20 Sep.

Bochum 2025 – Beschreibungs- und Zumutungsangst

Im Wahlkampf haben sich weder lokale Politik noch Presse getraut, die Herausforderungen zu beschreiben, vor denen Bochum und das Ruhrgebiet stehen, noch welche Zumutungen bei Lösung der Probleme auf die Menschen in den nächsten Jahren zukommen werden.

Der Kommunalwahlkampf 2025 ist fast vorbei, am 28.9. findet noch die OB-Stichwahl statt. Zeit Bilanz zu ziehen. Wie ist der Wahlkampf in Bochum gelaufen?

Wahlprogramme – Viele Schlagwort und Phrasen, kaum echte Inhalte und Lösungen

Wahlkampf sollte eigentlich ein Wettbewerb der Positionen, Zielen und Ideen sein. Das war er in Bochum leider nicht. Die politischen Gruppierungen verfolgten weitgehend die gleichen Ziele, überall stand in den Wahlprogrammen so oder ähnlich “Bochum soll sicherer werden”, “Die Stadtteile sollen sich wieder positiv entwickeln”, “Es soll mehr für Bildung und Schulen getan werden”, “Der ÖPNV soll besser werden”, „Bochum soll sauberer werden” usw.. Konkrete Ideen und Konzepte, wie diese Ziele erreicht werden sollten, fehlten dagegen weitgehend.

Sofern Maßnahmen vorgeschlagen wurden, waren die selten geeignet, die selbst gesetzten Ziele nur annähernd zu erreichen. Beispiel Bildungspolitik: So wird es einen kaum nennenswerten Effekt auf den Bildungsgrad haben, wenn man die Mittel für das Programm Bildung und Teilhabe erhöht, mehr Familienzentren an den Grundschulen einrichtet und die Schulhöfe netter gestaltet. Um dauerhaft das Bildungsniveau zu erhöhen, wären grundsätzlichere und tiefgreifendere Maßnahmen erforderlich, die insbesondere bei mehr pädagogischem Personal und mehr individueller Lern- und Sprachförderung ansetzen. Auch andere Lernkonzepte, wie klassenübergreifender Unterricht in den Grundschulen wären notwendig. Statt grundlegender Reformen bleibt es in den Wahlprogrammen leider überwiegend bei Aktionismus. Das Angehen von Problemen wird nur vorgetäuscht. Bei näherer Betrachtung, zeigt sich, die vorgeschlagenen Maßnahmen sind nicht geeignet ist, die Probleme zu lösen.

Beschreibungs- und Zumutungsangst

Auch wurden die gewaltigen Herausforderungen, vor denen die Stadt in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten steht, im Wahlkampf nicht thematisiert (Die acht großen Herausforderungen, denen sich Bochum stellen muss). Die Politik war nicht bereit, den Menschen unmissverständlich zu sagen, welche gravierenden Probleme in der Stadt bestehen und dass sich die Menschen, um diese in den Griff zu bekommen auf grundlegende Veränderungen einstellen müssen. Die Politik hat sich im Wahlkampf nicht getraut, den Menschen zu erklären, dass die Politik ihnen in den nächsten Jahren einiges zumuten wird, damit die Stadt nicht in einen ähnlichen Abwärtsstrudel gerät, wie etwa Gelsenkirchen und Duisburg.

Überwiegend wurde der falsche Eindruck erweckt, dass sich eigentlich nichts grundlegend ändern müsse, da die Stadt auf einem gar nicht so schlechtem Weg sei.

Beschreibungsangst – Lokalpolitik und -presse trauen sich nicht, den Menschen klar zu sagen, wo die Stadt steht. Besonders, dass man nach 65 Jahren immer noch nicht den Strukturwandel bewältigt hat, dass Stadteile drohen sozial zu kippen (u.a. Niedergang Wattenscheid-Mitte), der Stadthaushalt vor dem Kollaps steht (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0) und die Stadt auf eine drohende wirtschaftliche Rezession in Deutschland nicht vorbereitet ist. Diese würden Bochum wie das Ruhrgebiet mit einer Härte treffen, die alles in den Schatten stellt, was Bochum seit dem zweiten Weltkrieg erlebt hat.

Die akuten Probleme und die sich damit stellenden Herausforderungen wurden im Wahlkampf nicht schonungslos beschrieben, sondern durchweg verharmlost und schöngeredet.

Die Beschreibungsangst besteht dabei nicht nur bei der Politik, sondern auch bei den lokalen Medien. WAZ-Bochum und Radio Bochum waren während des Wahlkampfs nicht in der Lage die großen Herausforderungen und Probleme der Stadt klar zu benennen und zu analysieren. Entsprechend wurde auch nie die Frage gestellt, wie diese angegangen werden sollen.

Zumutungsangst – Glaubt man den Darstellungen von lokaler Politik und lokaler Presse, kann die nächsten Jahre und Jahrzehnte eigentlich alles so weiterlaufen wie bisher. Die Politik, will den Menschen keine Veränderungen zumuten. Es wird der Eindruck erweckt, den Wandel, der sich weltweit vollzieht, die Verschiebung des globalen Wirtschaftsgewichts hin nach Asien könne man ignorieren und aussitzen. Man müsse sich nicht am Wettbewerb, in dem sich die Metropolen der Welt befinden, beteiligen, der relative Wohlstand des Ruhrgebiets wäre ein Selbstläufer, auf den auf ewige Zeiten ein Anspruch bestünde. Ein fataler Trugschluss.

Ohne entsprechende Wirtschaftskraft wird das Ruhrgebiet weiter verarmen und immer mehr am Tropf von Subventionen und Almosen hängen. Um im Wettbewerb der Städte und Metropolen mithalten zu können, bedarf es tiefgreifender Veränderungen insbesondere bei zeitgemäßer Stadtentwicklung, metropolengerechter Infrastruktur und der Bündelung der Wirtschaftskraft als Metropole Ruhrstadt.

Bisher fehlt der lokalen Politik der Mut und die Bereitschaft, die nötigen Veränderungen den Menschen zuzumuten. Immer noch hängt man der sterbenden Industrie nach, vermittelt den Menschen, mit dem Angebot von ein paar neuen Gewerbeflächen wie Mark 51°7 würden sich die Probleme von selbst erledigen. Dass man sich, um wirtschaftlich mithalten zu können, an den Entwicklungen in den global führenden Metropolen orientieren und ebenfalls als Metropole Ruhrstadt aufstellen muss, will man nicht wahrhaben, auch aus Angst, die Menschen dann von der Notwenigkeit vermeintlich unbequemer Veränderungen überzeugen zu müssen.

Ein solche falsche Vorstellung wird auch bei den Stadtfinanzen vermittelt. Das Thema wurde im Wahlkampf ignoriert. Es wurde so getan, als wäre bei den Stadtfinanzen alles im grünen Bereich. 

Dabei hat die Stadt ohne eine radikale Verwaltungsreform mit dem Ergebnis einer massiven Senkung der Personalkosten keine Zukunft. Liegen die städtischen Ausgaben dauerhaft über den Einnahmen der Stadt und können die erdrückenden Schulden nicht wesentlich abgebaut werden, wird die Stadt handlungsunfähig, sie kann nicht mehr investieren, damit wird jede positive Stadtentwicklung unmöglich.

An einer schmerzhaften Sanierung des Stadthaushalts (Konzept zur Sanierung des Bochumer Stadthaushalts) führt kein Weg vorbei, auch wenn das Geradeziehen der Stadtfinanzen den Menschen einiges abverlangen und zumuten wird. Die Stadt hat nichts zu verschenken. Wirkungslose und überflüssige Subventionen haben keine Existenzberechtigung, auch wenn sich die Menschen daran gewöhnt haben, wie etwa an billiges bis kostenfreies Anwohnerparken.

Im Wahlkampf wurde den Bürgerinnen und Bürgern dagegen der falsche Eindruck vermittelt, es wäre möglich, dass alles so bleibt wie es ist, die Politik könne den Wohlstand erhalten, ohne dass sich für die Menschen wesentlich was ändert. Dieses Versprechen wird die Politik jedoch nicht erfüllen können. Erfolgreiche Großstädte und Metropolen sehen anders aus, sie sind völlig anders organisiert als Bochum oder die Ruhrstadt (Ruhrstadt – Die Metropole, die keine sein will, aber trotzdem eine ist). Will man im Wettbewerb mithalten, muss man sich an den Wettbewerbern orientieren, daran, was die Konkurrenz macht und weshalb sie erfolgreich ist.

Beschreibungs- und Zumutungsangst stärkt Populisten

Sind lokale Politik und Medien nicht bereit, den Menschen unbeschönigt zu erklären, wo Bochum und das Ruhrgebiet stehen, welche Probleme und Risken bei der weiteren Entwicklung bestehen und ihnen nicht erklärt, was an Veränderungen nötig ist, um den Wohlstand zu erhalten, werden sie weiterhin ihre (Wahl-)Versprechungen nicht erfüllen können und treiben damit immer mehr Wähler und Wählerinnen den Populisten in die Arme.

Erforderlich ist, den Menschen unumwunden zu vermitteln, dass Bochum und das Ruhrgebiet vor immensen Herausforderungen stehen, die nur zu bewältigen sind, wenn es zu einschneidenden Veränderungen kommt, die auch mit erheblichen Zumutungen für jeden Einzelnen verbunden sind. Die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt müssen überzeugt werden, dass die für den unvermeidlichen Wandel erforderlichen Maßnahmen unbedingt notwendig sind, um den bestehenden Wohlstand zu sichern, und dass es sich lohnt, sich darauf einzulassen, weil es die eigene Zukunft wie die der Kinder und Enkel im Ruhrgebiet sichert.

Die nächsten Kommunalwahlen finden 2030 statt. Es sind also nur 5 Jahre, in denen Lokalpolitik und -presse ihre Beschreibungs- und Zumutungsangst überwinden können.

31 Aug.

Die Hälfte der Jugendlichen sieht die Zukunft des Ruhrgebiets eher düster

Nur 63% der Jugendlichen halten es für wahrscheinlich, dass sie langfristig im Ruhrgebiet bleiben, 50 % der Jugendlichen bewertet die Zukunftsperspektiven des Ruhrgebiets negativ. Die Jugendlichen sehen sich von der Politik übergangen. Politik wird überwiegend für alte Menschen gemacht, ihre Zukunft habe die Politik nicht im Blick.

Zu den Kommunalwahlen in NRW hat Civey im Auftrag des Jungen Initiativkreis Ruhr und der Initiative Ruhrpott eine repräsentative Umfrage unter jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren durchgeführt (Ergebnisse Civey-Umfrage).

Schlechtes Zeugnis für die Kommunalpolitik

Im Ergebnis zeigt sich, dass sich die Jugend im Ruhrgebiet abgehängt und von der Politik nicht ernst genommen fühlt. Die Umfrage zeigt, die politische Aufklärung bei den Jugendlichen ist mangelhaft, vielen jungen Menschen im Ruhrgebiet sind Politik Kommunalwahlen fremd (WAZ vom 28.08.2025). Nur 36 % bewerten die aktuelle Kommunalpolitik positiv, 48 % als negativ, 15 % der Befragten konnten die Frage nicht beantworten. Die jungen Menschen beschreiben ihre aktuelle Gefühlslage im Hinblick auf Politik überwiegend negativ, Angst (45 %), Misstrauen (43 %) und Frustration (39 %) bestimmen das Bild. Nur 15 % fühlten sich bei politischen Entscheidungen berücksichtigt.

Die Ursachen für die negativen Einschätzungen liegen zum einen darin, wie die jungen Menschen die Städte des Ruhrgebiets erleben, zum anderen wie sie sich verstanden und wahrgenommen fühlen.

Bochum ist nicht kinder- und jugendfreundlich

Schaut man sich Bochum im Einzelnen an, wie das die STADTGESTALTER bereits 2022 getan haben, ist festzustellen, dass Bochum keine kinder- und jugendfreundliche Stadt ist (Wie kinder- und jugendfreundlich ist Bochum?).

Schulen – Dass sieht man besonders am Zustand der Schulen und Bildungseinrichtungen. Diese wurden über Jahrzehnte vernachlässigt, Klassen in Containern sind die Regel, ebenso wie bauliche Missstände und schlechte Ausstattung. Geben Städte in NRW im Schnitt sind es in Bochum nur 4.240 Euro, liegen die Pro-Kopf-Ausgaben im Jahr 2022 in NRW bei durchschnittlich 8.600 Euro, wie eine Anfrage der STADTGESTALTER ergab (WAZ vom 26.09.2024). Für die jungen Menschen in Bochum gehören marode Schulen zu Alltag, wie die Schulen aussehen und ausgestattet sind bestimmt welche Wertschätzung ihnen beigemessen wird. Kein Wunder also, dass sich laut Civey-Umfrage 41 % der Jugendlichen schlecht auf das Berufsleben vorbereitet sehen.

Mobilität – Ähnlich sieht es beim Verkehr aus. Jugendliche bewegen sich mangels Führerscheins überwiegend mit dem Rad, zu Fuß oder dem ÖPNV durch die Stadt. Die Infrastruktur für diese Verkehrsmittel zeigt sich in Bochum wie dem Ruhrgebiet deutlich unterentwickelt.

Wer ein Auto fährt, hat im Ruhrgebiet und Bochum die volle Aufmerksamkeit. Ohne Auto ist man aus Sicht der Politik Mensch zweiter Klasse, so also auch die jungen Menschen. Jugendlichen wird von klein auf erklärt, dass der Verkehr für sie zu gefährlich ist, sie sich daher nicht allein und selbständig durch die Stadt bewegen können. Autoverkehr sei wichtiger, die jungen Menschen hätten sich dem unterzuordnen.

Die Bedürfnisse der Jugendlichen sich frei in der Stadt bewegen zu können, haben für die Bochumer Politik keinen erkennbaren Wert. Auch stellen die Jugendlichen fest, dass die Stadt zwar im großen Stil das Parken subventioniert, auf der anderen Seite aber erklärt, dass für bessere Schulen, das Geld fehle.

Stadtteile – Insgesamt hat sich bei den Menschen zwischen 16 und 24 Jahren eine generelle der Frustration über die Entwicklung vieler Stadtteile eingestellt (WAZ vom 28.08.2025). Viele stellen fest, dass sich die Stadtteile, in denen sie seit Kindesbeinen leben, seit Jahren negativ entwickeln. Die Nahversorgung in den Stadtteilzentren funktioniert nicht mehr, das Stadtbild hat sich verschlechtert, die Stadtteilzentren veröden. Der Kiez, den sie noch als lebenswerten Mittelpunkt ihrer Kindheit in Erinnerung haben, gibt es oft nicht mehr.

