 km attraktiv zu machen wären geeignete Radschnellwege nötig. Diese sind nicht zu erwarten. Die Fertigstellung des RS1 ist aufgrund der Inkompetenz der Verantwortlichen in den nächsten 10-20 Jahren nicht zu erwarten. Die geplante indirekte Streckenführung steht zudem schnellen Fahrtzeiten entgegen, neue Radschnellwege werden gar nicht erst geplant.

ÖPNV – Ursache für das desaströse Abschneiden von Bus- und Bahn ist das schlechte Nahverkehrsnetz in Bochum sowie der Ruhrstadt. Im wesentlich basiert der Nahverkehr auf langsamen, eher selten verkehrenden Buslinien, die jede Gießkanne abfahren. Das Straßen- und Stadtbahnnetz deckt das Stadtgebiet nur rudimentär ab. Wirklich schnell sind auch die Straßenbahnlinien nicht.

Ein substanzieller Netzausbau wird seit Jahrzehnten von der Politik, in Bochum den Mehrheitsfraktionen von SPD und Grünen, blockiert. Alle Initiativen in diese Richtung werden systematisch abgelehnt (Zehn neue Linien für das Bochumer Nahverkehrsnetz).

Die Ruhrstadt-Metropole verfügt über kein metropolengerechtes Nahverkehrsnetz. Es ist bei der Politik keine Bereitschaft zu erkennen, diese zu schaffen.

Auch die BOGESTRA, die Busse und Bahnen in Bochum betreibt, ist offensichtlich nicht an einem Ausbau des Nahverkehrsnetzes und einer Beschleunigung der Linien interessiert. Forderungen in dieser Hinsicht werden an die Politik nicht gestellt. Die offensichtlichen Mängel und Defizite werden nicht benannt. Es werden keine Lösungsvorschläge gemacht.

Der ÖPNV ist in Bochum nicht im Ansatz konkurrenzfähig zu Auto, Rad oder E-Bike. Wer ihn benutzt, wohnt regelmäßig entweder direkt an einer Bahnhaltestelle oder tut dies nicht freiwillig, sondern ist gezwungen Bus und Bahn zu nehmen, in der Regel weil die Nutzung eines Autos oder Rads nicht möglich ist. Für die Menschen in Bochum gibt es sonst eigentlich keinen Grund sich den unzumutbar langsamen ÖPNV anzutun.

Aufgrund der geschilderten Situation ist zu erwarten, dass die Zahl der ÖPNV-Nutzenden zukünftig weiter abnehmen wird. Das desaströse ÖPNV-Angebot stellt einen hohen Anreiz dar, auf Auto oder E-Bike umzusteigen.

Die Untersuchung zeigt, die Verkehrspolitik in Bochum und der Ruhrstadt steht vor einem Scherbenhaufen. Seit Jahrzehnten wird zwar viel von Verkehrswende geredet, tatsächlich sind die Ergebnisse der Verkehrspolitik jedoch ernüchternd. Die mangelnde Bereitschaft die Dinge umzusetzen, die man besonders in Wahlkämpfen immer wieder lautstark ankündigt, rächt sich.

11 Aug

Sheffieldring – Grünzug, Straßenbahn, Rad- und Gehwege statt Schnellstraße

Durch Opelspange und 6-spurigen Ausbau der A43 verliert der parallele Sheffieldring seine Bedeutung. Die Fläche kann anders genutzt werden. Die STADTGESTALTER schlagen einen Rückbau vor, stattdessen eine Straßenbahnlinie, Rad- und Gehwege, einen Grünzug sowie zusätzliche Wohnbebauung.

Bereits 1961 wurde der Sheffieldring als Teil des Bochumer Rings (NS VII) zwischen dem ehemaligen “Opel-Ring” (heute Tsukuba-Ring) und dem Harpener Hellweg fertiggestellt („NS VII“ ist in Bochum immer noch ein Begriff).

Sheffieldring verliert verkehrliche Bedeutung

Weniger als 10 Jahre später wurde 1.500 Meter weiter östlich die Autobahn A43 – zunächst als EB 51 und A7 bekannt – gebaut (Bundesautobahn 43). Das in diesem Zug gebaute Autobahnkreuz Bochum verhinderte, dass das 30 Meter breite autobahnähnlich ausgebaute Asphaltband direkt an die A40 angeschlossen werden konnte. Die Schnellstraße endet bis heute an einer Ampel der Kreuzung zu Harpener und Castroper-Hellweg.

Sheffieldring – Autobahnring

Seit der Herstellung der Opelspange umschließt der Autobahnring aus A40, A43 und A448 die Stadt. Damit verlagert sich ein wesentlicher Teil des Autoverkehrs auf die A43. Der ursprüngliche “Boohumer-Ring” (NS VII) hat damit seine verkehrliche Bedeutung weitgehend verloren. Durch den 6-spurigen Ausbau der parallel verlaufenden A43 wird eine Verkehrsführung auf zwei direkt nebeneinander liegenden Autobahnabschnitten obsolet.

Rückbau Sheffieldring – Entstehung eines Grünzugs

Der Sheffieldring kann teilweise zurück gebaut und die Fläche besser genutzt werden. Dazu machen die STADTGESTALTER jetzt einen Vorschlag. Dieser sieht die Entstehung eines neuen Grünzugs vom Tsukuba-Ring bis zum Harpener Hellweg vor.

Gesamtplan

Nach den Vorstellungen der STADTGESTALTER soll die Schnellstraße auf dem Abschnitt Harpener Hellweg bis Grüner Weg zu einer 2-spurigen Stadtstraße zurückgebaut werden, ebenso zwischen A448 und Wittener Straße. Der Straßenteil zwischen Wittener Straße und Grüner Weg soll ganz entfallen.

Neue Straßenbahnlinie 311

Stattdessen wird vorgeschlagen eine Straßenbahnlinie (311) von Harpen im Norden über Kornharpen, Hauptfriedhof, Ostpark, Laer/ Mark 51°7, Auf der Heide/ Steinkuhl bis zur U35 zu schaffen. Auf diese Weise werden die Straßenbahntrassen (308/316/318) nach Gerthe und Langendreer (302/306/310) sowie die Stadtbahn-Trasse (U35) miteinander verbunden. Die neue Straßenbahnlinie 311 könnte wahlweise über die Castroper Straße zum Hauptbahnhof oder nach Gerthe weitergeführt werden. Darüber hinaus wäre eine Führung nach Merklinde bzw. Castroper-Rauxel denkbar (Straßenbahnlinie sollte von Gerthe bis Merklinde verlängert werden).

Ausschnitt Liniennetzplan

Der Vorschlag der STADTGESTALTER sieht wichtige Haltestellen am neuen Polizeipräsidium, am Hauptfriedhof und am neuen Wohngebiet Ostpark vor. Die Linie soll über das Innovationsquartier Mark 51°7 hinaus bis zur Stadtbahnlinie U35 führen. Sie endet dann direkt südlich der Unternehmenszentrale des Wohnungsunternehmens Vonovia. Von dort soll eine schnelle fußläufige Verbindung zur U35-Haltestelle Wasserstraße hergestellt werden. Dazu wird vorgeschlagen, diese Haltestelle nach Süden auf Höhe der Polizeiwache Südost zu verlegen.

Anschluss an die U35

Neue Perspektiven für Kornharpen

Der neue Grünzug eröffnet der Stadt viele neue Möglichkeiten. Der bisher von drei Autobahnen und der Bahnlinie im Süden eingekesselte Stadtteil Kornharpen (Bochumer Stadtteil ist trostlos für Junge: „Gibt ja nichts“) wird nach Westen geöffnet. Dort wird in nicht zu ferner Zukunft auf dem Gelände des Stahlwerks ein neues Wohn- und Gwerbequartier entstehen, das über den Grünzug mit Kornharpen verbunden werden kann.

Kornharrpen

Hauptfriedhof

Der bisher durch den Sheffieldring zerschnittene Hauptfriedhof wird zu einer einzigen zusammenhängenden Begräbnisstätte. Der Grünzug verbindet beide Teile. Die Ruhe kehrt zurück. Die Erreichbarkeit des Friedhofs wird durch Straßenbahnhaltestelle sowie Geh- und Radweg wesentlich verbessert.

Hauptfriedhof

Geh- und Radverbindung

Über den Grünzug wird der Emscher Park Radweg auf direkten Weg mit dem zukünftigen Opel-Radweg verbunden. Die Überlegungen der STADTGESTALTER sehen vor, entlang des gesamten Grünzugs von Harpener Hellweg bis Universitätsstraße einen durchgehenden Zwei-Richtungsradwegs neben einem baulich getrennten Gehweg anzulegen. So kommen Radfahrende und zu Fuß Gehende mit nur wenigen Straßenquerungen, weitgehend ungestört vom Autoverkehr, über eine 4 bis 5 km lange Strecke von Harpen nach Wiemelhausen.

Tsukuba-Ring

Mehr Wohnen

Darüber hinaus sieht der Plan der STADTGESTALTER eine überschaubare Osterweiterung des Wohngebiets Ostpark vor. Auf der heutigen Schnellstraße sollen zukünftig Wohngebäude stehen. Zudem entfällt durch den Rückbau der Schnellstraße die Barriere zwischen Ostpark und Havkenscheider Feld. Das Erholungsgebiet ist über den vorgeschlagenen Grünzug direkt fußläufig zu erreichen. Auch der Lärm durch den Autoverkehr verschwindet. Das Wohngebiet gewinnt zusätzliche Attraktivität, die Lebensqualität steigt.

