18 Jun

Fahrgastschwund – Alarmierende Entwicklung bei der BOGESTRA

Die Fahrgastzahlen im ÖPNV liegen in Deutschland nach Corona mittlerweile wieder bei knapp 90% der Fahrgastzahlen von 2019. Die BOGESTRA konnte 2022 dagegen nur 76% des Vor-Corona-Niveaus erreichen. Bereits seit 2010 kann die BOGESTRA nicht mehr mit der Entwicklung der deutschen OPNV-Unternehmen mithalten.

Schaut man sich die Entwicklung der Fahrgastzahlen deutscher Nahverkehrsunternehmen über die letzten 13 Jahre genauer an, dann stieg die Zahl der Fahrgäste in Deutschland ab 2010 stetig, bis sie 2019 einen Höhepunkt erreichte. Danach brach die Zahl Corona bedingt massiv ein, stieg dann bis 2022 wieder auf fast 90% der Fahrgastzahl der Vor-Corona-Zeit an (VdV Jahresberichte). Bei der BOGESTRA war die Entwicklung eine andere: Von 2010 bis 2015 lag die Fahrgastzahl bei um die 144 Mio., sank dann bis 2019 leicht, um in der Corona-Zeit um 27% auf knapp über 104 Mio. zu fallen und konnte sich im letzten Jahr dann nur leicht auf etwas mehr als 108 Mio. Fahrgäste erholen. Damit liegt die Zahl weiterhin 24% unter Vor-Corona-Niveau, und das trotz 9-Euro-Ticket-Boom 2022.

Fahrgastzahlen BOGESTRA Soll-Ist

BOGESTRA kann bei Fahrgastzahlen mit anderen Verkehrsunternehmen nicht mithalten

Hätte sich die Fahrgastzahl der BOGESTRA seit 2010 so entwickelt, wie das im Durchschnitt der deutschen Nahverkehrsunternehmen der Fall war, müsste die Zahl der Fahrgäste heute bei über 151,3 Mio. Fahrgästen liegen. Tatsächlich sind es nur 108,7 Mio.. Damit liegt die tatsächliche Zahl fast 40% unter der, die sich im normalen deutschen Trend ergeben hätte (siehe Grafik oben).

Hinsichtlich der Fahrgastzahlen bleibt die BOGESTRA also schon seit Jahren deutlich hinter der Entwicklung bei den Verkehrsunternehmen der meisten deutschen Städte zurück. Wie bei bei fast allen Nahverkehrsunternehmen ist der jährliche Unternehmensverlust jedoch förmlich explodiert, bei der BOGESTRA von knapp 60 Mio. Euro pro Jahr bis 2019 auf knapp 90 Mio. Euro 2022  (WAZ vom 05.06.23.). Vergleicht man das Defizit der BOGESTRA mit dem anderer Städte, liegt das Nahverkehrsunternehmen für Bochum, Gelsenkirchen und Witten mit etwas über 95 Euro pro Einwohner*in im Mittelfeld der deutschen Unternehmen. Sieht man allerdings auf die Zahl der Fahrgäste bzw. Fahrten pro bedienten Einwohner*innen, schneidet die BOGESTRA sehr schlecht ab (siehe Grafik unten), von hier betrachteten zehn Verkehrsbetrieben deutlich am schlechtesten. Während die BOGESTRA nur auf 120 Fahrten pro Einwohner*in kommt, sind es in Stuttgart schon 127, in Düsseldorf, Nürnberg, der Rhein-Neckar–Region (Mannheim, Heidelberg, Ludwigshafen) und Karlsruhe zwischen 150 und 200 Fahrten, in allen anderen Städten (Bonn, Dresden, Hannover) mehr als 200, in Freiburg sogar fast 300 Fahrten pro Einwohner*in.

Vergleich Städte, Fahrten und Verluste pro Einwohner*in
Vergleich Städte, Fahrten und Verluste pro Einwohner*in

Warum steht die BOGESTRA so schlecht da?

Die Zahlen machen deutlich, die BOGESTRA wird vergleichsweise wenig genutzt. Sie hat im Verhältnis zu der Zahl der Menschen, die in dem Gebiet wohnen, das das Unternehmen versorgt, wenig Kunden. Woran liegt das?

In vier Punkten unterscheidet sich die BOGESTRA von anderen städtischen Nahverkehrsunternehmen:
1. Das ÖPNV-Netz wurde seit Jahrzehnten nicht nennenswert ausgebaut
2. Das Netz basiert auf wenigen Straßenbahnlinien und vielen langsamen Buslinien
3. Das Tarif- und Ticketsystem ist für Menschen, die nur ab und zu fahren, undurchschaubar
4. Es fehlen Mobilitätsstationen zur bequemen multimodalen Nutzung mehrerer Verkehrsmittel

Alle vier Defizite sind seit Jahren bekannt. Die Politik hält eine Verbesserung aber nicht für erforderlich bzw. blockiert sie. Im Rahmen der Bochum-Strategie gibt es zwar eine Kernaktivität “Vorfahrt ÖPNV – Leitprojekte öffentlicher Nahverkehr” echte Leitprojekte sind darunter jedoch nicht zu finden. Die Kernaktivität stellt nicht mehr als eine Marketingaktivität dar. Ebenfalls hat der Bochumer Oberbürgermeister erst unlängst pressewirksam ein Positionspapier mit der Forderung unterschrieben den ÖPNV-Anteil zu verdoppeln (Positionspapier „Städte, Landkreise und Verkehrsverbünde begrüßen das Ziel der Verdoppelung der Fahrgäste des ÖPNV bis 2030!“), aktuell liegt dieser in Bochum nur bei 15,3%, doch konkret unternehmen, um das geforderte Ziel zu erreichen, tut der Oberbürgermeister nichts. Ernsthafte Aktivitäten gibt es im Bereich ÖPNV und Mobilitätswende nicht, die Bereitschaft etwas zu tun wird allenfalls vorgetäuscht.

Dias Ziel der Verkehrswende wurde von SPD und Grünen, die in der Stadt seit über 20 Jahren die Verkehrspolitik bestimmen, nie verfolgt. Entsprechend gab es In zwei Jahrzehnten keine Projekte das Bochumer Nahverkehrsnetz  substanziell auszubauen. Im Gegenteil verhindert die Bochumer Politik sogar den Bau wichtiger ÖPNV-Linien, indem sie mögliche Trassen unnötig mit Wohngebieten zubaut (Planungsfehler bei Wohnquartier Günnigfeld macht wichtige ÖPNV-Verbindung unmöglich) .

Zu 1.: Netzdefizit – Mehr Kunden gewinnt ein Nahverkehrsunternehmen insbesondere mit einem attraktiven Liniennetz. Im Bochumer Nahverkehrsnetz fehlen wichtige Verbindungen: Unter anderem eine schnelle Anbindung des Ruhr Parks an die City, eine Nord-Süd-Verbindung in Wattenscheid, eine Anbindung des Nordens von Wattescheid zum Bochumer und Essener Zentrum (Regiotram) und eine alternative Verbindung von der Innenstadt zur Ruhr-Universität und Hochschule über Altenbochum und Mark 51°7. Obwohl für alle diese Projekte bereits seit Jahren Vorschläge auf dem Tisch liegen, wird deren Planung und Umsetzung von der rot-grünen Rathauskoalition konsequent verhindert (Zehn neue Linien für das Bochumer Nahverkehrsnetz).. So bleibt das Bochumer Nahverkehrsnetz lückenhaft, was wiederum Kunden abschreckt in Bochum Bus- und Bahn zu benutzen..

Zu 2.: Langsamkeitsdefizit – Viele Bereiche der Stadt sind nur mit langsamen Buslinien angebunden, die jede Gießkanne anfahren und bis zum Ziel endlos lange benötigen. Es fehlen kurze schnelle Shuttles zu den Schnellverkehrslinien, so dass die Kunden bei minimalen Umsteigezeiten ohne große Umwege zu Bahnlinien kommen, mit denen sie schnell zum Ziel kommen. Das bedeutet auch, dass die Straßenbahnlinien beschleunigt werden sollten, insbesondere durch eigene Gleiskörper.

Zu 3. Tarif- und Ticketdefizit – bisher betreiben VRR und BOGESTRA bewusst ein kundenunfreundliches Tarif- und Ticketsystem um Menschen, die nur ab und zu Bus oder Bahn nehmen wollen, von der Benutzung des ÖPNV abzuhalten. Es fehlt eine mit Geld aufladbare Smartcard von der die Fahrpreise über Touchterminals bei jeder Fahrt abgebucht werden können (Höchste Zeit für den E-Fahrschein. Das Eazy-Ticket, das ein kilometerbasiertes Bezahlen von Fahrtstrecken mittels Mobiltelefons ermöglich, ist zu umständlich und ggü. den sonstigen Fahrpreisoptionen regelmäßig zu teuer. Hier ist ein Umdenken nötig, denn auch Menschen ohne Monatsfahrkarte sind als Kunden wichtig, ein Verzicht auf diese Kunden kann sich die BOGESTRA nicht leisten.

Zu 4.Multimodaldefizit – Trotzdem bereits 2013 beschlossen wurde, in der Stadt ein Netz von Mobilitätsstationen aufzubauen, um es Menschen möglich, bequem und ohne Zeitverlust mit mehreren Verkehrsmitteln zum Ziel zu kommen, hat die Stadt es bis heute nicht geschafft, die mittlerweile ein Jahrzehnt alten Beschlüsse umzusetzen. (Bochum fehlen Car-Sharing-Stellplätze und Mobilitätsstationen).  Mit dem ÖPNV kommend an einem Bahnhalt komfortabel auf (Leih-)Rad oder Car-Sharing-Auto zu wechseln, ist wegen fehlender Mobilitätsstationen in Bochum regelmäßig nicht möglich. Der Bau der Stationen scheitert an der gepflegten Langsamkeit, mit der die Stadt ihre Aufgaben verschleppt

Keine rosige Zukunft

Die Zukunft der BOGESTRA sieht also alles andere als rosig aus. Dass das Unternehmen die Fahrgastzahlen von vor Corona je wieder erreichen wird, erscheint trotz gerade eingeführtem 49-Euro-Ticket mehr als fraglich. Angesichts fehlender fast 35 Mio. Fahrten bis zum Niveau von 2019, erscheint die Zahl von 20.000 neuen Kunden, die die BOGESTRA über das günstige Deutschlandticket gewinnen konnte, sehr gering (WAZ 08.05.2023).

Aufgrund der Blockadehaltung der Bochumer Politik in Sachen grundlegendem ÖPNV-Ausbau ist zu befürchten, dass die BOGESTRA zukünftig eher weiter Kunden verlieren als hinzugewinnen wird. Auf der anderen Seite wird das Defizit der BOGESTRA eher zu- als abnehmen. Damit wird auch der zukünftige Investitionsspielraum immer kleiner. Diese Entwicklung abzuwenden, dürfte es bereits zu spät sein, denn es dauert mindestens 5-10 Jahre bis Nahverkehrsprojekte geplant und umgesetzt worden sind. Selbst wenn jetzt relevante Projekte angeschoben werden, würde sich ein Effekt auf die Fahrgastzahlen erst im nächsten Jahrzehnt zeigen, bis dahin kann die Stadt die negative Entwicklung nur hilflos beobachten.

Bleibt die Zahl der Fahrgäste dauerhaft deutlich unter den Zahlen von vor 2020 oder sinkt sogar weiter, wird es unumgänglich zu der Forderung kommen, das Angebot der BOGESTRA deutlich zu reduzieren sowie Personal und Kosten einzusparen. Dann wird die kurzsichtige und nicht vorausschauende Verkehrspolitik der Stadt bei der BOGESTRA Menschen den Job kosten.

Beitragsbild Foto: PRobin

09 Apr

Geplanter Ausbau A40: Teuer und schädlich für Stadt und Bewohner*innen

Ab Westkreuz soll die A40 über 8,5 km Richtung Dortmund auf 6 Fahrspuren ausgebaut werden. Aktuell werden die Kosten auf 360 Mio. Euro geschätzt. Ein Nutzen für die Stadt ist nicht erkennbar, die zusätzlichen Belastungen für Anwohner*innen und Stadt dagegen wären hoch. Fast 20% des Stadtgebietes sind zum Wohnen aufgrund der Autobahnen ungeeignet.

Von Duisburg aus ist die A40 bereits bis zum Westkreuz auf 6 Fahrspuren ausgebaut. Jetzt will der Bundesverkehrsminister die A40 bis zum Kreuz Bochum um weitere 8,5 km ausbauen. Ist das sinnvoll? Was bedeutet der Ausbau für die Stadt, besonders für die Menschen, die in der Nähe der A40 wohnen?