Jugendliche und Kinder werden unsichtbar

Jugendliche und Kinder sind in der Stadt auch immer seltener zu sehen. Die 55.000 Bochumer Kinder und Jugendlichen (15,1 % der Stadtbevölkerung) sind im Stadtbild von Bochum eher selten zu sehen, während sie in den Städten der Niederlande aber auch Skandinaviens viel mehr das Stadtbild prägen. Kinder und Jugendliche auf öffentlichen Plätzen sieht man in Bochum eher wenig.

Sie werden auf speziell für sie geschaffene Orten, wie Spiel-, Sport- und Bolzplätzen oder Grünanlagen mit Einrichtungen für Kinder sowie Jugendhäuser und Ähnlichem verwiesen. Die Flächen, wo sich Kinder und Jugendliche frei bewegen dürfen, liegen wie Inseln über das Stadtgebiet verteilt und sind nicht durch Wege, die sie gefahrlos und eigenständig benutzen können, verbunden. Nicht Mal die Wege zur Schule sind durchgehend sicher. Oft fahren die Eltern ihre Kinder mit dem Auto an die Orte, die für Kinder und Jugendliche bestimmt sind. Im Auto bleiben sie unsichtbar.  Dabei haben auch Jugendliche das Bedürfnis als fester Teil der Stadtgesellschaft präsent und sichtbar zu sein.

Stadtpolitik orientiert sich an den Älteren

Zudem nehmen die jungen Menschen ein Desinteresse der Politik an Zukunftsthemen war. Die Politik orientiert sich an den Interessen der älteren Generationen. Denn die sind in der Mehrheit. Auf fast 200 Menschen im Alter von 60 Jahren und älter kommen in Bochum hundert junge Menschen unter 18 Jahren (197: Alt-Jung Koeffizient 2023). Es gibt in der Stadt also fast doppelt so viele alte wie junge Menschen.

Streben ältere Menschen eher keine Veränderungen an, wollen das alles so bleibt, wie es war, und messen z.B. Themen wie Klimakrise, Entwicklungen von Zukunftstechnologien, moderner Stadtentwicklung oft nur eine geringe Bedeutung zu, machen sich die jungen Menschen intensive Gedanken über ihre Zukunft und die Zukunft der Stadt, in der sie leben. Eine Veränderung der Lebensbedingung aufgrund des Klimawandels, eine Wirtschaft, die im Wettbewerb um Zukunftstechnologien nicht konkurrenzfähig aufgestellt ist, oder eine Stadt, die bei der Stadtentwicklung nicht Schritt halten kann, macht ihnen Angst. Sie sehen, eine rückwärtsgewandte Politik, die Veränderungen ablehnt, wirkt sich zum Nachteil auf die Zukunftsperspektiven der jungen Generationen aus. Entsprechend düster sieht die Hälfte der jungen Menschen die Zukunft des Ruhrgebiets.

Städtische Finanzen – Auch die bedenkliche Schieflage der Stadtfinanzen der Stadt zeigt, dass die Politik in Bochum die Interessen der jungen Menschen nicht im Blick hat, ja sogar missachtet. Wer zwei Mrd. städtische Schulden aufhäuft, die nachfolgende Generationen bezahlen sollen, bürdet den jungen Generationen kaum tragbare Lasten auf, schränkt deren Handlungsfähigkeit in der Zukunft wissentlich ein und beeinträchtigt damit erheblich deren Lebensperspektiven in der Stadt.

Wenn Parteien oder Wählergruppen bei der Kommunalwahl propagieren, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur für Fahrräder und E-Scooter zurückzufahren oder gar zu stoppen und die E-Roller am liebsten verbieten möchten, erklären, den Klimanotstand nicht weiter ernst nehmen zu wollen, keine ernsthaften Anstrengungen unternehmen wollen, die Investitionen in Schulen und Bildung massiv zu erhöhen, sich gegen Projekte wenden, wie das Haus des Wissens oder Konzepte und Investitionen ablehnen, die Stadtteilzentren wieder aufzuwerten, erkennen die jungen Menschen, dass ihre Interessen nicht vertreten und ihre Bedürfnisse nicht gesehen und beachtet werden.

Beteiligung – Das zeigt sich auch in der ablehnenden Haltung der politischen Gruppierungen, den jungen Menschen mehr Mitsprache bei den Themen zu ermöglichen, die sie besonders betreffen.

Anders als in anderen Städten, gibt es in Bochum weder ein Jugendparlament oder einen Jugendstadtrat noch eine Jugendkonferenz oder einen Jugendcheck, wie das z.B. die STADTGSTALTER seit Jahren fordern (Wie kinder- und jugendfreundlich ist Bochum). Die Mehrheit der Parteien in Bochum lehnt solche Institutionen und Projekte ab.

Jugend in Bochum ohne Lobby

Die Jugend hat in der Stadt keine Lobby. Die Politik ist nicht auf die Gestaltung der Zukunft ausgerichtet, so kommt der Strukturwandel kaum voran und dauert schon 65 Jahre. Große Teile der Politik sind immer noch im Denken gefangen, dass am besten alles so bleiben soll, wie es früher nie war.

Der Mut zu elementaren Veränderungen fehlt. Mit dieser Grundhaltung wird man junge Menschen nicht für die Stadt und das Ruhrgebiet gewinnen können. Wie von der Hälfte der Jugendlichen angenommen, sind die Zukunftsaussichten des Ruhrgebiets und der Ruhrstadt wohl daher eher düster einzuschätzen.

Immerhin gibt es in Bochum den Kinder- und Jugendring, der immer wieder die jungen Menschen zu ihren Anliegen und politischen Themen befragt und ihre Meinung einholt und der zur Kommunalwahl einen Wahlomaten speziell für Jugendthemen geschaffen hat: Kommunal-O-Mat 

27 Juli

World University Games zeigen, Ruhrgebiet kann sich Olympiabewerbung sparen

Die großartige Stimmung an den Wettkampfstätten reicht nicht. Die Word University Games, legen die gravierenden Mängel und Defizite bei Infrastruktur, Stadtentwicklung und Organisationsfähigkeit des Ruhrgebiets gnadenlos offen. Im Wettbewerb der Austragungsorte um Olympia hat das Ruhrgebiet leider keine Chance.

Ob 3×3 Basketball an der Jahrhunderthalle oder Leichtathletik im Lohrheidestadion, die Olympiade der Universitäten (FISU World University Games) brachte eine tolle Atmosphäre nach Bochum und viele Gäste, Athleten und Volunteers aus der ganzen Welt. Doch leider nur in die Sportstätten – die beeindruckende Stimmung übertrug sich nicht auf die Stadt.

Chance vertan

Viele Menschen in Bochum und dem Ruhrgebiet wissen bzw. wussten gar nicht, dass das nach den Olympischen und Paralympischen Spielen drittgrößte Multisportevent der Welt bis heute noch im Ruhrgebiet stattfindet. Denn wirklich gut vorbereitet waren Stadt und Ruhrgebiet auf die Spiele nicht.

Wieder, wie schon bei der EM 2024 (Bochum vergibt Riesenchance – BOGESTRA blamiert Ruhrstadt), ließ man die große Chance, Bochum und das Ruhrgebiet als Hotspot Europas zu präsentieren, weitgehend ungenutzt. Kein Empfang der Delegationen aus aller Welt im Rathaus, kein Public Viewing in der Stadt, keine Information der Athleten und Volunteers, was man in Bochum alles neben dem Sport erleben kann. Die Berichterstattung im Vorfeld war dürftig. Informationen zu den Spielen gab es in der Stadt viel zu wenige, nur das Rahmenprogramm an den Wettkampfstätten konnte überzeugen.

3×3 Basketball in der Jahrhunderthalle

Statt 3×3 Basketball im Vorfeld der Spiele mitten in der Stadt zu präsentieren, fand das Turnier der lokalen 3×3 Basketballmannschaften Ende Juni im Vorfeld der Universiade auf dem trostlosen Buddenbergplatz hinter dem Hauptbahnhof statt. Zuschauer und Zuschauerinnen gab es entsprechend wenige. Die Chance, auf Bochum als Veranstaltungsort der Universiade hinzuweisen, wurde leichtfertig vertan.

Das Programm der Ruhr Games rund um die Jahrhunderthalle, wo die 3×3 Wettbewerbe stattfanden, war hingegen exzellent. Allerdings zeigte sich, dass viele eher zufällig den Weg in den Westpark fanden und erst dort feststellten, dass die Halle Wettkampfstätte der World University Games ist.

Die Jahrhunderthalle überzeugte als idealer Austragungsort für ein 3×3 Basketball-Event. Findet 3×3 sonst im Freien statt, war die Atmosphäre in der Halle noch intensiver. Sichtbar genossen Spielerinnen und Spieler sowie die 3×3-Begeisterten diese einmalige Stimmung. Auch ohne Olympiade sollte die Stadt unbedingt versuchen, ein solches Turnier für die Zukunft in der Jahrhunderthalle zu etablieren.

Für ein olympisches 3×3-Basketballturnier dagegen wäre die Halle zu klein. Schade, denn mit diesem einmaligen Austragungsort könnte man sicher bei einer Olympiabewerbung punkten.

Leichtathletik im Lohrheidestadion

Auch bei den Leichtathletik-Wettbewerben im Lohrheidestadion war die Stimmung großartig. Trotzdem das Stadion, anders als es die Stadt erwartet hatte, nie ausverkauft, aber von Freitag bis Sonntag zumindest ganz ordentlich gefüllt war.

ÖPNV – Aber bereits vor dem Stadion erlebten Zuschauerinnen und Zuschauer ebenso wie die Delegationen aus aller Welt, die Rückständigkeit des Ruhrgebiets bei der städtischen Infrastruktur. Mit dem Beginn der Wettkämpfe wurde die Haltestelle am Lohrheidestadion aufgehoben, der Bus (Haltestellenausfall Linie 365) konnte sie entgegen der Informationen auf der Seite der FISU (Anreise Lohrheidestadion) nicht mehr anfahren.

Vor dem Stadion auf der Lohrheidestraße wurde zugunsten des Autoverkehrs die Verkehrsführung geändert. Entlang der Straße wurden Parkstreifen eingerichtet, halb auf der Straße, halb auf dem Gehweg. Gleichwohl kam es zum üblichen Parkchaos (WAZ vom 25.07.25). Der Stadtrat hatte es im Vorfeld, wie von den STADTGESTALTERn vorgeschlagen (Antrag 20222618), abgelehnt, für das Lohrheidestadion ein Parkkonzept zu erarbeiten. Das Chaos war vorhersehbar. Die Politik meinte das Problem durch Ignorieren lösen zu können.

Immerhin, zwischen Bochum und Gelsenkirchen Hauptbahnhof gab es mehr Straßenbahnfahrten. Eine Ansage oder Anzeige der Stadion-Haltestellen (Lohrheidestraße, Watermanns Weg) mit Hinweis auf den Veranstaltungsort der Spiele hielt man bei der BOGESTRA allerdings nicht für nötig, weder auf deutsch noch auf englisch. Eine Beschilderung des Weges von den Haltestellen zum Stadion gab es ebenfalls nicht. Wieder zeigte sich, kundenorientiertes Denken und Handeln gehört nicht zu den Kernkompetenzen der BOGESTRA.

Auch sonst präsentierten sich Bus und Bahn im Ruhrgebiet gewohnt unattraktiv, unzuverlässig und langsam. Entsprechend negativ nahmen die internationalen Gäste den ÖPNV wahr. Realistisch betrachtet, kommt das Lohrheidestadion schon aufgrund seiner schlechten öffentlichen Verkehrsanbindung nicht als Austragungsort für Olympia in Frage.

Catering – Doch in Wattenscheid ergaben sich weitere Probleme. Das Catering für die Zuschauer und Zuschauerinnen war eine Katastrophe. Von Montag bis Freitag gab es zunächst nur einen, später zwei Verkaufsstände für Essen und Getränke. Die Schlange war entsprechend lang, die Verpflegung zeitraubend. Teilweise fehlte es an Essen. Kartenzahlung war nicht möglich (WDR 25.07.2025). Stadt und Stadion präsentierten sich provinziell.

Dass von der Stadt mit dem Catering beauftragte Unternehmen war überfordert. Im Vorfeld der Spiele hatte sich die Stadt nicht mit den Anforderungen an das Stadioncatering beschäftigt und kein Unternehmen beauftragt, das sich mit internationalen Großveranstaltungen auskennt. Die auch in der Bochumer Politik immer wieder mit Stolz vertretene Haltung, was interessiert uns, wie Dinge weltweit gehandhabt werden, wir machen es so, wie wir meinen, rächte sich. Bei den Gästen aus aller Welt blieb hängen, internationales Niveau in Sachen Stadionverpflegung kann man im Ruhrgebiet nicht erwarten.

Wenig vorzeigbare Stadtteile

Als problematisch erwies sich im Lohrheidestadion zudem die Frage von Delegationen, Athleten und Offiziellen, was man in der Nähe des Stadions außerhalb der Wettkämpfe denn unternehmen könne. Nach der Empfehlung die Halde Rheinelbe zu besteigen oder zum Holland-Turm mit gutem Rahmenprogramm zu laufen, gab es nichts, was man wirklich empfehlen konnte.

Einen Stadtbummel durch die Innenstadt Wattenscheid oder einen Ausflug nach Ückendorf anzuregen, war den ortskundigen Volunteers zu peinlich, andere Attraktivitäten aufgrund der schlechten ÖPNV-Anbindung des Stadions kaum machbar. Während in anderen Städten und möglichen Austragungsorten von olympischen Spielen die Menschen mit großem Stolz in die verschiedenen Teile der Stadt geschickt werden, versucht man im Ruhrgebiet aufgrund der massiven Versäumnisse bei der Stadtentwicklung, bestimmte Teile der Städte Besuchern und Besucherinnen vorzuenthalten, um sich bei den Gästen nicht zu blamieren.

Die Vorzeigbarkeit der Austragungsorte ist bei Olympiabewerbungen ein entscheidender Faktor. Die Bewerbung um die olympischen Spiele 2032 hat das Ruhrgebiet besondere wegen dieses Kriteriums verloren. Wer mal in Brisbane war, sieht dort sofort, warum man die Spiele ohne tiefergehende Betrachtung der Bewerbungen nach Australien und nicht ins Ruhrgebiet vergeben wurden. Das Ruhrgebiet mit seinen erheblichen Defiziten bei Stadtgestaltung und Stadtbild kann international nicht mithalten. Es rächt sich, dass die Ruhrgebietspolitik in ihrem provinziellem Kirchturmdenken nie bereit war, über den Tellerrand zu schauen und sich daran ein Vorbild zu nehmen, was in Metropolen weltweit lange üblich ist.