Ostpark

Die von den STADTGESTALTERn angeregten Umgestaltungen erhöhen die Wohnqualität in allen an den neuen Grünzug angrenzenden Stadtteilen. Die Erreichbarkeit mit ÖPNV, zu Fuß und mit dem Rad wird deutlich verbessert, neue Wegeverbindung entstehen. Die Stadtteile werden vom Verkehrslärm entlastet. Grün- und Naturflächen werden ausgedehnt, der städtische Naherholungswert steigt, das bedeutet weitere Aufwertungen. Die gesamte Stadt profitiert und wird lebenswerter.

Aus der Umgestaltung des Sheffieldrings ergeben sich für die Stadt einmalige Chancen, während die sich aus dem Rückbau ergebenden verkehrlichen Auswirkungen, aufgrund des ohnehin nur noch geringen Nutzens für den Autoverkehr, überschaubar sind.

21 Jul

Einwohnerverlust seit 1960 kostet Bochum 237 Mio. Euro im Jahr

Während in den meisten deutschen Großstädten die Einwohnerzahl seit 1960 gestiegen ist, ist sie in Bochum um 86.000 Menschen gesunken. Das führt zu hohen Ausfällen bei Steuereinnahmen wie Zuweisungen. Bochum muss attraktiver werden, um mehr Menschen für die Stadt zu gewinnen.

Eine Stadt lebt von ihren Einwohnern und Einwohnerinnen, das gilt nicht nur im Hinblick auf Attraktivität, sondern auch in finanzieller Hinsicht. Mehr Menschen in der Stadt zahlen mehr Steuern, wegen ihnen bekommt die Stadt mehr Finanzmittel vom Land. Zwar kosten zusätzliche Einwohner*innen auch mehr Geld, denn die Stadt benötigt zum Beispiel größere Schulen oder mehr Wohnungen, aber viele städtischen Fixkosten steigen nicht. Es ist nur ein Stadtrat erforderlich und es ist fast die gleiche Infrastruktur an Straßen, Kanälen, Strom- Gas und sonstigen Versorgungsleitungen nötig, unabhängig davon, wie viel Menschen in der Stadt leben.

Einwohnerentwicklung Bochum

Einwohner und Einwohnerinnen gewinnen war lange kein Ziel

Doch lange hat sich Bochum wenig darum gekümmert, wie viele Menschen in der Stadt leben. So ist die Einwohnerzahl von 1960 bis 2022 um 86.000 Menschen (- gesunken. Zum Vergleich 81 Großstädte gibt es in Deutschland, In 55 Städten ist die Zahl der dort lebenden Menschen im gleichen Zeitraum gestiegen oder gleichgeblieben, nur in 27 gesunken, darunter alle 10 Stadtgemeinden der Ruhrstadt.

Einwohnerentwicklung deutscher Großstädte seit 1960/61

Auf einem Jahrzehnt des Wandels, in den 60er Jahren, in dem die Ruhr-Universität und Opel nach Bochum kamen, folgten vier Dekaden des Stillstands, in denen die Stadt versuchte den Strukturwandel zu verhindern bzw. zu ignorieren. Während die Großstädte außerhalb des Ruhrgebiets in die Zukunft investierten und den Strukturwandel aktiv vorantrieben, hoffte man in Bochum auf neue Industrie.

Entsprechend nahm die Zahl der wachsenden Großstädte im Laufe der Jahrzehnte deutschlandweit deutlich zu. Im Zeitraum 2000 bis 2022 verloren nur 14 Großstädte nennenswert Einwohner*innen, davon die fast die Hälfte Stadtgemeinden der Ruhrstadt, Bochum gehörte weiter dazu, die Einwohnerzahl nahm um 25.405 Menschen (6%) ab.

Einwohnerentwicklung deutscher Großstädte seit 2000

Die Folgen des Einwohnerverlustes

Menschen und Unternehmen machten weiterhin einen Bogen um Bochum und zogen andere Großstädte vor, um dort zu leben oder sich anzusiedeln. Stadtgestaltung, ein gutes Stadtbild und hohe Attraktivität waren bis Mitte der 2010er Jahre kein Thema in Bochum. Die in dieser Hinsicht immer größer werdenden Defizite und Mängel wurden mit “Woanders ist auch scheiße.” relativiert. Die Stadt träumte rückwärtsgewandt weiter von einer Re-Industrialisierung, der Strukturwandel kam nicht voran.

Der Verlust von 86.000 Menschen ging einher mit dem Verlust von 86.000 Konsumenten, die in Innenstädten und Stadtteilzentren heute als Kunden fehlen und 86.000 potentiell Steuerzahlenden, die bei der Stadt als Einnahmequelle ausfielen. Legt man die Steuereinnahmekraft und die Zuweisungen des Landes pro Kopf zugrunde, nahm die Stadt 2021 2.725 Euro pro Kopf an Steuern und Zuweisungen ein. 86.000 Einwohner und Einwohnerinnen mehr würden für Bochum heute jedes Jahr als 237,8 Mio. mehr Einnahmen pro Jahr bedeuten.

Ausfall durch Einwohnerverlust, Stadt Bochum

Der Fehler, dass die Stadtpolitik über Jahrzehnte Stadtgestaltung, Stadtbild und Attraktivität vernachlässigt hat, kommt Bochum heute teuer zu stehen.

Weiteres Problem: Geringe Steuereinnahmekraft

Zwar kann Bochum in den letzten Jahren die Einwohnerzahl halten, jedoch ist der Grund nicht der Umzug von Menschen mit gutem Einkommen und hoher Steuerkraft, sondern insbesondere der Zuzug von Flüchtlingen. Die Steuereinnahmekraft liegt daher über 20,4% unter dem in Deutschland üblichen. 1.232 Euro Steuereinnahmen erwirtschaften die Menschen in Bochum pro Kopf für die Stadt, im deutschen Schnitt sind es 1,.547 Euro in Mainz, Frankfurt und München sogar über 3.000 Euro (Deutschlandatlas – Steuereinnahmekraft).

Steuereinnahmekraft deutscher Großstädte (31.12.2021)

Menschen mit hohem Anspruch an Stadtgestaltung, Stadtbild und Attraktivität und tendenziell hoher Steuerkraft ziehen eher nicht nach Bochum, es sind insbesondere die Menschen, für die es vorrangig ist, günstig zu leben und die sonst kaum Ansprüche stellen können.

Defizite bei Schulen und Bildung

Jedoch tut die Stadt viel zu wenig, um diesen Menschen mehr Chancen und gute Zukunftsperspektiven durch höhere Bildung und bessere Qualifizierung zu verschaffen. Das städtische Schul- und Bildungswesen ist unterentwickelt, die Schulentwicklungsplanung ist unbrauchbar (Schulentwicklungspläne erweisen sich immer wieder als unbrauchbar), der Zustand und Ausstattung der Schulen sind beklagenswert. Bildung und Qualifizierung der Menschen hat in der Bochumer Politik keine Priorität. Auch das ist ein wesentlicher Grund für die niedrige Steuereinnahmekraft.

Zwar hat sich die Hochschullandschaft in Bochum seit den 60er-Jahren massiv zum Positiven verändert – weit über 50.000 Studierende sind an Bochumer Hochschulen eingeschrieben – doch schaffte es die Stadt weiterhin nicht in ausreichendem Maße die Absolventen in Bochum zu halten. Zum einen fehlen weiterhin Beschäftigungsmöglichkeiten in Bochum, zum anderen ziehen auch die Studierenden andere Städte zum Leben vor. Liegen Jobangebote neben Bochum auch aus Städten wie Mainz, Freiburg oder Erlangen vor, ziehen die meisten weg (Warum wollen viele (Hochqualifizierte nicht im Ruhrgebiet leben und arbeiten?).

Weiterhin tut sich die Stadtpolitik in Bochum schwer, die Stadtstrukturen grundlegend zu verändern. Der Fokus der Politik liegt weiterhin auf der Versorgung der Menschen, insbesondere der sozial Benachteiligten. Wie diese Politik, bei schwindender Einwohnerzahl und abnehmender Steuereinnahmekraft im Vergleich zu den deutschen Großstädten sonst finanziert werden soll, darüber wird sich kaum Gedanken gemacht. Trotzdem die negativen Folgen der verfehlten Politik –  insbesondere die Last der fehlenden Einwohner*innen – die Stadt heute hart trifft, ist die Bereitschaft einer grundsätzlichen Neuausrichtung weiter eher gering. Zwar sehen die Ziele der Bochum-Strategie die nötige Umorientierung mittlerweile vor (Präsentation Bochum-Strategie), doch geht die Umsetzung in der Realität nur zähflüssig voran.

Für grundlegende Veränderungen fehlt der Mut

Es fehlt weiterhin der Mut und die nötige Geschwindigkeit, die Stadt so zu verändern, wie dies in erfolgreichen Großstädten schon über Jahrzehnten zu beobachten ist. Bochum tut sich nach wie vor schwer von anderen Städten zu lernen und will den Blick, den Menschen von außen auf die Stadt haben, immer noch viel zu selten wahrhaben.

Um Einwohner und Einwohnerinnen sowie Unternehmen für die Stadt zu gewinnen und die Steuereinnahmekraft pro Kopf zu erhöhen, muss die Stadt deutlich attraktiver werden. Insbesondere müssen die gravierenden Mängel bei Stadtgestaltung und Stadtbild beseitigt werden. Zweitens sollte die Schaffung von besseren Zukunftsaussichten für die Menschen Priorität bekommen, die bisher in dieser Hinsicht benachteiligt sind. Dazu sind erhebliche Investitionen in die Verbesserung der städtischen Schul- und Bildungslandschaft nötig.

14 Jul

Ruhrstadt – Die Metropole, die keine sein will, aber trotzdem eine ist

Wer in das Stadtgebiet von Duisburg bis Dortmund kommt, geht davon aus, er befinde sich in einer Metropole. Aber warum ist diese viertgrößte Metropole Europas auf keiner Karte verzeichnet, so schlecht organisiert und scheint man in Sachen Stadtentwicklung noch in den 80ern festzustecken?