Ausbau hat keinen Nutzen

Sobald die A448 vom Westkreuz bis zu A43 fertig gestellt ist, kann man vom Westkreuz südlich um das Zentrum zur A43 und weiter zur A45 fahren wie auch nördlich über die A40. Der Verkehr wird sich also  auf A40 und A448 aufteilen. Insgesamt stehen dann ab Westkreuz acht Spuren zur Verfügung. Welchen Nutzen zwei weitere Fahrspuren haben sollen, ist nicht erkennbar.

Allerdings führt jeder Ausbau einer Autobahn zu mehr Autoverkehr und damit mehr Verkehrsbelastungen. Verkehr funktioniert nachfrageinduziert (Das Prinzip induzierter Nachfrage). Ein Ausbau von Straßen führt dazu, dass mehr Menschen längere Strecken zur Arbeit pendeln, vermehrt weiter entfernt einkaufen und Unternehmen Dinge in größerer Zahl von weiter entfernten Orten beziehen. Der Verkehr nimmt zu, so lange bis die Straßen wieder überlastet sind, und der Verkehr durch zunehmend auftretende Staus erneut zum Erliegen kommt. Das Anfügen weiterer Fahrspuren lässt Staus nur für eine kurze Zeit verschwinden, nur so lange bis auf mehr Fahrspuren der Verkehr soweit zugenommen hat, dass die Kapazitätsgrenze der Straße wiederum überschritten wird und der Verkehr wieder im Stau stecken bleibt. Selbst ein Ausbau auf 40 Fahrspuren wie sie etwa in Houston, Texas vorzufinden sind, lösen das Stauproblem nicht. In keiner Stadt wurden jemals Stauprobleme durch den Zubau von Fahrspuren gelöst. Immer nur nahm der Verkehr zu und damit die Verkehrsbelastungen.

Große Belastungen durch Autobahnen

In Bochum und dem Ruhrgebiet führen die Autobahnen direkt durch dicht besiedelte Stadtgebiete. In unmittelbarer Nähe zu den Autobahnen wohnen tausende Menschen, deren Lebensqualität auf vielfältige Weise massiv durch den Autobahnverkehr beeinträchtigt wird.

Lärm – An Autobahnen liegt der Lärmpegel ohne Lärmschutzmaßnahmen regelmäßig bei über 80 dB(A). In Wohngebieten liegen die Lärmgrenzwerte in Deutschland tagsüber bei 59 db(A) und nachts bei 49 dB(A). Die WHO empfiehlt Grenzwerte von 53 db(A) tags und 45 dB(A) nachts, da oberhalb dieser Grenzen, der Lärm für die Menschen gesundheitsschädlich sei (Fast die Hälfte der Menschen in Bochum ist gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt).

Selbst um die in Deutschland zu hoch angesetzten Lärmgrenzwerte einzuhalten bedarf es an Autobahnen hoher Lärmschutzwände, Lärmschutzfenster usw.. Zig Meter hohe Lärmschutzwände und die Unmöglichkeit die Fenster öffnen zu können, wirken sich jedoch negativ auf die Lebensqualität der betroffenen Hausbewohner*innen aus.

Anbauverbot – In 40 Meter breiten, so genannten Anbauverbotszonen auf beiden Seiten von Autobahnen, soll grundsätzlich niemand wohnen. Dort ist der Neubau von Wohnhäusern verboten. Bestehende Wohnhäuser in dieser Zone dürfen weder an- noch substanziell umgebaut werden. In einem Abstand bis zu 100 Metern zu einer Autobahn bedarf jede bauliche Veränderung der Zustimmung durch die Straßenbaubehörden. Der Wert von Immobilien in diesem Abstand zu Autobahnen wird daher deutlich gemindert. Wird eine Autobahn um 2 Fahrspuren erweitert, dehnt sich die Anbauverbotszone auf jeder Seite um weitere 3 bis 5 Meter aus. Immobilien die neu in die Zone fallen, werden auf einen Schlag entschädigungslos entwertet. Für die Betroffenen ist das wirtschaftlich ein schwerer Schlag.

Andere Anwohner*innen an Autobahnen werden im Zuge des Ausbaus enteignet, müssen Teile ihrer Grundstücke abgeben oder sich mit einer zig Meter hohen, das Grundstück verunstaltenden, das Haus verschattenden und die Sicht behindernden Lärmschutzwänden in ihrem Garten arrangieren.

Wertminderung – Erhebliche Wertminderungen treffen nicht nur diejenigen, die direkt in der Anbauverbotszone Immobilien besitzen, sondern alle die von Autobahnlärm, Verschattung und Sichtbehinderungen von Lärmschutzwänden und anderen Umweltbeeinträchtigungen betroffen sind.

Luftverschmutzung – Autobahnen beeinträchtigen insbesondere die Luftqualität in der direkten Nähe. insbesondere durch NOx- und Feinstaub-Emissionen. Nach Angaben des Asthma-Fonds sollten zwischen einer Schule und einer Autobahn mindestens 300 Meter liegen. Der gleiche Abstand gilt für Wohngebiete. Menschen, die weniger als 300 Meter von einer Autobahn entfernt wohnen, sind sonst ungeschützt gegen Feinstaub in Autobahnnähe (Lungenärzte im Netz). Für Bochum bedeutet das, Schulen wie an der Feldsieper Straße oder die Heinrich-Böll-Gesamtschule liegen schon heute viel zu nah an der A40.

Barrierewirkung – Autobahnen stellen sich auch mit nur 4 Spuren als an nur wenigen Stellen zu querende Barrieren im Stadtgebiet dar. Wohnquartiere an Autobahnen sind in der Regel von Quartieren auf der anderen Autobahnseite abgeschnitten. Viertel wie Kornharpen liegen isoliert im Stadtgebiet, sie sind aufgrund der umgebenden Autobahnen nur über wenige Straßen zu erreichen. Der soziale Austausch zwischen Nachbarschaften und Vierteln kommt zum Erliegen. Menschen, die das Rad nehmen oder zu Fuß gehen, müssen teilweise große Umwege in Kauf nehmen, weil der direkte Weg durch eine Autobahn versperrt ist. Umso breiter eine Autobahn wird, desto mehr verstärkt sich die Barrierewirkung.

Trading-Down – Aufgrund der schlechten Wohn- und Lebensqualität entwickeln sich Stadtviertel in direkter Nähe zu Autobahnen regelmäßig negativ. Besonders in Wattenscheid und Hamme sind die Trading-Down-Effekte in Autobahnnähe bereits heute unübersehbar.

Mikroklima – Werden A40 und A43 sechsspurig ausgebaut und verbleiben A448 und das Reststück der NS7 (“Sheffieldring”) vierspurig, bedeutet das ohne Berücksichtigung von Auf- und Abfahrten die Asphaltierung einer Fläche von 1,5 Quadratkilometern. Jede asphaltierte Fläche heizt sich im Sommer auf und wird zur Hitzeinsel, die das Mikroklima in der Stadt negativ beeinflusst. Autobahnen stellen nicht nur eine physische, sondern auch eine thermische Zerschneidung dar. Sie erhöhen die auftretenden Maximaltemperaturen sowie die Wasserverdunstung und bedingen zusätzlichen Hitze- und Trocknisstress für die im Stadtraum wachsenden Bäume (Thermische Wirkungen von Autobahnen unter den Bedingungen des Klimawandels).

Flächenverbrauch Autobahnen

Gesamtbetrachtung

Betrachtet man die Belastungen, die von Autobahnen auf das Stadtgebiet und die Stadtbewohner*innen ausgehen, im Gesamten, sollte 300 Meter rechts und links jeder Autobahn niemand wohnen, zur Schule gehen, kleinen Kleingarten haben oder dauerhaft im Freien Sport treiben. Die in Bochum betroffene Fläche ist entsprechend groß: Die Stadt wird von rund 45 Kilometern Autobahn durchquert (inkl. NS7). Das bedeutet aufgrund der Autobahnen sind über 28 Quadratkilometer der Stadtfläche nicht für Wohnzwecke nutzbar, das entspricht fast 20% des gesamten Stadtgebietes. Die Belastungen der Stadt und der Lebensqualität der Einwohner*innen durch die Autobahnen ist also riesig.

Gebiete an Autobahnen, die zum Wohnen ungeeignet sind

Ein weiterer Ausbau der A40, der keinen nennenswerten Nutzen bietet, wird aufgrund der damit verbundenen erheblichen zusätzlichen Belastungen für die Bochumer Stadtbewohner*innen von den STADTGESTALTERn abgelehnt.

Geld besser in den Nahverkehr investieren

Hinzu kommen die enormen Kosten, von aktuell geschätzten 360 Mio. Euro für nur 8,5 km Ausbau. Kommt es zur Realisierung der Ausbaupläne, ist vermutlich mit Kosten von über 500 Mio. zu rechnen. Dieses Geld fehlt insbesondere beim Ausbau des ÖPNV im Ruhrgebiet. In diesem Bereich wäre es viel besser angelegt. Ein massiver Ausbau des ÖPNV im Ruhrgebiet würde dazu führen, dass mehr Menschen Bus und Bahn benutzen statt dem Auto. Dadurch würden die Autobahnen entlastet. Mit einer entsprechenden Investition in den öffentlichen Nahverkehr könnte die Zahl der  Staus auf der A40 wirksam vermindert werden, mit einem durchgehenden Ausbau auf 6 Spuren jedoch nicht.

29 Jan

Ruhrgebiet: Mieser Nahverkehr schreckt Touristen ab

Das Ruhrgebiet bietet einzigartige Sehenswürdigkeiten. Nur gut hin kommen die Touristen nicht. Für eine Rundtour zu 11 Highlights des Reviers braucht man mit Bus und Bahn 8,5 Stunden, mit dem Auto 3 Stunden und 17 Minuten. Das schreckt Städtereisende ab und kostet das Ruhrgebiet Milliarden. Auch ist der schlechte ÖPNV beim Ruhrtourismus nicht die einzige Baustelle.

Das Ruhrgebiet zählt laut „National Geographic“ weltweit zu den 25 Top-Reisezielen (Ruhrgebiet als weltweites Top-25-Reiseziel ausgezeichnet). Das Magazin begründet die Auszeichnung, wie folgt: Dass Ruhrgebiet verfüge über einmalige Halden und „post-apokalyptisch wirkende“ Industriegebäude, die zu Museen, Parks und Open-Air-Kulturräumen umgebaut worden sind. Für Städtereisende aus aller Welt ist die Metropole Ruhr hochattraktiv und ein Must-See.

Ruhrgebiet kann Erwartungen von Städtereisenden nicht erfüllen

Doch der Tourismusboom bleibt bisher aus. Die Tourismusinfrastruktur im Ruhrgebiet ist in vielen Bereichen kaum besser als die eines Entwicklungslandes. Im Revier von einem Ort zum anderen zu fahren dauert endlos und ist dazu außerordentlich unkomfortabel und umständlich. Verständlich, dass da Touristen lieber woanders hin reisen.

Spannende Großstädte und Metropolen sind voll mit Touristen aus aller Welt. Städtetourismus boomt. Die Touristen kommen von überall in die Metropolen, bevorzugt mit der Bahn oder dem Flugzeug, nehmen sich eine zentrale Unterkunft und fahren von da aus mit Bus und Bahn zu den beliebten Sehenswürdigkeiten und den wenig bekannten Hidden Gems. Das funktioniert in allen großen Städten der Welt nach dem gleichen Muster, nur im Ruhrgebiet geht es leider so nicht.

Schon bei der Planung einer Ruhrgebietsreise stoßen erfahrene Städtetouristen an ihre Grenzen und auf ungeahnte Probleme. Die Tourismusseite des Ruhrgebiets (Mein Ruhrgebiet) gibt es nur auf Deutsch, die automatisierte Übersetzung funktioniert nicht vernünftig. So wurde bis zum Erscheinen dieses Beitrags “Komm zur Ruhr” im Englischen mit “Come to the dysentery” übersetzt (Arrival in the Ruhr area). Dysentery steht im Englischen allerdings nicht für den Fluss, sondern für die Durchfallerkrankung “Ruhr”, Das ist peinlich und unprofessionell. Eine eigene Seite auf Englisch, Französisch, Spanisch oder Chinesisch gibt es nicht. Fremdsprachige Touristen scheint das Ruhrgebiet nicht ernsthaft ansprechen zu wollen.

Üblicherweise besorgen sich Touristen in Metropolen einen Städte-Pass. Der gilt für einen, zwei oder noch mehr Tage. Man bezahlt den Pass und kann damit kostenfrei den Nahverkehr benutzen wie die wichtigsten Sehenswürdigkeiten besuchen. Ist in London, Paris, Berlin, Hamburg oder in München möglich, im Ruhrgebiet allerdings nicht. Für die Metropole Ruhr gibt es zwar die WelcomeCard doch damit erhält man nur an mageren 27 Sehenswürdigkeiten freien Eintritt. Deutsches Bergbaumuseum, Villa Hügel, Folkwang Museum, Deutsches Fußballmuseum und viele andere Sehenswürdigkeiten deckt die Karte nicht ab. Das Angebot ist schlecht und wird kaum wahrgenommen. Das erklärt auch die unprofessionelle Internetseite, über die die Karte angeboten wird (WelcomeCard).

Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs im Ruhrgebiet ist Touristen kaum zuzumuten

TopUp-Nahverkehrskarten wie Oyster, GoCard, Octopus oder Suica, deren Nutzung Städtetouristen aus den Metropolen der Welt gewohnt sind, gibt es im Ruhrgebiet ebenfalls nicht (VRR – Höchste Zeit für den E-Fahrschein). Politik und Nahverkehrsbetriebe des Ruhrgebiets setzen stoisch auf ein undurchsichtiges aus der Zeit gefallenes Tarifsystem, mit dem bewusst Kunden vom Fahren mit Bus und Bahn abgeschreckt werden (VRR: Fahrgäste gefangen im Tarifdschungel). Der schon für Bewohner*innen des Ruhrgebiets nicht nachvollziehbare Tarifdschungel, ist für Touristen schon gar nicht zu durchdringen. Folgerichtig spart sich Ruhr-Tourismus auf seiner Internet-Seite jeden Versuch das Nahverkehrssystem des Ruhrgebiets auch nur im Ansatz zu erklären.

Touristen, die trotz aller Widrigkeiten bereit sind das Abenteuer “ÖPNV im Ruhrgebiet” auf sich zu nehmen, stellen schnell fest, dass sie auf ihrer Städtetour durch die Metropole Ruhr endlos Zeit in Bussen und Bahnen verbringen, aber Ihnen kaum Zeit für die Besichtigung der Sehenswürdigkeiten bleibt.

Rundtour zu 11 Highlights des Ruhrgebiets

Dazu folgendes Beispiel: Auf einer Rundtour verbindet man die Besichtigung von 11 der beliebtesten Sehenswürdigkeiten des Ruhrgebiets (siehe Karte). Bei dieser Tour ist man mit Bus und Bahn, Wartezeiten an Haltestellen und Bahnhöfen nicht eingerechnet, 8,5 bis 10,5 Stunden unterwegs, mit dem Auto dagegen nur 3 Stunden und 17 Minuten. Mit dem ÖPNV beträgt die durchschnittliche Reisezeit 15 km/h, mit dem Auto 42 km/h. Dazu bergen Bus und Bahnen weitere Herausforderungen: Nur im Ausnahmefall bekommt man eine Verbindung, bei der man nicht mindestens einmal umsteigen muss. Häufig bestehen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten auch wochentags jede Stunde überhaupt nur zwei bis vier Nahverkehrsverbindungen. An Wochenenden, an denen Touristen bevorzugt unterwegs sind, sind es in der Regel noch weniger.

Fahrtzeiten zwischen Sehenswürdigkeiten

Bei Licht betrachtet ist eine Besichtigung der Sehenswürdigkeiten des Ruhrgebietes mit dem ÖPNV aufgrund des blamabel schlechten Nahverkehrsangebots unzumutbar bis unmöglich. Teilstrecken mit dem Rad oder mittels Car-Sharing zurückzulegen, stellt in der Regel keine mögliche Alternative dar, denn in den Städten des Ruhrgebiets gibt es weder flächendeckende Bike- noch Car-Sharing-Netze (In Bochum besteht bei Car- und Bike-Sharing immenser Nachholbedarf). Weil dem Ruhrgebiet darüber hinaus ein durchgehendes Netz sicherer Radwege fehlt, ist vom Radfahren ohnehin abzuraten und ist eine Radnutzung auch in dieser Hinsicht keine Option.

Realistisch ist eine Rundtour zu den Sehenswürdigkeiten des Reviers nur mit einem (Miet-)Auto möglich. Gehört sonst bei Städtereisen, das entspannte Reisen mit den Einheimischen in Bussen und Bahnen zum Stadterlebnis dazu, fehlt das im Ruhrgebiet. Dafür sieht der Tourist viele hässliche Autobahnen, sucht ständig nach Parkplätzen oder steht im Stau und verzweifelt am Ruhrgebietsverkehr.

Schlechter öffentlicher Nahverkehr kostet Ruhrgebiet Milliarden

Eine Städtereise ins Ruhrgebiet ist nur ein Erlebnis für Hartgesottene. Wer komfortabel und bequem Städte bereisen möchte, macht um das Ruhrgebiet einen großen Bogen. Wegen den ausbleibenden Touristen entgehen dem Ruhrgebiet Milliarden. Nach Berlin, Hamburg oder Köln, kommen pro Einwohner*in rund fünfmal mehr Touristen als ins Ruhrgebiet, nach Berlin sogar über achtmal so viele. 2,5 Milliarden Umsatz erwirtschaftete das Ruhrgebiet 2019 mit dem Tourismus (Bedeutung Tourismus im Ruhrgebiet). Es könnte ein Vielfaches sein. Der Tourismus könnte für das Ruhrgebiet längst ein wichtiger Wirtschaftsfaktor darstellen.

Wirtschaftsfaktor Tourismus im Ruhrgebiet

Bezogen auf Bochum beträgt die durch Tourismus erwirtschaftete Wertschöpfung rechnerisch derzeit rd. 106,9 Mio. Euro, das mit Touristen erzielte Steueraufkommen 20,5 Mio. Euro. Mit funktionierendem Nahverkehr und zeitgemäßem Tourismusangebot könnte es locker das Dreifache sein. Die Unwilligkeit und Unfähigkeit von Politik wie Verkehrsbetrieben im Ruhrgebiet einen metropolengerechten Nahverkehr zu schaffen, kostet die Stadt nur bezogen auf den Tourismus also jedes Jahr rund 40 Mio. Euro.

Das Potential des Tourismus im Ruhrgebiet ist riesig. Leichtfertig verschenken die Städte des Ruhrgebiets jedes Jahr Milliarden. Man ist bisher partout nicht bereit, die Bedingungen zu schaffen, die Städtetouristen aus anderen Großstädten und Metropolen gewohnt sind und somit ganz selbstverständlich auch in der Metropole Ruhr erwarten. Immer wieder schildern Politiker und Politikerinnen des Reviers die Chancen des Tourismus im Ruhrgebiet in den schillerndsten Farben. Um die Chancen zu nutzen, muss man allerdings auch Handeln und Willens sein die eklatanten Defizite zu beseitigen, schöne Reden allein bewirken nichts.

26 Jun

Planungsfehler bei Wohnquartier Günnigfeld macht wichtige ÖPNV-Verbindung unmöglich

Auf dem Papier verfolgt die Stadt Bochum das Ziel der Mobilitätswende und will den ÖPNV ausbauen, um mehr Menschen zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen. In der Realität sieht das allerdings anders aus: Nach den aktuellen Planungen zum Wohnquartier Günnigfeld soll die Bahntrasse, über die eine Bahnanbindung von Leithe, Günnigfeld, Südfeldmark und dem Lohrheidestadion nach Essen und Bochum erfolgen könnte, zugebaut werden.

Rund 150 Wohneinheiten im frei finanzierten sowie öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau sollen zwischen Steinhausstraße und Günnigfelder Straße – direkt am geplanten Radschnellweg RS1 – in einem gemischten Wohnquartier entstehen (Neues Wohnquartier in Wattenscheid-Günnigfeld). Diese zusätzlichen Wohnungen benötigt die Stadt dringend, doch sollte die Bebauung keine wichtige Bahnverbindung verhindern.

Jedoch machen die aktuellen Planungen des Wohnquartiers eine leistungsfähige Bahnanbindung von Leithe, Günnigfeld, Südfeldmark sowie des Lohrheidestadions an das Bahnnetz des Ruhrgebiet-Nahverkehrs unmöglich. Einige Häuser sollen genau dort gebaut werden, wo die erforderliche Bahntrasse lang führen müsste.

RegioTram von Essen über Leithe, Günnigfeld und Südfeldmark nach Bochum

Um die nördlichen Stadtteile von Wattenscheid besser an das öffentliche Schnellverkehrsnetz des Ruhrgebiets anzuschließen, sollte die ehemalige Güterbahnstrecke, die früher im Norden des Stadtteils verlief, nicht nur für den Radschnellweg (RS1), sondern ebenso für eine Bahnverbindung zwischen Essen und Bochum genutzt werden. Die Linie könnte vom Essener Campus der Universität Essen-Duisburg über Essen-Kray. Leithe, Lohrheidestadion, Günnigfeld und Südfeldmark, Jahrhunderthalle/Westpark, Bochum West bis zum Bochumer Hauptbahnhof führen.

Linie RegioTram

Die STADTGESTALTER haben zum Betrieb der Strecke bereits 2020 den Einsatz einer so genannten RegioTram vorgeschlagen (Bahnanbindung für Leithe und Günnigfeld), eine Straßenbahn, die auch auf Gleisen des DB-Netzes fahren kann. So kann die RegioTram im Bereich Essen-Kray die bestehenden Bahngleise nutzen, auf der auch die S-Bahn-Linie S2 fährt und in Bochum die Gleise, die aktuell die Glückauf-Bahn (RB46) nutzt, während die in den Bereichen des ehemaligen Güterbahnhofs Gelsenkirchen-Wattenscheid und Günnigfeld neu geplanten Wohngebiete als Straßenbahn durchfahren werden können.

Die vorgeschlagene Regiotram-Trasse würde parallel zum neuen Radschnellweg RS1 verlaufen. In Teilbereichen sollte die Bahn zweigleisig fahren, in anderen Bereichen ist ein eingleisiger Ausbau ausreichend. Bei zweigleisigem Ausbau würde für die RegioTram eine Trassenbreite von mindestens 6,60 Meter benötigt, plus einem Sicherheitstrennstreifen zum RS1. Dieser Platz wird im aktuellen Rahmenplan für das neue Wohnquartier Günnigfeld jedoch nicht für die Bahn freigehalten. Werden die Häuser gebaut, wie im Rahmenplan bisher vorgesehen, verhindert das den Bau der Regiotram-Linie endgültig. Die Chance, Leithe, Günnigfeld, Südfeldmark und das Lohrheidestadion an das Bahnnetz des Ruhrgebiets anzuschließen, würde leichtfertig vertan.

Querschnitt RegioTram, Radschnellweg (RS1), Gehweg

Dabei könnte durch eine leicht veränderte Bebauung, der für die Linie erforderliche Platz im geplanten Wohnquartier freigehalten werden, wie zwei alternative Planungsvorschläge der STADTGESTALTER zeigen:

Planungsvarianten mit RegioTram

Politik sollte nicht nur von Mobilitätswende reden, sondern auch entsprechend entscheiden

Trotzdem die STADTGESTALTER in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen haben, dass die Planungen der Wohnquartiere Freiräume für die wichtige Bahntrasse vorsehen sollten, haben Bochumer Bauverwaltung wie Stadtpolitik diese Hinweise bisher konsequent ignoriert. Pikant dabei, dass auch die Gelsenkirchener Grünen sich immer wieder für die vorgeschlagene RegioTram-Linie ausgesprochen haben, während ein solcher Ausbau des ÖPNV-Netzes im Wattenscheider Norden von den Bochumer und Wattenscheider Grünen durchgehend abgelehnt wird. Auch hier zeigt sich, die Mobilitätswende ist bei den Grünen in Bochum kein echtes Thema. Bisher lehnt man es ab Lösungen zu prüfen, wie die Stadt es den Menschen, die im Norden von Wattenscheider wohnen, ermöglichen kann auf den ÖPNV umzusteigen oder wie man es der Mehrzahl der maximal 17.000 Besucher*innen des bald für 48 Mio. Euro umgebauten Lorheidestadions schmackhaft machen kann, zu den geplanten Events mit dem öffentlichen Nahverkehr anzureisen statt mit dem Auto.

Auch am City-Tor Süd wird eine zukünftig wichtige Gleisverbindung zugebaut

Wer immer wieder von Mobilitätswende redet, dann aber zulässt, dass Trassen möglicher neuer ÖPNV-Verbindungen zugebaut werden, handelt kurzsichtig und wenig glaubwürdig. Leider ist der dargestellte Fall nicht der erste dieser Art. Auch am City-Tor Süd hat der Bochumer Stadtrat einen Bebauungsplan beschlossen, mit dem eine Reaktivierung der alten Gleisverbindung von der Hauptstrecke Duisburg – Essen – Bochum – Dortmund auf die Trasse der Glückauf-Bahn Richtung Recklinghausen für immer unmöglich wird. Trotzdem bekannt ist, dass die entsprechende Verbindung besonders für den Güterverkehr zukünftig noch wichtig werden wird, lehnte der Stadtrat die von den STADTGESTALTERn beantragte Revision des Bebauungsplans ab (Antrag 20220431). Immer wieder fällt die Rot-Grüne Ratsmehrheit durch Beschlüsse auf, die eine Mobilitätswende nicht fördern, sondern sogar verhindern.

