26 Mrz

Radständer für Bochumer Schulen kaufen und aufstellen überfordert Schulverwaltung

Selbst an einfachsten Aufgaben, wie der Anschaffung von Radabstellanlagen für die Bochumer Schulen, scheitert die Bochumer Verwaltung. Selbstverliebt beschäftigt sie sich seit Jahren mit sich selbst, statt endlich die benötigten Fahrradständer zu kaufen und auf den Schulhöfen aufzustellen.

Bildung und Verkehrswende sind zwei wichtige Bausteine für eine erfolgreiche und lebenswerte Stadt. Nicht nur darum werden diese beiden Punkte in vielen Verlautbarungen und Reden von Oberbürgermeister, Politik und Stadt als Schmuck ins eigene Schaufenster gestellt. Dass Bochum aber gerade in diesen Schnittpunkten recht blank dasteht, kann nicht mit Nachsicht betrachtet werden.

Sichere Radwege und Abstellanlagen kennen viele Schüler*innen in Bochum gar nicht

Für Schüler*innen stellt das Fahrrad das einzige individuelle Verkehrsmittel dar. Es verschafft Menschen die erste Freiheit, sich selbstbestimmt in ihrem Umfeld zu bewegen. Doch die Stadt beschneidet diese Möglichkeiten fahrlässig und lässt die individuelle Mobilität der Jüngsten, Jüngeren und Kleinen brach liegen. Weder finden sich ausreichend Radwege, um sicher zur Schule zu kommen, noch gibt es an den Schulen selbst sichere Radabstellanlagen. Der Schulweg endet bereits an der Bordsteinkante im Nirvana.

Das abgewetzte und oftmals fragwürdige Sprichwort von dem vielbemühten Hänschen, dem Hans und dem Lernen passt in diesem Falle leider wie die Faust aufs Auge. Und hat die gleichen schmerzhaften Auswirkungen. Lernen Kinder nicht frühzeitig, sich verantwortungsvoll und sicher im Straßenverkehr zu bewegen, dann fällt es ihnen später deutlich schwerer. Es geht also nicht nur um Komfort und Bewegungsfreiheit, sondern auch um Gefahrenprävention.

Gefährlich sind aber nicht nur die pädagogischen Konsequenzen, sondern auch die einfache Tatsache, dass irgendwie der Weg vom Kinder- ins Klassenzimmer physisch überwunden werden muss. Gibt es keine sicheren Radwege und keine Radabstellanlagen, dann fährt häufig das Elterntaxi vor. Nicht nur, dass dieser Chauffeurdienst zusätzlich Gift auf den zarten Keimling der Selbstständigkeit schüttet – Die Staffeln an Elterntaxen, die anfahren, halten, abbiegen, einparken, rausziehen und manchmal hupen und fluchen, stellen zwei Tonnen an kinetische Gefahr für die Kleinen dar, die zwischen Blech und Alu zu Fuß oder doch mit dem Rad zur Schule wuseln müssen.

Zur Karikatur wird dieser Zustand spätestens dann, wenn der Polizist zur Verkehrserziehung in die Klassen kommt und niemand weiß, wo man sein Rad an der Schule überhaupt hinstellen soll oder das Fahrrad des Sprösslings gleich aus dem Kofferraum des SUV gewuchtet wird. Es könnte auch ein Astronaut den Schülern von seiner Reise ins All berichten – die Inhalte wären kaum weniger lebensnah und realistisch für die Kinder.

Verwaltung scheitert bereits daran an den Schulen ausreichend Radabstellplätze zu schaffen

Dabei geht es gar nicht um Raketenphysik. Die Verwaltung wird viel mehr durch eine ganz bodenständige Allerweltsaufgabe an den Rand ihrer Belastungsgrenze gebracht. Radabstellanlagen baut diese schließlich zwar seltener als notwendig, aber dennoch immerhin mit gewisser Regelmäßigkeit seit Jahren im öffentlichen Straßenraum ein. Das Prinzip eines im Boden installierten Bügels, an den man sein Fahrrad mit einem Schloss anbinden kann oder einer Abstellanlage für gleich mehrere Räder funktioniert überall in Bochum und sogar in anderen Städten gleich. Auch auf unseren Schulhöfen.

Es bedarf nur weniger Anrufe, um die auf dem Markt verfügbaren Abstellanlagen zu bestellen. Ausgefuchste Planungen und Prioritätenlisten, die teure Arbeitszeit von teuren Bediensteten binden, kann man sich sparen, weil der Status aller Schulen beinahe gleich schlecht ist. Die traurige Realität, welche die Verwaltung auf Anfrage der STADTGESTALTER offenbaren musste: Bereits im Juni 2020 stellte die Verwaltung mittels einer Abfrage an den Schulen fest (Anlage zu Vorlage 20212223), an ausnahmslos allen(!) Bochumer Schulen fehlen brauchbare Ständer für Fahrräder. Ja, an allen. An keinem(!) Standort sind auch nur annähernd(!) ausreichend Radabstellanlagen vorhanden. Und wo doch ein paar Abstellanlagen eingesprenkelt sind, dann sind es überwiegend felgenfressende Vorderradhalter, die jedem Fahrraddieb die Freudentränen in die Augen schießen lassen. Auf 41.757 Schüler*innen kommen in Bochum sage und schreibe 153 Anlehnbügel, das sind 306 Radabstellplätze, die den Namen verdienen. Beschämend, nur 0,73% der Schüler und Schülerinnen können ihr Rad sicher an ihrer Schule abstellen oder anders herum, für 99,27% der Schüler*innen gibt es auf den Schulhöfen keine brauchbaren Fahrradständer.

Ein Vorschlag zur Rettung: In einem Sofortprogramm kann man an jeder Schule Abstellanlagen aufstellen. An jeder Grundschule Anlagen für die sichere Abstellung von 60 Fahrrädern, bei weiterführenden Schulen für 200 Räder. Einen Fehler kann man gar nicht machen. An keinem Standort wären nach dem Sofortprogramm zu viele Radständer vorhanden.