Die Ruhrstadt ist mit 3,43 Mio. Menschen die viertgrößte Metropole Europas (ohne Türkei und Russland), nur in Paris (10,1 Mio.), London (8,86 Mio.) und Berlin (3,77 Mio.) leben mehr Menschen.

Ruhrstadt – viertgrößte Metropole Europas

Der urbane Raum (zusammenhängendes Stadtgebiet) in der Mitte des Ruhrgebiets besteht aus 15 Städten, deren Siedlungsstruktur nahtlos ineinander übergeht. Es handelt sich um eine polyzentrische Metropole mit 15 Stadtzentren aber einheitlichem Stadtgebiet. Die gleiche Struktur zeichnet u.a. auch London, Berlin und Tokio aus. Anders als Paris oder Madrid verfügen polyzentrische Metropolen nicht über ein dominierendes zentrales Stadtzentrum, sondern über mehrere etwa gleichrangige Zentren. So besteht Tokio (9,6 Mio.) aus 23 Städten, die sich auch als solche bezeichnen, London besteht aus 33 Zentren, davon bezeichnen sich zwei explizit als Städte (City of London und City of Westminster). Auch die Metropole Berlin stellt einen Zusammenschluss von Land- und Stadtgemeinden (Berlin, Neukölln, Spandau, Wedding, Reinickendorf usw,) mit jeweils eigenem Zentrum dar.

Ruhrstadt im Vergleich zu anderen Metropolen

Funktional besitzen Metropolen sehr unterschiedliche Verwaltungsstrukturen. Während in London die zentrale Verwaltung der Metropole sehr stark ist und die ehemaligen Land- und Stadtgemeinden nur noch in relativ wenigen Bereichen eigenständige Entscheidungen treffen, haben diese in Berlin größere Freiräume (z.B. eigene Gerichte und Kompetenzen bei der Verkehrsplanung). In der Metropole Tokio wiederum agieren die Städte weitgehend unabhängig, die Metropolverwaltung (Präfektur) hat nur sehr begrenzte zentrale Zuständigkeiten. Dagegen verfügen die Unité urbaine Paris wie die Ruhrstadt über keine zentrale metropolitane Verwaltungseinheit.

In der geografischen Ordnung wäre das Ruhrgebiet, mit dem “Großraum Ruhrstadt” gleichzusetzen. Die Metropolregion Ruhrgebiet verfügt mit dem RVR in Teilbereichen über eine zentrale, aber sehr schwache Verwaltungsstruktur. Der “Großraum Ruhrstadt” ist gemessen an der Bevölkerungszahl mit 5,15 Mio. Einwohner*innen gegenüber der Île-de-France (12,5 Mio.), der Metropolregion London (14.4 Mio.), der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg (6,2 Mio.) oder gar der Metropolregion Tokio (37,2 mio.) jedoch vergleichsweise klein.

Die positiven Effekte einer Metropole

Metropolen verfügen besonders in drei Bereichen über große Vorteile gegenüber Großstädten:

  • Möglichkeit der Nutzung von Skaleneffekten zur Steigerung der Kosteneffizienz (z.B. bei Verwaltung und städtischen Unternehmen)
  • Schaffung einer einheitlichen, hoch effizienten Infrastruktur aus einem Guss (z.B. ÖPNV, Ver- und Entsorgung)
  • Steigerung der Konkurrenzfähigkeit durch höhere Sichtbarkeit aufgrund der Größe und Vielfältigkeit (Marke, Image)

Nutzt man diese drei Effekte, bedeutet das für die Metropole gegenüber herkömmlichen Großstädten sowohl erhebliche Mehreinnahmen wie deutliche Kostensenkungen.

Ruhrstadt kann Metropoleneffekte nicht nutzen

Die Ruhrstadt ist bisher jedoch nicht in der Lage sich so zu organisieren, um die entsprechenden Metropoleneffekte auszunutzen:

Auf der europäischen Landkarte findet die Ruhrstadt nicht statt. Wer nicht vorhanden und sichtbar ist, wird als Standort für Wirtschaftsansiedlungen und als Tourismusziel eher selten in Betracht gezogen.

Eine dysfunktionale Infrastruktur, wie sie die Ruhrstadt insbesondere im ÖPNV vorzuweisen hat, schreckt Investoren ab, während sonst die hocheffiziente Organisation z.B. beim ÖPNV Metropolen attraktiv macht und Menschen wie Unternehmen anlockt. Den Vorteil von Metropolen, alle erdenklichen urbanen Angebote auf dichtem Raum schnell erreichbar anzubieten, kann die Ruhrstadt nicht bieten. 

Der nicht im Ansatz metropolengerechte ÖPNV sorgt in der Ruhrstadt dagegen dafür, dass die Wege in der Ruhrstadt weiterhin lang sind. So braucht man für eine Rundtour zu den 11 Highlights der Ruhrstadt mit Bus und Bahn 8,5 Stunden. So schreckt man Städtereisende ab. (Mieser Nahverkehr schreckt Touristen ab).

Auch in Sachen Kosteneffizienz dient die Ruhrstadt nur als Negativbeispiel, Fast alle Stadtgemeinden erfüllen ihre Aufgaben durch eigene, autarke Verwaltungen und Unternehmen. Zusammenarbeit mit anderen Städten der Ruhrstadt ist weiterhin die Ausnahme. Lobenswerte Initiativen in diese Richtung scheitern immer wieder kläglich am Kirchturmdenken von Politik, Gewerkschaften und anderen (Fusion von Bogestra und Ruhrbahn quasi gescheitert). Das kostet die Stadtgemeinden der Ruhrstadt völlig unnötig Milliarden.

Niemand fühlt sich zuständig und verantwortlich

Die Verwaltungs- und Infrastruktur der Ruhrstadt effizient und kostengünstig zu gestalten, ist bisher kein Ziel der Politik in der Ruhrstadt. Diese fokussiert sich darauf Geld von Bund und Land zu fordern, um ihre finanziellen Defizite auszugleichen (Benachteiligt die Ampel das Ruhrgebiet?). Statt selbst die Initiative zu ergreifen und die Ruhrstadt zu einer effizient funktionierenden Metropole umzubauen, hat man jeden Stolz verloren und ist sich nicht zu schade auf Betteltour zu gehen, um die finanziellen Folgen seiner eignen Unfähigkeit von anderen bezahlen zu lassen. (Lässt der Bund das Ruhrgebiet im Stich? Neue Vorwürfe).

Für Stadtgestaltung und –entwicklung, also auch für den Aufbau einer metropolengerechten Verwaltungs- und Infrastruktur, sieht sich die Politik im Ruhrgebiet parteiübergreifend seit jeher nicht zuständig (Kommunen der Ruhrstadt verlieren Anschluss). Alles, was Stadtentwicklung betrifft, überlässt man den Verwaltungen, die gemäß ihrem rechtlichen Auftrag nur die eigene Stadtgemeinde im Fokus haben und zu deren gesetzlichen Aufgaben nicht die Schaffung von Metropol-Strukturen zählt.

Die Aufgabe, eine metropolengerechte Verwaltungs- und Infrastruktur zu Schafen obliegt allein der Politik, die sich aber bisher als unfähig erweis, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Die Politik nennt die Schaffung entsprechender Strukturen zwar immer wieder als Ziel, Initiativen diese aufzubauen haben dagegen Seltenheitswert.

Dabei hindert kein Gesetz die Stadtgemeinden der Ruhrstadt, die städtischen Unternehmen zu verschmelzen oder Infrastrukturplanungen wie zum Nahverkehrsplan oder Wärmeplan Ruhrstadt übergehend in entsprechenden Gesellschaften durchzuführen, um dann daraus abgeleitete Pläne gemäß der gesetzlichen Vorschriften auf Stadtgemeindeebene einzureichen. Selbst die Übernahme von Aufgaben für mehrere Städte durch das Amt einer Stadt wäre rechtlich in vielen Fällen möglich und wird im Ausnahmefall auch bereits praktiziert. So ist das Umweltamt in Hagen auch für Bochum und Dortmund zuständig.

Politik tut so, als gäbe es die Ruhrstadt nicht

Vieles wäre möglich, scheitert aber an der fehlenden Bereitschaft der Politik, entsprechende Strukturen zu schaffen, bzw. daran, dass man die Zuständig- und Verantwortlichkeit dafür ablehnt. Das Narrativ der Politik, es wäre Aufgabe des Landes rechtlich das Gebilde einer Metropole Ruhrstadt mit entsprechenden Verwaltungsstrukturen zu schaffen, ist falsch, dies ist Aufgabe der Politik in den Stadtgemeinden der Ruhrstadt. Das Land kann mit der Anpassung von gesetzlichen Regelungen die Stadtgemeinden maßgeblich unterstützen und ihnen helfen, die nötigen Veränderungen müssen aber die Stadtgemeinden selbst anschieben.

Die Metropole Ruhrstadt gibt es de facto bereits, sie muss nicht erst vom Land geschaffen werden, ehe die Stadtgemeinden meinen tätig werden zu müssen. Es ist schon heute ihre Aufgabe, die für ein Funktionieren der Ruhrstadt nötige Verwaltungs- und Infrastruktur zu schaffen. Die Verantwortlichkeit für die überall in der Ruhrstadt sichtbaren Versäumnisse auf andere zu schieben, ist nicht gerechtfertigt.

Den Politikern und Politikerinnen der Ruhrstadt muss klar werden, dass sie bereits heute verantwortlich für eine Ruhrstadt mit metropolengerechten Strukturen sind, denn die Metropole ist faktisch bereits vorhanden und muss effizient im Sinne der Bürger*innen funktionieren. Weiterhin so zu tun, als gäbe es die Metropole Ruhrstadt, nicht, um sich den daraus resultierenden Aufgaben und Verantwortungen zu entziehen, ist keine Option.