Noch kann die Politik den Planungsfehler beheben

Aber noch ist es beim Wohnquartier Günnigfeld nicht zu spät den dargestellten Planungsfehler zu beheben. Die Bebauung so umzuplanen, dass sie die mögliche RegioTram-Linie nicht verhindert, ist nicht schwierig. Ist der entsprechende politische Wille vorhanden, kann die erforderliche Freifläche im Bebauungsplan, der jetzt im nächsten Schritt von der Stadt aufgestellt wird, vorgesehen werden. Man wird sehen, ob die Politik dazu bereit ist. In Günnigfeld wird sich ein weiteres Mal zeigen, wie wichtig der Stadtpolitik die Mobilitätswende wirklich ist.

08 Apr

Betrieb Seilbahn vom Ruhr Park zur Bochumer City mit Gewinn möglich

Eine aktuelle Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass sich eine Seilbahnlinie zwischen  Ruhr Park und Innenstadt bereits nach 5 bis 12 Jahren refinanziert und mit Gewinn betreiben lässt. Die STADTGESTALTER haben anhand der Nutzen-Kosten-Analyse zu der in Bonn geplanten Seilbahn Fahrgastnachfrage, Fahrpreiserlöse und Kosten auf die Bochumer Strecke hochgerechnet.

Eine Seilbahnverbindung vom Ruhr Park zur Innenstadt wäre ein Gewinn für beide Einkaufszentren (Seilbahnlinie City – Ruhr Park: Die Rettung der Innenstadt ist der Ruhr Park). Neue Attraktionen wie die Seilbahn brächten neue Kunden in die City. Der Besuch von Ruhr Park und City, verbunden mit einer Seilbahnfahrt über die Dächer der Stadt, würde viele Menschen nach Bochum locken.

Jedoch stellt sich die Frage, wie viel kostet eine solche Seilbahnlinie, wie kann diese finanziert werden und kann sie dauerhaft mit wirtschaftlichem Erfolg betrieben werden? Genau diese Frage haben die STADTGESTALTER jetzt näher untersucht und dabei wichtige Daten der Nutzen-Kosten-Analyse für die in Bonn geplante Seilbahn (Seilbahn Bonn – Bericht zur Standardisierten Bewertung) zugrunde gelegt. Die Analyse für die Seilbahnlinie auf den Venusberg wurde im Januar 2022 veröffentlicht.

Welches Seilbahnsystem sollte in Bochum eingesetzt werden?

Grundsätzlich stehen aus technischer Sicht drei verschiedene Seilbahnsystem zur Verfügung, mit denen auch die Strecke Ruhr Park – Innenstadt/Hbf realisiert werden könnte. Die Systeme unterscheiden sich in der Zahl der eingesetzten Seile: Bei Einseilsystemen (1S) hängen die Kabinen an einem einzigen Trag- und Zugseil, das auch die Kabinen von Station zu Station zieht. Bei Zweiseilsystemen (2S) dient ein Tragseil quasi als Gleis auf dem die Kabinen rollen, das zweite Seil ist das Antriebs- und Zugseil. Dreiseilsysteme (3S) bestehen aus zwei Tragseilen, hinzu kommt wiederum das Zugseil.

Dreiseilumlaufbahnen sind schneller, energetisch effizienter und die Kabinen größer. Allerdings sind die Baukosten sind aufgrund der technischen Komplexität höher als bei den anderen Systemen. Einseilumlaufbahnen sind wiederum teurer im Betrieb, dafür bei den Investitionskosten deutlich günstigster, können jedoch nicht so viele Personen befördern wie die beiden anderen Systeme. Mit Einseilsystemen werden in der Regel 10 Personen pro Kabine befördert, mit Dreiseilsystem 35 Personen. Zweiseilumlaufbahnen liegen bei allen Kriterien zwischen den beiden anderen Systemen.

Vergleich Seilbahnsysteme Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

Streckenführung vom Ruhr Park über Altenbochum in die Innenstadt

Für die Seilbahnlinie zwischen Innenstadt/Hbf und Ruhr Park schlagen die STADTGESTALTER eine Streckenführung vom Beginn des Bongard-Boulevards am Hauptbahnhof über einen Halt in Altenbochum am Haupteingang des Hauptfriedhofs bis zum Ruhr Park vor. Diese Linienführung hat den großen Vorteil, dass keine Wohngebiete überfahren werden müssen. Bei entsprechender Streckenführung werden lediglich zwei Wohnhäuser überquert.

Systemdaten Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

Nach Vorstellung der STADTGESTALTER sollte die Linie ebenso wie die in Bonn geplante aus zwei technischen Anlagen mit zwei eigenen Antriebsaggregaten bestehen, so dass beide Teile auch getrennt betrieben werden können. Die erste Seilbahnsektion Innenstadt/Hbf bis Altenbochum wäre dann knapp zwei Kilometer lang, die zweite Sektion zum Ruhr Park rund drei Kilometer. Somit würde die Gesamtlänge würde fünf Kilometer betragen. Mit einer Dreiseilumlaufbahn könnten die Fahrgäste die Strecke vom Ruhr-Park in 9 bis 12 Minuten zurücklegen, mit einer Einseilumlaufbahn würde die Fahrt um die 15 Minuten dauern, mit einer Zweiseilumlaufbahn um die 13 Minuten.

Seilbahnfahrt Ruh Park – Innenstadt

Zwischenhalt Altenbochum

Als Zwischenhalt für die Seilbahnlinie bietet sich Altenbochum an. Im Bereich vor dem Haupteingang des Hauptfriedhofs entlang der Immanuel-Kant-Straße gibt es einige Möglichkeiten und ausreichend Fläche die Seilbahnstation so zu platzieren, dass das Bild des Bauensembles am Hauptfriedhofs nicht beeinträchtigt wird.

Der Stadtteil Altenbochum (18.536 Einwohner*innen) verfügt mit 3.865 Menschen pro Quadratkilometer über eine für Bochum vergleichsweise hohe Bevölkerungsdichte. Im Einzugsbereich des Seilbahnhalts würden entsprechend viele Menschen wohnen. Der Halt läge am Hauptfriedhof (64.000 Grabstellen), in direkter Nähe zur Evangelischen Hochschule (rd. 3000 Studierende und Beschäftigte), der Unternehmenszentral der städtischen Wohnungsbaugesellschaft VBW sowie zum neuen Wohnviertel Ostpark, dem bisher eine leistungsfähiger Nahverkehrsanbindung fehlt, obwohl hier in den nächsten Jahren 1.000 neue Wohnungen entstehen sollen ()

Seilbahnhalt Altenbochum

Auch für eine spätere Fortführung der Seilbahn Richtung Mark 51°7 und Ruhr-Universität wäre die Seilbahnstation in Altenbochum optimal gelegen (Seilbahn – Rückgrat der Bochumer Universitäts- und Hochschullandschaft).

Kalkulation der Fahrgastnachfrage

Die Teilung der Linie in zwei technisch eigenständige Seilbahnanlagen macht es möglich, beide Sektionen unabhängig voneinander laufen zu lassen. Da der Ruhr-Park Montag bis Samstag von 10 Uhr bis 20 Uhr geöffnet ist, lohnt es sich nicht, das Einkaufszentrum vor 9 Uhr anzufahren. Für den morgendlichen Pendelverkehr wäre es allerdings sinnvoll zwischen 6 und 9 Uhr die Sektion Innenstadt/Hbf – Altenbochum im Nebenverkehrstakt zu betreiben. In den Nebenverkehrszeiten werktags von 21 bis 0 Uhr und sonntags von 9 bis 24 Uhr sollte dagegen die ganze Seilbahn über beide Sektionen betrieben werden. Zu den Nebenverkehrszeiten wäre in den Stationen die Einfahrt einer Kabine aller 2 Minuten sinnvoll, in den Hauptverkehrszeiten ein Takt von 20 bis 24 Sekunden.

Fahrgastnachfrage und Betriebszeiten

Auf Basis dieser Betriebszeiten ergibt sich für die Seilbahnlinie ein Fahrgastpotential von 16.400 Menschen pro Tag. Dabei kann von folgender Beförderungsnachfrage ausgegangen werden: Konservativ kalkuliert kann angenommen werden, dass 15% der jährlich 12 Millionen Ruhr-Park-Besucher*innen und 20% der rund 2.800 dort Beschäftigten zukünftig die Seilbahn zur Anreise nutzen. Weiterhin ist mit 500.000 Menschen im Jahr zu rechnen, die nach Bochum kommen, um in ihrer Freizeit eine Seilbahnfahrt zu erleben. Schließlich können 1.500 Menschen pro Tag einkalkuliert werden, die die Seilbahn als Teil einer Fahrt mit dem ÖPNV durch das VRR-Gebiet nutzen sowie mit täglich 3.000 Menschen, die von oder ab Altenbochum die Seilbahn nutzen.

Die STADTGESTALTER schlagen vor, dem Ruhr Park ein Fahrkartenkontingent von im Jahr 250.000 bis 375.000 Hin- und Rückfahrtickets zu überlassen. Diese Fahrkarten können die Geschäfte des Ruhr-Parks dann kostenfrei an ihre Kunden weitergeben, unter anderem als Werbegeschenke oder Treuebonus für Einkäufe. Im Gegenzug beteiligt sich der Ruhr Park mit einem pauschalen jährlichen Zuschuss am Betrieb der Seilbahn. Dieser Vorschlag ist mit zwei Vorteilen verbunden, er beteiligt zum einen den Ruhr Park an den Betriebskosten der Seilbahn und trägt zur Kostendeckung bei. Zum anderen regt er die Kunden des Ruhr Parks an, mit der Seilbahn in die Innenstadt zu fahren und diese zu beleben.

Kosten und Fahrpreiserlöse

Legt man die Kostenkalkulation zu den Baukosten der Seilbahn in Bonn zugrunde, lassen sich für die Seilbahnlinie Ruhr Park – Innenstadt/Hbf bei Verwendung einer Einseilumlaufbahn Baukosten von rund 60 Mio. Euro berechnen (Preisbasis 2019). Für die Strecke auf den Venusberg in Bonn werden 66 Mio. Euro veranschlagt (Seilbahn Bonn – Bericht zur Standardisierten Bewertung). Da die in Bonn geplante Seilbahn rund 700 Meter kürzer ist als die in Bochum, sie dafür aber zwei kostenintensive Zwischenstationen mehr aufweist, ergibt sich für die Seilbahn in Bochum ein um 6 Mio. verminderter Kostenansatz.

Für den Bau einer Zwei- bzw. Dreiseilumlaufbahn wäre aufgrund der höheren technischen Komplexität mit Baukosten von rund 80 Mio. bzw.100 Mio. Euro zu rechnen. Auf Basis der aktuell geltenden Förderrichtlinien ist davon auszugehen, dass wie in Bonn auch in Bochum 95% der Infrastrukturkosten für den Fahrweg und 10% der Planungskosten von Bund und Land übernommen werden. Für die Stadt oder ein privates Verkehrsunternehmen, das die Linie baut, ergäbe sich damit ein selbst zu finanzierender Eigenanteil an den Baukosten von 9,75 bis 16,25 Mio., je nachdem welches Seilbahnsystem eingesetzt wird.

Finanzierungsmodell Seilbahn Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

Für Kapitaldienst (Abschreibung und Zinsen), Unterhaltung (Wartung, Reparaturen, Prüfungen, Unterhaltung Fahrweg) sowie den Seilbahnbetrieb (Personal und Energie) ist pro Jahr abhängig vom eingesetzten Seilbahnsystem mit 4,2 bis 5 Mio. Euro Kosten zu rechnen. Diesen Kosten stehen Erlöse aus Fahrkartenverkäufen, dem Zuschuss des Ruhr Parks, sowie Einnahmen aus Werbung und Sonderfahrten von 6 bis 6,4 Mio. Euro gegenüber, so dass mit der Seilbahn ein Einnahmenüberschuss von 1,9 bis 1,4 Mio. Euro im Jahr erwirtschaftet werden kann. Rechnet man diesen Überschuss den für den Seilbahnbau zu investierenden Eigenanteil entgegen, lässt sich der Eigenanteil in 5 bis 12 Jahren refinanzieren.

Anzumerken ist, dass bei der Kalkulation der Fahrtkostenerlöse ein erhöhter Kostensatz von 1,25 Euro pro Fahrt zugrunde gelegt wurde, da anzunehmen ist, dass auf der Seilbahnstrecke überdurchschnittlich häufig Tickets für Gelegenheitsfahrer*innen benutzt werden und erheblich seltener Abo-Tickets, Semester- oder Schokotickets als im VRR-Gebiet sonst. Entsprechend höher werden die durchschnittlichen Erlöse pro Fahrt für das Unternehmen, sein, das die Seilbahn betreibt.