Was macht die Stadt? Die verweist auf das bereits jahrelang verschleppte Radverkehrskonzept. In diesem sollen dann in jedem Stadtbezirk zunächst eine(!) weiterführende Schule von einem externen Büro u.a. auf Radabstellanlagen untersucht werden (Vorlage 20212223). In dem Tempo brauchen die ältesten Kinder, denen heute Radabstellanlagen fehlen, wohl schon Rollatorabstellplätze.

Die Verwaltung beschäftigt sich mit sich selbst, statt die eklatanten Missstände zu beseitigen

Der vorliegende Fall zeigt exemplarisch wie ineffizient und lustlos teilweise in der Verwaltung gearbeitet wird. Statt die Beseitigung von Missständen zeitnah und zielorientiert anzugehen, werden Mitarbeiter*innen über Jahre mit der Erstellung von sinnfreien Abfragen und Konzepten beschäftigt (Stadtplanung: Ausufernde Konzeptflut sorgt für Zeit- und Geldverschwendung). Oft geht es in der Verwaltung nicht darum für die Menschen in der Stadt sinnvolle Verbesserungen zu schaffen, vielmehr geht es um die Selbstbeschäftigung der Mitarbeiter*innen, also allein darum mit sinnfreier Arbeit deren Anstellung und Bezahlung zu rechtfertigen.

Seit Jahrzehnten wissen alle, dass an keiner einzigen Bochumer Schule auch nur ansatzweise so viele Radständer vorhanden sind, wie gebraucht werden. Für diese Erkenntnis war keine aufwendige Abfrage erforderlich. Die Schulen benötigen keine Gutachten und Konzepte, in denen Verfahren und Prioritätenlisten entwickelt werden, welche Schulen als erstes die begehrten Abstellanlagen erhalten sollen. Das ist nichts weiter als Zeit- und Geldverschwendung. Alle Schulen benötigen dringend nur eins:  Fahrradständer, jetzt und sofort.

Auch helfen den Schulen keine Pilotprojekte, in denen untersucht wird, welche Radabstellanlagen, am besten geeigneten sind. In tausenden Schulen in Deutschland werden jeden Tag hunderte Räder abgestellt. Welche Ständer taugen und welche nicht, ist bekannt, das kann die Verwaltung in einer Fahrradstadt auf dem kurzen Dienstweg erfragen.

Für die rund 100 Bochumer Schulen könnte die Stadt auf einen Schlag pauschal Abstellanlagen für 14.000 Räder anschaffen und diese auf alle Schulen verteilen. Sind die aufgestellt, sieht man nach kurzer Zeit, an welchen Schulen noch Abstellplätze fehlen. In einer zweiten Runde können die dann nachbestellt und ergänzt werden. Das Vorgehen ist denkbar einfach und mit dem nötigen Willen ohne Probleme binnen eines Jahres umsetzbar.

Doch in Bochum sind seit Zählung der Abstellanlagen durch die Verwaltung im  Jahr 2020 schon wieder fast 3 Jahre vergangen, in denen an den Schulen immer noch nichts passiert ist. Die mangelhafte Arbeitsleistung der Verwaltung ist unerträglich, es fehlt offensichtlich an der Kompetenz selbst einfachste Aufgaben schnell und effizient zu erledigen. Den Willen, Missstände zeitnah und ergebnisorientiert zu beseitigen, sucht man ohnehin vergeblich.

25 Sep

Bochum sollte bespielbare Stadt werden

Kinder- und Jugendfreundlichkeit sollte bei der Stadtplanung zukünftig eine bedeutendere Rolle spielen.

Denn bisher werden die Jüngsten in Bochum bevorzugt auf Spielplätze, Jugendhäuser oder Sportparks verwiesen, sonst ist der öffentliche Raum leider wenig kinder- und jugendfreundlich. Besonders problematisch, Kinder können sich in Bochum nicht gefahrlos und eigenständig durch die Stadt bewegen. Selbst die Schulwege sind oft nicht sicher.

Besonders kinderfreundliche Städte verfolgen die Vision einer bespielbaren Stadt. Bochum sollte dieses Leitbild ebenfalls verfolgen.

Am Dienstag dieser Woche wurde der Weltkindertag begangen. Anlass genug zu fragen, wie kinder- und jugendfreundlich sind Bochum und Wattenscheid.

Kinder und Jugendlich sind im Stadtbild wenig präsent

Dabei fällt zunächst auf, dass die 55.000 Kinder und Jugendlichen (15,1 % der Stadtbevölkerung) im Stadtbild von Bochum eher selten zu sehen sind, während sie in den Städten der Niederlande aber auch Skandinaviens viel mehr das Stadtbild prägen. Man könnte meinen, in diesen Ländern wäre der Anteil an Kindern und Jugendlichen an der Stadtbevölkerung größer als bei uns. Das ist aber nicht der Fall. Sieht man in Bochum Kinder Jugendliche, dann besonders an speziell für sie geschaffenen Orten, wie Spiel-, Sport- und Bolzplätzen oder Grünanlagen mit Einrichtungen für Kinder sowie Jugendhäuser und Ähnlichem.

Kinder und Jugendliche auf öffentlichen Plätzen sieht man dagegen eher wenig, auch sind die Jüngsten eher selten dabei anzutreffen wie sie durch die Stadt laufen oder mit dem Rad fahren. Viele Wege erledigen die Eltern und fahren sie mit dem Auto an die Orte, die für Kinder und Jugendliche bestimmt sind. Auf den Straßen in den Wohngebieten und auf den Plätzen in den Stadtvierteln wird nur noch selten frei gespielt. Die Flächen, wo sich Kinder und Jugendliche frei bewegen dürfen, liegen wie Inseln über das Stadtgebiet verteilt und sind nicht durch Wege, die sie gefahrlos und eigenständig benutzen können, verbunden. Nicht Mal die Wege zur Schule sind durchgehend sicher.