Die Ruhrstadt ist in Sachen Stadtentwicklung an den anderen Metropolen Europas zu messen. Die Messlatte liegt also sehr viel höher als die Politik meint.

Stadtplanung und -gestaltung muss in der Hand der Stadtgemeinden bleiben

Bei der Gestaltung der Ruhrstadt ist jedoch zu beachten, dass polyzentrische Metropolen sich regelmäßig dadurch auszeichnen, dass sich ihre Zentren voneinander stark unterscheiden. Das bedeutet eine große Attraktivität und Vielfalt innerhalb der Metropole. Dagegen sehen die Zentren der Ruhrstadt beliebig und fast alle gleichförmig trostlos und öd aus. Das Desinteresse der Politik an Stadtentwicklung im Ruhgebiet hat dazu geführt, dass auf eine individuelle Stadtgestaltung in den letzten 70 Jahren wenig bis gar kein Wert gelegt wurde, man hat einfach ohne groß nachzudenken das nachgemacht, was alle Nachbarstädte auch getan haben.

Aufgabenverteilung Ruhrstadt – Stadtgemeinden

In einer Metropole sollten nicht wahllos sämtliche Aufgaben einer zentralen Metropolenverwaltung übertragen werden, sondern nur so viele wie eben nötig und sinnvoll. Gerade die Aufgaben, die es den Stadtgemeinden ermöglichen ihre Stadt individuell zu gestalten, müssen bei den einzelnen Stadtgemeinden verbleiben. Es sollte sogar ausdrückliches Ziel der Ruhrstadt sein, dass jede Stadtgemeinde ihren eigenen Charakter weiterentwickelt, der auf die Faktoren Lebensqualität Vielfalt und Attraktivität der Metropole Ruhrstadt einzahlt.

Der Weg zur Ruhrstadt

Bisher ist nicht absehbar, dass alle 15 Stadtgemeinden der Ruhrstadt gewillt sind, Aufgaben an gemeinsame, metropolenübergreifende Einrichtung zu übertragen. Daher haben die STADTGESTALTER bereits vorgeschlagen, dass Stadtgemeinden, die dazu bereit sind, zunächst eine Kern-Ruhrstadt bilden, der sich in der Zukunft andere Stadtgemeinden anschließen können (Vom Ruhrgebiet zur Ruhrstadt – ein neuer Lösungsvorschlag).

07 Jul

Wie SPD, Grüne und CDU den kleinen Parteien 2025 die Sitze stehlen wollen

CDU, SPD und Grüne haben in dieser Woche ein neues Kommunalwahlgesetz verabschiedet. Es legt fest, dass die großen Parteien schon für eine Stimme einen zusätzlichen Sitz im Stadtrat erhalten, der den kleinen Parteien trotz hunderter überzähliger Stimmen abgenommen wird. In diesem Beitrag wird am Beispiel von Bochum erklärt, wie der Stimmenraub funktioniert.

Schon immer sind den großen Parteien die kleinen ein Dorn im Auge. Jetzt haben SPD, Grüne und CDU ein neues Wahlgesetz verabschiedet, um der unliebsamen Konkurrenz bei der nächsten Kommunalwahl in skandalöser Weise die Sitze zu stehlen. Die Sitzzuteilung von überzähligen Sitzen soll zukünftig nicht mehr nach der Zahl der Reststimmen erfolgen, sondern, danach wie groß bzw. stark eine Partei im Kommunalparlament vertreten ist.

Wäre das geänderte Gesetz schon bei der letzten Kommunalwahl angewendet worden, hätte die CDU landesweit 184 Kommunalsitze mehr erreicht. die SPD 84 Sitze und die Grünen 51 Sitze. Die kleinen hätten diese insgesamt 319 Sitze an die großen abgeben müssen (Landtag ändert Kommunalwahlrecht – FDP will klagen).

Wie funktioniert der Stimmenraub?

Doch wie funktioniert der Stimmenklau (Drucksache 18/9806)? Das lässt sich am Beispiel des Stadtrats der Stadt Bochum anschaulich erklären. Dazu wird im Folgenden auf das marginal abgeänderte Wahlergebnis aus 2020 zurückgegriffen. Aus Anschaulichkeitsgründen wird davon ausgegangen, dass die CDU 156 Stimmen mehr erzielt hätte, als das real der Fall war, dafür Grüne und kleine politische Gruppierungen156 Stimmen weniger. Zudem wird angenommen, dass eine der kleinen Parteien, sich in zwei Parteien aufgespalten hat, was in der Realität 2023 auch so geschehen ist.

Das Sitzzuteilungsverfahren bis 2020

Nach dem bisherigen Sitzzuteilungsverfahren, wären die 86 Sitze, des Bochumer Stadtrates, die sich aufgrund von Überhangmandaten ergeben*, im Prinzip in folgender Weise** aufgeteilt worden: 

Für jede politische Gruppierung ergibt sich, wenn man die bei der Wahl erreichte Stimmenzahl durch die Zahl der gültigen abgegebenen Stimmen (138.334) teilt und den Wert dann mit der Gesamtzahl der Ratssitze (86) multipliziert ein Idealanspruch auf die erreichten Sitze. So erreicht die Partei D 2.808 Sitze (4.517 erzielte Stimmen / 138.334 x 86). Das Problem, 2 Sitze kann man an die Partei D direkt vergeben, ein 0,808 Sitz kann aber nicht zugeteilt werden. Entweder die Partei bekommt einen vollen Sitz oder keinen.

Stimmenzuteilung 2020 auf Basis des Wahlergebnis in Bochum 2020 (marginal verändert)

Also wurden die 86 Bochumer Ratssitze zunächst nach dem ganzzahligen Teil des Idealanspruchs (bei 2,808 also z.B. 2) vergeben. Auf diese Weise können 81 der 86 Site auf die Partien verteilt werden. 5 weitere Sitze blieben übrig.

Teilt man die Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen (138.334) durch die Gesamtzahl der Ratssitze (86), waren für einen Sitz 1.609 Stimmen nötig. Nach Verteilung der 81 Sitze ergeben sich für jede Partei Reststimmen, für die kein Sitz zugeteilt wurde. Das wären im Beispiel für CDU und Grüne je eine Stimme, für Partei A 1.538 Stimmen für Partei E 1.486. Also wurden bisher die verbleibenden 5 Sitze nach den höchsten der verbleibenden Reststimmenwerte an die Parteien A, C, D, E und F verteilt

So brauchte die Partei F für einen zusätzlichen Sitz nur 778 Stimmen, während für die ersten 81 Sitze noch je 1.609 Stimmen nötig waren. Dies führt zu einer höheren Stimmengewichtung, die aber rein praktisch unvermeidbar ist, da nur ganze, aber keine halben, Dreiviertel- oder Viertel-Sitze vergeben werden können

Das neue Verfahren der Sitzzuteilung

Das neue Verfahren (Drucksache 18/9806) stellt aber nicht etwa diese Ungleichgewichtung ab, sondern verschärft sie und führt zudem zu einer nicht zu rechtfertigenden Umverteilung der überzähligen 5 Sitze an die großen Parteien.

Stimmenzuteilung 2025 auf Basis des Wahlergebnis in Bochum 2020 (marginal verändert)

Die ersten 81 Sitze werden wie nach dem bisherigen Wahlverfahren zugeteilt. Die weiteren 5 Sitze werden dann aber nicht mehr nach den bei der Sitzverteilung nicht berücksichtigen Stimmen (Reststimmen) verteilt, sondern nach einem “gewichteten Idealanspruch”. Dazu wird der Idealanspruch durch den ganzzahligen Idealanspruch addiert mit 1 geteilt. Beispiel Partei D: 2,808 / 3 = 0,936.

Die 5 noch zu verteilenden Sitze erhalten jetzt die Parteien mit den 5 höchsten gewichteten Idealansprüchen, also CDU und Grüne sowie die Parteien A, C und E.

Das perfide bei dieser Sitzzuteilung, obwohl CDU und Grüne nach Zuteilung der 81 Sitze jeweils nur eine einzige überzählige Reststimme haben, bekommen sie einen der 5 zusätzlichen Sitze, während Partei D mit 1.300 Reststimmen keinen zusätzlichen Sitz erhält.

Das liegt daran, dass die 5 zusätzlichen Sitze nach neuem Kommunalwahlgesetz primär nach der Größe des insgesamt bei der Wahl erzielten Stimmenanteils verteilt werden und die überzähligen Stimmen, auf die kein Sitz entfallen ist, praktisch keine Rolle mehr spielen. Der Anteil von 19 an 20 Sitzen (0,95) oder gar 29 von 30 (0,98) ist per se höher als der von 1 an 2 Sitzen (0,5) oder 2 von 3 Sitzen (0,66). Der nicht berücksichtigte Reststimmenanteil geht in den “gewichteten Idealanspruch” nicht relevant ein.

Das Kriterium “gewichteter Idealanspruch”, nach dem die 5 Sitze verteilt werden, wurde willkürlich gewählt, man hätte auch gleich den 5 stärksten Parteien jeweils einen Bonussitz zuteilen können. Das Verfahren zeigt, Ziel von SPD, Grünen und CDU war es, sich bei der Sitzzuteilung schamlos auf Kosten der kleinen Partien zu bereichern.

Bewusst wurde das Wahlverfahren so geändert, dass wie im Beispiel eine zusätzliche Stimme für eine große Partei mehr Wert erhalten sollte wie 1.300 Stimmen für eine kleine Partei. Das neue Sitzzuteilungsverfahren macht 1.300 Stimmen für eine kleine Partei wertlos, verschafft den großen Parteien aber schon zusätzliche Sitze, ohne dafür irgendwie nennenswert Stimmen erzielt zu haben. Eine einzige Stimme, wie im Beispiel, kann bereits ausreichen. Demokratisch ist das sicher nicht.