Bei den Betriebskosten ist eine weitere Senkung möglich, sofern ein Großteil des zum Betrieb der Seilbahnanlagen benötigten Stroms mit einer Solaranlage gewonnen wird. Eine direkte Erzeugung des für die Seilbahn benötigten Stroms wäre über ein Solarfeld auf der ehemaligen Müllhalde Kornharpen möglich, die von der Seilbahn überfahren wird und die nur 1.500 Meter von der Zwischenstation Altenbochum entfernt liegt, die voraussichtlich die Antriebsaggregate für beide Seilbahnsektionen aufnehmen würde.

Betriebskosten Seilbahn Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

10 gute Gründe für die Seilbahn zwischen Ruhr Park und Innenstadt

Die Untersuchung der STADTGESTALTER zeigt, die Seilbahn bedeutet nicht nur einen Gewinn für die Innenstadt, den Ruhr Park, den städtischen Nahverkehr und das Image der Stadt und würde einen Beitrag zu weniger Verkehr auf den Straßen sowie für mehr Umwelt- und Klimaschutz leisten, sie könnte darüber hinaus auch mit Gewinn betreiben werden. Nach den vorliegenden Berechnungen ist davon auszugehen, dass sie in jedem Jahr 1,4 bis 1,9 Mio. Euro in die Kassen des Verkehrsunternehmens spült, das die Seilbahn betreibt.

Zu dem dargestellten ökonomischen Erfolg der Seilbahnlinie kommen weitere betriebs- und volkswirtschaftliche Nutzeneffekte, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht berechnet wurden. Dazu zählen insbesondere:

  • Positive Kosteneffekte im ÖPNV-Netz durch Einsparung von redundanten (Bus-)Linien
  • Positive Erlöseffekte bezogen auf das gesamte ÖPNV-Netz
  • Positive Umwelteffekte aufgrund eingesparter Autokilometer
  • Eingesparte Unfallfolgekosten aufgrund eingesparter Autokilometer
  • Positive ökonomische Effekte durch die Verminderung von Reisezeiten

Im Grunde spricht somit alles dafür, das Bochum sich für den Bau einer Seilbahn zwischen Ruhr Park und Innenstadt entscheiden sollte. Eigentlich müsste die BOGESTRA ebenso wie die Stadt, an der Ausweitung des städtischen Nahverkehrsnetzes, zusätzlichen Kunden und Erlösen sowie an einer zusätzlichen Attraktion für die Innenstadt interessiert sein. Sofern das nicht der Fall ist, besteht die Option, dass sich Kaufleute und Gastronomen der Innenstadt, der Ruhr Park und ein Seilbahnhersteller mit dem Ziel zusammentun, ein privates Verkehrsunternehmen zu gründen, das die Seilbahn baut und betreibt. Dann allerdings würde der Gewinn aus dem Seilbahnbetrieb nicht dem städtischen Nahverkehr zu Gute kommen, sondern in die Kassen von privatem Unternehmen fließen. Für BOGESTRA und Stadt wäre das nur die zweitbeste Lösung.

13 Mrz

Einseitige Verkehrspolitik kommt Menschen in Bochum und dem Ruhrgebiet teuer zu stehen

Die hohen Spritpreise treffen die Menschen im Ruhrgebiet besonders hart. denn in Bochum und dem Revier nehmen die Menschen deutlich häufiger das Auto als sonst in deutschen Großstädten. Ein Umstieg auf Bus und Bahn oder das Rad kommt oft nicht in Frage, der öffentliche Nahverkehr und das Radwegenetz sind im Ruhrgebiet einfach zu schlecht. Für die einseitige Autoverkehrspolitik der letzten Jahrzehnte bezahlen die Menschen jetzt einen hohen Preis.

In Bochum nehmen die Menschen doppelt bis anderthalbmal so häufig das Auto wie in modernen, in Sachen Mobilität fortschrittlichen deutschen Großstädten. Für Benzin und Diesel geben sie entsprechend mehr Geld aus. Die aktuellen Preissteigerungen bei den Kraftstoffen schlagen somit deutlich härter auf die Geldbeutel der Menschen durch, die in Bochum zu Hause sind, als bei denen, die in Frankfurt, Freiburg, Münster oder Düsseldorf wohnen.

Vergleich Modal Split deutscher Großstädte

Attraktive Alternativen zum Auto fehlen in Bochum wie im Ruhrgebiet

Und noch ein weiterer Nachteil trifft die Einwohnerinnen und Einwohner des Ruhrgebiets, während die Menschen in anderen Städten oft die Möglichkeit haben vom Auto auf Bus- und Bahn oder das Rad umzusteigen, um Geld für Benzin und Diesel zu sparen, besteht die Möglichkeit für Menschen in Bochum und dem Ruhrgebiet oft nicht, denn es gibt weder einen leistungsfähigen Nahverkehr noch ein stadtweites Netz guter und sicherer Radwege.

Verkehrspolitik hieß in Bochum und dem Ruhrgebiet in den letzten Jahrzehnten immer primär den Autoverkehr durch den Ausbau von Straßen und Parkmöglichkeiten noch attraktiver zu machen. Daran hat sich bis heute nicht viel verändert. Nennenswerte Ausbaupläne für den ÖPNV gibt es in Bochum trotz ausgerufenem Klimanotstands nicht. SPD und Grüne lehnen faktisch jede systematische Ausweitung des ÖPNV-Netzes ab (zuletzt im Dezember 2021; Vorgang 20213912). Seit den 60er Jahren ist das Straßen- und Stadtbahnnetz der Stadt geschrumpft statt gewachsen (Über 65 Jahre Rückbau und Stillstand beim Nahverkehrsnetz).

Auch beim Radverkehr stehen Rot und Grün auf der Bremse. Nicht mal die im Radverkehrskonzept 1999 festgeschriebenen Dringlichkeitsmaßnahmen wurden bis heute alle umgesetzt (Trauriges Jubiläum – 20 Jahre Radkonzept, kaum Zählbares passiert). Den Beschluss ein zeitgemäßes Radverkehrskonzept aufzustellen, hat die Verwaltung mit Billigung von SPD und Grünen über Jahre verschleppt (Stadt und Politik blockieren Radwegeausbau). Bis heute liegt das neue Konzept nicht zum Beschluss vor. Bei der Planung des Radschnellwegs RS1 setzte die Verwaltung entgegen der Empfehlungen des Gutachterbüros die unattraktive, von der Innenstadt abgewandte, langsame Streckenführung durch, weil die schnellen, attraktiven Streckenvarianten ggf. eine Einschränkung des Autoverkehrs bedeutet hätten (Große Radschnellweg-Trassensuche nur Show). Radverkehr darf in Bochum nur da stattfinden, wo er den Autoverkehr nicht stört. Was an Radverkehrsmaßnahmen von der Stadt geplant wird, wird mit betonter Langsamkeit umgesetzt. Bei diesem Tempo wird Bochum auch in 20 Jahren über kein flächendeckendes Netz guter und sicherer Radwege verfügen.

Menschen wurden in Bochum vom Auto abhängig gemacht

Beklagen sich Menschen in Bochum über das unzureichende Nahverkehrs- oder Radwegenetz, wird ihnen gesagt “Nimm doch das Auto.” In der Folge funktioniert das tägliche Leben vieler Bochumer Haushalte nicht mehr ohne Auto. Die Kinder werden mit dem Auto zu Schule und KiTa gebracht. Zum Wocheneinkauf wird mit dem Auto gefahren. Die Arbeitsstelle kann in angemessener Zeit nur mit dem Auto erreicht werden. Auch  zu Freizeitorten kommt man oft nur gut mit dem PKW. So fehlt nicht nur dem Kemnader See eine gute ÖPNV-Anbindung.

Für viele ist es selbstverständlich geworden, dass Arbeitsstelle, Schule, KiTa, Sportverein oder der Discounter, bei dem eingekauft wird. so weit weg vom Wohnort liegen, dass sich diese nur noch gut mit dem Auto erreichen lassen. In Sachen Mobilität moderne Städte versuchen den Menschen die Dinge des täglichen Bedarfs in der nahen Umgebung anzubieten, damit sich diese zu Fuß oder mit dem Rad erledigen lassen, in Bochum zeigt sich die Politik an solchen Zielen desinteressiert. Entsprechende Konzepte wie die 15-Minuten Stadt werden abgelehnt (Bochum wird zur 15-Minuten-Stadt, Vorlage 20210191).

Während in Freiburg bereits heute für 36% der Wege zur Arbeit das Rad genommen wird und 44% der Einkaufswege zu Fuß erledigt werden (Städte in Bewegung), nimmt man in Bochum bevorzugt das Auto, dabei zeigte die Befragung bei der Bürgerkonferenz 2019, dass auch in Bochum viele Menschen viel lieber mit dem ÖPNV (34%) und dem Rad (17%) zur Arbeit fahren würden und zum Einkaufen statt dem Auto das Rad nehmen (31%) oder zu Fuß gehen (28%) würden (Ergebnisse der Bürgerkonferenz 2019 – Befragung zur Mobilität der Zukunft)

Nur schöne Worte statt Taten bei Mobilitätswende und Klimaschutz

Die schönen Worte von Rot-Grün in Wahlkampfzeiten zu Mobilitätswende und Klimaschutz sind nichts mehr als Lippenbekenntnisse. Real ist keine Bereitschaft zu erkennen die antiquierte Autovorrangpolitik ernsthaft in Frage zu stellen. Wollen die Menschen in Bochum sicher und in angemessener Zeit von A nach B kommen, dann müssen sie in den meisten Fällen das Auto nehmen. Indirekt sind die meisten Bochumer Haushalte damit gezwungen mindestens ein Auto zu besitzen. Ohne eigenes Fahrzeug wäre es vielen nicht möglich schnell und komfortabel zu den Zielen zu kommen, die sie täglich erreichen müssen.

Haushalte zahlen 56 bis 84 Euro jeden Monat mehr für Sprit

Werden in einem Bochumer Haushalt pro Woche 200-300 km mit dem Auto gefahren, dann ergeben sich angesichts einer Preissteigerung von über einem Euro pro Liter bei Diesel und einem Verbrauch von 7 Litern pro 100 km Stand heute Mehrkosten von 56 bis 84 Euro pro Monat gegenüber dem letzten Jahr.

Die Entscheidung, die Verkehrspolitik einer Stadt einseitig auf das Auto auszurichten und die mangelnde Bereitschaft das konsequent und möglichst schnell zu ändern, haben für die Menschen, die in Bochum leben, gravierende finanzielle Folgen. Zählte Bochum und das Ruhrgebiet bisher in der Lebenshaltung deutschlandweit zu den günstigen Städten, ist dieser Standortvorteil jetzt kaum mehr vorhanden. Die überdurchschnittlich hohen Mobilitätskosten im Ruhrgebiet, machen das Leben im Ruhrgebiet plötzlich deutlich teurer und unattraktiver.

Entgegen der Erfahrungen aus der Ölkrise in den 70er-Jahren, den Folgen knapper werdender Ressourcen, den Notwendigkeiten des Klimaschutzes und allen Warnungen von Volkswirten hinsichtlich den Gefahren von hoher Abhängigkeit von Rohstofflieferungen aus autokratisch bis diktatorisch regierten Staaten, glaubte die Politik im Ruhrgebiet an ewig niedrige Benzin- und Dieselpreise. Der Preis für diese politische Fehleinschätzung ist hoch, ihn müssen jetzt die Bewohner*innen des Ruhrgebiets teuer bezahlen, besondere jene, die zu den finanzschwächeren Bevölkerungsgruppen zählen und das sind im armutsgeplagten Ruhrgebiet überdurchschnittlich viele.

Umdenken bei SPD nicht in Sicht

Wer angesichts dieser Umstände mit einem Umdenken in der Stadtpolitik rechnet, liegt falsch. Es gibt keine Anzeichen, dass Rot-Grün angesichts der sich verschärfenden Situation
ernsthafte Schritte in Richtung Mobilitätswende unternehmen wird. Der Wirtschaftsplan des städtischen Nahverkehrsunternehmens BOGESTRA sieht keine Investitionen in den Ausbau des Bochumer Nahverkehrsnetzes vor. Beim Radverkehr ist die Bochumer SPD nicht mal bereit den moderaten Forderungen des Bochumer Radentscheids nachzugeben, die für jedes Jahr 20 km zusätzliche Radwege, davon 8 km an Hauptverkehrsstraßen vorsehen (Kein Kompromiss mit der SPD). Das ist besonders angesichts dessen, dass die Stadt sich schon bei der Umsetzung der Maßnahmen aus dem noch gültigen Radverkehrskonzept 1999 zehn bis fünfzehn Jahre im Zeitverzug befindet, unverständlich. Doch das Ziel, das Versäumte aufzuholen, wird offensichtlich nicht verfolgt. Die Grünen nehmen die Blockadehaltung ihres Koalitionspartners bei der Mobilitätswende gewohnt klaglos hin. Wie immer fügt man sich. In Bochum wird im Verkehr seit jeher nur das gemacht, was die SPD will.