Bewertung kinder- und jungendfreundliche Stadt

Betrachtet man die Kinder- und Jugendfreundlichkeit der Stadt anhand verschiedener Einzelkriterien, ergibt sich folgendes Bild:

Gut ausgebaut sind die Spielplätze und Spielareale, auch Veranstaltungen für Kinder- und Jugendliche gibt es viele. Bei der Umgestaltung und dem Neubau werden Kinder und Jugendliche gut eingebunden, werden befragt und dürfen mit planen. Zudem gibt es nach 2018 nun zum zweiten Mal eine Jugendbefragung. In diesem Jahr soll erneut abgefragt werden, was die Jugendlichen sich wünschen und wo sie Verbesserungspotentiale sehen.

Mittelmäßig stellt sich die Versorgung mit Schulen über das Stadtgebiet dar. Es fehlen im gesamten Stadtgebiet Grundschulen, ebenso wie eine Gesamtschule in Wattenscheid. Mit dem ÖPNV kommen Kinder und Jugendliche ebenfalls mittelmäßig durch die Stadt. Das Nahverkehrsnetz in Bochum wie im Ruhrgebiet ist eher schlecht ausgebaut. Auch bei den Plätzen zum Sporttreiben besteht Nachholbedarf, da wünschen sich die Jugendlichen mehr Plätze mit Möglichkeiten zum Skaten und für andere Jugendsportarten (Ergebnisse Jugendbefragung). .

Unzureichend stellt sich die Lage bei Orten für Jugendliche dar, die nicht zum Sporttreiben vorgesehen sind. Plätze zum Abhängen und Freiräume für Jugendliche gibt es bisher in der Stadt zu wenige (Ergebnisse Jugendbefragung). Ebenso unzureichend ist der bauliche Zustand der Schulen wie deren Ausstattung sowie der Zustand und das Angebot an Sportstätten (Sportplätze, -hallen und Schwimmmöglichkeiten) für die Schulen (Zehn Beispiele für die verfehlte Bochumer Schulpolitik).. Insbesondere die Lehrschwimmbecken sind in einem desaströsen Zustand, Sporthallen gibt es zu wenig. Lediglich die Sportplätze befinden sich in der Regel in einem angemessenen bis guten Zustand. Zu einer Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Stadtplanungsprojekten, die nicht nur sie betreffen, kommt es eher selten. An den meisten Planungen werden sie nicht beteiligt. Dieser Zustand ist ebenfalls unzureichend.

Mangelhaft stellt sich die Aufenthaltsqualität auf städtischen Plätzen und sonstigen Orten in der Stadt dar. Diese ist in Bochum allgemein schlecht, Bedürfnisse der Kinder- und Jugendlichen wurden bei den Gestaltungen nur selten berücksichtigt, allenfalls gibt es ein angrenzendes Spielplatzareal. Viele Plätze sind kaum mehr als Parkplätze. Typisch ist der Vorfall am Hans-Ehrenberg-Platz (WAZ vom 11.08.22). In Bereich der Fußgängerzone der Innenstadt gibt es keinen Spielplatz, nur sehr wenige Spielgeräte für Kleinkinder. Immer noch gibt es viel zu wenige Betreuungsplätze in KiTas und Kindergärten. Mehr als 1.000 Plätze fehlen (WAZ vom 27.10.21). Ebenso mangelhaft ist die Digitalisierung der Schulen (Digitaloffensive: Tempo bei der Schul-Digitalisierung deutlich erhöhen).. Immer noch nicht verfügen alle Schulen der Stadt über einen Glasfaseranschluss, ebenso wenig über gut funktionierendes WLAN. Zu Fuß kommen Kinder und Jugendliche ebenfalls nur schlecht durch die Stadt. Es fehlen Überwege, Gehwege wie Kreuzungen sind zugeparkt, weshalb Kinder im Verkehr übersehen werden. Hinsichtlich der Zukunftsperspektiven der jungen Generation wird in der Stadt viel zu wenig getan. Die Maßnahmen zur Verhinderung des Klimawandels sind ebenfalls nur mangelhaft. Trotzdem bereits 2019 der Klimanotstand ausgerufen wurde, gibt es bis heute kein neues Klimaschutzkonzept mit Klimaschutzzielen, die dem Klimanotstand gerecht werden.

Ungenügend sieht es bei der extrem hohen Schulden der Stadt aus, die jetzigen Generationen angehäuft haben und die die jungen, nachfolgenden Generation einmal werden abtragen müssen. Das wird negative Auswirkungen auf die Zukunftsperspektiven und den Wohlstand der jungen Menschen haben. Ebenfalls ungenügend ist die politische Beteiligung der Jugendlichen. Es gibt weder ein Jugendparlament, noch eine Jugendkonferenz noch einen Jugend-Check mit dem geprüft wird wie sich politische Beschlüsse mit den Bedürfnissen der jungen Menschen vereinbaren lassen. Die Wege zu den Schulen sind durchgehend unsicher und oft mit Gefahren verbunden. Schulwegpläne gibt es nur an sehr wenigen Schulen. Trotzdem der Stadtrat immer wieder beschlossen hat diese Pläne für alle Schulen zu erstellen und die Schulwege systematisch zu verbessern (unter anderem 2013 im Klimaschutzteilkonzept klimafreundlicher Verkehr (Maßnahme 8a)), zeigt sich die Verwaltung konsequent desinteressiert, in dieser Richtung tätig zu werden. Die Aufgabe wird einfach nicht abgearbeitet. Ebenfalls ungenügend ist die Situation beim Radverkehr. Mangels flächendeckendem Netz guter und sicherer Radwege können Kinder und Jugendliche nicht gefahrlos mit dem Rad durch die Stadt fahren. Auch sind z.B. Radabstellanlagen bzw. eine ausreichende Anzahl an Radständern an vielen Schulen nicht vorhanden.

Schaut man sich die Gesamtsituation über alle 21 Kriterien an, stellt sich die Situation in Bochum und Wattenscheid hinsichtlich Kinder- und Jugendfreundlichkeit im Ergebnis als unzureichend dar.