Die Düsseldorf-Blamage

Bis zu 225 Mio. Euro hat die Austragung der World University Games Bund und Land gekostet, ursprünglich sollten es 160 Mio. sein (Das deutsche Mini-Olympia und der Umgang mit den Millionen). Doch wie so oft im Ruhrgebiet explodierten die Kosten. Um die Kostensteigerung im Rahmen zu halten, war Düsseldorf anders als die anderen Austragungsorte nicht bereit auf eine Kostenerstattung für die städtischen Sportstätten zu verzichten. Also wurden die Wettbewerbe dort gestrichen und Schwimmen, Volleyball wie Wasserspringen kurzerhand nach Berlin verlegt. Aus den „Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games“ wurden eigentlich die „Berlin-Ruhr 2025 FISU World University Games“. Diese organisatorische Blamage wird sich nahhaltig negativ auf eine Olympiabewerbung auswirken.

Es fragt sich, wenn schon eine gemeinsame Organisation der Universitäts-Spiele nicht funktioniert, warum sollte sich das Ruhrgebiet gemeinsam mit Düsseldorf und Köln für Olympia bewerben?

Wenn Olympiabewerbung, dann ohne Köln und Düsseldorf

Damit sich Geist und Atmosphäre der Spiele auf die Stadtgemeinden der Ruhrstadt überträgt, sollte der Raum, in dem die wichtigsten Wettbewerbe ausgetragen werden, möglichst klein gewählt werden. Paris hat da Maßstäbe gesetzt. Die einzigartige Stimmung der olympischen Spiele 2024 entstand, weil ein Großteil der Wettkämpfe in der Cité von Paris stattfand, die von der Fläche sogar etwas kleiner als das Stadtgebiet von Bochum ist. Eine Olympiabewerbung sollte sich also auf die Ruhrstadt beschränken. Will die Metropole des Ruhrgebiets sich weltweit präsentieren, sollte sie auch als solche, als Ruhrstadt, ein Zeichen setzen.

Eine Bewerbung, bei der Bochum, die Stadt, die im Herzen des Ruhrgebiets liegt, den umstrittenen Modernen Fünfkampf ausrichtet und ein paar Vorrundenspiele des olympischen Fußballturniers (Austragungsorte Olympiabewerbung Rhein-Ruhr), hat für Bochum keinen echten Nutzen.

Für eine erfolgreiche Olympiabewerbung fehlen die Voraussetzungen

Sportbegeisterte Menschen und eine einzigartige Gastfreundschaft reichen für eine Olympiabewerbung leider nicht aus. In Sachen Infrastruktur, Stadtgestaltung und Stadtbild sind Ruhrgebiet und Ruhrstadt bisher nicht konkurrenzfähig zu anderen Olympiabewerbern. Auch in Sachen Vermarktung und Organisation kann man, wie die World University Games gezeigt haben, die Anforderungen nicht erfüllen.

Will man international mithalten, hätte man sich bei Stadtentwicklung und Infrastruktur die letzten Jahrzehnte daran orientieren müssen, was international Standard ist. Das will die Politik aber bis heute nicht. Im Ergebnis kann man gegen die internationale Konkurrenz aktuell nicht bestehen. Der Rückstand ist zu groß.

Eine Olympiabewerbung zusammen mit Düsseldorf und Köln überdehnt den Raum, in dem die Spiele stattfinden und wirkt negativ auf die olympische Atmosphäre und Stimmung. Um für ein paar untergeordnete Sportevents Austragungsort zu sein, lohnt sich für Bochum eine Bewerbung ohnehin nicht.

Für eine gemeinsame, erfolgversprechende Bewerbung müssten die Stadtgemeinden der Ruhrstadt also zunächst die Voraussetzungen schaffen. Das bedeutet, sich international auszurichten, also zu schauen, was weltweit in Sachen Infrastruktur und Stadtgestaltung üblich ist, wie sich erfolgreiche Metropolen präsentieren, was diese ausmacht und welche Dinge zu tun sind, um zu diesen aufzuschließen zu können. Erst wenn sich die Metropole Ruhrstadt in Sachen Stadtentwicklung und Infrastruktur auf ähnlichem Niveau wie die Konkurrenz befindet, sollte man über eine Olympiabewerbung erneut nachdenken.

23 März

Mehr Sauberkeit durch die Abschaffung aller öffentlichen Mülleimer?

Warum ist das Ruhrgebiet an vielen Ecken so vermüllt und japanische Städte blitzsauber? Liegt es daran, dass es in Japan keine öffentlichen Abfallbehälter gibt? Könnte das auch in Bochum funktionieren?

Wer aus Japan zurück ins Ruhrgebiet kommt, dem fällt besonders deutlich auf wie vermüllt und verdreckt die Städte hier sind (Sauber, ordentlich, gut gepflegt und ansehnlich: Vier Faktoren für ein attraktives Stadtbild). In japanischen Städten liegt so gut wie kein Müll auf den Straßen, in den Grünanlagen, Parks oder an Gleisanlagen, während er bei uns fast überall unschön ins Auge sticht. Auch Graffiti-Schmierereien gibt es in Japan keine. Dazu sind blitzsaubere öffentliche Toiletten an jeder Ecke in japanischen Städten eine Selbstverständlichkeit. Bei uns dagegen gibt es davon viel zu wenige (Fehlende Toiletten in Bochum – Lösung: autarke Trockentoiletten), die sich dann oft noch in einem kaum benutzbaren Zustand befinden. Damit stellt sich die Frage, was läuft in Japan warum besser und was können wir von dort lernen?

Südpark und Spielplatz Rosenfeld

Japan, das Land ohne öffentliche Mülleimer

Dazu gibt es noch einen weiteren erstaunlichen Unterschied zwischen japanischen Städten und denen des Ruhrgebiets: Im öffentlichen Raum findet man keine Abfallbehälter. Allenfalls bei öffentlichen Großveranstaltungen werden provisorische Mülleimer bereitgestellt. Sonst ist es für die Menschen selbstverständlich Müll, den sie machen, wieder mit nach Hause zu nehmen und dort zu entsorgen. Das gilt sogar für die Hinterlassenschaften der vierpfotigen Haushaltsbewohner.

Nach dem Giftgasanschlag der Aum-Sekte 1995 wurden in Japan alle öffentlichen Mülleimer abgeschafft. Mit dem überraschenden Ergebnis, dass es nicht dreckiger, sondern noch sauberer wurde (Das Verschwinden der Mülleimer). Die Erkenntnis in Japan: Mülleimer erzeugen Müll, je mehr Mülleimer aufgestellt werden, um so mehr Müll wird entsorgt. Die Kapazität reicht nie. Es gibt immer irgendwo Abfallbehälter, die überquellen. Fehlt ein Mülleimer da, wo er erwartet wird, entsteht ein Müllablageplatz. Phänomene, die auch in Bochum, besonders in städtischen Grünanlagen zu beobachten sind.

Warum ist es in Japan ohne Mülleimer sauberer?

Doch so einfach wie es auf den ersten Blick scheint, “Keine Mülleimer mehr, kein Müll mehr in der Stadt,” ist es dann doch nicht. Auch bei der Haltung zur Stadt und zur Sauberkeit gibt es deutliche Unterschiede zwischen Japan und Deutschland: Menschen in japanischen Großstädten fühlen sich für die Sauberkeit in der Stadt direkt selbst verantwortlich. Bei uns im Ruhrgebiet hat man das Sauberhalten der Städte an städtische Betriebe delegiert, die bezahlt man von seinen Steuern und Abgaben und die werden damit als verantwortlich für Sauberkeit angesehen. Bei uns gibt es jemanden, der für die Sauberkeit, die die Stadtbewohner und –bewohnerinnen erwarten, bezahlt wird, in japanischen Städten sehen sich die Menschen zunächst man selbst für die Sauberkeit der Stadt und öffentlicher Einrichtungen verantwortlich.

Es beginnt in den Schulen …

Das beginnt bereits in der Schule. Es sind die Schülerinnen und Schüler, die die Schule sauber halten. Sie übernehmen einen Großteil der Reinigungsarbeiten, an manchen Schulen sogar die Toilettendienste. Aufgrund der extremen Sauberkeit der Schulen, hält sich der Reinigungsdienst 20 Minuten viermal die Woche zeitlich in Grenzen (Sollten Kinder ihre eigenen Schulen putzen? Japan denkt ja.). Die Schulkinder lernen, dass es besser ist, alles sauber und ordentlich zu halten, wenn Sie diejenige sind, die das Chaos und den Schmutz, für den sie selbst gesorgt haben, wieder aufräumen und putzen müssen. Auch das Schulessen bereiten die Schülerinnen und Schüler selbst zu und verteilen es auch. Den Kindern wird von der ersten Klasse an vermittelt, dass sie selbst für eine saubere Schule und gutes Essen verantwortlich sind und nicht andere, die die Arbeit für sie machen, da man sie dafür bezahlt.

Selbst Verantwortung übernehmen

Auch sieht man in japanischen Städten regelmäßig Gruppen von ehrenamtlichen Saubermachern, die in ihren Nachbarschaften Müll aufsammeln. Ein Stadtputz, der in Bochum jedes Frühjahr durchgeführt wird (Frühjahrs-Stadtputz am 5. April 2025), wird oft monatlich oder sogar wöchentlich organisiert.

In japanischen Städten gilt der Grundsatz: “Wer in einer sauberen Stadt leben möchte, muss seinen Teil dazu beitragen.” Wie man besonders dem Ruhrgebiet und auch Bochum ansieht, ist dieses Verständnis bei uns nicht weit verbreitet. Man erwartet, dass die Stadt sich kümmert und sieht sich in keiner Verantwortung. Die Erwartungen und Forderungen an die Stadt sind groß, die Bereitschaft Gegenleistungen zu erbringen, oft kaum bis gar nicht vorhanden. Die Stadt wird als Dienstleister gesehen, die für einen alle Aufgaben erledigt. Man sieht sich nicht als Teil einer Stadtgesellschaft oder Gemeinschaft, in der jede und jeder seinen Beitrag leisten muss, damit Dinge wie Sauberkeit und Ordnung funktionieren.

Die Menschen, die in der Stadt leben, sind das Maß der Dinge

Aber noch ein weiterer Punkt ist entscheidend für die besondere Sauberkeit japanischer Städte. Die besondere Detailverliebtheit, Verantwortlichkeit und Kundenorientierung, die die japanische Gesellschaft auszeichnet. Auch in japanischen Städten werden Reinigungsarbeiten größtenteils von Unternehmen erledigt. Die Erwartungen der Einwohnerinnen und Einwohner als “Kunden” haben jedoch einen ganz anderen Stellenwert als bei uns. Eine Toilette, eine Straße oder eine öffentliche Einrichtung nur rudimentär zu reinigen, wäre undenkbar. Es wird immer die maximale Sauberkeit angestrebt, da diese von den Kunden, für die man arbeitet, erwartet wird.

Was die Menschen, die in der Stadt leben, wünschen und erwarten, hat bei uns dagegen nur bedingt mit dem zu tun, was die städtischen Betriebe bieten. Bei uns werden die Bedürfnisse der Kunden den Belangen der öffentlichen Betriebe und Beschäftigten untergeordnet. Es reicht, wenn die Toilette oder der Bahnhof nach einer Reinigung irgendwie sauberer ist als vorher. Dass die Menschen, die die Einrichtungen nutzen, sich im Hinblick auf den Sauberkeitsstandard oft deutlich mehr wünschen, als geleistet wird, interessiert nicht. Sie haben sich nach dem zu richten, was die öffentlichen Betriebe bereit sind zu leisten.

Entscheidend ist die Einstellung der Menschen

Abfallbehälter im öffentlichen Raum abschaffen und schon wird es in der Stadt sauberer, das wird also bei uns nicht funktionieren. Solange die Haltung, dass man als Teil der Stadtgesellschaft zunächst selbst für die Sauberkeit der Stadt verantwortlich ist und seinen Teil zur Müllfreiheit der Stadt beizutragen hat, nicht gesellschaftlich verankert ist, bleiben die öffentlichen Mülleimer unverzichtbar.

Das Beispiel Japan zeigt allerdings, wer eine saubere Stadt möchte, muss zunächst die Einstellung der Menschen zu ihrer Stadt ändern und das von klein auf. Der jährliche Bochumer Stadtputz ist dazu ein guter Anfang. Es sollte allerdings viel mehr Aktionen geben, die Menschen dazu zu bewegen, sich für die Sauberkeit ihrer Stadt aktiv zu engagieren. Wie in Japan müsste dazu die Bereitschaft, Verantwortung für die Sauberkeit der eigenen Stadt und Schule zu übernehmen, bereits in den Schulen intensiv gefördert werden. Erst wenn bei allen Bewohnern und Bewohnerinnen der Stadt die Einsicht vorhanden ist, dass zunächst mal die für die Beseitigung des Mülls verantwortlich sind, die ihn selbst machen, wird man die öffentlichen Mülleimer abschaffen können.

Was man langfristig tuen könnte

Zu überlegen wäre, dass die Stadt sich langfristig das Ziel setzt, Schritt für Schritt die Abfallbehälter in der Öffentlichkeit abzubauen und sie konsequent und immer wieder die Menschen dazu auffordert, jeden Müll selbst zu entsorgen, damit dieses Ziel erreicht werden kann. Bereits die Entscheidung, dass man als Stadt die öffentlichen Abfallbehälter auf lange Sicht abschaffen möchte, könnte ein erster Schritt sein die Einstellung der Menschen zu ändern und sie dazu anregen, über das Thema Sauberkeit in der Stadt nachzudenken und darüber zu diskutieren, was der Beitrag sein sollte, den sie selbst leisen könnten, um das Ziel zu erreichen.

14 Juli

Ruhrstadt – Die Metropole, die keine sein will, aber trotzdem eine ist

Wer in das Stadtgebiet von Duisburg bis Dortmund kommt, geht davon aus, er befinde sich in einer Metropole. Aber warum ist diese viertgrößte Metropole Europas auf keiner Karte verzeichnet, so schlecht organisiert und scheint man in Sachen Stadtentwicklung noch in den 80ern festzustecken?

Die Ruhrstadt ist mit 3,43 Mio. Menschen die viertgrößte Metropole Europas (ohne Türkei und Russland), nur in Paris (10,1 Mio.), London (8,86 Mio.) und Berlin (3,77 Mio.) leben mehr Menschen.

Ruhrstadt – viertgrößte Metropole Europas

Der urbane Raum (zusammenhängendes Stadtgebiet) in der Mitte des Ruhrgebiets besteht aus 15 Städten, deren Siedlungsstruktur nahtlos ineinander übergeht. Es handelt sich um eine polyzentrische Metropole mit 15 Stadtzentren aber einheitlichem Stadtgebiet. Die gleiche Struktur zeichnet u.a. auch London, Berlin und Tokio aus. Anders als Paris oder Madrid verfügen polyzentrische Metropolen nicht über ein dominierendes zentrales Stadtzentrum, sondern über mehrere etwa gleichrangige Zentren. So besteht Tokio (9,6 Mio.) aus 23 Städten, die sich auch als solche bezeichnen, London besteht aus 33 Zentren, davon bezeichnen sich zwei explizit als Städte (City of London und City of Westminster). Auch die Metropole Berlin stellt einen Zusammenschluss von Land- und Stadtgemeinden (Berlin, Neukölln, Spandau, Wedding, Reinickendorf usw,) mit jeweils eigenem Zentrum dar.