Skrupellose und arrogante Machtbesessenheit

Diese massenweise Entwertung von Wählerstimmen ist Ausdruck einer skrupellosen und arroganten politischen Machtbesessenheit, die letztlich die wesentliche Ursache von der immer wieder beklagten Politikverdrossenheit ist (Zunehmender Populismus – Rechtsruck auch in Bochum zu erwarten). Diese Haltung macht Demokratie und Politik verächtlich.

Würde ein Viktor Orban oder ein Jarosław Kaczyński solche Methoden anwenden, um seine Macht zu erhalten, würden Vertreter und Vertreterinnen von SPD, Grünen und CDU das zu Recht als undemokratisch verurteilen. Tatsächlich hat man selbst aber keine Hemmungen in gleicher Weise vorzugehen. Bei der nächsten Demo gegen Populismus und Rechtsextremismus kann man sich dann wieder ein gutes Gefühl geben, auf der richtigen Seite zu stehen.

Doch den Verfall der politischen Sitten und Kultur haben die großen Parteien selbst zu verantworten, und ein Stimmenraub, wie der beschriebene, zerstört nachhaltig das Vertrauen in die Politik und bestätigen das Vorurteil, dass Politiker und Politikerinnen nicht an der Sache interessiert, sind, sondern allein am persönlichen Machterhalt.

Das Verfassungsgericht muss es richten

FDP und Linke haben angekündigt gegen das neue Wahlgesetz beim Verfassungsgericht klagen zu wollen. Zu erwarten ist, dass das Gericht erneut, wie bereits bei den Versuchen, die kleinen Parteien über Sperrklauseln auszuschalten, die demokratischen Grundrechte wahrt und das neue Wahlverfahren als verfassungswidrig verwirft.

SPD, Grüne und CDU sind gut beraten endlich das Bildungssystem in NRW zu reformieren, das Altschuldenproblem der Kommunen anzugehen und diese finanziell auskömmlich auszustatten. Hier besteht schon seit Jahren dringender Handlungsbedarf, doch in diesen Bereichen glänzt die Politik durch Nichtstun.

Geht es dagegen um den Machterhalt und die gezielte Benachteiligung der politischen Konkurrenten, kann man zuverlässig mit entsprechenden politischen Vorhaben rechtzeitig zur nächsten Kommunalwahl rechnen.

* Da die SPD bei der Wahl 2020 mit 33,71% 29 Direktmandate erzielt hat, mussten diese 29 Sitze im neuen Rat 33,71% der Gesamtsitzzahl der Sitze im Stadtrat ausmachen, es ergaben sich also insgesamt 86 Sitze.

** Genauer werden die Sitze nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) verteilt, das eine Sitzverteilung nach dem dargestellten Prinzip vornimmt.

30 Jun

Lohnt sich teure Stadionsanierung – Erstligaperspektive versus Tradition

Um in der ersten Liga bestehen zu können, muss das Ruhrstadion in Bochum saniert oder neu gebaut werden. Die VfL-Fans haben sich mehrheitlich gegen einen Neubau ausgesprochen. Wie sich jetzt zeigt, wird das für die Stadt allerdings sehr teuer. Müssten nicht eigentlich alle Bürger und Bürgerinnen entscheiden?

Die Entscheidung ist schwierig, die Meinungen kontrovers, aber nachvollziehbar. Viele Fans finden, dass Ruhrstadion an der Castroper muss unbedingt erhalten werden. Andere haben Zweifel, dass ein saniertes Stadion reicht, um dem VfL die wirtschaftliche Grundlage zu geben, die erforderlich ist, um in der 1. Bundesliga dauerhaft zu bestehen. Wieder andere lehnen sowohl Neubau wie Sanierung des Stadions ab und wollen das knappe städtische Geld lieber anders ausgeben.

Was wird die Stadionsanierung kosten?

Nach Gründung der Stadionbesitzgesellschaft werden die Zahlen zur Sanierung und Modernisierung des Stadions dazu jetzt konkreter. Auf 94,4 Mio. beläuft sich der erste Finanzbedarf. Für das laufende Geschäft der Stadionbesitzgesellschaft 14,5 Mio., 9,9 Mio. für den Kauf des Stadioncenters, an dem der VfL zu 90% beteiligt ist, sowie 70 Mio. Kapitaleinstellungen für die Stadionsanierung stellte der Rat in seiner Sitzung am 27.06.24 bereit (Mitteilung 20241415)

Vergleich Sanierung vs. Neubau

Die Stadionbesitzgesellschaft wird Eigentümer von Stadion, Stadioncenter, umliegender Stadioninfrastruktur, Nachwuchszentrum und Rundsporthalle. Das Stadion wird an den VfL verpachtet. Er Verein zahlt Pacht an die Stadt und sorgt für den Betrieb. Instandhaltung aller Gebäue und Anlagen sowie die Finanzierung des Stadionumbaus obliegt der Stadionbesitzgesellschaft, also der Stadt, der die Gesellschaft gehört.

Rechnet man bei der Stadionsanierung mit einer üblichen Kostensteigerung von 20%, kommen unter aktuellen Zinsbedingen in den nächsten 30 Jahren noch Finanzierungskosten von 56,9 Mio. und Instandhaltungskosten von 60 Mio. für die Stadt hinzu. Der Finanzaufwand beläuft sich für die Stadt damit für die nächsten 3 Jahrzehnte auf 226,3 Mio., rechnet man noch den angedachten Ersatzneubau der Rundsporthalle noch hinzu, sind es sogar 276,3 Mio..

Demgegenüber stehen rd. 75 Mio. Pachteinnahmen vom VfL, geht man von 2,5 Mio. Euro pro Jahr für das sanierte und modernisierte Stadion aus. Zum Vergleich, der SC Freiburg zahlt 3,8 Mio. für ein neues Stadion, das rund 7.000 mehr Zuschauer als das renovierte Ruhrstadion fasst (SC-Stadion: Die Kosten).

Für die Stadt blieben nach Abzug der Einnahmen von den Kosten ohne Betrachtung eines Ersatzneubaus der Rundsporthalle 151,3 Mio. Euro übrig, mit denen der VfL subventioniert würde. Im Falle eines Abstiegs in die 2. Bunddesliga würden die Pachteinnahmen deutlich sinken und damit der aus der Stadtkasse zu finanzierende Betrag entsprechend steigen. 

Fragwürdig: Kein Investitionsanteil des VfL

Anders als in Freiburg sieht der Bochumer Plan keinen Investitionsanteil des VfL an den Kosten für die Sanierung des Stadions vor. Im Gegenteil, die Stadt zahlt dem VfL noch 90% von 9,9 Mio. In dem sie ihm das Stadioncenter abkauft. I n Freiburg hat sich der SC dagegen mit 20 Mio. an den Kosten für das Stadion beteiligt. Warum die hoch verschuldete Stadt Bochum keinen Anteil des VfL erwartet, ist nicht nachvollziehbar, andere Bundesligavereine, wie z.B. Schalke 04 und der FC Bayern haben sogar das gesamte Stadion selbst finanziert.

Ebenfalls fragwürdig, warum die Stad die Möglichkeit eines Stadionneubaus nicht weiterverfolgt. Denn schaut man sich die Vergleichsrechnung an, wird dieser für die Stadt erheblich günstiger.

Wie stark würde ein Neubau des Ruhrstadions die Stadtkasse belasten?

Geht man davon aus, in Bochum würde ein neues Stadion in der Größe wie in Freiburg gebaut, würden zwar die Baukosten für Stadion und Infrastruktur mit 135 Mio. deutlich über den Sanierungs- und Modernisierungskosten liegen und entsprechend auch die Finanzierungs- und Instandhaltungskosten (78,5 und 84,1 Mio.), aber auch die mit dem Stadion zu erzielenden Einnahmen wären deutlich höher.

Während im Ruhrstadion auch nach Sanierung und Modernisierung nichts anderes als Fußballspiele stattfinden könnten, wäre in einem neuen Stadion die Veranstaltung von mindestens 10 Konzert- und ähnlichen Evens möglich. Das würde in 30 Jahren zusätzliche Einnahmen von rund 150 Mio. Euro bedeuten (0,5 Mio. pro Event). Auch wären die Pachteinnahmen für den Fußball höher, da der VfL aufgrund von mehr Zuschauern, mehr VIP-Plätzen und besserer Stadioninfrastruktur auch bei den Spielen deutlich höhere Einnahmen erzielen und daher mehr Pacht an die Stadt zahlen könnte. Bei 4 Mio. Pacht pro Jahr kämen auf diese Weise 120 Mio. Pachteinnahmen für die Stadt zusammen. Auch wäre ein Investitionskostenanteil des VfLs in Höhe von mindestens 20 Mio. für die stark verbesserten Einnahmechancen angemessen.

So ergäben sich über 3 Jahrzehnte in Summe Einnahmen von 290 Mio. Die den Kosten von insgesamt 312,1 Mio. gegenüberstehen. Die Stadt müsste den VfL statt mit über 150 Mio. nur mit 22,1 Mio. aus der Stadtkasse subventionieren.

Vergleich Sanierung vs. Neubau

Großer Nachteil der Neubauvariante, der Stadionneubau wäre erheblich klimaschädlicher als eine Sanierung und Modernisierung des bestehenden Stadions. Dafür würde ein neues Stadion, dem VfL eine sichere wirtschaftliche Basis für eine Erstligazugehörigkeit verschaffen.