Das Hauptproblem ist, Kinder- und Jugendliche werden im Bochumer Stadtraum auf spezielle Orte verwiesen, im sonstigen Stadtraum sind sie eher unerwünscht, dieser wird besonders dem Autoverkehr vorbehalten. Die Stadtentwicklung in Bochum erfolgte in den letzten Jahrzehnten nicht kinder- (Kinderorientierte Stadtentwicklung) sondern im Wesentlichen autoorientiert. Das ist in Städten, in denen Kinder und Jugendliche auch schon im jungen Alter überall im Stadtbild präsent sind, mittlerweile anders.

Das Leitbild der bespielbaren Stadt

Dabei sind die „alltäglichen Freiheiten“ des Spielens im Freien, die Fähigkeit der Kinder, sich selbstständig fortzubewegen, und der Grad des Kontakts mit der Natur starke Indikatoren dafür, wie eine Stadt funktioniert, nicht nur für Kinder, sondern für alle Generationen von Stadtbewohner*innen. Wenn Städte nicht auf die Bedürfnisse von Kindern eingehen, riskieren sie negative wirtschaftliche und kulturelle Auswirkungen, Familien ziehen weg (Cities Alive: Designing for urban childhoods).

In besonders kinderfreundlichen, bespielbaren Städten wird das Ziel verfolgt, dass alle Flächen und Stadträume vorrangig den Menschen zum städtischen Leben dienen, also insbesondere auch für das Spielen und Leben der Kinder und Jugendlichen. Städte wie Oslo, Antwerpen, Gent, Rotterdam, Barcelona, Griesheim, Freiburg und Tel Aviv verfolgen das Leitbild der bespielbaren Stadt (Bespielbare Städte). Der gesamte öffentliche Raum soll Möglichkeiten zum Bespielen und dem Aufenthalt von Kindern- und Jugendlichen bieten. Dabei sollen Dinge, die zum Spielen im Stadtraum aufgestellt werden, keine Spielgeräte sein, die vorgeben, wie sie zu bespielen sind, sondern sollen Kinder anregen, sie so spielerisch zu nutzen wie es ihnen gerade einfällt. Die Kinder sollen ihrer Phantasie freien Lauf lassen. Zum zweiten sollen Kinder und Jugendliche sich gefahrlos auf sicheren Wegen zu Fuß oder mit dem Rad durch die ganze Stadt bewegen können, um alle Orte, die sie in der Stadt aufsuchen möchten, selbständig, ohne Hilfe der Eltern erreichen zu können (Vision einer bespielbaren Stadt).

Als erste bespielbare Stadt in Deutschland gilt die Stadt Griesheim, die in der ganzen Stadt verteilt Dinge aufgestellt hat, die Kinder, Jugendliche aber auch Erwachsene zum Spielen nutzen können (Schall und Raum: Deutschlands erste bespielbare Stadt Griesheim stellt sich vor!)

Auch im Bochumer Osten wurde bereits ein erstes Projekt zur bespielbaren Stadt verwirklicht (WAZ vom 05.02.20). Dazu wurde eine Slackline zum Balancieren, kleine Trampolinfelder direkt vor dem Amtshaus, Poller, auf denen man sitzen kann, auf dem Marktplatz und die knallroten Holzbalken am Wiebuschweg im öffentlichen Raum des Stadtbezirks aufgestellt. Sie sollen zum Verweilen, Klettern und Turnen einladen. Es fehlt jedoch noch an der Vernetzung und den Möglichkeiten, dass Kinder und Jugendliche sich zwischen den Dingen frei, eigenständig und sicher bewegen können.

Playable Cities

In Bristol, Oxford, Melbourne, Tokio Seoul und anderen Städten wird die Idee der bespielbaren Stadt noch einen Schritt weitergedacht (Playable Cities). Dabei geht es darum, dass Bürger*innen die Möglichkeit gegeben wird, ihr eigenes Umfeld kreativ zu gestalten, um auf diese Weise Handlungsfähigkeit und Eigenverantwortung der Menschen in der Stadt zu stärken. So werden Orte mit dauerhaften oder temporären Installationen geschaffen, an denen nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene zum Spielen angeregt werden.

So wurden erst in Bristol, danach in New York, Tokio und London Schatten auf Gehwege projiziert, die Menschen zum Tanzen, Spielen und Schattenkämpfen anregten:

In einem weitere Projekt wurde an einem Fußgängerübergang eine spielerische Kommunikation mit der Ampel inszeniert:

Die Projekte sind häufig digital (Playable Cities Projekte) und stellen Menschen und Spiele in den Mittelpunkt der Stadt der Zukunft, indem sie städtische Infrastruktur nutzen und sich die Smart-City-Technologien zu Nutze machen. Zielsetzung ist es, Verbindungen zu schaffen – von Mensch zu Mensch und von Mensch zu Stadt. Durch Interaktion und kreative Installationen sollen soziale Dialoge eröffnet und die Bürger zu Gesprächen zur Stadtentwicklung angeregt werden (Vision Playable Cities).

In der Community der Playable Cities haben sich Städte der ganzen Welt zusammengeschlossen, in denen Menschen entsprechende Projekte entwickeln. Häufig werden die Projekte dann nicht nur in einer Stadt installiert, sondern gehen auf Tournee durch die Städte, die sich der Gemeinschaft angeschlossen haben.

Zusammenfassung und Ergebnis

Im Ergebnis ist festzuhalten, mit der Kinder- und Jugendfreundlichkeit ist es in Bochum noch nicht gut bestellt, daher sind Kinder und Jugendliche im Stadtbild vergleichsweise wenig präsent. Diese Situation ist Folge der bisher wenig kinderorientierten Stadtplanung, die sich bisher bevorzugt an den Bedürfnissen des Autos orientiert hat.