Ruhrstadt im Vergleich zu anderen Metropolen

Funktional besitzen Metropolen sehr unterschiedliche Verwaltungsstrukturen. Während in London die zentrale Verwaltung der Metropole sehr stark ist und die ehemaligen Land- und Stadtgemeinden nur noch in relativ wenigen Bereichen eigenständige Entscheidungen treffen, haben diese in Berlin größere Freiräume (z.B. eigene Gerichte und Kompetenzen bei der Verkehrsplanung). In der Metropole Tokio wiederum agieren die Städte weitgehend unabhängig, die Metropolverwaltung (Präfektur) hat nur sehr begrenzte zentrale Zuständigkeiten. Dagegen verfügen die Unité urbaine Paris wie die Ruhrstadt über keine zentrale metropolitane Verwaltungseinheit.

In der geografischen Ordnung wäre das Ruhrgebiet, mit dem “Großraum Ruhrstadt” gleichzusetzen. Die Metropolregion Ruhrgebiet verfügt mit dem RVR in Teilbereichen über eine zentrale, aber sehr schwache Verwaltungsstruktur. Der “Großraum Ruhrstadt” ist gemessen an der Bevölkerungszahl mit 5,15 Mio. Einwohner*innen gegenüber der Île-de-France (12,5 Mio.), der Metropolregion London (14.4 Mio.), der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg (6,2 Mio.) oder gar der Metropolregion Tokio (37,2 mio.) jedoch vergleichsweise klein.

Die positiven Effekte einer Metropole

Metropolen verfügen besonders in drei Bereichen über große Vorteile gegenüber Großstädten:

  • Möglichkeit der Nutzung von Skaleneffekten zur Steigerung der Kosteneffizienz (z.B. bei Verwaltung und städtischen Unternehmen)
  • Schaffung einer einheitlichen, hoch effizienten Infrastruktur aus einem Guss (z.B. ÖPNV, Ver- und Entsorgung)
  • Steigerung der Konkurrenzfähigkeit durch höhere Sichtbarkeit aufgrund der Größe und Vielfältigkeit (Marke, Image)

Nutzt man diese drei Effekte, bedeutet das für die Metropole gegenüber herkömmlichen Großstädten sowohl erhebliche Mehreinnahmen wie deutliche Kostensenkungen.

Ruhrstadt kann Metropoleneffekte nicht nutzen

Die Ruhrstadt ist bisher jedoch nicht in der Lage sich so zu organisieren, um die entsprechenden Metropoleneffekte auszunutzen:

Auf der europäischen Landkarte findet die Ruhrstadt nicht statt. Wer nicht vorhanden und sichtbar ist, wird als Standort für Wirtschaftsansiedlungen und als Tourismusziel eher selten in Betracht gezogen.

Eine dysfunktionale Infrastruktur, wie sie die Ruhrstadt insbesondere im ÖPNV vorzuweisen hat, schreckt Investoren ab, während sonst die hocheffiziente Organisation z.B. beim ÖPNV Metropolen attraktiv macht und Menschen wie Unternehmen anlockt. Den Vorteil von Metropolen, alle erdenklichen urbanen Angebote auf dichtem Raum schnell erreichbar anzubieten, kann die Ruhrstadt nicht bieten. 

Der nicht im Ansatz metropolengerechte ÖPNV sorgt in der Ruhrstadt dagegen dafür, dass die Wege in der Ruhrstadt weiterhin lang sind. So braucht man für eine Rundtour zu den 11 Highlights der Ruhrstadt mit Bus und Bahn 8,5 Stunden. So schreckt man Städtereisende ab. (Mieser Nahverkehr schreckt Touristen ab).

Auch in Sachen Kosteneffizienz dient die Ruhrstadt nur als Negativbeispiel, Fast alle Stadtgemeinden erfüllen ihre Aufgaben durch eigene, autarke Verwaltungen und Unternehmen. Zusammenarbeit mit anderen Städten der Ruhrstadt ist weiterhin die Ausnahme. Lobenswerte Initiativen in diese Richtung scheitern immer wieder kläglich am Kirchturmdenken von Politik, Gewerkschaften und anderen (Fusion von Bogestra und Ruhrbahn quasi gescheitert). Das kostet die Stadtgemeinden der Ruhrstadt völlig unnötig Milliarden.

Niemand fühlt sich zuständig und verantwortlich

Die Verwaltungs- und Infrastruktur der Ruhrstadt effizient und kostengünstig zu gestalten, ist bisher kein Ziel der Politik in der Ruhrstadt. Diese fokussiert sich darauf Geld von Bund und Land zu fordern, um ihre finanziellen Defizite auszugleichen (Benachteiligt die Ampel das Ruhrgebiet?). Statt selbst die Initiative zu ergreifen und die Ruhrstadt zu einer effizient funktionierenden Metropole umzubauen, hat man jeden Stolz verloren und ist sich nicht zu schade auf Betteltour zu gehen, um die finanziellen Folgen seiner eignen Unfähigkeit von anderen bezahlen zu lassen. (Lässt der Bund das Ruhrgebiet im Stich? Neue Vorwürfe).

Für Stadtgestaltung und –entwicklung, also auch für den Aufbau einer metropolengerechten Verwaltungs- und Infrastruktur, sieht sich die Politik im Ruhrgebiet parteiübergreifend seit jeher nicht zuständig (Kommunen der Ruhrstadt verlieren Anschluss). Alles, was Stadtentwicklung betrifft, überlässt man den Verwaltungen, die gemäß ihrem rechtlichen Auftrag nur die eigene Stadtgemeinde im Fokus haben und zu deren gesetzlichen Aufgaben nicht die Schaffung von Metropol-Strukturen zählt.

Die Aufgabe, eine metropolengerechte Verwaltungs- und Infrastruktur zu Schafen obliegt allein der Politik, die sich aber bisher als unfähig erweis, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Die Politik nennt die Schaffung entsprechender Strukturen zwar immer wieder als Ziel, Initiativen diese aufzubauen haben dagegen Seltenheitswert.

Dabei hindert kein Gesetz die Stadtgemeinden der Ruhrstadt, die städtischen Unternehmen zu verschmelzen oder Infrastrukturplanungen wie zum Nahverkehrsplan oder Wärmeplan Ruhrstadt übergehend in entsprechenden Gesellschaften durchzuführen, um dann daraus abgeleitete Pläne gemäß der gesetzlichen Vorschriften auf Stadtgemeindeebene einzureichen. Selbst die Übernahme von Aufgaben für mehrere Städte durch das Amt einer Stadt wäre rechtlich in vielen Fällen möglich und wird im Ausnahmefall auch bereits praktiziert. So ist das Umweltamt in Hagen auch für Bochum und Dortmund zuständig.

Politik tut so, als gäbe es die Ruhrstadt nicht

Vieles wäre möglich, scheitert aber an der fehlenden Bereitschaft der Politik, entsprechende Strukturen zu schaffen, bzw. daran, dass man die Zuständig- und Verantwortlichkeit dafür ablehnt. Das Narrativ der Politik, es wäre Aufgabe des Landes rechtlich das Gebilde einer Metropole Ruhrstadt mit entsprechenden Verwaltungsstrukturen zu schaffen, ist falsch, dies ist Aufgabe der Politik in den Stadtgemeinden der Ruhrstadt. Das Land kann mit der Anpassung von gesetzlichen Regelungen die Stadtgemeinden maßgeblich unterstützen und ihnen helfen, die nötigen Veränderungen müssen aber die Stadtgemeinden selbst anschieben.

Die Metropole Ruhrstadt gibt es de facto bereits, sie muss nicht erst vom Land geschaffen werden, ehe die Stadtgemeinden meinen tätig werden zu müssen. Es ist schon heute ihre Aufgabe, die für ein Funktionieren der Ruhrstadt nötige Verwaltungs- und Infrastruktur zu schaffen. Die Verantwortlichkeit für die überall in der Ruhrstadt sichtbaren Versäumnisse auf andere zu schieben, ist nicht gerechtfertigt.

Den Politikern und Politikerinnen der Ruhrstadt muss klar werden, dass sie bereits heute verantwortlich für eine Ruhrstadt mit metropolengerechten Strukturen sind, denn die Metropole ist faktisch bereits vorhanden und muss effizient im Sinne der Bürger*innen funktionieren. Weiterhin so zu tun, als gäbe es die Metropole Ruhrstadt, nicht, um sich den daraus resultierenden Aufgaben und Verantwortungen zu entziehen, ist keine Option.

Die Ruhrstadt ist in Sachen Stadtentwicklung an den anderen Metropolen Europas zu messen. Die Messlatte liegt also sehr viel höher als die Politik meint.

Stadtplanung und -gestaltung muss in der Hand der Stadtgemeinden bleiben

Bei der Gestaltung der Ruhrstadt ist jedoch zu beachten, dass polyzentrische Metropolen sich regelmäßig dadurch auszeichnen, dass sich ihre Zentren voneinander stark unterscheiden. Das bedeutet eine große Attraktivität und Vielfalt innerhalb der Metropole. Dagegen sehen die Zentren der Ruhrstadt beliebig und fast alle gleichförmig trostlos und öd aus. Das Desinteresse der Politik an Stadtentwicklung im Ruhgebiet hat dazu geführt, dass auf eine individuelle Stadtgestaltung in den letzten 70 Jahren wenig bis gar kein Wert gelegt wurde, man hat einfach ohne groß nachzudenken das nachgemacht, was alle Nachbarstädte auch getan haben.

Aufgabenverteilung Ruhrstadt – Stadtgemeinden

In einer Metropole sollten nicht wahllos sämtliche Aufgaben einer zentralen Metropolenverwaltung übertragen werden, sondern nur so viele wie eben nötig und sinnvoll. Gerade die Aufgaben, die es den Stadtgemeinden ermöglichen ihre Stadt individuell zu gestalten, müssen bei den einzelnen Stadtgemeinden verbleiben. Es sollte sogar ausdrückliches Ziel der Ruhrstadt sein, dass jede Stadtgemeinde ihren eigenen Charakter weiterentwickelt, der auf die Faktoren Lebensqualität Vielfalt und Attraktivität der Metropole Ruhrstadt einzahlt.

Der Weg zur Ruhrstadt

Bisher ist nicht absehbar, dass alle 15 Stadtgemeinden der Ruhrstadt gewillt sind, Aufgaben an gemeinsame, metropolenübergreifende Einrichtung zu übertragen. Daher haben die STADTGESTALTER bereits vorgeschlagen, dass Stadtgemeinden, die dazu bereit sind, zunächst eine Kern-Ruhrstadt bilden, der sich in der Zukunft andere Stadtgemeinden anschließen können (Vom Ruhrgebiet zur Ruhrstadt – ein neuer Lösungsvorschlag).

23 Juni

EM 2024: Bochum vergibt Riesenchance – BOGESTRA blamiert Ruhrstadt

An 11 Spieltagen mit 570.000 Zuschauenden rollt der Ball in der Ruhrstadt. Es kommen Menschen aus ganz Europa. Doch Bochum und der RVR vergeben die Chance für sich zu werben. Stattdessen sorgt die BOGESTRA für schlechte Presse, weil sie die Abreise der Fans von der Schalke-Arena nicht organisiert bekommt.

Fußballeuropameisterschaft 2024 – Was eine riesige Chance für den Tourismus in Bochum und der Ruhrstadt. Nach Gelsenkirchen kommen in diesen Wochen 200.000 Fans, nach Dortmund sogar 370.000 Fans um die Spiele der EM 2024 zu sehen.

Es wäre eine Riesenchance gewesen

Zwei von neun Spielorten der EM liegen also in der Ruhrstadt, Bochum liegt genau zwischen beiden. Die anreisenden Fans kommen oft für mehrere Tage, um neben den Spielen noch Zeit im Land zu verbringen. Ganz wichtig wäre also gewesen, dass sich Bochum und die Ruhrstadt vor tausenden Menschen erstklassig präsentiert. Für das Ruhrgebiet bestand die einmalige Chance sich als spannende, pulsierende und gastfreundliche Reiseregion zu zeigen und so „auch in den nächsten Jahren mehr Touristen für sich gewinnen, die nach der EM wiederkommen und …. vielleicht einen längeren Urlaub hier verbringen wollen.” (EM 2024: Die Fußball-EM wird für den Tourismus ganz bedeutsam sein).

Doch es gibt keine vorzeigbare Fanmeile im Zentrum von Bochum. Die Stadt sieht sich zwar selbst als “Hotspot der Live-Kultur“ (Bochum-Strategie), Man hat es aber versäumt, dieser selbst gewählten Rolle in den vier EM-Wochen gerecht zu werden.

Was wäre für eine grandiose Partv möglich gewesen, wäre die Viktoriastraße von Rathaus bis Schauspielhaus gesperrt und zur längsten Liveevent- und Fanmeile Deutschlands unter Einbeziehung von Bochum Total 2024 geworden. Bochum hätte sich als der Anlaufpunkt für 570.000 Fans profilieren können, die in der Stadt unvergessliche Momente erlebt hätten. Die Partymeile des Reviers. Bochum, der Ort in Deutschland, in dem die Menschen wissen, wie man die Nacht zum Tage macht. Was für einen Image Boost hätte das für die Stadt bedeuten können?

Mal wieder blieb es bei dem hochtrabenden Ziel in der Bochum Strategie, es fehlte jedoch der Mut und das Engagement, es richtig krachen zu lassen. Dabei ist die ARD mit dem Kneipenquiz am Kuhhirten (Kneipenquiz live im „Kuhhirten“: ARD ist „total zufrieden“ ) schon in der Stadt. Kostenlose Werbung in Form von Fernsehberichten über tausende Fans, die die Spieltage in der Stadt abfeiern, wären leicht zu haben gewesen.

Die Chance war einmalig, ein weiteres Großereignis ähnlicher Art wird es in der Region in den nächsten 20 Jahren voraussichtlich nicht geben.