Bürger*innen sollten entscheiden

Die Meinungen, welche Variante, die bessere für VfL und Stadt sind, gehen in Bochum weit auseinander. Dem eher traditionellen Fan ist der Erhalt des Ruhrstadions wichtiger als eine dauerhafte Zugehörigkeit zur 1. Bundesliga. Für andere Fans steht der sportliche Erfolg im Vordergrund, dieses Ziel ist mit einem neuen Stadion besser zu erreichen. Für wieder andere ist der Fußball nicht das entscheidende Kriterium, sondern die Kosten für die Stadt, sie wollen ggf. weder Sanierung noch Neubau oder wenn, die Variante, die die Stadtkasse am wenigsten belastet.

In jedem Fall sind aus Sicht der STADTGESTALTER alle Bürger*innen der Stadt an der Entscheidung zu beteiligen, wie in Sachen Ruhrstadion weiter vorgegangen werden soll. Allein nach dem Willen der Mehrheit der VfL-Mitglieder*innen zu gehen, ist angesichts von Kosten von über 150 Mio. zu Lasten des städtischen Haushalts zu kurz gegriffen. Aufgrund der erheblich geringeren Auswirkungen auf die Stadtkasse, ist auch die Variante Stadionneubau weiter in Betracht zu ziehen.

Mehr Transparenz ist nötig

Auch müssen die Auswirkungen und Maßnahmen transparent von der Stadt kommuniziert werden. In der Ratssitzung vom 27.06.24 hatten die STATGESTALTER beantragt, dass die Beschlüsse über die Finanzierung der Stadiongesellschaft und die Ermächtigungen zur Finanzierung von 94,4 Mio. aus dem städtischen Haushalt öffentlich im Rat diskutiert (Beschlussvorlage 20241410) und beschlossen werden. Dies wurde ohne Begründung abgelehnt. Gerade bei solchen Summen ist Offenheit nötig, sonst bekommt das ganze Projekt schnell einen sehr faden Beigeschmack.

23 Jun

EM 2024: Bochum vergibt Riesenchance – BOGESTRA blamiert Ruhrstadt

An 11 Spieltagen mit 570.000 Zuschauenden rollt der Ball in der Ruhrstadt. Es kommen Menschen aus ganz Europa. Doch Bochum und der RVR vergeben die Chance für sich zu werben. Stattdessen sorgt die BOGESTRA für schlechte Presse, weil sie die Abreise der Fans von der Schalke-Arena nicht organisiert bekommt.

Fußballeuropameisterschaft 2024 – Was eine riesige Chance für den Tourismus in Bochum und der Ruhrstadt. Nach Gelsenkirchen kommen in diesen Wochen 200.000 Fans, nach Dortmund sogar 370.000 Fans um die Spiele der EM 2024 zu sehen.

Es wäre eine Riesenchance gewesen

Zwei von neun Spielorten der EM liegen also in der Ruhrstadt, Bochum liegt genau zwischen beiden. Die anreisenden Fans kommen oft für mehrere Tage, um neben den Spielen noch Zeit im Land zu verbringen. Ganz wichtig wäre also gewesen, dass sich Bochum und die Ruhrstadt vor tausenden Menschen erstklassig präsentiert. Für das Ruhrgebiet bestand die einmalige Chance sich als spannende, pulsierende und gastfreundliche Reiseregion zu zeigen und so „auch in den nächsten Jahren mehr Touristen für sich gewinnen, die nach der EM wiederkommen und …. vielleicht einen längeren Urlaub hier verbringen wollen.” (EM 2024: Die Fußball-EM wird für den Tourismus ganz bedeutsam sein).

Doch es gibt keine vorzeigbare Fanmeile im Zentrum von Bochum. Die Stadt sieht sich zwar selbst als “Hotspot der Live-Kultur” (Bochum-Strategie), Man hat es aber versäumt, dieser selbst gewählten Rolle in den vier EM-Wochen gerecht zu werden.

Was wäre für eine grandiose Partv möglich gewesen, wäre die Viktoriastraße von Rathaus bis Schauspielhaus gesperrt und zur längsten Liveevent- und Fanmeile Deutschlands unter Einbeziehung von Bochum Total 2024 geworden. Bochum hätte sich als der Anlaufpunkt für 570.000 Fans profilieren können, die in der Stadt unvergessliche Momente erlebt hätten. Die Partymeile des Reviers. Bochum, der Ort in Deutschland, in dem die Menschen wissen, wie man die Nacht zum Tage macht. Was für einen Image Boost hätte das für die Stadt bedeuten können?

Mal wieder blieb es bei dem hochtrabenden Ziel in der Bochum Strategie, es fehlte jedoch der Mut und das Engagement, es richtig krachen zu lassen. Dabei ist die ARD mit dem Kneipenquiz am Kuhhirten (Kneipenquiz live im „Kuhhirten“: ARD ist „total zufrieden“ ) schon in der Stadt. Kostenlose Werbung in Form von Fernsehberichten über tausende Fans, die die Spieltage in der Stadt abfeiern, wären leicht zu haben gewesen.

Die Chance war einmalig, ein weiteres Großereignis ähnlicher Art wird es in der Region in den nächsten 20 Jahren voraussichtlich nicht geben.

Totalausfall Ruhrtourismus

So wird das mit Tourismus im Ruhrgebiet nichts. Auf der Tourismus-Seite des RVR (Ruhr Tourismus) findet die Europameisterschaft gar nicht statt auf der RVR-Seite findet man unter der Rubrik “Heimspiel” vier dürre EM-Beiträge,  auf der Bochumer Tourismusseite findet man zur EM, sehr versteckt, einen Beitrag (Bochum im EM-Fieberl), in Gelsenkirchen ist der Auftritt eher kläglich, nur Dortmund versteht es, sich als EM-Host City zu feiern,

Die mangelhaften Bemühungen des RVR über den Ruhr Tourismus die EM zu vermarkten und für das Ruhrgebiet nutzbar zu machen, muss man schon als Arbeitsverweigerung eingeordnet werden. Die Ruhrtourismus GmbH zeigt sich nicht zum ersten Mal überfordert (Ruhrgebiet: Mieser Nahverkehr schreckt Touristen ab). Der RVR sollte ernsthaft überlegen, seine Bemühungen in Sachen Tourismus einzustellen. Verfolgt man das Ziel den Tourismus zu fördern nicht ernsthaft und fehlt es auch sichtbar an der nötigen Professionalität, sollte man es lieber lassen.

Gelsenkirchen und BOGESTRA sorgen für kapitalen Imageschaden

Dass Bochum und die Ruhrstadt es leichtfertig verpasst haben, sich als attraktive Tourismusziele zu präsentieren, wäre vielleicht noch zu verschmerzen gewesen, dass aber Gelsenkirchen, BOGESTRA und der VRR mit dem An- und Abreisechaos an der Schalke-Arena die ganze Ruhrstadt öffentlich blamiert haben (Ridiculous: Englischer Fanverband entsetzt von Gelsenkirchen), bedeutet einen nicht wiedergutzumachenden Imageschaden, der die Ruhrstadt noch teuer zu stehen kommen wird.

Europaweite Schlagzeilen, die das Ruhrgebiet als trostlos, öd und in Sachen öffentlichem Nahverkehr als unfähig darstellen, sind für eine Profilierung als Touristenziel tödlich. Jetzt rächt sich, dass die Städte des Ruhrgebiets nie großen Wert auf eine gute Stadtgestaltung, ein ansprechendes Stadtbild und einen funktionierenden Stadtverkehr gelegt haben. Die Ansprüche in dieser Hinsicht sind und waren denkbar gering. Bemühungen, die Dinge zu verbessern, wurden mit dem Spruch “Woanders ist auch scheiße”, abgebügelt. Rankings zu Lebensqualität und Attraktivität, bei denen die Ruhrstadtstädte sich regelmäßig unter den Letzten platzierten, bewirken nichts, außer dass sich beschwert wird, die Situation im Ruhrgebiet werde falsch bewertet.

Wie Menschen von außen die Städte im Ruhrgebiet sehen, interessierte bisher wenig bis gar nicht. Von erfolgreichen Städten lernen und sich an diesen orientieren, wird oft immer noch abgelehnt. Also kommt es jetzt knüppeldick. Die Besucher*innen sehen Gelsenkirchen als trostloses, armes und rückständiges “Drecksloch” in dem nichts funktioniert, nicht mal der Nahverkehr (England-Fan ätzt gegen deutsche EM-Stadt und löst Debatte aus – Sky-Reporter legt nach). Und wie Gelsenkirchen aussieht, so sehen leider auch viele andere Teile des Ruhrgebiets aus. Ein Urteil über Wattenscheid-Mitte und den August-Bebel-Platz würde kaum anders ausfallen.

Verantwortlichen zeigen sich von Realität überrascht

Auf einmal sind die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung mit der Realität konfrontiert. EM-Fans haben keine Hemmungen ihre wahre Meinung über das auszusprechen, was sie sehen und erleben. Sie sind keine höflichen Gäste, die das erzählen, was die Gastgeber hören wollen. Sie äußern sich schonungslos und offen.

Tourismus setzt einen funktionierenden Nahverkehr voraus. Vor der EM hieße es, „die Mobilität ist ein wichtiger Faktor,“ um erfolgreich zu sein (EM 2024: Die Fußball-EM wird für den Tourismus ganz bedeutsam sein). Was die Menschen in der Ruhrstadt als ÖPNV geboten bekommen, entspricht jedoch nicht im Ansatz dem Standard, den Menschen aus ganz Europa in Großstädten und Metropolen gewohnt sind (England-Fans kritisieren Bahn-Chaos in Gelsenkirchen). Das meinen zwar viele in Verantwortliche im Ruhrgebiet, ist aber eine fatale Fehleinschätzung.