Das Leitbild der Stadtplanung in Bochum muss sich also weiter verändern. Die bespielbare Stadt wäre eine Vision, die die Stadt zukünftig verfolgen sollte. Der städtische Raum sollte von Kindern- und Jugendlichen durchgehend genutzt und bespielt werden können. Alle Orte in der Stadt müssen sicher, eigenständig und ohne Hilfe der Eltern erreichbar sein. Bei allen Stadtplanungsprojekten, sollten Kinder- und Jugendliche beteiligt und ihre Bedürfnisse vorrangig berücksichtigt werden.

Will die Stadt als bespielbare Stadt Vorreiter werden, sollte sie in Erwägung ziehen der Gemeinschaft der Playable Cities beizutreten, um sich mit Städten weltweit zu vernetzen, die eine intelligente und innovative Stadtentwicklung verfolgen, mit dem Ziel möglichst viele Interaktionen nicht nur von jungem Menschen durch Spielen im Stadtraum zu schaffen.

28 Mrz

Stadtrat lehnt Beiräte für Jugend, Menschen mit Behinderung und Senioren ab.

Zur Kommunalwahl versprachen eigentlich alle Parteien und Gruppierungen mehr Bürgerbeteiligung, bei der Ratssitzung am Donnerstag zeigte sich, richtig ernst nehmen SPD, Grüne und CDU diese Zusage allerdings offenbar nicht.

Politik für Bürger*Innen heißt Politik mit Bürger*Innen. Insbesondere die von politischen Entscheidungen betroffenen Menschen müssen möglichst gut über die laufenden politischen Vorhaben informiert werden. Darüber hinaus müssen sie viel mehr Gelegenheiten bekommen sich mit diesen zu beschäftigen, ihre Einschätzungen dazu abzugeben sowie Anregungen dazu einzubringen. In letzter Konsequenz müssen auch mehr Möglichkeiten geschaffen werden, dass die Betroffenen, wo es möglich und sinnvoll ist, mitentscheiden können. Das alles zusammen macht echte politische Teilhabe und Bürgerbeteiligung aus.

Echte Interessenvertretungen von Jugendlichen, Senioren und behinderten Menschen

Für eine bessere Beteiligung von Menschen mit speziellen Bedürfnissen sieht die Gemeindeordnung NRW eine besondere Möglichkeit vor (§ 27a GO-NRW) vor, die Einrichtung von Beiräten für besondere gesellschaftliche Interessengruppen.

Die Idee solcher Interessenvertretungen ist, dass gesellschaftliche Gruppen wie Senioren, Jugendliche oder Menschen mit Behinderung, aus Ihrer Mitte eigene Vertreter*innen in einen Beirat der Stadt wählen können, der sich dann mit den Vorlagen des Stadtrates beschäftigt, die die entsprechenden Gruppen besonders betreffen. Zum Beispiel würde sich der Beirat für behinderte Menschen besonders mit dem Ausbau von Straßen befassen und darauf hinwirken, dass dieser auch wirklich barrierefrei erfolgt. Jugendliche würden in ihrem Beirat darauf achten, dass der Ausbau von Plätzen und Angebote für Jugendliche auch in ihrem Sinne erfolgen. Senioren hätten ein besonderes Augenmerk darauf wie die Pflegeplanung der Stadt erfolgt und dass es in diesem Bereich ein attraktives Angebot gibt, das auch der Nachfrage gerecht wird.

Derartige Beiräte hätten gleichzeitig das Recht eigene Anregungen und Vorschläge zu entwickeln und diese dem Rat direkt zur Entscheidung vorzulegen. Auch sind solche Beiräte der Ort, wo alle Vorlagen der Verwaltung mit Ratsmitgliedern diskutiert werden können. Denn einem funktionierenden Beirat sollten neben den Interessenvertreter*innen der entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen auch Ratsmitglieder aller Fraktionen angehören.

In Bochum fehlt Jugendlichen, Senioren und Menschen mit Behinderung eine echte politische Interessenvertretung

Derartige Beiräte gibt es in Bochum bisher leider nicht. Die “Beiräte” genannten Gremien des Rates sind rechtlich keine Interessenvertretungen gesellschaftlicher Gruppen, sondern Ausschüsse mit lediglich beratender Funktion, deren Mitglieder von den Fraktionen regelmäßig mit Parteifreunden besetzt werden. Die Beiratsmitglieder werden also nicht von den betroffenen gesellschaftlichen Gruppen gewählt oder bestimmt.

Auch gibt es solche unechten “Beiräte” nur für Senioren (“Leben im Alter”) und für Frauen (“Frauen, Geschlechtergerechtigkeit und Emanzipation”). Jugendliche verfügen über gar keine Interessenvertretung in der Politik, Menschen mit Behinderung ebenso wenig. Immerhin gibt es aber die von engagierten Menschen mit Behinderung organisierte Arbeitsgemeinschaft für Behinderte, die von der Verwaltung über viele Planungen informiert und um eine Einschätzung gebeten wird. Eine offizielle und echte Interessenvertretung für Menschen mit Behinderung, die mit den entsprechenden Rechten eines Beirats ausgestattet ist, stellt die Arbeitsgemeinschaft jedoch nicht dar, auch wenn die AG immer wieder durch ihre gewissenhafte Arbeit und nachdrückliche Interessenvertretung auffällt.

PARTEI und STADTGESTALTER haben die Schaffung echter Beiräte vorgeschlagen

Aufgrund der dargestellten Defizite bei der Bürgerbeteiligung der genannten gesellschaftlichen Gruppen im Stadtrat hatte die Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” in der letzten Ratssitzung beantragt entsprechende echte Interessenvertretungen für Senioren, Jugendliche und Menschen mit Behinderungen mit vollen Mitwirkungsrechten von Beiräten gemäß § 27a GO-NRW zu schaffen:

Jugendbeirat – “Jugendparlament”: Dieses Gremium sollte die jungen Menschen unter 16 repräsentieren, die bei der Kommunalwahl keine Stimme haben. In den Schulen sollten die Vertreter*innen für dieses Gremium gewählt werden.