Totalausfall Ruhrtourismus

So wird das mit Tourismus im Ruhrgebiet nichts. Auf der Tourismus-Seite des RVR (Ruhr Tourismus) findet die Europameisterschaft gar nicht statt auf der RVR-Seite findet man unter der Rubrik „Heimspiel“ vier dürre EM-Beiträge,  auf der Bochumer Tourismusseite findet man zur EM, sehr versteckt, einen Beitrag (Bochum im EM-Fieberl), in Gelsenkirchen ist der Auftritt eher kläglich, nur Dortmund versteht es, sich als EM-Host City zu feiern,

Die mangelhaften Bemühungen des RVR über den Ruhr Tourismus die EM zu vermarkten und für das Ruhrgebiet nutzbar zu machen, muss man schon als Arbeitsverweigerung eingeordnet werden. Die Ruhrtourismus GmbH zeigt sich nicht zum ersten Mal überfordert (Ruhrgebiet: Mieser Nahverkehr schreckt Touristen ab). Der RVR sollte ernsthaft überlegen, seine Bemühungen in Sachen Tourismus einzustellen. Verfolgt man das Ziel den Tourismus zu fördern nicht ernsthaft und fehlt es auch sichtbar an der nötigen Professionalität, sollte man es lieber lassen.

Gelsenkirchen und BOGESTRA sorgen für kapitalen Imageschaden

Dass Bochum und die Ruhrstadt es leichtfertig verpasst haben, sich als attraktive Tourismusziele zu präsentieren, wäre vielleicht noch zu verschmerzen gewesen, dass aber Gelsenkirchen, BOGESTRA und der VRR mit dem An- und Abreisechaos an der Schalke-Arena die ganze Ruhrstadt öffentlich blamiert haben (Ridiculous: Englischer Fanverband entsetzt von Gelsenkirchen), bedeutet einen nicht wiedergutzumachenden Imageschaden, der die Ruhrstadt noch teuer zu stehen kommen wird.

Europaweite Schlagzeilen, die das Ruhrgebiet als trostlos, öd und in Sachen öffentlichem Nahverkehr als unfähig darstellen, sind für eine Profilierung als Touristenziel tödlich. Jetzt rächt sich, dass die Städte des Ruhrgebiets nie großen Wert auf eine gute Stadtgestaltung, ein ansprechendes Stadtbild und einen funktionierenden Stadtverkehr gelegt haben. Die Ansprüche in dieser Hinsicht sind und waren denkbar gering. Bemühungen, die Dinge zu verbessern, wurden mit dem Spruch “Woanders ist auch scheiße”, abgebügelt. Rankings zu Lebensqualität und Attraktivität, bei denen die Ruhrstadtstädte sich regelmäßig unter den Letzten platzierten, bewirken nichts, außer dass sich beschwert wird, die Situation im Ruhrgebiet werde falsch bewertet.

Wie Menschen von außen die Städte im Ruhrgebiet sehen, interessierte bisher wenig bis gar nicht. Von erfolgreichen Städten lernen und sich an diesen orientieren, wird oft immer noch abgelehnt. Also kommt es jetzt knüppeldick. Die Besucher*innen sehen Gelsenkirchen als trostloses, armes und rückständiges “Drecksloch” in dem nichts funktioniert, nicht mal der Nahverkehr (England-Fan ätzt gegen deutsche EM-Stadt und löst Debatte aus – Sky-Reporter legt nach). Und wie Gelsenkirchen aussieht, so sehen leider auch viele andere Teile des Ruhrgebiets aus. Ein Urteil über Wattenscheid-Mitte und den August-Bebel-Platz würde kaum anders ausfallen.

Verantwortlichen zeigen sich von Realität überrascht

Auf einmal sind die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung mit der Realität konfrontiert. EM-Fans haben keine Hemmungen ihre wahre Meinung über das auszusprechen, was sie sehen und erleben. Sie sind keine höflichen Gäste, die das erzählen, was die Gastgeber hören wollen. Sie äußern sich schonungslos und offen.

Tourismus setzt einen funktionierenden Nahverkehr voraus. Vor der EM hieße es, „die Mobilität ist ein wichtiger Faktor,“ um erfolgreich zu sein (EM 2024: Die Fußball-EM wird für den Tourismus ganz bedeutsam sein). Was die Menschen in der Ruhrstadt als ÖPNV geboten bekommen, entspricht jedoch nicht im Ansatz dem Standard, den Menschen aus ganz Europa in Großstädten und Metropolen gewohnt sind (England-Fans kritisieren Bahn-Chaos in Gelsenkirchen). Das meinen zwar viele in Verantwortliche im Ruhrgebiet, ist aber eine fatale Fehleinschätzung.

Rückständigkeit im Nahverkehr schadet Tourismus

Ein Stadion wie die Schalke-Arena (Kapazität: 62.500 Zuschauer) mit nur einer Straßenbahnlinie über eine nicht barrierefreie Haltestelle, die mit Straßenbahnen in Zweifachtraktion angefahren wird, anzubinden, legt offen, wie unterentwickelt das Ruhrgebiet und ganz besonders der Nahverkehr ist (Ridiculous: Englischer Fanverband entsetzt von Gelsenkirchen).  Fährt man in Montpellier und Straßburg  mittlerweile auf eigenem Gleiskörper mit bis zu sieben, in Dublin sogar mit neun Bahnteilen (Alstom Citadis), schafft die BOGESTRA es immer noch nicht mit mehr als zwei Traktionen zu fahren. Steinzeit trifft Zukunft, könnte man sagen.

Für die EM hätte man dringend Abhilfe schaffen müssen, doch man blieb untätig. BOGESTA, VRR und Stadt Gelsenkirchen ist das Anfahrt-Problem zur Arena seit jeher bekannt, doch man schwieg. Hier zeigt sich, Kundeninteressen haben weder bei BOGESTRA, VRR noch den Kommunen der Ruhrstadt eine halbwegs angemessene Relevanz schon gar keine Priorität.

Schönreden statt Handeln

Mehr als zwei Stunden mussten manche Fans auf eine Abreise mit dem ÖPNV vom Stadion im Straßenbahnchaos warten (Fans left sidelined and with nowhere to go thanks to Uefa’s bumbling genius Fans left sidelined and with nowhere to go thanks to Uefa’s bumbling genius | Euro 2024 | The Guardian). Die Stadt Gelsenkirchen blamiert sich mit der Aussage, das Chaos sei ganz normal (England-Fans kritisieren Bahn-Chaos in Gelsenkirchen). Ja, für Menschen im Ruhrgebiet ist Chaos im Nahverkehr leider oft die Normalität, man ist es nicht anders gewohnt, für Menschen aus anderen Großstädten und Metropolen ist es das allerdings nicht.

Auch mag nach den Maßstäben der BOGESTRA die abgelieferte Leistung “adäquat” gewesen sein (Aus unserer Sicht ist alles perfekt gelaufen), nach dem in europäischen Städten üblichen Standard war sie peinlich und untragbar. Die Einschätzung der BOGESTRA zeugt von Realitätsverlust. Der ist auch beim VRR festzustellen, wenn der Sprecher erklärt: “Der Transport habe sehr, sehr gut funktioniert, man habe “Enormes geleistet“ (Gelsenkirchen: VRR und Bogestra verteidigen Abreiseverkehr). Bei dieser Aussage tritt sogar noch arrogante Selbstzufriedenheit hinzu.

Alle Äußerungen klingen aus Sicht der Betroffenen wie Hohn. Eine öffentliche Entschuldigung für die inakzeptable Leistung wäre die einzig richtige Reaktion gewesen. Offensichtliche Unzulänglichkeiten schön zu reden, war keine Option. Das Ruhrgebiet ist allerdings der Ort, wo vieles nicht funktioniert und schlecht läuft, aber nie jemand dafür verantwortlich ist oder zugibt, dass man Fehler gemacht hat. Diese Haltung ist wiederum ein wesentlicher Grund dafür, warum offensichtliche Mängel nicht abgestellt werden.

Die Folgen der EM für Bochum und die Ruhrstadt

Was wird nach vier Wochen EM in der Ruhrstadt, bei den Menschen, die das Ereignis europaweit live oder im TV verfolgt haben, hängen bleiben? Deutschland und die Deutschen sind toll, aber Ruhrgebiet und Ruhrstadt sollte man besser meiden. Der Imageschaden, der insbesondere durch die anmaßende Uneinsichtigkeit der Verantwortlichen angerichtet wurde, wird sich in den nächsten Jahren nur sehr schwer wieder gut machen lassen.

Die Blamage könnte ein Weckruf für die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung sein, mal zu schauen, wie Menschen von außen die Ruhrstadt sehen. um zu erkennen, was man ändern und von anderen Städten lernen bzw. sich abschauen sollte. Nur so wird man den Ansprüchen, die Menschen heute an Stadtgestaltung, Stadtbild und das Funktionieren von Großstädten und Metropolen stellen, gerecht werden können. Doch zu befürchten ist, dass man sich die Lage weiter schön redet und stattdessen den Kritikern aus dem Ausland vorwirft, die Dinge völlig falsch zu sehen.

Foto: UEFA, Logo,, Google Maps

19 Mai

BOGESTRA wird zum Sanierungsfall

308 Mio. Euro Schulden. 36,6 Mio. Fahrgäste weniger als 2019. 88,8 Mio. Euro Verlust 2023, 19,3 Mio. mehr als geplant. Stopp aller Investitionen. Die wirtschaftliche Lage ist kritisch, die BOGESTRA wird zum Sanierungsfall.

Wie der Jahresabschluss 2023 und die Entwicklung der Fahrgastzahlen zeigen (Vorgang 20241057), befindet sich die BOGESTRA, das Nahverkehrsunternehmen der Städte Bochum und Gelsenkirchen, in einer ernsthaften wirtschaftlichen Notlage. Das Unternehmen musste 2023 die Notbremse ziehen, es kam zum Investitionsstopp. Die Anschaffung von neuen Bussen und die Modernisierung der Gleisanlagen wurde ausgesetzt. Statt geplanten 67,8 wurden 2023 nur 2,1 Mio. Euro investiert.

Investitionsstopp – BOGESTRA 2023 (Vorlage 20241057)

Dramatische Zahlen

Die bedrohliche wirtschaftliche Lage der BOGESTRA ließ keine Investitionen mehr zu. Gemeinhin gelten in der Wirtschaftswelt Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von unter 20% als Sanierungsfall, Der Anteil Eigenkapital am Gesamtkapital liegt bei der BOGESTRA bei nur noch 11,6%, 308 Mio. Euro Schulden belasten das Unternehmen.

88,8 Mio. Euro Verlust erwirtschaftete das Unternehmen im Jahr 2023., 21,7% mehr als geplant. Das ausufernde Defizit ist Folge des dramatischen Einbruchs der Fahrgastzahlen seit 2019. Im Jahr 2019 vermeldet die BOGESTRA noch stolz 143,3 Mio. Fahrgäste. Zudem erklärte das Unternehmen im Wirtschaftsplan 2020, dass mit der Einführung des „Netz 2020“ eine weitreichende Verbesserung des ÖPNV-Angebotes verbunden und deshalb für die Zukunft eine weitere Zunahme der Fahrgastzahlen zu erwarten sei. Die Zahlen zum Jahresabschluss 2023 zeigen jedoch eine ganz andere Entwicklung. Die Zahl der Fahrgäste ist gegenüber 2019 auf 106,7 Mio. Fahrgäste (Zählsystem BOGESTRA) und damit um über ein Viertel (25,5%) gesunken.

Während der Material-, Energie- und Personalaufwand gegenüber 2022 nur leicht, um 1,6% gestiegen ist, ist der Einbruch bei den Fahrgastzahlen und Erträgen einschneidend. Statt geplanten 184 Mio. nahm die BOGESTRA 2023 nur 158 Mio. Euro ein (-14,4%). Die Fahrgastzahlen stiegen zwar im Vergleich zum Vorjahr leicht, blieben aber weit hinter den Erwartungen von 2019 zurück. Die leichte Erhöhung dürfte allein auf den Corona-Erholungseffekt zurückzuführen sein.

Der Nahverkehrsplan, das so genannte “Netz 2020”, ist gescheitert. Anders als von Stadt und BOGESTRA immer wieder versprochen, hatte das Konzept keinen positiven Effekt auf die Fahrgastzahlen. Auch das Deutschlandticket hatte keinen nachweisbaren Effekt. Es hat allein dazu geführt, dass die Kunden ihr Abo gegen das günstigere Deutschland-Ticket getauscht haben. Die Vorgabe des Bochumer Oberbürgermeisters, die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln, ist zu einem irrealen Wunschtraum geworden (Positionspapier „Städte, Landkreise und Verkehrsverbünde begrüßen das Ziel der Verdoppelung der Fahrgäste des ÖPNV bis 2030!“),

Gründe für die Entwicklung

Doch warum bleiben die Fahrgastzahlen so weit unter dem Niveau von 2019? Die Entwicklung ist besonders auf vier Gründe zurückzuführen:

1. Kirchturmdenken – Eigentlich ist der Nahverkehr eine Ruhrstadtaufgabe. Doch das Kirchturmdenken in allen Gemeinden der Ruhrstadt, sowohl in der Politik wie der Verwaltung, verhindert ruhrstadtweites Denken und Handeln, stattdessen werden lieber die eigenen Pfründe gesichert und verteidigt.

2, Blockade bei Netzausbau – In der Ruhrstadt verhindert eine generelle politische Blockade einen metropolengerechten Ausbau des ÖPNV-Netzes. In Bochum etwa lehnt Rot-Grün alle Initiativen dazu seit Jahren konsequent ab.

3. Mangelnde Kundenorientierung – Die Nahverkehrsunternehmen der Ruhrstadt sind an steigenden Fahrgastzahlen und gutem Kundenservice desinteressiert. Das zeigt sich insbesondere an dem kundenfeindlichen Fahrpreis- und Ticketsystem, mit dem die Unternehmen die Nutzung von Bus- und Bahn durch Ab-und-zu-Kunden bewusst unattraktiv machen  (VRR: Fahrgäste gefangen im Tarifdschungel).

4. Multimodaldefizit – Die Umsetzung von Maßnahmen zur multimodalen Nutzung des Verkehrs werden verschleppt bzw. abgelehnt. So hat es die Stadt Bochum bis heute nicht geschafft, ein Netz von Mobilitätsstationen aufzubauen, um es Menschen zu ermöglichen, bequem und ohne Zeitverlust mit einer Kombination verschiedener Verkehrsmitteln zum Ziel zu kommen, obwohl die Schaffung der Stationen bereits 2013 beschlossen wurde. (Bochum fehlen Car-Sharing-Stellplätze und Mobilitätsstationen).

Im Ergebnis führen alle vier Punkte zu einem schlechten ÖPNV-Angebot, das viele Menschen in Bochum und dem Ruhrgebiet nicht oder nur selten nutzen, weil es für sie unattraktiv ist. Dass das Deutschland-Ticket nicht zu dem erwarteten Anstieg der Fahrgastzahlen geführt hat, zeigt auch, dass die ÖPNV-Infrastruktur so miserabel ist, dass selbst, wenn die Fahrpreise konkurrenzlos günstig sind, dies für mögliche Kunden in der Ruhrstadt kein Anreiz ist, Bus- und Bahn zu nehmen. Fahrtzeiten, die jene mit dem Auto um regelmäßig bis zum Doppelten überschreiten, werden Menschen selbst dann nicht in Kauf nehmen, wenn der ÖPNV gänzlich kostenfrei wäre.