Eskaliert der Ukraine-Krieg weiter und stoppen Europa wie Deutschland die Rohstoffexporte aus Russland, von wo das Land 55 Prozent aller Gaslieferungen bezieht, die Hälfte der Kohle und 35 Prozent des Rohöls, werden die Energie-und Kraftstoffpreise weitere Höchststände erreichen. Dann werden immer mehr Menschen gezwungen sein ihr Auto stehen zu lassen und stattdessen den ÖPNV oder das Rad zu nutzen. Dem wird weder Bochum noch sonst eine Stadt im Ruhrgebiet gewachsen sein. In der Folge werden bei zunehmender Zahl von Radfahrenden mangels sicherer Radwege zwangsläufig die Unfallzahlen mit Fahrradbeteiligung steigen. Dann wird die Unwilligkeit von SPD und Grünen alles für eine schnelle wie konsequente Mobilitätswende zu tun für die Menschen nicht nur teuer, sondern für einige auch schmerzhaft.

12 Dez

Wird der 5-Minuten-Takt zwischen Duisburg und Dortmund je Wirklichkeit?

Bus- und Bahnverkehr im Ruhrgebiet erfüllen nicht im Ansatz die Anforderungen, die eine Metropole an den Nahverkehr stellt. Das Netz ist lückenhaft, die Infrastruktur häufig marode, auf die Pünktlichkeit von Bussen und Bahnen kann man sich nicht verlassen. Bochum ist leider keine Ausnahme. Was muss sich ändern?

Das Nahverkehrsangebot in Bochum wird auch in der neusten Studie der Agora Verkehrswende als ungenügend bewertet (ÖV-Atlas Deutschland). Auch in der Stadt im Herzen des Reviers sind die Lücken im Nahverkehrsnetz groß, halbwegs dichte Taktungen gibt es nur auf den wenigen Hauptverkehrslinien.

Ohne dicht getaktete Hautschlagader kein metropolengerechter Nahverkehr

Doch was würde ein flächendeckendes, dicht getaktetes städtisches Nahverkehrsnetz in Bochum bringen, wenn es schon an einer dicht getakteten Hauptverkehrslinie Duisburg – Mülheim – Essen – Bochum – Dortmund fehlt und sie auch für die Zukunft weder geplant schon nicht in Sicht ist. Bisher gibt es nicht mehr als eine „Vision“. Die besteht bisher darin, irgendwann, vielleicht bis 2030, mit dem RRX einen 15 Minuten-Taxt zwischen Köln und Dortmund zu realisieren. Denn selbst das gibt es heute nicht. ÖPNV-Kunden auf der Ruhrlinie zwischen Duisburg und Dortmund sind schon froh, wenn sie mal nicht 30 Minuten auf die nächste Bahn warten müssen.

Die Vision „15-Minuten-Takt“ ist unambitioniert, unzeitgemäß und zementiert die Rückständigkeit des Ruhrgebiets in Sachen Nahverkehr. Dabei will das Ruhrgebiet doch eigentlich so gerne Metropole sein, ist aber weder willens noch in der Lage die grundsätzlichen Anforderungen für ein metroplengerechtes Nahverkehrsnetz zu erfüllen. Erfolgreiche Millionen-Metropole, in denen die Hauptschlagadern des ÖPNV nicht mindestens im 5-Minuten-Takt fahren, gibt es sonst in Europa und der Welt nicht. Wie sollen die Nahverkehrsnetze der Städte an der Hauptlinie funktionieren und mit Kunden versorgt werden, wenn man zwischen den Zentren der Metropole mehr schlecht als Recht hin und her kommt?

Verlässlich- und Pünktlichkeit sind im Ruhrgebiet ungenügend

Zu allem Überfluss ist nicht nur die ÖPNV-Taktung zwischen den Städten des Ruhrgebietes schlecht, es fehlt zudem an Verlässlichkeit und Pünktlichkeit. Ständige Störungen führen ständig zu Verspätungen, Zugausfällen und entnervten Kunden. Die Verantwortlichen haben die Kontrolle über den Bahnverkehr verloren. Das Ruhrgebiet ist nicht mehr in der Lage einen verlässlichen Schienenpersonennahverkehr anzubieten.

Die Netzinfrastruktur ist marode und überaltert, die Strecken sind überbelegt und die Zuständigen mit dem Betrieb überfordert. Ständig wiederkehrende Stellwerkschäden, eine verschlafene Digitalisierung bei der Steuerungstechnik, sowie übermäßig verknüpfte Fahrpläne ohne Reserven, bei denen selbst kleinste Störungen bereits das ganze Netz im Nah- und Fernverkehr in wesentlichen Teilen zum Absturz bringen, belegen immer wieder die gravierenden Unzulänglichkeiten des Bahnsystems im Ruhrgebiet.

Bei den meisten Linien wird im Schienennahverkehr des Ruhrgebiets mit Mühe und Not nur ein Pünktlichkeitsquote von 70 bis 80% erreicht. Gute Nahverkehrsnetze streben Quoten von 95% und mehr bei deutlich dichterer Taktung an. Die Verantwortlichen bekommen die Probleme seit Jahren nicht in den Griff. in letzter Zeit wird es eher schlechter. Der aktuelle Zustand ist unerträglich, auch ist keine nennenswerte Besserung in Sicht. Das aktuelle Betriebskonzept ist weder erfolgreich noch funktioniert es, die Zuständigen sind den Aufgaben nicht gewachsen.

Eine grundlegende Neuorientierung ist erforderlich

Diese Erkenntnis ist bitter, aber es wird Zeit, dass sich die Verantwortlichen, insbesondere jene aus der Politik eingestehen, dass das Konzept, wie Nah- bzw. Bahnverkehr heute im Ruhrgebiet betrieben wird, krachend gescheitert ist. Ein grundlegender Neuanfang ist erforderlich, die bisherige Strategie ist offensichtlich ungeeignet, die bestehenden Problem in den Griff zu bekommen.

Für einen Neuanfang gilt es ein Grundproblem aufzulösen. Ein Verkehr- von Fern und Nahverkehrszügen auf den gleichen Streckenabschnitten ist im dicht besiedelten Ruhrgebiet zu störanfällig, die Komplexität der Verknüpfungen und gegenseitigen Abhängigkeiten nicht beherrschbar. Fern- und Nahverkehr müssen getrennt werden, beide benötigen von Köln bis Dortmund eigene voneinander getrennte Gleiskörper. Diese zu schaffen, bedeutet Milliardeninvestitionen. Doch es gibt keine Alternative, die Lösung, beide Verkehre über gemeinsame Gleise zu leiten, ist.

Separate eigene Gleiskörper für Nah- und Fernverkehr bedeutet aber auch, dass über die Ruhrschiene zwischen Duisburg und Dortmund so gut wie kein Fernverkehr mehr fließen sollte. Der Fernverkehr aus Frankfurt, Brüssel oder Amsterdam sollte in Duisburg oder Düsseldorf enden, der aus Hamburg oder Berlin in Dortmund. Fernverkehrszüge sollten das Ruhrgebiet zukünftig umfahren oder ohne Halt zwischen Duisburg und Dortmund durchfahren. Dafür aber müssen Nahverkehrszüge auf der Ruhrlinie Duisburg – Mülheim – Essen – Bochum – Dortmund pünktlich im 3 bis 5 Minuten-Takt verkehren.

Mögliches Rückgrat des Ruhrgebietsnahverkehrs eine Ring- und Achtlinie

Einen Vorschlag wie das angedachte Konzept funktionieren könnte, haben die STADTGESTALTER bereits Anfang 2020 gemacht (Eine Ring- und Achtlinie für das Ruhrgebiet). Die Idee, das Rückgrat des ÖPNV des Ruhrgebiets bildet eine Nahverkehrstrasse in Form einer Acht. Im Norden über Oberhausen Gelsenkirchen und Herne, im Süden über Hagen, Wuppertal und Düsseldorf, und in der Mitte über die Ruhrlinie. Mit diesem Konzept würden die Fernzüge zwar nicht mehr direkt in Mülheim, Essen und Bochum halten, dafür aber sind die Bahn- und Nahverkehrskunden aufgrund der dichten Taktung erheblich schneller in Duisburg oder Dortmund. Für die allermeisten Fahrgäste würden sich die Fahrzeiten verkürzen im Nahverkehr würde eine ganz neue Qualität erreicht.

Dicht getaktete Ruckgratlinien sind die Voraussetzung für erheblich mehr Kunden im Nahverkehr

Über eine sehr dicht getaktete Linie, die alle Großstädte des Ruhrgebiets miteinander verbindet, würden Massen von Fahrgästen in die lokalen Nahverkehrsnetze der Städte gepumpt. Diese Kunden würden es wiederum für die Städte attraktiv machen die Kapazität ihrer Nahverkehrslinien zu erhöhen, die Takte zu verdichten und zusätzliche Linien im Netz anzubieten. Letztlich ist der 3 bis 5-Minuten-Takt auf der Ruhrlinie der Schlüssel dafür, die Kundenzahlen im ÖPNV des Ruhrgebiets zu verdoppeln. Diese Maßnahme ist unabdingbar, sie ist die Voraussetzung für einen erfolgreichen Nahverkehr im Ruhrgebiet. So lange Politik und Städte des Ruhrgebiets das nicht erkennen und diese Maßnahme nicht auf Platz eins der Liste der dringend umsetzbaren ÖPNV-Projekte stellen, bleiben alle Absichtserklärungen, den Bus- und Bahnverkehr im Revier endlich nach vorne bringen zu wollen, nur inhaltslose Phrasen.

Für eine Wende im ÖPNV des Ruhgebiets ist also erforderlich, dass sich die Politik das Scheitern der bisherigen Verkehrspolitik im Bahnverkehr des Ruhrgebiets eingesteht und den Weg für einen Kurswechsel frei macht. Zukünftig sollte also die strikte Trennung der Gleiswege von Fern- und Nahverkehr das Ziel sein sowie ein 3 bis 5 Minuten-Takt auf den Schienentrassen, die die Großstädte des Ruhrgebiets verbinden. Ohne diesen radikalen Kurswechsel, wird der ÖPNV im Ruhrgebiet nie die Anforderungen eines metroplengerechten Nahverkehrs erfüllen können,

29 Aug

Zehn neue Linien für das Bochumer Nahverkehrsnetz

Der öffentliche Nahverkehr in Bochum hat bei vielen Einwohner*innen den Ruf langsam, unpünktlich und wenig komfortabel zu sein. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, will die Stadt einen großen Teil des Stadtverkehrs auf Bus und Bahn verlagern. Das kann aber nur mit attraktiven, schnellen und dicht getakteten Nahverkehrslinien gelingen. Die STADTGESTALTER legen jetzt einen Plan vor, der 10 Linien vorschlägt, mit denen das bestehende Netz ergänzt werden könnte.

39% beträgt der Anteil des Bochumer Stadtverkehrs am insgesamt in der Stadt von Menschen erzeugten Treibhausgases (CO2). Die Stadt hat sich das Ziel gesetzt bis 2035/40 klimaneutral sein. Jedoch werden derzeit noch 54% aller Wege in Bochum mit dem Auto zurückgelegt, das ist etwa doppelt so viel wie in modernen Großstädten sonst üblich. Der Anteil des ÖPNV liegt aktuell nur bei 15,3%. Ziel ist es diesen zu verdoppeln (PositionspapierStädte, Landkreise und Verkehrsverbünde begrüßen das Ziel der Verdoppelung der Fahrgäste des ÖPNV bis 2030!“).

Für die Bochum Strategie werden Leitprojekte des öffentlichen Nahverkehrs gesucht

Auch eine Kernaktivität der Bochum-Strategie nennt sich “Vorfahrt ÖPNV – Leitprojekte öffentlicher Nahverkehr”. Bisher findet sich unter dieser Kernaktivität jedoch kein echtes Leitprojekt. Bei dem bei den Einwohnern*innen umstrittenen Projekt “Netz 2020” handelt es sich um eine überfällige Reform des Liniennetzes, mit der jedoch kein echter Ausbau des Nahverkehrsnetzes verbunden ist.

Das aktuelle Schnellverkehrsnetz ist unattraktiv

Damit mehr Menschen vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen, muss die Stadt ein attraktives öffentliches Nahverkehrsnetz anbieten. Menschen nehmen den ÖPNV, wenn sie mit Bus und Bahn ähnlich schnell und komfortabel von A nach B kommen wie mit dem Auto. Das ist in Bochum nur auf wenigen Wegen möglich. Es fehlt ein flächendeckendes Netz an Straßen-, Stadtbahnen, S- und Regionalbahnen. Große Teile und wichtige Punkte der Stadt (z.B. RUB, Hochschule Bochum Ruhr-Park, Wattescheid Bf) sind nicht oder nur unzureichend an das Schnellverkehrsnetz angebunden.