Seniorenbeirat: Die Interessenverteter*innen dieses Beirats sollten sich bereits im Rentenalter befinden. Diese könnten von den Senioren im Rahmen der Kommunal- oder einer anderen stadtweiten stattfindenden Wahl mit gewählt werden.

Beirat für Menschen mit Behinderungen: Die Mitglieder dieses Beirats sollten von den Interessengruppen der behinderten Menschen benannt werden. Wobei darauf zu achten ist, dass die unterschiedlichsten Behinderungen im Beirat durch entsprechende Vertreter repräsentiert werden, also u.a. Blinde und Sehbehinderte, Gehörlose, Sprachbehinderte, Körperbehinderte.

Neben den Interessenvertreter*innen der gesellschaftlichen Gruppen sollten den Beiräten nach dem Vorschlag von PARTEI und STADTGESTALTERn Vertreter*innen aller Fraktionen des Rates angehören, jedoch ohne Antrags- und Stimmrecht. Jeweils ein/e Vertreter*in der Beiräte sollte zudem berechtigt sein, an allen Ausschusssitzungen des Rates, mit beratender Stimme teilzunehmen.

SPD, Grüne und CDU lehnen die Beteiligung von echten Interessenvertretungen ab

Leider waren insbesondere SPD, Grüne und CDU nicht bereit den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen mit ihren besonderen Bedürfnissen mehr politische Teilhabe einzuräumen. So erklärte der Fraktionsvorsitzende der SPD, es reiche aus, dass die Bedürfnisse der Jugendlichen in Bochum im Rahmen der Jugendforen abgefragt würden, eine weitergehende Beteiligung, insbesondere sich bei den aktuellen politischen Entscheidungen, die Jugendliche betreffen, direkt einzubringen, lehnten sowohl er wie seine Fraktion ab. Grüne und CDU stimmten ebenfalls gegen den Antrag von PARTEI und STADTGESTALTERn. Auch sie sahen keinen Anlass den Menschen mehr Beteiligung zu ermöglichen.

Dabei waren die Anregungen und Impulse aus den beiden bestehenden Beiräten für Frauen und Senioren in der Vergangenheit doch eher spärlich gesät. Als echte Interessenvertretungen der entsprechenden Gruppen fielen die “Beiräte” nur sehr vereinzelt auf. Hier besteht also weiter Handlungsbedarf. Das Ziel aller Fraktionen sollte es sein Jugendliche, Senioren und Menschen mit Behinderung aktiv an den politischen Entscheidungen zu beteiligen. Dafür muss die Politik aber auch bereit sein den Beiräten die erforderlichen Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten einzuräumen. Beiräte sollten nicht als Alibi eingerichtet werden. Ziel sollte es nicht sein, die Beiräte mit Parteifreunden zu besetzen, damit diese möglichst wenig den politischen Alltag des Stadtrates stören.

Die Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” wird weiter an der Forderung festhalten, dass die Stadt Bochum echte Interessenvertretungen für Jugendliche, Senioren und Menschen mit Behinderungen schafft. Die Fraktion ist zuversichtlich, dass auch SPD, Grüne und CDU in nicht allzu ferner Zukunft ihren Widerstand gegen echte Interessenvertretungen der entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen aufgeben werden.

29 Nov

Bochumer Jugend – Die vernachlässigte Generation

Die Zahl der jungen Menschen in der Bochumer Stadtgesellschaft hat stark abgenommen und damit auch ihre Bedeutung. Während die Bedürfnisse der älteren Menschen häufig im Vordergrund der Stadtpolitik stehen, werden Anliegen der jungen Menschen viel zu wenig beachtet.

1980 waren noch 21,3 % der Bochumer und Wattenscheider jünger als 19 Jahre, Seit 2010 sind es nur noch knapp über 15 % (2010; 15,2%), 2019 immerhin wieder 15,7% (Altersstruktur der Bevölkerung in NRW 1980 bis 2019).

Bei den Schulen, der Mobilität und in Zeiten der Corona-Krise zeigt sich, dass die Stadt die Infrastruktur, die für junge Menschen wichtig ist über Jahrzehnte vernachlässigt hat. Bei den Bereichen Schulden und Umwelt wird sichtbar, dass die älteren Generationen lange auf Kosten der nachfolgenden Generationen gelebt haben. Das war und ist möglich, weil die junge Generation in der Politik weiter unterrepräsentiert ist und kaum Möglichkeiten hat ihren Anliegen das notwendige Gehör zu verschaffen.

Schulen – Besonders am baulichen Zustand der Schulen und deren Ausstattung zeigt sich, wie viel Wert Kinder und Jugendlichen und deren Bildung in einer Stadt beigemessen wird. Trotz verstärkter Bemühungen in den letzten 6 Jahren, gibt die Schullandschaft in Bochum immer noch ein insgesamt trauriges Bild ab. Zustand und Ausstattung der Bochumer Schulen sind immer noch weit entfernt von dem, was zum Beispiel in skandinavischen Ländern, aber auch in Bayern und Baden-Württemberg üblich ist. Die (Aus-)Bildung der jungen Generation hat in diesen Ländern weiterhin einen deutlich höheren Stellenwert als bei uns.

Der Bildungserfolg wird auch in Bochum immer noch viel zu häufig vererbt, die Schulen ermöglichen es vielen Schülern nicht ihr Potentiale auszuschöpfen. Entsprechend ist der Anteil der Kinder, die nach der Grundschule nur eine Empfehlung für die Hauptschule oder eine eingeschränkte Empfehlung für die Realschule erreichen unverändert hoch und sinkt auch nicht nennenswert..

Besonders in den Zeiten als es der Stadt finanziell schlecht ging, wurde auf Kosten der jungen Generation gespart. Schulen wurden geschlossen, die Instandhaltung der Schulgebäude systematisch vernachlässigt und an der Ausstattung gespart. So ist digitaler Unterricht mangels Glasfaseranbindung und entsprechender Ausstattung bis heute nur an wenigen Schulen in Bochum und das regelmäßig auch nur mit Einschränkungen möglich.