Eine Erhöhung der Fahrgastzahlen ist aufgrund des sich absehbar nicht verbessernden OPNV-Angebots auch für die Zukunft nicht zu erwarten, Die BOGESTRA wird voraussichtlich große Schwierigkeiten haben, die Fahrgastzahlen auf dem jetzigen Niveau zu stabilisieren.

Die Folgen: Investitionsstopp, Kostensenkung und Personalabbau

Daraus ergibt sich folgende Frage: Was bedeutet die wirtschaftliche Notlage der BOGESTRA für die Zukunft des Unternehmens?

Der Investitionsstopp zeigt, die Lage ist ernst. Die BOGESTRA selbst ist nicht mehr in der Lage nennenswerte Investitionen in den Nahverkehr zu schultern. Hätte man die für 2023 geplanten Investitionen durchgeführt, wäre das Defizit der BOGESTRA um weitere rd. 7,8 Mio. Euro gestiegen. Der Abschreibungsaufwand hätte sich erhöht, ebenso wie der Zinsaufwand. Zu den 308 Mio. Euro Schulden wären weitere 30,5 Mio. aufgrund des zu finanzierenden Eigenanteils hinzugekommen. Verzinst zu 3,8% würde das pro Jahr 1,2 Mio. Euro zusätzlichen Zinsaufwand ausmachen. Busse werden über 6 Jahre abgeschrieben. Gleisanlagen und Stellwerk deutlich länger. Bei im Schnitt 10 Jahren Abschreibung ergäben sich weitere 6,6 Mio. Abschreibungsaufwand pro Jahr. Zinsen und Abschreibungen würden sich damit auf insgesamt 7,8 Mio. Euro Mehraufwand pro Jahr summieren und das über 10 Jahre. Das kann die BOGESTRA nicht mehr stemmen. Folgerichtig kam es zum Investitionsstopp.

Anders als es im Jahresabschluss suggeriert wird, ist nicht vorgesehen die 2023 in Höhe von 66 Mio. Euro ausgefallenen Investitionen nachzuholen. Für 2024 werden im Wirtschaftsplan nur 30 Mio. Euro für Investitionen vorgesehen. Dieser Betrag ist der in den letzten Jahren übliche. Bei Verschiebung der Investitionen aus 2023 ins Folgejahr hätten für 2024 über 90 Mio. eingeplant werden müssen. Die Investitionssumme wurde somit in voller Höhe gestrichen.

Doch wie kann ein weiteres Kollabieren der BOGESTRA verhindert werden? Dazu hat es laut Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, der gleichzeitig auch im Aufsichtsrat der BOGESTRA sitzt, bereits erste Überlegungen und Berechnungen gegeben. “Er habe für seine Stadt einmal mehrere Einsparvarianten durchrechnen lassen. Wenn man dort nur fünf Millionen Euro einsparen wolle, müssten in erheblichem Umfang Verkehre reduziert werden,” (Rheinische Post vom 08.05.2024). Die von Eiskirch angesprochenen Einsparungen bedeuten, Buslinien aufgegeben, um Personal abzubauen und so die Personalkosten zu reduzieren. Denn hier zeigt sich ein weiteres Problem des Nahverkehrsunternehmens, zwar endet jede Verwaltungsvorlage zu den Wirtschaftsplänen mit dem Satz “Mittelfristig wird eine leichte Reduzierung der Gesamtzahl an Mitarbeiter*innen angestrebt.” Tatsächlich ist die Zahl aber von 2023 auf 2024 um 63 Beschäftigte gestiegen (+2,6 %).

Den zu befürchtenden Personalabbau haben diejenigen in der Politik zu verantworten, die immer wieder eine Verbesserung des ÖPNV-Angebotes verhindert haben, besonders den grundlegenden Ausbau des Schnellverkehrsnetzes. Die Versäumnisse der Vergangenheit rächen sich. Die BOGESTRA steht mit dem Rücken zur Wand.

Was ist zu tun?

Als Präsident des Städtetages hat der Bochumer OB den ersten Hilferuf schon abgesendet: Er fordert mehr ÖPNV-Mittel von Bund und Land (Rheinische Post vom 08.05.2024). Bisher gleichen die Stadtwerke in Bochum das Defizit der BOGESTA aus. Die Mittel dazu sind allerdings begrenzt, denn die Stadtwerke brauchen ihr Geld für die Strom- und Wärmewende. Ein Defizit in der aktuellen Größenordnung können sie dauerhaft nicht decken.

Statt bei anderen um Geld zu betteln, sollte die Politik der Ruhrstadt und Bochums allerdings zunächst selbst sehen, dass sie das tut, was nötig ist, um BOGESTRA und den ÖPNV in der Ruhrstadt wieder auf sichere wirtschaftliche Füße zu stellen. Da steht an allererster Stelle eine ruhstadtweit einheitliche Nahverkehrsplanung und ein Zusammenschluss aller Nahverkehrsunternehmen der Ruhrstadt zu einem einzigen.

In Bochum selbst wäre es nötig, die politische Blockade gegen den substanziellen Ausbau des Schnellverkehrsnetzes aufzugeben. Darüber hinaus muss die BOGESTRA wirtschaftlich saniert werden. Das ist nur möglich mit Hilfe einer externen Unternehmensberatung. Diese muss Vorschläge machen, mit welchen Maßnahmen die Einnahmen gesteigert und die Ausgaben gesenkt werden können. Genau das werden die STADTGESTALTER jetzt im Stadtrat beantragen.

18 Dez.

Warum ist die Verkehrsorganisation im Ruhrgebiet so schlecht?

ÖPNV, Fuß- und Radverkehr sind in kaum einer Metropolregion hoch entwickelter Länder schlechter organisiert als im Ruhrgebiet. Was sind die Ursachen, und wie ginge es besser? Ein Vergleich mit Japan.

Menschen, die aus Ländern mit hohem Lebensstandard kommen, um das Ruhrgebiet zu besuchen, sind überrascht, wie schlecht der Verkehr in einer der größten Metropolregionen in Europa organisiert ist. Ein metropolengerechtes, flächendeckendes Nahverkehrsnetz gibt es nicht. Das ÖPNV-Netz hat große Lücken, die Takte sind weit entfernt von dem, was in Metropolen heutzutage üblich ist. Ein Radverkehrsnetz gibt es nur in Ansätzen. Das Ruhrgebiet erstickt in Staus. Verkehrslärm und Luftverschmutzung sind nach wie vor hoch, Hauptverkehrsstraßen, an denen wegen des überbordenden Verkehrs niemand wohnen will, sind oft heruntergekommen. Gehwege, Kreuzungen und Radwege werden durchweg rücksichtlos zugeparkt. Bürgersteige sind in schlechtem Zustand und für älter und behinderte Menschen nicht selten kaum nutzbar. Zebrastreifen scheinen kaum bekannt. Alles ordnet sich dem Autoverkehr unter. Nur mit dem Auto kommt man gut und sicher überall hin.

Stadtentwicklung im Verkehr ist im Ruhrgebiet in den 80ern stecken geblieben

In Sachen Verkehr scheint die Stadtentwicklung im Ruhrgebiet in den 80er-Jahren stehen geblieben zu sein. Die Rückständigkeit ist überall sichtbar und augenfällig. Die Entwicklung,, die andere Metropolregionen in den letzten vier Jahrzehnten erlebt haben, hat das Ruhrgebiet fast vollständig verschlafen.

Dern Goldstandard in Sachen Verkehrsorganisation kann man in japanischen Metropolen wie Tokio oder Osaka erleben. In den 80er-Jahren erkannte man im Land der aufgehenden Sonne, dass zunehmender motorisierter Verkehr für die Städte kaum verträglich sein würde und Flächen für eine weitere Expansion des Autoverkehrs nicht vorhanden waren, also tat man ab da alles, um diesen Verkehr auf ein stadtverträgliches Maß zu begrenzen.

Sicher sind nicht alle Maßnahmen, die in japanischen Metropolen erfolgreich waren, 1:1 auf das Ruhrgebiet übertragbar, doch lohnt sich ein Blick nach Fernost, um zu erkennen, wie der Verkehr auf einem ganz anderen Niveau organisiert werden kann.

Öffentlicher Nahverkehr

ÖPNV-Netz –  Das Rückgrat des Öffentlichen Nahverkehrs in japanischen Metropolen bildet ein dichtes Schienennetz. Flächendeckend überspannt ein Schnell- und U-Bahnnetz die Metropolregionen. Busverkehr ist unüblich, Busse werden nur für absolute Nebenlinien eingesetzt. Die Takte der wichtigen Linien liegen unter 5 Minuten. Von einem Schienenring (Tokio: Yanamote Line, Osaka: Loop Line) ausgehend (Eine Ring- und Achtlinie für das Ruhrgebiet), fahren die verschiedenen Linien sternförmig in die Außenbezirke. Eingesetzt werden auf diesen Linien Rapid, Semi-Rapid und Local Züge. Local-Bahnen halten überall, Rapid nur an den wichtigsten Stationen, Semi-Rapid auf einem Teil der Strecke an allen Stationen, sonst nur an den wichtigsten.

Fern- und Nahverkehrsnetz sind strikt getrennt. Der Shinkansen hält in Tokio nur an zwei Stationen. Seit den 80er-Jahren hat man das Streckennetz so ausgebaut, dass die Linien ganz überwiegend auf eigener Gleistrasse unterwegs sind. Das garantiert extrem hohe Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit.

Nahverkehrsunternehmen und Leitbild – Die japanischen Bahnen sind privatisiert und fahren auf der japanischen Hauptinsel Honshū mit Gewinn. Eine Sperrung des Bahnverkehrs wie sie im Ruhrgebiet im Januar für sieben Wochen vorgesehen ist, wäre in Japan undenkbar. Die Zufriedenheit der Kunden, hat einen ganz anderen Stellenwert. „In Deutschland wird Effizienz von der Seite des Kapitals her definiert. Es geht darum, Renditen zu maximieren sowie Investitionen und Kosten zu senken. … [In Japan wird] Effizienz … vom Kunden her definiert. Die Aufgabe eines Unternehmens ist, die Zumutung für Kunden zu minimieren, auch wenn dafür – zum Beispiel durch mehr Personal – etwas Eigenkapitalrendite geopfert werden muss. Denn im japanischen Verständnis entspringt der Gewinn der Zufriedenheit der Kunden.“ (Handelsblatt vom 12.07.22)

Verspätungen und Zug- wie Busausfälle, wie sie die im Ruhgebiet im Nahverkehr tätigen Unternehmen den Kunden regelmäßig zumuten, würden in Japan als Missachtung und Ignoranz gegenüber den Kunden angesehen. Der Rücktritt der Verantwortlichen nach einer öffentlichen Entschuldigung mit tiefst möglicher Verbeugung ggü. den betroffenen Kunden, wäre der einzige mögliche Ausweg.

Fahrscheinsystem – Die Bezahlung des Nahverkehrs erfolgt, wie in fast allen Metropolen der Welt mittlerweile üblich über so genannte IC-Karten, die auch digital aufs Handy geladen werden können (VRR – Höchste Zeit für den E-Fahrschein). Bei Antritt der Fahrt hält man Handy oder Karte im Vorbeigehen kurz auf einen Kartenleser, das gleiche an der Zielstation. Niemand muss Zeit für einen Ticketkauf aufwenden oder für die Bedienung einer absonderlich umständlich bedienbaren Eezy-App.

Eine in einer Stadt erworbene IC-Karte kann selbstverständlich in allen japanischen Großstädten verwendet werden. Ebenso dient sie zum Entsperren von Fahrrädern an Fahrradverleih-Stationen und man kann mit den Karten in vielen Geschäften, Restaurants und an Automaten bezahlen.

Fuß- und Radverkehr

Fußverkehr – Fußwege befinden sich durchweg in einem sehr guten Zustand, Fußgängerüberwege und Zebrastreifen in kurzer Folge sind selbstverständlich. An großen Kreuzungen gibt es Anzeigen an denen ablesbar ist, wie lange Grün oder Rot ist. Grünphasen sind regelmäßig lang bemessen und auch für ältere und behinderte Menschen gut zu schaffen. Parken auf Gehwegen ist undenkbar.

Teilweise wird eine ganze Kreuzung für die zu Fuß Gehenden auf Grün geschaltet, Fahrzeuge aus allen Richtungen haben rot und die Menschen können auch diagonal die Kreuzung queren. So funktioniert das auch bei der berühmtesten und meistfrequentierten Fußgängerkreuzung der Welt der so genannten Scramble Crossing in Tokioter Stadtteil Shibuya.

Mit Bordstein erhöhte Bürgersteige gibt es nur an Hauptverkehrsstraßen. In Wohngebieten sind Straßen in der Regel so schmal, dass man rechts und links mit einer weißen Linie Bereiche für Fußgänger*innen abtrennt, wo diese laufen können. Aufgrund des geringen Autoverkehrs in Wohnvierteln und des ausnahmslosen Verbots von Straßenparken, sind in Wohnstraßen weder Bürgersteige wie wir sie kennen noch Radwege erforderlich.

Radverkehr – Zwar wird in japanischen Metropolen regelmäßig mehr Rad als Auto gefahren, doch Radwege gibt es kaum und wenn nur an Hauptverkehrsstraßen. In Osaka werden 25% der Wege mit dem Rad zurück gelegt, in Tokio 14% (Bike share deployment and strategies in Japan).

Radfahrende dürfen die Gehwege benutzen, wenn ihnen das Fahren auf Hauptstraßen zu gefährlich ist. Diese Regel wird durchweg genutzt. Das Miteinander auf den Gehwegen funktioniert erstaunlich gut. Japanische Radfahrende sitzen deutlich tiefer im Sattel, die Laufräder sind im Durchmesser häufig kleiner. Das macht Fahrräder wendiger und die Radfahrenden haben schnell beide Beine am Boden. Die zu Fuß Gehenden sind die gemischte Nutzung der Gehwege gewohnt und zeigen Verständnis für die Radfahrenden, obwohl aufgrund des dichten Fußverkehrs auf Gehwegen deutlich dichter überholt wird als das bei uns der Fall ist. Halten sich Radfahrende aufgrund unzureichender Infrastruktur nicht an Verkehrsregeln, wird das auch von der Polizei toleriert. Es besteht zwar in der japanischen Straßenverkehrsordnung die unbedingte Empfehlung, das Radfahrende einen Helm tragen sollen, doch Radfahrende mit Helm sieht man nur selten.

Sofern es möglich ist, und das ist es oft, meiden Radfahrende Hauptstraßen und nutzen die wenig mit verkehrsbelasteten Wohnstraßen.