Rückständigkeit im Nahverkehr schadet Tourismus

Ein Stadion wie die Schalke-Arena (Kapazität: 62.500 Zuschauer) mit nur einer Straßenbahnlinie über eine nicht barrierefreie Haltestelle, die mit Straßenbahnen in Zweifachtraktion angefahren wird, anzubinden, legt offen, wie unterentwickelt das Ruhrgebiet und ganz besonders der Nahverkehr ist (Ridiculous: Englischer Fanverband entsetzt von Gelsenkirchen).  Fährt man in Montpellier und Straßburg  mittlerweile auf eigenem Gleiskörper mit bis zu sieben, in Dublin sogar mit neun Bahnteilen (Alstom Citadis), schafft die BOGESTRA es immer noch nicht mit mehr als zwei Traktionen zu fahren. Steinzeit trifft Zukunft, könnte man sagen.

Für die EM hätte man dringend Abhilfe schaffen müssen, doch man blieb untätig. BOGESTA, VRR und Stadt Gelsenkirchen ist das Anfahrt-Problem zur Arena seit jeher bekannt, doch man schwieg. Hier zeigt sich, Kundeninteressen haben weder bei BOGESTRA, VRR noch den Kommunen der Ruhrstadt eine halbwegs angemessene Relevanz schon gar keine Priorität.

Schönreden statt Handeln

Mehr als zwei Stunden mussten manche Fans auf eine Abreise mit dem ÖPNV vom Stadion im Straßenbahnchaos warten (Fans left sidelined and with nowhere to go thanks to Uefa’s bumbling genius Fans left sidelined and with nowhere to go thanks to Uefa’s bumbling genius | Euro 2024 | The Guardian). Die Stadt Gelsenkirchen blamiert sich mit der Aussage, das Chaos sei ganz normal (England-Fans kritisieren Bahn-Chaos in Gelsenkirchen). Ja, für Menschen im Ruhrgebiet ist Chaos im Nahverkehr leider oft die Normalität, man ist es nicht anders gewohnt, für Menschen aus anderen Großstädten und Metropolen ist es das allerdings nicht.

Auch mag nach den Maßstäben der BOGESTRA die abgelieferte Leistung “adäquat” gewesen sein (Aus unserer Sicht ist alles perfekt gelaufen), nach dem in europäischen Städten üblichen Standard war sie peinlich und untragbar. Die Einschätzung der BOGESTRA zeugt von Realitätsverlust. Der ist auch beim VRR festzustellen, wenn der Sprecher erklärt: “Der Transport habe sehr, sehr gut funktioniert, man habe “Enormes geleistet” (Gelsenkirchen: VRR und Bogestra verteidigen Abreiseverkehr). Bei dieser Aussage tritt sogar noch arrogante Selbstzufriedenheit hinzu.

Alle Äußerungen klingen aus Sicht der Betroffenen wie Hohn. Eine öffentliche Entschuldigung für die inakzeptable Leistung wäre die einzig richtige Reaktion gewesen. Offensichtliche Unzulänglichkeiten schön zu reden, war keine Option. Das Ruhrgebiet ist allerdings der Ort, wo vieles nicht funktioniert und schlecht läuft, aber nie jemand dafür verantwortlich ist oder zugibt, dass man Fehler gemacht hat. Diese Haltung ist wiederum ein wesentlicher Grund dafür, warum offensichtliche Mängel nicht abgestellt werden.

Die Folgen der EM für Bochum und die Ruhrstadt

Was wird nach vier Wochen EM in der Ruhrstadt, bei den Menschen, die das Ereignis europaweit live oder im TV verfolgt haben, hängen bleiben? Deutschland und die Deutschen sind toll, aber Ruhrgebiet und Ruhrstadt sollte man besser meiden. Der Imageschaden, der insbesondere durch die anmaßende Uneinsichtigkeit der Verantwortlichen angerichtet wurde, wird sich in den nächsten Jahren nur sehr schwer wieder gut machen lassen.

Die Blamage könnte ein Weckruf für die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung sein, mal zu schauen, wie Menschen von außen die Ruhrstadt sehen. um zu erkennen, was man ändern und von anderen Städten lernen bzw. sich abschauen sollte. Nur so wird man den Ansprüchen, die Menschen heute an Stadtgestaltung, Stadtbild und das Funktionieren von Großstädten und Metropolen stellen, gerecht werden können. Doch zu befürchten ist, dass man sich die Lage weiter schön redet und stattdessen den Kritikern aus dem Ausland vorwirft, die Dinge völlig falsch zu sehen.

Foto: UEFA, Logo,, Google Maps

16 Jun

Bürger*innen vier Mal im Jahr über Stadtthemen entscheiden lassen

Vier feste Termine pro Jahr gibt es in der Schweiz, an denen die Menschen über Angelegenheiten ihrer Stadt oder Gemeinde abstimmen. So funktioniert echte Bürgerbeteiligung. Ein Vorbild für Bochum?

Soll eine Schule erweitert werden? Soll Bauland zum Naherholungsgebiet umgewandelt werden? Soll eine Tempo 30 in eine 40er-Zonen umgewandelt werden? Soll auf einer Schule eine PV-Anlage errichtet werden? Das sind typische Fragen, die den Bürgern und Bürgerinnen in Schweizer Gemeinden und Städten zur Abstimmung vorgelegt werden (Volksabstimmungen Kanton Zürich)

Vorbild Schweiz

An vier schweizweit festgelegten Terminen im Jahr, wird über Volksinitiativen und Vorlagen des Stadt- oder Gemeinderats abgestimmt. Bei Volksinitiativen sind es Bürger*innen die die Initiative ergreifen, um die die Bürger*innen über eine Frage bzw. Angelegenheit abstimmen zu lassen. Volksinitiativen sind deutschen Bürgerbegehren vergleichbar.

Zusätzlich legt der Stadt- oder Gemeinderat in der Schweiz den Bürger*innen selbst Vorlagen zu Entscheidung vor. Solche Vorlagen sind verpflichtend, wenn für Bauvorhaben z.B. höhere Kredite aufgenommen werden müssen. Möglich ist auch, dass der Rat den Bürger*innen freiwillig Entscheidungen überträgt. Letzteres entspricht den deutschen Ratsbürgerentscheiden. Die aber in Deutschland nur ganz selten, in Bochum noch nie beschlossen wurden.

Traditionell versteht sich die Bochumer Politik als einzige Entscheidungsinstanz in der Stadt. Man sieht keinen Anlass, die Bürger und Bürgerinnen entscheiden zu lassen, man traut es ihnen nicht zu, sieht nur sich zur Entscheidung auserwählt und lässt die Menschen in der Stadt daher außen vor.

Eine Verpflichtung bestimmte Entscheidungen den Bürgern und Bürgerinnen gibt es in Deutschland und damit auch in Bochum nicht.

Wirkung von Bürgeerbeteiligung

Volksabstimmungen bzw. Bürgerentscheide haben besonders zwei positive Effekte für eine Stadt oder Gemeinde: Die Menschen fühlen sich mitgenommen und identifizieren sich mehr mit ihrer Stadt. Zudem beschäftigen sie sich mehr mit den anliegenden politischen Themen, weil sie sich für eine Entscheidung darüber informieren müssen. Die Haltung gegenüber der Stadt- und Stadtgesellschaft verändert sich. Der Satz “Frage nicht, was deine Stadt für dich tun kann, sondern was du für deine Stadt tun kannst” (frei nach John F. Kennedy) bekommt erst dann entscheidende Relevanz, wenn es den Bürger*innen auch wirklich möglich ist, über Stadtangelegenheiten mitzuentscheiden.

Echte Bürgerbeteiligung gibt es in Bochum bisher nicht

Diese Möglichkeit besteht bisher in Bochum nicht. Dass in Stadtverwaltung und Politik bestehende Desinteresse an Bürgerbeteiligung zeigt sich besonders deutlich auf der Bürgerbeteiligungsplattform bochum-mitgestalten.de Projekte, bei denen die Bürger*innen wirklich aktiv mitgestalten können, gibt es nur sehr wenige. Alibimäßig wird stattdessen auf Beteiligungen- und Veranstaltungen hingewiesen, die aufgrund rechtlicher Vorgaben von der Stadt durchgeführt werden müssen oder auch ohne die Plattform stattfinden würden (Förmliche Beteiligung Änderung Flächennutzungsplan, Stadtteilspaziergänge, Bürgeranhörungen Lärmaktionsplan, Stadtteilkonferenz).

Als die STADTGESTALTER 2020 das Beteiligungsformat 2020 vorgeschlagen haben, hatten sie sich Nutzung ganz anders vorgestellt (Die Bürgerbeteiligung in Bochum auf ein neues Niveau heben).

Bürgerbeteiligungsplattform in Bochum ist bisher ein Flop

Im Prinzip sollte die Bürgerbeteiligung eigentlich laufen wie beim Beteiligungsprojekt “Pocket Parks”), bei dem die Bürger*innen über bochum-mitgestalten.de Flächen für neue Pocket Parks vorschlagen konnten. So werden jetzt 20 neue Pocket-Parks geschaffen, von denen immerhin 9 durch Bürger*innen angeregt wurden (Vorlage 20240611)

Negativ anzumerken ist allerdings, die Vorschläge der Verwaltung (Amt und Projektteam) wurden den Bürger*innen über die Bürgerbeteiligungsplattform nicht zur Diskussion gestellt, ebenso wenig wie die Parkvorschläge der Politik. Der Oberbürgermeister versuchte sogar aktiv zu verhindern, dass Vorschläge der STADTGESTALTER den Bürger*innen über die Plattform zur Diskussion gestellt werden, es wurde angedroht den eingebrachten Vorschlag zu löschen (Propstei-Park).

Echte Bürgerbeteiligung erfordert, dass nicht nur die Vorschläge der Bürger*innen, sondern alle zur Diskussion gestellt werden und die Menschen in der Stadt auch eine Möglichkeit erhalten diese differenziert zu bewerten und dies nicht allein der Verwaltung vorbehalten bleibt.

