Klimaschutz, viel Papier, wenig Greifbares
Bochum hat 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Was tut die Stadt für den Klimaschutz? Welche Maßnahmen laufen? Wie erfolgreich konnten die umgesetzt werden? Dazu gibt die Verwaltung von selbst leider nur viel zu wenige Informationen. So entsteht der Eindruck viele Maßnahmen würden gar nicht oder nur sehr verzögert umgesetzt. Das Controlling hinsichtlich der beschlossenen Klimakonzepte und Maßnahmen ist unzureichend und muss dringend verbessert werden. Auch fehlt bei der Realisierung eine verbindliche Zeitplanung.
Viele Konzepte auf viel Papier
Die Stadt hat 2009 ein erstes Klimaschutzkonzept aufgestellt und es 2015 fortgeschrieben, Darüber hinaus gibt es 4 Klimaschutzteilkonzepte:
- Klimaschutzteilkonzept „Klimafreundlicher Verkehr”
- Integriertes Wärmenutzungskonzept Bochum-Ost
- Erschließung der verfügbaren Erneuerbare Energien-Potenziale der Stadt Bochum in den Stadtteilen Laer, Altenbochum, Goy und Steinkuhl
- Potenzialstudie Altdeponie An der Holtbrügge (Klimaschutz durch optimale Fassung und Reduzierung der Methanemissionen)
Darüber hinaus hat die Stadt noch die Plattform „Sammelprojekt Klima und Energie“ entwickelt sowie ein Klimaanpassungskonzept Bochum erstellen lassen.
Wie viele Maßnahmen gibt es und wie viele werden und wurden umgesetzt?
Das Klimaschutzkonzept sieht 90 Maßnahmen, vor die seit 2009 bzw. 2015 umgesetzt werden sollen (Maßnahmenkatalog). Die SPD hatte die Verwaltung bereits 2019 nach einem “Bilanz-/Zielkatalog aller bestehenden und geplanten Klimaschutzmaßnahmen” gefragt. In der Antwort (Mitteilung 20191910) legt die Verwaltung jedoch nur eine Liste der Maßnahmen vor. Ob und ggf. wann die Maßnahmen in Angriff genommen wurden, in welchem Umsetzungsstadium sie sich befinden oder ob sie verworfen wurden, bleibt offen. Schaut man sich den Maßnahmenkatalog näher an, dann erkennt man einige Maßnahmen wieder, von deren Umsetzung bereits berichtet wurde (U.a. Ausbau einer energieeffizienten Straßenbeleuchtung), von anderen wiederum ist bekannt, dass sie nicht umgesetzt wurden, z.B. die Erstellung eines integrierten energetischen Quartiertskonzepts. Obwohl diese Maßnahme gemäß beschlossenem Klimaschutzkonzept 2030 2015 mit höchster Priorität umgesetzt werden sollte, lehnte die Mehrheit im Stadtrat. die von der Fraktion “FDP und Die STADTGESTALTER” beantragte (Antrag 20190968)
unverzügliche Umsetzung dieser Maßnahme 2019 sogar ausdrücklich ab.
Bisher gibt es keine Übersicht, welche der beschlossenen Maßnahmen, die Verwaltung tatsächlich in Angriff genommen hat, in welchem Umsetzungsstadium, diese sich ggf. befinden und wann mit einem Abschluss der Realisierung zu rechnen ist. Die Informationspolitik der Verwaltung in Sachen Klimaschutz ist ausgesprochen dürftig.
Gleiches zeigt sich auch bei den Klimaschutzteilkonzepten.
Das Klimaschutzteilkonzept „Klimafreundlicher Verkehr”, das im Dezember 2013 erstellt wurde, weist 34 weiter Maßnahmen auf. Auch zu diesen gibt es bisher keine Mitteilung der Verwaltung, ob und wenn in welchem Stadium der Umsetzung die sich befinden. Viele wichtigen Maßnahmen wurden bisher offensichtlich nicht in Angriff genommen, So gibt es bis heute weder einen Masterplan Mobilität noch eine Fortschreibung des Radverkehrskonzept oder Radschulwegpläne für die Schulen. Die Aussage der Verwaltung in der Mitteilung 20191910 “Besonders im Handlungsfeld Mobilität, in welchem in den letzten Jahren kaum eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen registriert werden konnte, sind die Anstrengungen der Stadt Bochum momentan enorm”, ist also nur zum Teil richtig: Es wurde kaum was erreicht, ist korrekt, aber die Anstrengungen können nicht enorm sein, wenn wesentliche Teile eines Konzeptes aus dem Jahr 2013 immer noch nicht umgesetzt wurden.