Japanische Metropolen verfügen über dichte Netze von Radverleihsystemen. Bis zu drei Unternehmen betreiben in einer Stadt parallel derartige Netze. Verliehen werden durchweg E-Bikes, teilweise zusammen mit E- Scootern, die aber eher wenig verbreitet sind. Verleihstationen sind manchmal schwer zu finden, da sie in der Regel nicht auf öffentlichem, sondern auf privatem Raum zu finden sind.

Gerne werden in Japan auch schmale, wendige Lastenräder verwendet, bevorzugt, um Kinder oder Einkäufe zu transportieren. Jede Bahnstation verfügt über für unsere Verhältnisse riesige meist unterirdische Radparkhäuser. Das Abstellen von Fahrrädern ist fast immer nur an Abstellanlagen möglich, da sonst verboten.

Autoverkehr

Parken – Ein Auto kann man in japanischen Metropolen nur dann zulassen, wenn man einen privaten Stellplatz dafür nachweist. Parken m öffentlichen Raum und an Straßen ist in Japan unbekannt. Parken ist nur auf privatem Grund möglich und teuer. 24 Euro pro Stunde werden in Zentraltokio fällig in den großen Stadtteilen sind immer noch 9 Euro/Stunde die Regel Es gilt der Grundsatz, Platz ist in der Stadt rar und soll bevorzugt für wichtigere Dinge als Parken verwendet werden.

PKW und LKW – Autofahrende haben die Kosten zu tragen, die sie mit dem Auto verursachen, Entsprechend machen neben dem Parken, verschiedene Fahrzeugsteuern und Mautgebühren das Autofahren teuer. Weder PKW- noch LKW-Verkehr werden subventioniert.*

°Diese Gegebenheiten führen dazu, dass 54,4 % der in Japan zugelassenen Autos Kleinstfahrzeuge, so genannte Kei-Cars., sind. Die dürfen nicht breiter sein als 1,48 m, länger als 3,4 m und mehr als 64 PS haben (Kei Car). Auch große 40t-LKW sieht man in Städten nicht. Fast der gesamte LKW-Verkehr wird mit Kleinst-LKW abgewickelt, auch 3,5- bis 7,5t-LKW sieht man häufiger, größere LKW sind nicht gut stadtverträglich und daher unüblich.

Auf den Straßen japanischer Metropolen fahren überwiegend Taxen, gewerbliche PKW und LKW, kaum Busse und vergleichsweise wenige Privat-PKW. Staus kommen nur selten vor. Trotzdem lohnt sich das Autofahren nicht. Es ist zu teuer und dauert zu lange. Fast alle Kreuzungen sind beampelt, Grüne Wellen eher die Ausnahme. Von Tokio nach Osaka braucht man mit dem Auto 6,5 Std, mit der Bahn 2,5 Std. Das Auto wird nur dann genutzt, wenn es keine bessere Alternative dazu gibt.

Japanische Metropolregionen vs. Metropolregion Ruhrgebiet

Stellt der Verkehr im Ruhrgebiet eine permanente Belästigung und Belastung dar, nervt die Menschen und ist man, wenn es um Zeit geht, häufig auf das Auto angewiesen, läuft das Leben in japanischen Metropolen entspannt. Der ÖPNV läuft reibungslos, alles ist perfekt organisiert, alle Verkehrsarten sind bestens aufeinander abgestimmt. Man kommt immer, auch ohne Auto, schnell, sicher und pünktlich zum Ziel. Die Verkehrsorganisation hat ein anders zivilisatorisches Level erreicht. Einzig beim Radverkehrsnetz an Hauptverkehrsstraßen haben auch japanische Metropolen noch Nachholbedarf.

Sonst haben Metropolen wie Osaka und Tokio in fast allen Bereichen der Verkehrsorganisation weltweit neue Maßstäbe gesetzt. während die Verkehrsorganisation im Ruhrgebiet eigentlich nur als Negativbeispiel wie man Verkehr auch schlecht organisieren kann, wertvoll sein kann.

Warum ist das Ruhgebiet in Sachen Verkehrsorganisation so rückständig?

Das führt zu der Frage, wie in japanischen Metropolen eine derart hochentwickelte Verkehrsorganisation  entstehen konnte, im Ruhrgebiet aber in dieser Richtung in den letzten vier Jahrzehnten fast nichts passiert ist.

Dafür gibt es sicher viele Gründe, drei besonders wichtige seien hier explizit genannt:

– Gibt es in Japan ein Problem, werden Pläne zur Lösung entwickelt und diese konsequent umgesetzt. Man handelt so lange bis die gesetzten Ziele erreicht und das Problem gelöst ist. Im Ruhrgebiet wird das Problem erkannt, viel erzählt und diskutiert, festgestellt, das andere Schuld sind, wenn es hoch kommt halbherzig Konzepte zur Lösung beauftragt, umgesetzt wird am Ende wenig bis nichts. Sollte etwas realisiert werden, dann im Schneckentempo, siehe Radschnellweg oder RRX. Politik und Verwaltung sind häufig keine Macher nur Schaumschläger*innen., die kaum mehr als heiße Luft verbreiten.

– Die Planung und Organisation des Verkehrs Ruhrgebiets erfolgt nicht aus einer Hand. Jede Stadt plant für sich selbst. Niemand ist bereit die entsprechenden Kompetenzen an eine höhere Instanz abzugeben, Obwohl alle Verantwortlichen in Städten und Politik wissen, eine gute Verkehrsorganisation der Metropole Ruhr ist nur mit einer zentralen Planung möglich, hält man borniert daran fest, dass jeder für seine Stadt rumwurschtelt. Der Erhalt der eignen Kompetenzen und Strukturen zählt mehr als die Realisierung einer guten Verkehrsorganisation.

– In Japan stehen immer die Kundeninteressen im Mittelpunkt der Unternehmensziele, im Ruhrgebiet sind diese irrelevant und werden ignoriert. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Benutzerfreundlichkeit, dichte Netze und Takte im ÖPNV, sind alles Ziele, die im Ruhrgebiet nur auf dem Papier vorkommen, aber nicht ernsthaft verfolgt werden. Entsprechend sind in allen Punkten in den letzten Jahrzehnten keine signifikanten Verbesserungen zu beobachten.

Zu guter Letzt sei angemerkt, dass es nicht zielführend sein kann, die Verhältnisse japanischer Metropolen unreflektiert auf das Ruhrgebiet zu übertragen. Aber Japan zeigt, was möglich ist, wenn man es denn will und konsequent daraufhin arbeitet. Das Ruhrgebiet muss an manche Stellen sicher andere Lösungen und Lösungswege finden. Der erste Schritt aber wäre, dass man nicht nur von Verkehrswende und besseren Verkehrsorganisation redet, sondern auch ernsthaft Schritte unternimmt, die genannten Ziele zu erreichen. Dabei kann Japan für das Ruhrgebiet in vielerlei Hinsicht Vorbild sein.

* Aktuell (2023) wird wegen der Inflation das Benzin subventioniert. Trotzdem erreichte der Benzinpreis im August ein Rekordhoch.

08 Okt.

Ridesharing statt Bummelbusse – ÖPNV auf neuem Niveau

Die Fahrgastzahlen der BOGESTRA gehen zurück, das Angebot ist unattraktiv. Eine Idee zur Verbesserung ist Ridesharing: Der Kunde wird zu Hause zur gewünschten Zeit abgeholt und zur nächsten Haltestelle des Schnellverkehrsnetzes gefahren. Die Bummelbusse durch die Stadtteile entfallen.

Die Verkehrsbetriebe des Ruhrgebiets befinden sich in einer dramatischen Lage, die Kundenzahlen sinken, die Verluste explodieren (Fahrgastschwund – Alarmierende Entwicklung bei der BOGESTRA). Nach Corona liegen die Fahrgastzahlen im ÖPNV in Deutschland mittlerweile wieder bei knapp 90% der Fahrgastzahlen von 2019. Die BOGESTRA konnte 2022 dagegen nur 76% des Vor-Corona-Niveaus erreichen.

Unattraktives Angebot: Fahrgäste schwinden, Verluste steigen

Betrug der Verlust der BOGESTRA im Jahr 2019 noch knapp 60 Mio. Euro stieg er bis 2022 auf fast 90 Mio. (WAZ vom 05.06.23). Die Oberbürgermeister der Ruhrgebietsstädte befürchten ein weiteres Ansteigen, so dass der ÖPNV für die Städte unfinanzierbar wird. Zusammen mit dem Essener Oberbürgermeister Kufen warnte der Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch: „Wir müssen alles dafür tun, dass aus der Mobilitätswende kein Mobilitätsende wird“ (WAZ vom 11.09.23).

Das Nahverkehrsnetz im Ruhrgebiet kann nicht im Ansatz als metropolengerecht bezeichnet werden. Nur in wenigen Ballungsräumen der Welt trifft man auf schlechtere Nahverkehrsnetze. Dass der Nahverkehr in Los Angeles und Beirut noch ungenügender organisiert ist als im Ruhrgebiet, ist wenig schmeichelhaft. Dass der ÖPNV so schlecht ist, sagt leider ebenfalls viel aus über die Kompetenz, das Engagement der Politik und der Verantwortlichen in den Stadtverwaltungen sowie den Verkehrsbetrieben des Ruhrgebiets im ÖPNV.

Das Netz 2020 ist ein großer Flop

Das Netz 2020,, von SPD und Grünen als bedeutender Schritt nach vorne im Bochumer Nahverkehr angepriesen, erweist sich als großer Flop. Die Kundenzahlen steigen nicht, sie sinken. Zwar wurde das Netz auf den Hauptverkehrslinien durch die dort erreichte Taktverdichtung attraktiver, in der Fläche aber noch unattraktiver. Ein großer Teil des Stadtgebietes ist nicht durch Hauptverkehrslinien abgedeckt (siehe Grafik). Mit Bummelbussen, die teilweise nur jede Stunde fahren, zu den Haltestellen des Schnellverkehrsnetzes zu gelangen, ist durch die Ausdünnung dieser Busse noch schwieriger geworden und lohnt sich für viele Fahrgäste nicht mehr. Sie sind während Corona auf andere Verkehrsmittel umgestiegen und kommen nicht mehr zurück.

Ein typischer Bummelbus fährt auf der Linie 357, die in Linden und Dahlhausen jede Gießkanne abfährt und Fahrgäste zur Straßenbahn bzw. S-Bahn in Dahlhausen bringt. Der Bus fährt werktags (Mo. – Sa.) nur aller 30 Minuten (5:20 bis 21;30 Uhr), danach nur eine Teilstrecke als Anrufsammeltaxi. Am Sonntag fährt er bei eingeschränkten Betriebszeiten nur jede Stunde. Das führt besonders bei Rückfahrten beim Umstieg auf den Bus zu langen Umstiegs- und Wartezeiten an den Straßen- und S-Bahn-Haltestellen. Bis man überhaupt die Umstiegshaltestellen erreicht, muss erst zu einer Bushaltestelle gelaufen werden und dann eine oft langwierige und umständliche Fahrt durch halb Linden und Dahlhausen in Kauf genommen werden. Alle Faktoren zusammen machen den Bus umständlich und unattraktiv. In der Folge benutzen ihn nur wenige Fahrgäste.

Das Konzept des Netz 2020, die Abdeckung weiter Teile des Stadtgebiets mit Bummelbussen in Verbindung mit einem gut getakteten Schnellverkehrsnetz anzubieten, ist somit gescheitert.

Netzabdeckung Schnellverkehrsnetz BOGESTRA

Schnellverkehrsnetz ist zu langsam und hat zu viele Lücken

Ein weiteres Problem stellt die mangelnde Dichte und Schnelligkeit der Straßenbahnlinien im Nahverkehrsnetz dar. Für eine entsprechende Erweiterung des Netztes hatten die STADTGESTALTER 2021 einen Vorschlag gemacht (Zehn neue Linien für das Bochumer Nahverkehrsnetz). Jedoch verweigert die Rot-Grüne-Mehrheit im Stadtrat jede substanzielle Erweiterung des Schnellverkehrsnetzes. Selbst die Prüfung der Machbarkeit von Linien wird durchgehend abgelehnt. Zuletzt am 28.09.23 der Vorschlag der STADTGESTALTER die Machbarkeit einer Regiotram-Linie von Bochum nach Essen über Westpark, Günnigfeld, Südfeldmark, Leithe und Kray zu prüfen (Antrag 20232480). Rückgrat eines attraktiven ÖPNV-Netzes ist und bleibt jedoch ein flächendeckendes, schnelles, dicht getaktetes Straßen, Stadt- und S-Bahn-Netz. So lange aber Rot-Grün ihre Blockade-Haltung hinsichtlich eines substanziellen Netzausbaus aufrechterhält, wird sich an dem lückenhaften Netz nichts ändern.

Lösung Ridesharing

Bleibt also nur die Möglichkeit den Zubringerverkehr zu den Schnellverkehrslinien deutlich zu verbessern. Auch dazu haben die STADTGESTALTER bereits 2018 einen Vorschlag gemacht (Drei Vorschläge für Werne). Der Vorschlag der STADTGESTALTER sieht vor, für den Stadtteil Werne und einem kleinen Teil von Langendreer den Nahverkehr mit Shuttle-Bussen mittels Ridesharing zu organisieren.

Shuttle-Bus – Ridesharing (Foto: Kenneth Palmestål)

Das Prinzip des sogenannten Ridesharing oder Ridepooling funktioniert wie folgt: Via App oder Telefon kann ein Shuttle-Bus nach Bedarf (on demand) vor die Haustür bestellt werden können. Im gewünschten Zeitfenster bringen die Busse die Fahrgäste dann zu einer Hub-Haltestellen (In Werne: Werne zentral, Ruhr Park, Langendreer West, Langendreer S und Lütgendortmund), von denen ein direkter Anschluss zu den Hauptlinien des Nahverkehrsnetz sichergestellt ist.

Shuttle-Zone – Ridesharing Werne

Dadurch werden die Nahverkehrswege und die Umsteigezeiten deutlich kürzer und komfortabler. Der Fußweg zur Haltestelle entfällt. Der Shuttle-Bus holt die Fahrgäste direkt vor ihrem Startort ab. Das intelligente Verkehrsleitsystem gewährleistet, dass die Fahrgäste so an der Hub-Haltestelle ankommen, dass sie ohne große Wartezeit auf die gewünschte Hauptverkehrslinie des ÖPNV umsteigen können. Auf diese Weise werden die Fahrten mit dem Nahverkehr deutlich bequemer, schneller und damit attraktiver.

Für Linden und Dahlhausen kämen als Hubhaltestellen die S-Bahnhöfe in Dahlhausen, Höntrop wie Hattingen in Betracht, sowie die Haltestellen der Straßenbahnlinien 308 und 318. Busse, die den Stadtteil aktuell erschließen, würden überflüssig.