Armut – Jedes vierte Kind in Bochum wächst in einer Familie auf, die Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe bezieht. Das sind rund 12.500 Kinder und Jugendliche. Besonders betroffen sind Alleinerziehende und Familien, die mehr als drei Kinder haben (WAZ vom 10.07.2020).

In der Stadt gibt es jedoch bisher kaum Initiativen mit dem Ziel die Vererbung von Armut zu stoppen. Fast alle Maßnahmen beschränken sich darauf die Armut zu lindern, nicht die Ursachen zu bekämpfen. Perspektivlosigkeit, bestimmt das Leben vieler junger Menschen in Bochum, ihnen fehlt der Glauben, dass sie durch eigene Leistung ihre soziale und wirtschaftliche Lage nachhaltig verbessern können. Kinder in Bochum bekommen mit, wie ihre Eltern mit ihrer sozialen Situation umgehen. So lernen Kinder, ob es realistisch ist, ein Problem zu überwinden. Auf diese Weise vererbt sich Armut über das soziale Lernen (Armut vererbt sich über das soziale Lernen, der arbeitsmarkt 11/2010).

Bis heute fehlt der Stadt ein Handlungskonzept, wie die Ursachen der Vererbung von Armut angegangen werden sollen, die Schaffung von mehr Ganztagsschulen und Kitas allein reicht nicht.

Mobilität – Auch im Verkehr steht die Mobilität von Kindern und Jugendlichen bis heute nicht im Fokus der Politik. Sichere Schulwege sind bis heute kein relevantes Thema. Nur wenige Schule verfügen über Schulwegpläne. Immer noch untersagen Schulleitungen oder raten Schülern und ihren Eltern davon unmissverständlich ab, mit dem Rad zur Schule zu kommen, weil das zu unsicher sei.

Die Mobilitätsbedürfnisse von Menschen ohne Führerschein und dazu zählen Kinder und Jugendlichen bis zum Alter von 18 Jahren in der Regel, blieben in der Stadt über Jahrzehnte unbeachtet. Jungen Menschen zu ermöglichen sich in der Stadt selbständig und sicher ohne die Hilfe anderer bewegen zu können, insbesondere ohne die Eltern in Anspruch nehmen zu müssen, ist bis heute kein vorrangiges Ziel in der städtischen Verkehrspolitik. Diese hat nach wie vor besonders die Bedürfnisse der Erwachsenen im Auge und ist bevorzugt darauf ausgerichtet wie die mit dem Auto schnell und komfortabel von A nach B kommen.

Auch bei der Flächennutzung wird weiterhin die Nutzung des Straßenraums für parkende Autos in Wohngebieten als wichtiger erachtet als beispielsweise die Nutzung als Spielraum. Spielstraßen sind in Bochum regelmäßig zugeparkt, eine Nutzung zum “Spielen”, wie es der Name eigentlich vorgibt, ist so gut wie nie möglich. Die Einrichtung solcher Straßen dient regelmäßig dazu das Parken zu ordnen nicht Kindern das Spielen zu ermöglichen.

Umwelt – Die Bemühungen der Stadt, den nachfolgenden Generationen eine Stadt in einer intakten Umwelt zu hinterlassen, sind bisher unzureichend. Das derzeitig gültige Klimaziel bis 2050 die CO2-Emissionen der Stadt auf 80% gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren ist zu unambitioniert. Würde lokal wie global dieses Ziel weiter verfolgt, hätten unsere Kinder und Enkel mit massiven negativen Folgen des Klimawandels zu kämpfen, die ihnen die bis heute verantwortlichen Generationen hinterlassen würde.

Immerhin scheint sich in diesem Bereich eine Wende abzuzeichnen, das aktuell noch gültige Klimaschutzziel soll geändert werden, Bochum soll bis 2035 klimaneutral werden. Die Umwelt soll nicht mehr auf Kosten nachfolgender Generationen geschädigt werden.

Schulden – 1,8 Mrd. Schulden hat die Stadt in den letzten Jahrzehnten angehäuft, die Kinder und Enkel abbezahlen müssen. Für die junge Generation ist das ein schweres Erbe. Es schränkt die finanziellen Spielräume zukünftiger Generationen auf ein Minimum ein. Die Schulden, die Eltern und Großeltern hinterlassen, werden die Zukunft der Stadt auch in den nächsten Jahrzehnten wesentlich bestimmen und die Handlungsspielräume nachfolgender Generationen stark begrenzen.

Lange hat die Stadt auf Kosten von Kindern und Enkeln gelebt, deren Interessen auch bei den Stadtfinanzen den eigenen untergeordnet wurden. Generationen haben über ihre Verhältnisse gelebt, waren nicht bereit sich einzuschränken und haben stattdessen auf Kosten folgender Generationen Schulden aufgenommen.

Zwar hat sich in der Politik mittlerweile die Überzeugung durchgesetzt, dass die Stadt sich außerhalb von ernsthaften Krisenzeiten nicht weiter verschulden und mehr ausgeben als einnehmen darf, jedoch ändert das nichts, an dem bereits aufgelaufenen Schuldenberg, der den jungen Menschen vererbt wird.

Corona-Krise – Neben den alten und kranken Menschen sind es besonders die Jugendlichen, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind. Die Folgen der mangelnden Digitalisierung trifft besonders die Schulen. Digitaler Unterricht scheitert an fehlender Ausstattung, mangelnder Bereitschaft und fehlender Ausbildung des Schulpersonals sowie der weiter im Schneckentempo handelnden Schulbürokratie. Die Folge der Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte und die mangelnde Berücksichtigung der Bedürfnisse der jungen Menschen in der Stadtgesellschaft, werden im Brennglas der Corona-Krise besonders hell sichtbar.