Für den Bochumer Osten wurde bereits 2013 ein Integriertes Wärmenutzungskonzept erstellt und anschließend einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Ziel des Projektes ist es, die Energieversorgung des Stadtteils zu optimieren. Inwieweit das aufgrund des Konzeptes gelungen ist, kann jedoch nicht nachvollzogen werden. Eine Umsetzungsbericht, der darlegt, welche Konkretisierungsschritte die Stadt bisher unternommen hat, ist weder im Ratsinformationssystem noch auf der Internetseite der Stadt zu finden (Integriertes Wärmenutzungskonzept). Es fragt sich, ob es eine solche Fortschreibung und Ergebnisanalyse überhaupt gibt. Die im Konzept vorgeschlagene Roadmap (Seite 11 der Kurzfassung) wurde jedoch offensichtlich nicht verfolgt.
In einem weiteren Klimaschutzteilkonzept zur Erschließung der verfügbaren Erneuerbare-Energien-Potenziale der Stadt Bochum in den Stadtteilen Laer, Altenbochum, Goy und Steinkuhl wurden 2017 die Potenziale des Einsatzes von Biomasse, Windenergie, Solarenergie und Geothermie in den entsprechenden Stadtteilen betrachtet. Der zu diesem Konzept aufgestellte Handlungskatalog umfasst 37 Maßnahmen, die gemäß Beschluss des Umweltausschusses des Stadtrates mit dem Ziel der Umsetzung weiter verfolgt werden sollen. Auch bei diesem vergleichsweise jungen Konzept ist bisher unklar, welche Maßnahmen schon begonnen bzw. aktuell verfolgt werden, umgesetzt oder verworfen wurden. Dabei hätte die Verwaltung nach fast 2,5 Jahren dazu schon längst mindestens einmal Bericht erstatten müssen.
Potenzialstudie Altdeponie An der Holtbrügge – Seit 2008 will die Stadt das aus der Altdeponie An der Holtbrügge austretende Methangas zur Energiegewinnung nutzen (WAZ vom 23.05.08).
Dazu wurde 2027/18 eine Potenzialstudie in Auftrag gegeben. Die angefertigte Studie ist weder im Ratsinformationssystem noch auf der Seite der Stadt Bochum (Info zu Potenzialstudie) zu finden. Was aufgrund der Ergebnisse der Studie weiter passieren soll ist nicht erkennbar.
Hinsichtlich des “Sammelprojekts Klima und Energie” hat die Verwaltung die Politik zuletzt 2013 (Mitteilung 20132329) von sich aus über den Sachstand der zu erstellenden Plattform informiert, auf der Maßnahmen und Projekte der Verwaltung, aber auch von Externen Dritten zum Klimaschutz aufgelistet werden sollten. Bis heute ist diese Plattform weder auf der Internet-Seite der Stadt einsehbar (Sammelprojekt Klima und Energie). noch gibt es einen Hinweis darauf, dass ob und wann die dazu angekündigten Sachstandskonferenzen stattgefunden haben sollen.
Zuletzt sei noch das Klimaanpassungskonzept der Stadt Bochum genannt, das aber nicht zu den Klimaschutzkonzepten zählt, sondern 36 Maßnahmen auflistet, die die Stadt ergreifen sollte um sich auf die Folgen einer zunehmenden Klimaerwärmung einzustellen. Diese Maßnahmen werden um so bedeutsamer, je weniger die Stadt und alle anderen Akteure für den Klimaschutz und die Erderwärmung tun.
Der Stadt fehlt zur Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen ein verbindlicher Zeitplan und ein Controlling
Die Stadt Bochum hat so viele Klimaschutz(teil-)konzepte wie kaum eine andere Stadt verfassen lassen. Die Politik hat den Klimanotstand ausgerufen. Doch ein verbindliches Umsetzungskonzept für die beschlossenen Maßnahmen fehlt. Weder gibt es verbindliche Beschlüsse und Termine, wann mit einer Maßnahme zu beginnen ist und bis wann diese umgesetzt sein soll, noch ein Controllingsystem, mit dem sichergestellt werden kann, dass die Maßnahmen, wie in den Zeitplänen der Konzepte vorgesehen, termingerecht realisiert werden. Auch ist weder für die Politik noch für die Bürger einsehbar, ab wann Maßnahmen in Angriff genommen werden sollen, in welchem Umsetzungsstadium sich Maßnahmen aktuell befinden oder ob diese aufgegeben wurden. Diese Informationen sollten auf der Internetseite der Stadt verfügbar sein und ständig dem aktuellen Stand angepasst werden.
Bisher informiert die Verwaltung auch die Politik nicht von sich aus regelmäßig über die aktuellen Sachstände. Dies geschieht immer wieder nur auf gezielte Nachfragen. Dass dieses Vorgehen von der Politik bisher klaglos hingenommen wird und sie so wirklich eigentlich gar nicht weiß, ob und wie konsequent die beschlossenen Konzepte umgesetzt werden, ist leider ein Hinweis darauf wie nebensächlich das Thema Klimaschutz trotz ausgerufenem Klimanotstand auch heute noch in der Stadt behandelt wird.
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