Ein Schnellverkehrsnetz, das im Wesentlichen aus nur drei Straßenbahntrassen, einer Stadtbahnlinie, einer Regionalbahnlinie nach Norden und einer Bahntrasse von Ost nach West besteht, kann die Anforderungen, die eine Großstadt mit 370.000 Einwohnern an den ÖPNV stellt, nicht erfüllen. Wichtige Verbindungen fehlen, alle Linien führen sternförmig zum Hauptbahnhof, so dass die ÖPNV-Benutzer*innen immer erst zum Bahnhof fahren muss und dann weder davon weg. Das bedeutet häufig lange Umwege. Große Teile des Stadtgebietes, werden bisher nur durch langsame, unkomfortable und schlecht getaktete Buslinien erschlossen.

Insgesamt ist das Netz unattraktiv. Die Nutzung von Bus und Bahn stellt nur selten eine konkurrenzfähige Alternative zur Autonutzung dar. Regelmäßig ist man im Stadtgebiet mit dem Auto deutlich schneller und komfortabler von A nach B unterwegs.

Ausbau des Schnellverkehrsnetzes – Vorschlag STADTGESTALTER

Um mehr Kunden für den Nahverkehr zu gewinnen, ist es also erforderlich, dass bestehende Nahverkehrsnetz um wichtige schnelle Linien zu ergänzen.

Die STADTGESTALTER schlagen daher vor, das Bochumer Nahverkehrsnetz um zehn zusätzliche Linien zu ergänzen, zwei Straßenbahnlinie, sechs Seilbahnlinien, eine Regiotram- und eine neue Regionalbahnlinie:

Schnellverkehrsplan 2050, Vorschlag STADTGESTALTER

Straßenbahnlinien
308 – Verlängerung der Straßenbahnlinie 308 bis zum Regionalbahnhof Castrop-Rauxel Merklinde
304 – Neue Straßenbahnlinie 304 vom Hauptbahnhof über die bestehenden Straßenbahngleise bis Weitmar Kirche und dann neu über Weitmar Mark bis Stiepel.

Regiotram
RT1 – Verbindung vom Hauptbahnhof über Jahrhunderthallte, Günnigfeld, Lorheide Stadion, Leithe, Essen-Kray bis Essen Universität bzw. Essen Hauptbahnhof (Bahnanbindung für Leithe und Günnigfeld).

Regionalbahn
RB46X – Ergänzung der bestehenden Linie RB46 durch eine neue Linien RB46X, die vom Hautbahnhof nach Recklinghausen und Münster fährt (Ohne Umsteigen von Bochum nach Recklinghausen und Münster). Die Idee ist, die bisherige Linie des RB46 vom Bochumer Hauptbahnhof bis Riemke mit einem Zug zu befahren der aus zwei eigenständigen Zugteilen besteht (Doppeltraktion). Am Bahnhof Riemke sollen dann beide Zugteile getrennt werden. Ein Zug fährt weiter – wie bisher – nach Gelsenkirchen, der andere nach Recklinghausen

Seilbahnlinien
SX1 – Eine leistungsfähige Verbindung vom Hauptbahnhof über den Hauptfriedhof zum Ruhr Park (Seilbahnlinie City-Ruhr Park), mit einer möglichen Verlängerung nach Harpen.
SX2– Eine direkte, schnelle Verbindung von RUB und Hochschule zur S-Bahnstation Langendreer West, später verlängerbar bis Werne Amt (Seilbahn – Rückgrat der Bochumer Universitäts- und Hochschullandschaft).
SX3 – Verbindung RUB und Hochschule mit Laer/ Mark 51°7. In einem zweiten Schritt könnte die Linie zum Kemnader See und über Witten-Heven zum Bahnhof Witten verlängert werden (Seilbahn – Rückgrat der Bochumer Universitäts- und Hochschullandschaft).
SX4 – August-Bebel-Platz – Wattenscheid Bahnhof – Höntrop Kirche und Höntrop Bahnhof (Zentrale (Seilbahn-)Verkehrsachse für Wattenscheid). Diese Linie kann zu einem späteren Zeitpunkt über den Südpark bis zum Eisenbahnmuseum und dem Bahnhof Dahlhausen verlängert werden,
SX5 – Eine weitere Verlängerung ist über Eppendorf, von Sundern zur RUB und ein weitere nach Hattingen möglich.
SX6 – Vom August-Bebel-Platz über Günnigfeld, Hordel und Riemke bis nach Gerthe kann mit einer weiteren Linie der Norden der Stadt erschlossen werden.

Somit schlagen die STADTGESTALTER insbesondere Seilbahnverbindungen vor, diese haben u.a. folgende Vorteile: Sie sind schneller realisierbar als Straßen- oder Stadtbahnlinien, da keine Trassen über bestehende Straßen gebaut werden müssen. Seilbahnen benötigen keine Verkehrsflächen auf Straßen. Mit Seilbahnen kommen die ÖPNV-Benutzer tendenziell schneller von A nach B, da an den Stationen keine Wartezeiten entstehen. Es steht immer eine abfahrbereite Kabine zum Einstieg bereit.

Netzabdeckung, Haltestellen des Schnellverkehrs, 600m Umkreis, rot bestehend, grün: zusätzlich

Die Stadt braucht einen Masterplan “Ausbau des Schnellverkehrsnetzes”

Bei allen vorgeschlagenen Linien handelt es sich um potentielle “Leitprojekte des öffentlichen Nahverkehrs”, die der entsprechenden Kernaktivität der Bochum-Strategie zugeordnet werden können. Mit der Verwirklichung aller zehn Linien würde hinsichtlich des Bochumer Nahverkehrsnetzes ein Optimalzustand erreicht, der geeignet ist, eine Fahrgaststeigerung zu bewirken, mit der sich der ÖPNV-Anteil im Modal Split ziemlich sicher auf 25-30% erhöhen ließe.

Die Realisierung der Linien ist jedoch bereits aus finanziellen Gründen nur Schritt für Schritt über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten möglich. Zwar werden bei Bahnprojekten bis zu 90% der Kosten vom Land NRW übernommen, doch finanziert das Land nicht nur Bochumer Projekte, so dass eine Förderung neuer Linien nur hintereinander mit zeitlichem Abstand möglich ist.

Im Rahmen der Bochum Strategie benötigt die Stadt also einen Masterplan, der festlegt, wie, in welcher Reihenfolge und wann die Leitprojekte des öffentlichen Nahverkehrs finanziert und umgesetzt werden können und sollen.

Zu diesem Zweck haben die STADTGESTALTER die dargestellt Linien in vier Prioritätskategorien einsortiert. Dabei wurden die vordringlich erforderlichen Linien der Priorität 1 zugeordnet. Linien mit hoher Priorität der Kategorie 2, Linien mit weniger oder nachrangiger Priorität in die Kategorien drei und vier:

Priorität 1
August-Bebel-Platz – Wattenscheid Bf. – Höntrop Bf (SX4)
BO-Hbf – Günnigfeld – Leithe – Essen (RT1)
BO-Hbf – Ruhr Park (SX1)
BO-Hbf – Recklinghausen (RB46X)
RUB/Hochschule – Langendreer (West) (SX2)

Priorität 2
BO-Hbf – Weitmar Mark – Stiepel (304)
RUB/Hochschule – Laer/ Mark 51°7 (SX3)
RUB/ Hochschule – Kemnader See – Witten Bf (SX3)
Gerthe – DO-Merklinde (308)

Priorität 3
Höntrop Bf – Südpark – Eisenbahnmuseum – Dahlhausen (SX4)
Höntrop Bf – Eppendorf – Sundern – Stiepel Nord – RUB (SX5)
August-Bebel-Platz – Günnigfeld – Hordel – Hofstede – Riemke – Handwerksweg (Gerthe) (SX6)

Priorität 4
Sundern – Hattingen Mitte (SX5)
Ruhr Park – Harpen (SX1)
Langendreer (West) – Werne Amt (SX2)

Sämtliche Linienprojekte müssen zunächst auf ihre technische und finanzielle Umsetzbarkeit geprüft werden. Auch sollte untersucht werden, ob es weitere Linien gibt, die das Netz sinnvoll ergänzen könnten. In jedem Fall muss bei der Prüfung der Machbarkeit das Nahverkehrsnetz als Ganzes betrachtet werden, denn nur ein neues flächendeckendes Netz an Schnellverkehrsverbindungen kann so attraktiv sein, dass sich insgesamt die Fahrgastzahlen deutlich erhöhen. Einzelne Linien alleine, für sich betrachtet, sind dazu nicht in der Lage.

Masterplan “Schnellverkehrsnetz Bochum 2050”

Das von den STADTGESTALTERn entwickelte Schnellverkehrsnetz soll zeigen, wie in Bochum das Nahverkehrsnetz 2050 aussehen könnte und welche wichtigen Linien derzeit fehlen. Der Vorschlag ist als Ausgangspunkt für die Entwicklungen eines Masterplans und Ideensammlung zur Entwicklung eines attraktiven Schnellverkehrsnetz zu verstehen.

Der Prozess, einen solchen Masterplan “Schnellverkehrsnetz Bochum 2050” zu entwickeln, sollte umgehend beginnen. Die Planung und Umsetzung von Nahverkehrsprojekten dauert in der Regel 5 Jahre und länger. Will Bochum 2035/40 klimaneutral sein, bleibt keine Zeit noch länger mit dem Ausbau des Nahverkehrsnetzes zu warten.

22 Aug

Seilbahnlinie City-Ruhr Park: Die Rettung der Innenstadt ist der Ruhr Park

Um Kunden anzulocken will das CentrO eine Seilbahn bauen. Die Bochumer Innenstadt und den Ruhr Park mit einer Seilbahn zu verbinden, diese Idee gibt es schon lange, denn auch die Bochumer City braucht mehr Attraktionen um Kunden zu gewinnen. Mit einer Seilbahn würden von den 50.000 Besucher*innen des Ruhr Parks einige tausend pro Tag auch in die Innenstadt kommen.

Alle Experten weisen schon seit Jahren daraufhin, Einkaufszentren wie Innenstädte funktionieren in Zukunft nicht mehr als reine Shopping-Mals. Neben dem Einkaufserlebnis müssen weitere Attraktionen und Erlebnisse die Kunden anziehen. Das CentrO will daher abseits des Einkaufens zusätzliche Angebote schaffen. Erlebniswelten mit 3D und Virtual Reality, Theater, Spa & Therme sowie eine Seilbahn sollen die Kunden zukünftig in das Einkaufszentrum locken, erklärt der Centermanager im WAZ-Podcast (Ein neuer Name fürs Centro Oberhausen und eine Seilbahn?).

Der Innenstadt fehlen Kunden und Attraktionen

Für die Bochumer Innenstadt und den Ruhr Park gilt nichts anderes. Ruhr Park und CentrO haben den gleichen Betreiber, Unibail-Rodamco-Westfield Germany. Auch im Ruhr Park sucht man nach neuen Attraktionen. Die Bochumer City versucht ebenfalls aufzurüsten, Markthalle, Haus des Wissens und der neue Husemannplatz sollen Highlights werden, mit denen Menschen in Zukunft für einen Besuch in der Innenstadt gewonnen werden sollen. Denn der City fehlen Kunden, lag die Kundenfrequenz von 2002 bis 2011 auf der Kortumstraße noch im Durchschnitt bei 5.000 sind es heute nur noch unter 2.000 Besucher*innen.

Erlebniswelt City-Ruhr Park

Eine einzigartige Attraktion, die sowohl der Bochumer City wie dem Ruhr Park helfen würde, wäre eine Seilbahnverbindung, wie sie die STADTGESTALTER schon 2014 vorgeschlagen haben (Bochumer Innenstadt und Ruhr Park könnte bald eine Seilbahn verbinden).

Streckenverlauf Seilbahnverbindung City-Hauptfriedhof-Ruhr Park

Denn eigentlich liegen Innenstadt und Ruhr Park nicht weit auseinander, mit der Seilbahn nur noch 10 Minuten. Mit der Seilbahnverbindung könnte aus zwei Konkurrenten ein Erlebnisort aus zwei Welten werden. Erlebnisorientierte Kunden würden nicht mehr entweder Ruhr Park oder City besuchen, sondern an einem Tag beides. Erst geht es zum Shopping in den Ruhr Park. Danach mit der Seilbahn in die City, um dort die Markthalle zu sehen, im Bermuda3Eck zu feiern, auf dem Rathausplatz oder dem Propstei Platz die urbane Atmosphäre zu genießen oder die Virtual-Reality-Box auf dem Dr.-Ruer-Platz bestaunen. Abschließend geht es über die Dächer der Stadt zurück zum Ruhr Park. Das ist immer ein Erlebnis, besonders nachts.