Das eigentliche Problem besteht jedoch bereits darin, dass Verwaltung und Politik bisher nicht wirklich bereit sind echte Bürgerbeteiligungsprojekte auf der Plattform zur Diskussion zu stellen. Die mangelnde Qualität der Bürgerbeteiligung wie bei dem Projekt “Pocket Parks” kommt dann noch erschwerend hinzu.

Mehr Bürgerentscheide stäken die Stadtgesellschaft
 

Bürgerbeteiligung ist in Bochum also nach wie vorher mehr Alibi als echte Eibindung der Bürger*innen in Angelegenheiten, die sie direkt betreffen. Dabei könnte Bochum dem Vorbild der Schweiz folgen. In jedem Quartal könnte die Stadt den Bürger*innen zu einem festgelegten Termin eine Reihe Fragen und Angelegenheiten zur Abstimmung vorlegen. Dinge die nur einen Stadtbezirk betreffen würden nur dort zur Entscheidung gestellt, über stadtweit relevante Entscheidungen würden alle Bürger und Bürgerinnen abstimmen. Dazu können die Stadtbewohner*innen angeregt werden, selbst Fragen zur Entscheidung stellen zu lassen.

So wäre zum Beispiel vorstellbar, dass von den Bürger*innen und nicht vom Stadtrat direkt entschieden wird, ob die Stadt einen ehrenamtlichen Tierschutzbeauftragten anstellen, ob die Kreuzung vor Rietkötter zu einem Platz umgestaltet werden, ob es eine moderne ÖPNV-Verbindung zwischen Ruhr Park und Innenstadt geben oder ob die Flächenversiegelung in Bochum gestoppt werden soll.

Diese Möglichkeiten der Mitentscheidung und das stadtweite diskutieren von zu treffenden Entscheidungen würde die Demokratie in der Stadt stärken und die Stadtpolitik auf eine breitere Basis stellen. Sicher kommt es bei Bürgerentscheiden wie sonst in der Politik zu Entscheidungen, die Stadt und Bewohner*innen später bereuen. Daraus lernt die Stadtgesellschaft und kann solche Entscheidungen durch neue Abstimmungen revidieren. Auch das gehört zur Demokratie dazu.

Bürgerbeteiligung sollte man als andauernden Lernprozess für Bürger*innen genauso wie für Politik und Verwaltung verstehen. Wenn alle Beteiligten sich darauf einlassen, verbessert das den Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft. Das sollte das Ziel sein.

09 Jun

Stadtbotschaften in Sheffield, Oviedo und Tsukuba

Leider liegen die Städtepartnerschaften der Stadt Bochum etwas brach. Es könnte viel mehr passieren. Die STADTGESTALTER haben eine Idee mit der sich die Städtepartnerschaften wieder beleben lassen: Stadtbotschafter und –botschafterinnen.

Bochum hat internationale Städtepartnerschaften mit Sheffield (UK), Oviedo (Spanien), Donezk (Ukraine) und Tsukuba (Japan). Die Städtepartnerschaft zu Donezk beschränkt sich derzeit leider auf Hilfslieferungen, da die ukrainische Stadt russisch besetzt ist. Die Partnerschaft mit Tsukuba konzentriert sich auf einen Austausch auf wirtschaftlicher und universitärer Ebene.

Probleme der Städtepartnerschaften

Die Partnerschaften zu Sheffield und Oviedo finden leider kaum mehr statt. Zwar haben sich die Oberbürgermeister von Bochum und Sheffield zuletzt nach über 10 Jahren endlich mal wieder getroffen, da der Lord Mayor in Sheffield jedoch jedes Jahr wechselt, ist ein verlässlicher Kontakt auf politischer Ebene mit ständig wechselnden Personen schwierig. Sonst basieren die Partnerschaften bisher im Wesentlichen auf einem Partnerschaftsverein und dessen Aktivitäten. Bei der Partnerschaft mit Tsukuba sind die Universitäten beider Städte eng vernetzt.

Städtepartnerschaften lebt von vielfältigen Verbindungen zwischen Menschen und Institutionen aus beiden Partnerstädten und einem regen Informationsaustausch. Solche Links fehlen insbesondere nach Oviedo und Sheffield. Die Erfahrung zeigt, das Amt des Oberbürgermeisters und ein Partnerschaftsverein, die ihr Bestes geben, reichen nicht, um vielfältige Kontakte zu den Partnerstädten zu knüpfen und zu pflegen. Damit Städtepartnerschaften gut funktionieren, sind viele weitere Verbindung auf den verschiedensten Ebenen nötig.

Die Idee der Stadtbotschaften

Also stellt sich die Frage, wie lassen sich weitere Verbindungen zu den Partnerstädten schaffen. Die STADTGESTALTER schlagen vor, in den Partnerstädten Stadtbotschafter*innen zu ernennen. Das sollen Menschen sein, die in den Partnerstädten leben, dort gut vernetzt sind und tagtäglich von dort berichten können, als Ansprechpartner*innen für Bochum dienen und auf schnellem Weg Kontakte vermitteln können.

Hauptaufgabe einer Stadtbotschaft bzw. der Botschafter*innen der Stadt Bochum, wäre Informationskanäle in den Sozialen Medien zu bespielen, auf denen sie auf deutsch über die Partnerstadt, deren Menschen, Institutionen und über das Stadtleben berichten. So könnte bezogen auf Sheffield das “Grey to Green”-Projekt vorgestellt, ein Interview mit dem Leiter der University of Sheffield geführt, das Lyceum Theatre präsentiert und über den Sheffield Grand Prix 2024 berichtet werden. Im Internet könnte Ausgangspunkt aller genannten Informationsangebote und Ziel von Anfragen eine Blogseite sein, die als virtuelle Stadtbotschaft dient.

Bisher weiß eigentlich niemand, was in Sheffield und den anderen Partnerstädten los ist, wer was tut und welche interessanten und wichtigen Einrichtungen sowie welche möglichen Ansprechpartner*innen es gibt. Ohne diese Informationen ist es aber schwierig bis unmöglich die gewünschten Links in die Partnerstädte herzustellen. Vermutlich kommen bisher viele nicht mal auf die Idee, Projekte mit Partner*innen aus Sheffield, Oviedo oder Donezk zu unternehmen, weil sie zu wenig über die Partnerstädte wissen.

Darüber hinaus sollen die Botschafter*innen der Stadt Bochum als direkte Ansprechpartner*innen in den Partnerstädten dienen und Kontakte auf direktem Weg vermitteln. Wird für ein Musikfestival in Bochum eine Band aus Sheffield gesucht, dann sollte eine Kontaktaufnahme zur Stadtbotschaft reichen und schon bekommt der/die Interessierte interessante Musikgruppen genannt. Genau so sollte es funktionieren, wenn andere Bochumer Einrichtungen, Schulen, Hochschulen oder Unternehmen Partner*innen für Projekte in Partnerstädten suchen

Wer könnte Stadtbotschafter*in sein?

Umgekehrt kann die Stadtbotschaft auch Anfragen aus Sheffield aufnehmen und Partner*innen aus Bochum vermitteln. Im besten Fall aber benennen die Partnerstädte ebenfalls Botschafter*innen für ihre Stadt, die in Bochum ansässig sind und von hier berichten und ihrerseits Verbindungen herstellen.

Der Schlüssel für eine gute Partnerschaft sind so viele Informationen wie möglich über das Leben in einer Partnerstadt und die Möglichkeit auf direktem und schnellem Weg Kontakte aufzubauen. Dafür sind Stadtbotschafter*innen ideal.

Professionell arbeitende Stadtbotschafter*innen können das Amt allerdings nicht ehrenamtlich ausfüllen. Dafür sind die Aufgaben zu umfangreich. Die Stadt muss also ein Budget schaffen, aus dem die Stadtbotschaften bezahlt werden. Möglich wäre, dass das Amt der Stadtbotschafter*in nebenberuflich oder als Studentenjob ausgeübt wird. Sinnvoll wäre, dass die Stadtbotschafter*innen von Zeit zu Zeit, z. B. nach 3-5 Jahren, zu wechseln, um wieder neue und wechselnde Einblicke aus den Partnerstädten zu bekommen.

Tag der Partnerstädte

Stadtbotschaften ermöglichen auch die Organisation eines Tages der Partnerstädte, bei dem Institutionen und Menschen aus den Partnerstädten nach Bochum kommen, um hier die gemeinsame Partnerschaft zu feiern. Die Stadtbotschafter*innen können zu diesem Anlass die nötigen Verbindungen herstellen, damit etwa die BoSys mit Symphonikern aus Partnerstädten ein Konzert auf die Beine stellen, oder im Schauspielhaus Ensemble aus Partnerstädten Aufführungen anbieten. Ebenso könnte ein OpenAir-Festival mit Musikacts, Poetryslam, Lesungen oder anderen Formaten aus allen Partnerstädten veranstaltet werden. Denkbar wäre auch ein Rave, an dem die Acts aus den verschiedenen Partnerstädten live oder digital teilnehmen.

Mit den Stadtbotschaften entstünde eine Organisationsstruktur, die es erst ermöglicht, solche Veranstaltungen zu organisieren. Die Stadtbotschafter*innen bauen durch ihre Tätigkeit ein Netzwerk zwischen den Partnerstädten auf, das lebendige und vielfältige Partnerschaften auf allen Ebenen ermöglicht. Durch die beständige gegenseitige Information über das Leben in den Städten, kommen diese sich näher und wächst das Gefühl der Verbundenheit.

Sheffield first

Zum weiteren Vorgehen schlagen die STADTGESTALTER vor, zunächst mit Sheffield zu sprechen, ob es einen Versuch wert wäre, gegenseitig Stadtbotschafter*innen zu bestellen, um auf diese Weise die Partnerschaft zu vertiefen. Erweisen sich die Stadtbotschaften als gute Idee, sollte man das Konzept auf weitere Partnerstädte übertragen.