Ridesharing in Hannover und Hamburg

Erfolgreiche Ridesharing-Systeme werden in Hamburg und Hannover betrieben. Dort befördert das Unternehmen Moia pro Fahrzeug maximal sechs Fahrgäste in luxuriösen E-Shuttle-Bussen vom gewünschten Start- zum Zielort. Moia betreibt ebenfalls ein App-gesteuertes Ridepooling. Fahrgäste teilen sich ein Fahrzeug, deren Start- und Zielposition in ähnlicher Richtung liegen. “Zunächst sendet der Kunde über eine App eine Fahrtanfrage. Ein Algorithmus ordnet sie einer neuen oder einer bereits bestehenden Fahrt zu. Der Fahrer wird über eine App informiert und zum Kunden navigiert, um ihn an einem festgelegten Haltepunkt abzuholen. Fahrgäste, die sich bereits im Fahrzeug befinden, werden über ein Display informiert, dass ein weiterer Fahrgast zusteigt. Die Wagen steuern virtuelle Haltepunkte auf einer dynamischen Route an. Nur an diesen Haltepunkten können die Fahrgäste ein- und aussteigen” (Moia – Betrieb).

Moia wird im Gegensatz zu dem von den STADTGESTALTERn vorgeschlagenen System eigenwirtschaftlich neben dem ÖPNV betrieben und ist nur begrenzt in das Tarifsystem des ÖPNV eingebunden (Sammeltaxi-Anbieter Moia baut Angebot in Hamburg aus). Auch dient das Moia-System nicht dem Ersatz der Stadtteilbusse. Das von den STADTGESTALTERn vorgeschlagene Ridesharing soll von oder im Auftrag der BOGESTRA betrieben und mit dem ÖPNV-Fahrpreis entgolten werden. Auch sollten in den Fahrzeugen mehr als sechs Fahrgäste befördert werden können, angestrebt werden sollte eine mindestens doppelt so hohe Fahrgastzahl.

Für die Nacht bieten die Verkehrsbetriebe in Duisburg ebenfalls bereits ein Ridesharing-System (myBus) mit eigenem Tarifsystem an, das zu Nachtzeiten den ÖPNV ersetzen soll.

Kosten und Finanzierung des Ridesharings

Durch das Ridesharing entfallen die Kosten für die Beschaffung, den Betrieb und die Instandhaltung der teuren Bummelbusse. Ein Bus, der elektrisch betrieben wird und im öffentlichen Nahverkehr eingesetzt werden soll, kann rund 600.000 Euro kosten (E-Bus: Die Zukunft im öffentlichen Nahverkehr?). Während Anschaffung, Betrieb und Instandhaltung der Shuttle-Busse also deutlich günstiger ausfallen, müssen zur Netzabdeckung mehr Shuttle-Busse und Fahrer bzw. Fahrerinnen eingesetzt werden als bisher mit den herkömmlichen Bussen, was auf der anderen Seite, die Kosten deutlich erhöht. Dafür wird die Auslastung der Shuttle besser sein als die der Busse, die in Nebenverkehrszeiten auf Teilstrecken nicht selten fast leer verkehren. Der Einsatz der Shuttle-Busse lässt sich zudem erheblich besser an den Bedarf anpassen. Darüber hinaus entfallen die Kosten für den Bau und die Erhaltung von Haltestellen an den bisherigen Buslinien. Diese können aufgegeben werden. Durch das deutlich bessere Angebot aufgrund Ridesharings ist zudem zu erwarten, dass die Zahl der ÖPNV-Kunden deutlich steigt, was zu Mehreinnahmen bei der BOGESTRA führt und die externen Kosten des städtischen Verkehrs deutlich sinken lässt.

Unter Einbeziehung der gesellschaftlichen Kosten, die die Stadt beim vermehrten Umstieg vom Auto auf den ÖPNV spart, sollte sich das angedachte System volkswirtschaftlich rechnen. Betriebswirtschaftlich ist jedoch ein höherer städtischer Zuschussbedarf bei der BOGESTRA einzukalkulieren. Für diesen muss eine Gegenfinanzierung geschaffen werden. Eine Möglichkeit wäre, den Finanzbedarf mittels einer entsprechenden Verminderung der Subventionen des Autoverkehrs zu decken. So könnte die Stadt z.B. eine kommunale Straßensteuer für in Bochum zugelassene Fahrzeuge erheben und die in anderen Orten zugelassenen Fahrzeugen über einen Zuschlag bei den Parkgebühren zur Kasse bitten.

Im Sinne der von der Stadt verfolgten Mobilitätswende ergäbe sich eine Win-win-Situation. Durch das Ridesharing gewinnt der Nahverkehr gegenüber dem Auto an Attraktivität, während die Straßensteuer das Autofahren angemessen teurer macht. Insgesamt entsteht also ein doppelter Anreiz vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen.

06 Feb.

Wie lässt sich das Stadtbild in Bochum und dem Ruhrgebiet verbessern?

Wilde Müllkippen, hässliche Graffiti, abgesifftes Pflaster, kaputte, zugeparkte Gehwege und abgegammelte, verbaute Gebäude. Bochum und das Ruhrgebiet sind an vielen Stellen schäbig. Es gibt viele Mängel beim städtischen Erscheinungsbild. Was ist zu tun, um das zu ändern?

Dem Ruhrgebiet sagt man keinen besonderen Sinn für Ordnung und Sauberkeit nach. Die Städte, wie Bochum, sehen an vielen Orten entsprechend aus. Zunehmend nervt das die Einwohner*innen und stößt auch Besucher*innen negativ auf. Der Anspruch auf Sauberkeit steigt

Immer mehr wird ein ansehnliches Stadtbild zu einem Markenzeichen moderner Großstädte. Auch im Wettbewerb um Arbeitskräfte ist das Erscheinungsbild der Städte ein wichtiger Faktor. Die Lebensqualität in ordentlichen, gepflegten, sauberen Städten wird höher bewertet als die in jenen, in denen man, wie im Ruhrgebiet, auf diese Dinge sichtbar bisher nur wenig Wert legt.

Wandel des Erscheinungsbildes langwierig und schwierig

Doch ein Wandel ist im Ruhrgebiet schwierig, denn es reicht nicht, dass mehr darauf geachtet wird, dass hässliche Graffiti umgehend übermalt werden und achtlos weggeworfener Müll schnell wieder aufgesammelt wird. Der Anblick vieler verbauter Ecken im Ruhrgebiet verbessert sich nur unwesentlich, wenn Schmierereien und Abfall fehlen, man denke an Friedrich-Ebert-Straße, August-Bebel-Platz oder Buddenbergplatz (Sauber, ordentlich, gut gepflegt und ansehnlich: Vier Faktoren für ein attraktives Stadtbild).

Stadtgestaltung und –planung – Es muss grundlegender angesetzt werden. Schon bei der Stadtplanung muss auf eine hohe Qualität von Stadtgestaltung und Stadtbild geachtet werden. Menschen sind viel eher bereit schick und schön gestaltete Straßenzüge, Plätze und öffentliche Gebäude sauber zu halten als baulich verunstaltete, abgeranzte bis verwahrloste städtische Orte. Die Stadt setzt städtebaulich die Rahmenbedingungen für ein gelungenes, sauberes Stadtbild.

Städtische Instandhaltung, Pflege, Reinigung und Ordnung – Auch für Pflege, Instandhaltung und Stadtreinigung sowie die Ordnung im städtischen Raum ist die Stadt zuständig. In diesem Bereich hapert es ganz grundlegend in den Ruhrgebietsstädten. Über Jahrzehnte wurde die Instandhaltung von Straßen, Gehwegen und städtischen Gebäuden unübersehbar schwer vernachlässigt.

Auch mit der Reinigung und Pflege von Parks, öffentlichen Plätzen und Grünflächen tut man sich schwer. Wege wachsen zu, weggeschwemmte Wegebeläge werden nicht ersetzt, die Mülltüten werden lieblos über die öffentlichen Abfallbehälter gestülpt, quillen teilweise über, achtlos weggeworfener Müll wird mancherorts nur sporadisch eingesammelt.

Häufig werden zudem bauliche Mängel nicht grundsätzlich beseitigt, man behilft sich stattdessen mit Provisorien. So werden kaputte Straßenbeläge nicht sachgerecht repariert oder erneuert, die sondern die Schlaglöcher jedes Jahr aufs Neue mehr schlecht als recht notdürftig mit Asphalt verfüllt.

Auch beim überbordenden Parkchaos zeigen sich die Städte hilflos. Statt Parkplätze und Quartiersparkhäuser zu bauen, wird flächendeckend das rechtswidrige Parken auf Gehwegen geduldet.

Hinsichtlich der Standards bei Sauberkeit, Ordnung und Pflege besteht noch deutlich Luft nach oben. Im Wesentlichen wird getan, was nötig ist, mehr nicht. Besonderer Wert wird auf das Erscheinungsbild der Stadt offensichtlich nicht gelegt. Das Bestehen eines funktionierenden Instandhaltungskonzeptes ist weder bei städtischen Gebäuden noch bei Brücken, Straßen und Plätzen festzustellen. Im Bereich des ruhenden Verkehrs ist in vielen Straßen keine Organisation oder Ordnung zu erkennen, es wird gleichgültig und ohne jede Beachtung der Verkehrsregeln überall da geparkt, wo Platz ist, die Städte scheinen jede Kontrolle verloren zu haben.

Verhalten der Stadtbewohner*innen – Vor diesem Hintergrund fehlt vielen Menschen der Antrieb selbst auf die Sauberkeit ihrer Stadt zu achten. Von einigen wird Abfall illegal in die Natur gekippt oder ohne Nachdenken neben die Müllcontainer des USB gestellt. Andere schnippen ihre Kippen achtlos in die Landschaft, lassen ihren Grillabfall auf den Wiesen im Park zurück oder lassen lästigen Verpackungsmüll einfach da fallen, wo sie gerade langlaufen. Dass fremder Abfall von Menschen vom Pflaster aufgehoben und mal eben in den benachbarten Müllbehälter entsorgt wird, ist nur selten zu beobachten. Das überlässt man den dafür zuständigen städtischen Betrieben und Unternehmen. Es fehlt eine durchgehende Bereitschaft und Haltung, dass man selbst alles dafür tut, die Stadt gepflegt, sauber und ordentlich zu halten. Einige sehen den Wert solchen Verhaltens angesichts des ohnehin an vielen Stellen vernachlässigten Stadtbildes nicht, andere haben entsprechendes Verhalten nie gelernt. Einen besonderen Schwerpunkt insbesondere in den Schulen setzt die Stadt dazu bisher nicht.

Um die Menschen in der Stadt mehr auf das Thema aufmerksam zu machen, findet seit wenigen Jahren allerdings der sogenannte Stadtputz statt, bei dem engagierte Einwohner*innen Teile der Stadt mit Mülltüte und Sammelgerät Teile der Stadt vom Müll befreien. Am 25.03.23 findet die nächste Putzaktion statt (Stadtputz 2023). Eine Maßnahme, die von vielen Menschen dankbar aufgenommen wird, über die die Presse ausführlich und oft berichtet und die so einiges an Aufmerksamkeit auf das Thema lenkt. Doch ausreichen, um das Erscheinungsbild von Bochum und den anderen Städten des Ruhrgebiets dauerhaft aufzuwerten, werden solche Aktionen lange nicht.

Ein neues Leitbild ist nötig

Dafür ist ein Umdenken auf allen Ebenen erforderlich, beginnend bei der Stadtgestaltung, über die Instandhaltung und Pflege von Gebäuden, Straßen, Plätzen und Stadtgrün sowie bei der Ordnung des Stadtraums bis hin zum Verhalten der Stadtbewohner und –bewohnerinnen.

Zur Einleitung dieses Umdenkens bedarf es zunächst einer Änderung des Anspruchs daran, welches Erscheinungsbild im Ruhrgebiet in Zukunft angestrebt wird. Der Anspruch ist bisher eher von Gleichgültigkeit und wenig Veränderungsbereitschaft hinsichtlich des Ist-Zustandes geprägt. “Woanders ist auch scheiße”, sagt man im Ruhrgebiet und findet sich damit ab, wie es ist, auch mit dem an vielen Stellen wenig schmeichelhaften Stadtbild. Der Anspruch sollte also deutlich steigen. Ein neues Leitbild zum gewünschten Erscheinungsbild von Bochum und dem Ruhrgebiet wäre nötig. Es könnte folgende Selbstverpflichtung sein: “Wir im Ruhrgebiet, legen zukünftig besonderen Wert auf das Erscheinungsbild unserer Städte. Bei Stadtgestaltung, Instandhaltung, Pflege, Ordnung wie Sauberkeit.”

Um ein solches Leitbild zu verinnerlichen, müsste es in den Städten des Ruhrgebietes immer wieder thematisiert, überall präsent und öffentlich sichtbar gemacht werden. In den für Stadtgestaltung, Instandhaltung, Pflege, Ordnung und Sauberkeit zuständigen Ämtern, Betrieben und Unternehmen der Städte müsste das Leitbild in den Zielsetzungen verankert werden. Diese wären aufgefordert Strategien und Konzepte zu entwickeln, so dass ihre Arbeit dem neuen Leitbild gerecht wird und die gesetzten Ziele Schritt für Schritt erreicht werden. Dazu müssen sie entsprechend organisiert und ausgestattet werden.

Auch bei Kindern und Heranwachsenden sollte das Thema fest verankert werden. Wird das Leitbild beständig und intensiv in den Schulen behandelt, wachsen zukünftige Generationen heran, für die das Thema eine viel höhere Bedeutung hat. Das so vermittelte Bewusstsein bestimmt wiederum das Verhalten.

Im Bereich Ordnung sollten nach einer Vorlauf- und Hinweiszeit, die entsprechenden Regeln konsequent durchgesetzt werden. Dazu wären auch empfindliche Bußgelder hilfreich, um deutlich zu machen, wie wichtig es den Städten ist, dass die Regeln eingehalten werden.

Der Wandel des Erscheinungsbilds wird einige Zeit dauern

Ein Wandel im Erscheinungsbild wird nicht von heute auf Morgen möglich sein. Wie dargestellt bedarf es vieler unterschiedlichster Maßnahmen auf den verschiedensten Ebenen. Ohne entsprechende Überzeugung und den Willen der Politik, dass genannte Leitbild konsequent zu verfolgen, kann der Wandel nicht gelingen. Die Politik muss den Menschen erklären, warum es dauern wird, bis Erfolge sichtbar werden.

Im ersten Schritt aber muss die Politik in Bochum wie dem Ruhrgebiet erkennen, wie wichtig den Bewohner*innen das Erscheinungsbild ihrer Stadt ist und welch große Bedeutung das Thema im Wettbewerb der Städte um Menschen und Arbeitskräfte hat, um den nötigen grundlegenden Wandel zielgerichtet wie entschlossen anzugehen.