Die Bedürfnisse der Jugendlichen sich untereinander zu treffen, trifft bei vielen auf wenig Verständnis wie die gesellschaftliche Diskussion zu den Treffpunkten der jungen Generation an Schauspielhaus und Musikforum gezeigt haben. Die Corona-Krise nimmt den Jugendlichen jedoch fast alle Freizeitgestaltungsmöglichkeiten. Die Kneipe, der Club, der Sportverein. alles ist geschlossen. Dabei spielt gerade die Gemeinschaft bei Jugendlichen eine ganz andere Rolle als bei älteren Generationen. Ein Jahr im Jugendalter hat in der persönlichen Entwicklung junger Menschen eine ganz andere Relevanz als ein Jahr im Erwachsenenalter. In der Pubertät ist das Treffen mit Gleichaltrigen, die Loslösung vom Elternhaus und die erste Liebe enorm wichtig. Doch diese Erfahrungen können die jungen Menschen in der Corona-Zeit nur schwer machen. Die Altersgruppe der jungen Menschen fühlt sich im Stich gelassen.

Die Stadt war bisher nicht bereit, auch für die junge Generation ein Hilfsprogramm aufzustellen. Für die Innenstadt oder Kunstschaffende war das selbstverständlich, für die Jugendlichen passierte nichts Nennenswertes.

Städtische Räume – Jugendliches Leben wird in unserer Gesellschaft immer mehr als störend empfunden, zu laut, zu impulsiv und zu bunt. Kinder und Jugendliche werden auf Räume verwiesen, wo sie niemanden stören, Spielplätze, Jugendhäuser und Plätze, wo sie nicht sichtbar und hörbar sind. Die Jugendlichen werden an den Rand gedrängt. So ist auch die ganze Innenstadt beispielsweise primär auf die Bedürfnisse älterer Menschen ausgerichtet.

Die Jugendlichen sollten auch räumlich wieder in die Mitte der Stadt rücken und dort prominent sichtbar sein. Bei der Gestaltung des öffentlichen Raums müssen ihre Bedürfnisse wieder mehr in den Fokus rücken und berücksichtigt werden.

Politische Teilhabe – An den politischen Entscheidungsabläufen sind Jugendliche bisher in Bochum nur sehr am Rande beteiligt. Es gibt kein Jugendparlament, keinen Jugendbeirat nur den Kinder- und Jugendhilfeausschuss, der sich zwar mit Kinder- und Jugendthemen beschäftigt, in dem aber Jugendlichen selbst nicht vertreten sind, sondern nur Ratsmitglieder und im Bereich Jugendhilfe erfahrene Personen. Die Jugendlichen sitzen nirgendwo selbst mit am Tisch. Es gibt bisher lediglich die vom Kinder- und Jugendring veranstaltete Jugendbefragung sowie Kinder- und Jugendforen, bei denen einige Jugendliche und junge Erwachsene ihre Ideen und Wünsche für die Entwicklung der Stadtteile den Politikern der Stadtbezirke vorstellen und mit diesen diskutieren können.

Ein Gremium, in dem Jugendliche und junge Erwachsene die Themen, die sie betreffen, vorberaten können, ehe darüber im Stadtrat entschieden wird und wo die jungen Menschen eigene Ideen und Vorschläge einbringen können, fehlt bisher. Entsprechend werden die Bedürfnisse von Kindern und Jugendliche in der Stadtpolitik zu selten gehört und bleiben viel zu häufig unberücksichtigt. Entsprechend wenig Aufmerksamkeit erhalten Themen in Bochum, die jungen Menschen wichtig sind.

Den Bedürfnissen der jungen Menschen muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden

Im neuen Stadtrat sind deutlich mehr jüngere Menschen vertreten als im Rat, der bis Oktober 2020 die Geschicke der Stadt bestimmt hat. Es ist zu hoffen, dass deshalb Kinder- und Jugendthemen in Zukunft wieder mehr Bedeutung erlangen. Doch das alleine wird nicht reichen, damit den Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Aufmerksamkeit geschenkt wird, wie sie ältere Generationen bisher selbstverständlich erfahren. Damit die junge Generation besser in die Politik eingebunden werden kann, müssen Politiker mit jungen Menschen viel häufiger an einem Tisch sitzen, ihnen zuhören und ihnen mehr Möglichkeiten geben die Zukunft der Stadt mitzugestalten. Dazu gehört auch die Einrichtung von Online-Kanälen, über die die junge Generation ihre Vorschläge, Ideen und Meinungen direkt in die Stadtpolitik einbringen können.

13 Jul

Ein Jugendplatz für Bochum

Jugendliche und junge Erwachsene sieht man in der Innenstadt außerhalb des Bermuda3Ecks eher selten. Es gibt in der City kaum Angebote für sie. Das sollte sich ändern.

Das Leben von jungen Menschen sieht völlig anders aus als das von anderen, insbesondere älteren Menschen. Die Interessen der Generationen unterscheiden sich deutlich. Man will das Leben in vielen Zügen genießen. Seine Ruhe zu haben, steht nicht oben auf der Prioritätenliste. Eine Stadt muss für alle Altersgruppen Plätze bieten, wo diese sich wohl fühlen und ausleben können. Mittlerweile bevölkern an den Wochenenden regelmäßig mehrere hundert Menschen von Schülergruppen über Hipster bis zu Studenten und Best Agern hoch in den 60ern den Platz vor dem Schauspielhaus und am Musikforum. Abends kommen alle zusammen, zum Feiern, Chillen, Musizieren, und Diskutieren. (WAZ vom 30.06.20). Plätze werden also gesucht und gefunden, leider zum Ärger mancher Anwohner (WAZ vom 03.07.20).

In der Innenstadt fehlt ein Platz für die junge Generation

Ein Platz für die junge Generation fehlt bisher in der Innenstadt von Bochum. Fast alle Angebote auf den Plätzen innerhalb des Innenstadtrings richten sich an ältere Menschen. Nur die Gastronomie im Bermuda3Eck ist auf junge Leute ausgerichtet, aber alle Angebote dort drehen sich bevorzugt ums Essen und Trinken und sind dazu regelmäßig kostenpflichtig. Dazu kann man in einigen Läden Bands erleben oder Abtanzen.