Beide Welten ergänzen sich ideal. Der Ruhr Park bietet die Shopping-Welt, die Innenstadt die urbanen Attraktionen, zwischen beiden bietet die Seilbahn ein einmaliges Fahrerlebnis. Durch die Seilbahn rücken beide ganz eng zusammen. Von den 50.000 Kunden, die den Ruhr Park jeden Tag besuchen und von denen drei Viertel nicht aus Bochum kommen, werden viele in die Innenstadt gelockt. Für eine positive Entwicklung benötigt die Innenstadt zusätzliche Kunden. Wie der Radschnellweg tausende neuer potentieller Kunden in die Innenstadt bringen kann, wenn er durch die City geführt wird, könnten sie mit der Seilbahn vom Ruhr Park in die Innenstadt fahren.

Schnelles Verkehrsmittel und Touristenattraktion

In Verbindung mit der Seilbahn wird der Ruhr Park quasi zum Park & Ride Parkplatz für die Innenstadt. Das einmalige Angebot lautet, kostenlos parken am Ruhr Park und dann mit der Seilbahn in die City fahren. Dazu wird der Ruhr Park für ÖPNV-Benutzer vom Hauptbahnhof viel besser erreichbar. Menschen, die mit der Bahn aus anderen Städten nach Bochum kommen, erreichen in 10 Minuten das Einkaufszentrum. Insgesamt bringt die Verbindung mit der Seilbahn City wie Ruhr Park nur Vorteile.

Die Stadt profitiert aber noch in anderen Bereichen. Durch die Seilbahn wird es deutlich attraktiver den Ruhr Park mit dem ÖPNV anzusteuern. Ebenso müssen die Kunden der City, nicht mehr mit dem Auto bis in die City fahren. Die Stadt wird von Autoverkehr entlastet, das ist gut für die Umwelt und hilft die Klimaschutzziele zu erreichen.

Mehr Attraktionen für die Innenstadt

Zudem hat die Erlebniswelt City-Ruhr Park das Potential zu einer einzigartigen Touristenattraktion im ganzen Ruhrgebiet ja sogar deutschlandweit zu werden. Bei Tag oder Nacht über hoch über den Dächern des Ruhrgebiets zu fahren, wird für viele Menschen ein unvergessliches Erlebnis sein.

Bisher fehlt der Innenstadt als Anziehungspunkt und Teil einer Erlebniswelt City-Ruhr Park jedoch noch einiges an Flair, Ambiente und Attraktionen. Vorhanden, in Planung oder im Bau sind bereits folgende Attraktionen und Projekte:

Dazu haben insbesondere die STADTGESTALTER weitere Maßnahmen zur Attraktivierung der Innenstadt vorgeschlagen:

Bestehende und mögliche zukünftige Attraktion in der Innenstadt

Die Erlebniswelt City-Ruhr Park wird jedoch nur funktionieren, wenn die Innenstadt über deutlich mehr attraktive Orte als heute verfügt, wegen denen die Menschen kommen und dort Zeit verbringen wollen, eine Seilbahnverbindung zum Ruhr Park allein reicht nicht. Für eine Erlebniswelt City-Ruhr Park müssen die Akteure der City und der Ruhr Park eine gemeinsame Strategie entwickeln, was sie gemeinsam den Kunden bieten und wie sie das Gesamtpaket vermarkten wollen.

Bis zu 90% der Kosten für den Bau einer Seilbahnverbindung trägt das Land

Voraussetzung für den Erfolg der Erlebniswelt City-Ruhr Park ist die schnelle und hoch attraktive Verbindung zwischen Innenstadt und Ruhrpark. Neben der hohen Attraktivität und dem großen Potential zur Entlastung des Stadtverkehrs, hat die Seilbahn einen weiteren großen Vorteil, die Kosten für ihre Errichtung ließen sich zu 90% aus nicht rückzahlbaren Fördermitteln des Landes finanzieren. Die Instandhaltung und Unterhaltung ist zudem deutlich kostengünstiger als die von U-Bahnen und Straßenbahnen.

Für die Innenstadt Bochum bietet sich eine einmalige Chance. Die Rettung der City könnte der Ruhr Park sein. Nun müssen die Vorbehalte überwunden, den Ruhr Park nicht mehr als Konkurrenten um Kunden zu sehen, sondern als Partner mit dem man die Möglichkeit hat dauerhaft gegen die Innenstädte der Nachbarstädte und Einkaufszentren wie das CentrO zu bestehen. Bei der Neuausrichtung der Bochumer Innenstadt führt kein Weg am Ruhr Park vorbei.

07 Aug

VRR: Fahrgäste gefangen im Tarifdschungel

Um Gelegenheitsfahrer vom Bus- und Bahnfahren abzuschrecken hat der VRR einen einzigartigen Tarifdschungel geschaffen. Jetzt gibt es weitere Ideen das Tarifdickicht noch undurchdringlicher zu machen. Offen ist weiterhin, wann Fahrgäste für den Fahrscheinkauf eine Schulung nachweisen müssen, mit der sie die Fähigkeit erworben haben im VRR-Tarifdschungel den richtigen Fahrschein zu lösen. Eine Glosse.

80 Seiten dick ist der so genannte “Überblick” des VRR über das Tarifsystem (Der Tarif im Überblick). Das komplette Tarifsystem wird in allen Einzelheiten in einem dreibändigen Kompendium erklärt, das vom Lehrstuhl für die wissenschaftliche Erforschung des VRR-Tarif- und Fahrscheinsystems der Hochschule Gelsenkirchen herausgebracht wird. Der Lehrstuhl erforscht die Untiefen des VRR-Tarifdschungels und bietet einen 6-semestrigen Studiengang an, der mit dem Bachelor of “VRR-Tarif und Ticket-Art” abgeschlossen werden kann. Nur mit diesem Abschluss dürfen Tarifexpert*innen sich neue Preisstufen, Ticketvarianten und Tarife für den VRR ausdenken. Der Abschluss ist ebenfalls Voraussetzung für die Leitung eines VRR-Kundencenters.

Kunden verzweifeln am Tarifsystem des VRR

Für die Kunden will der VRR jetzt dreiwöchige Tarif-Schulungen anbieten, denn in umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen wurde festgestellt, dass nur sehr wenige Menschen in der Lage sind, im VRR-Tarifdschungel die richtige Fahrkarte zu lösen. Von 100 Kunden schaffen es nur drei in 9 von 10 Fällen innerhalb von 30 Minuten den für sie günstigsten Fahrpreis im VRR zu finden. Von 100 Testpersonen mussten zehn nach ausgiebigen Tests psychologisch betreut werden, da sie an dem System des VRR verzweifelten und vor den Fahrkartenautomaten mit Weinkrämpfen zusammenbrachen.

Immer neue Tarife und Preisstufen

Der VRR und seine Nahverkehrsunternehmen aber sind offenbar stolz darauf, ihren Kunden das komplizierteste Der VRR und seine Nahverkehrsunternehmen aber sind offenbar stolz darauf, ihren Kunden das komplizierteste Tarifsystem der Menschheitsgeschichte anzubieten. Tarifexpert*innen haben jetzt eine Reihe weiterer Vorschläge vorgelegt um den Tarifdschungel noch undurchdringlicher zu machen. So soll das Bärenticket in drei weitere Fahrscheine differenziert werden. Für besonders reiselustige Frührentner*innen zwischen 55 und 60 Jahren soll das Pandaticket angeboten werden. Menschen mit schlohweißen Haaren ab 65 sollen zukünftig das Eisbärenticket erwerben können. Für Menschen ab 60, die beim Schwarzfahren erwischt werden, ist sollen zum Nachlösen eines Schwarzbärenticket gezwungen werden, bei dem der reguläre Fahrpreis mit ihrem Lebensalter multipliziert wird. Hochbetagten sollen ab einem Alter von 99 alle Fahrten erstattet werden, wenn sie das 100 Lebensjahr vollendet haben (Century-Ticket).

Auch bei den Jüngsten solle es das Schokoticket demnächst in weiteren Geschmacksrichtungen geben. Angedacht sind unter anderem Traube-Nuss, Müsli-Muffin und Keks-Karamel. So finden auch Schokoticket-Nutzer mit Nuss-Allergie oder vegan lebende Schüler*innen demnächst das für sie passende Ticket.

Besonders innovativ soll das Halbwegticket sein. Alle, die weil ihnen schlecht wird, sie was vergessen haben oder aus sonst einem Grund eine beabsichtigte Fahrt unplanmäßig auf halber Strecke frühzeitig beenden müssen, soll das Ticket eine Fahrpreisreduktion von 21,23% ermöglichen.

Neu würde auch der Schwarzfahrjoker sein, den es in allen Tarifstufen ab 10 Euro geben soll. Bei Vorlage des Jokers, kommt der ertappte Kunde beim Schwarzfahren einmal straffrei davon.

Auch die Preisstufe A soll reformiert werden. Bisher gibt es im VRR-System die Preisstufe A3, die alle “Großstädte mit sehr dichtem und qualitativ besonders hochwertigem Nahverkehrsangebot” umfasst. Da das Angebot des VRR jedoch in keiner Stadt sehr dicht und qualitativ besonders hochwertig ist, kann in diese Stufe eigentlich keine Stadt des VRR-Gebiets eingeordnet werden. In der neuen Preisstufe A sollen die Kommunen daher neu eingeteilt werden, in A1: Es gibt nur Busse und die kommen selten und nur hin und wieder pünktlich, A1½: es gibt dazu auch einen Bahnanschluss, A2: Busse und Bahnen kommen auch schon mal häufiger, A3: Es wird etwa 50% von dem angeboten, was sonst in europäischen, amerikanischen und asiatischen Großstädten und Metropolen Standard ist.

Nur kein einfaches Tarifsystem

Der Einführung eines Smartcard-Tickets, wie es das in fast allen fortschrittlichen Metropolen der Welt gibt, verweigert sich der VRR auch weiterhin. Eine Karte als E-Fahrschein, auf die man Geld laden kann und deren Guthaben die Kunden dann Fahrt für Fahrt abfahren, indem man sie bei Fahrtbeginn und -ende an einen Kartenleser hält, lehnen die Tarifexpert*innen des VRR weiterhin ab. Aus VRR-Kreisen ist zu hören, ein solches System sei für die Kunden des VRR aufgrund seiner Einfachheit unverständlich, da diese auf das absurd komplizierte VRR-Tarifsystem konditioniert seien. Zudem würde ein einfaches System viel zu viele Kunden veranlassen auf Bus und Bahn umzusteigen. Volle Busse und Bahnen wolle man den Fahrgästen des VRR jedoch nicht zumuten.

Die Nachteile der Smartkarten hätten sich zudem in der Corona-Krise gezeigt. Mit einem Smartcard basierten Fahrscheinsystem hätten die Nahverkehrsunternehmen des VRR deutlich weniger coronabedingte Einnahmeverluste eingefahren und hätten so auf Millionen staatlicher Hilfen zum Ausgleich dieser Verluste verzichten müssen. Denn während im VRR-Gebiet der Fahrkartenkauf im Bus oder den Kundencentern über Monate nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich war und daher viele Kunden ohne zu zahlen oder gar nicht mit Bus und Bahn unterwegs waren, hätten in Nahverkehrssystemen mit Smartkarte viele Gelegenheitsfahrer*innen ihre E-Fahrscheine (Smartkarten) auch während der Krise weiter an den Automaten und online aufgeladen und so den ÖPNV weiter benutzt.

Doch jetzt gibt es revolutionäre Überlegungen zukünftig gleich ganz auf das Tarif- und Fahrscheinsystem zu verzichten. Aufgrund der coronabedingten Erfahrungen mit einem Betrieb von Bussen und Bahnen fast ohne Fahrgäste, werden erste Stimmen laut, ob man den Nahverkehr im VRR-Gebiet vielleicht zukünftig ganz ohne Fahrgäste betreiben sollte, denn dann könnten Fahrscheine und Tarife gleich ganz entfallen.

Eine einfaches Tarifsystem im VRR, die Hoffnung ist tot

Bus- und Bahnkunden dürfen gespannt sein, was die nächsten Jahre bringen. Hoffnung, dass sich wirklich was ändert, gibt es allerdings nicht. Die Pressemeldung, in der die Führung des VRR jedes Jahr verkündet, dass das Fahrschein- und Tarifsystem bald wesentlich vereinfacht würde, wird zukünftig jeweils am ersten April veröffentlicht.

Der VRR und seine Nahverkehrsunternehmer sind Dinosaurier, die sich in ihrem eigenen Tarifdschungel verirrt haben. Die Erfahrung zeigt, der nächste Evolutionsschritt ist erst möglich, wenn die Dinosaurier ausgestorben sind.