Wenn die Musikschule in die neuen Räumlichkeiten am Musikzentrum zieht, soll die Gesamtschule Mitte an den Standort der Musikschule verlegt werden, so der Vorschlag der STADTGESTALTER. Dazu sollte das alte Schulgebäude am Westring modernisiert und erweitert werden.
Nach den Vorstellungen der Bochumer Verwaltung soll die Gesamtschule Mitte den bisherigen Standort an Feldsieper und Gahlenscher Straße verlassen und einen neuen in Wattenscheid bekommen (Beschlussvorlage 20241388/1)). Der bisherige Standort ist wenig geeignet für die Schule, das haben neben der Verwaltung mittlerweile auch SPD, Grüne und CDU eingesehen.
Neuer Standort für Gesamtschule Bochum-Mitte gesucht
In der neuen Schulentwicklungsplanung soll jetzt festgelegt werden, dass die Gesamtschule nach Wattenscheid auf das Gelände des Beckmannshof umziehen und dort ein Neubau erfolgen soll (Beschlussvorlage 20241388/1). Den Umzug einer Schule in einen anderen Stadtbezirk nach Wattenscheid halten die STADTGESTALTER allerdings ebenfalls nicht für erfolgsversprechend. Eltern werden es vermeiden Kinder am Standort Bochum-Mitte anzumelden, wenn diese dann nach ein paar Jahren zum neuen Standort nach Wattenscheid fahren müssen, zumal die ÖPNV-Anbindung am Beckmannshof nicht die beste sein wird. Die Anmeldezahlen werden sich nicht verbessern, eher verschlechtern.
Hauptschulen haben keine Zukunft
Statt in Wattenscheid eine neue Gesamtschule zu bauen, schlagen die STADTGESTALTER vor, in Wattenscheid die Liselotte-Rauner-Schule Hauptschule in eine Gesamtschule umzuwandeln. Diese könnte in direkter Nähe an der Swidbertstraße oder im nördlichen Teil des August-Bebel-Platz einen Erweiterungsbau erhalten. Die in Bochum verbliebenen zwei Hauptschulen haben ohnehin keine Zukunft, schon heute reicht ein Hauptschulabschluss in vielen Fällen nicht mehr, um eine qualifizierte Arbeit mit ausreichendem Einkommen zu erhalten. Der Erhalt dieser Schulform ist daher nicht zielführend, die Umwandlung in eine Gesamtschule daher folgerichtig. Zudem ist der Standort am August-Bebel-Platz, direkt an der Wattenscheider Innenstadt für eine Gesamtschule ideal.
Schulstandort direkt in der Innenstadt
Die Gesamtschule Bochum-Mitte sollte nach Ansicht der STADTGESTALTER dagegen in der Mitte von Bochum verbleiben. Ein Schulstandort mit 800 bis 1.000 Schülern und Schülerinnen direkt im Bochumer Stadtzentrum würde auch der City guttun. Eine weiterführende Schule im Gebäude der Musikschule (der ehemaligen Jacob-Mayer-Realschule) am Westring, befände sich dazu in direkter Nähe zum Haus des Wissens. Das sehenswerte Gebäude-Ensemble der Jacob-Mayer-Realschule könnte erhalten bleiben und um einen Erweiterungsbau direkt gegenüber auf der Fläche des jetzigen Gesundheitsamtes ergänzt werden.
Ein Schulstandort in der Innenstadt ist für Lehrkräfte wie Schülerinnen und Schüler mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus fast allen Teilen der Stadt bestens erreichbar. Dafür, den Standort am Westring nach Auszug der Musikschule weiter als Schule zu nutzen, spricht also vieles
Die ehemalige Jacob-Mayer-Realschule als neuen Schulstandort zu reaktivieren, trifft in der Politik auf positive Resonanz. Auch die CDU schlägt mittlerweile vor, am gleichen Standort ein elftes Gymnasium zu schaffen (CDU für elftes Gymnasium in der City). In der letzten Ratssitzung erklärte auch die SPD grundsätzlich für einen Schulstandort in der Innenstadt offen zu sein.
Grund- und Realschule an jetzigen Standorten der Gesamtschule
Für die beiden jetzigen Standorte der Gesamtschule Bochum-Mitte schlagen die STADTGESTALTER eine Nutzung als zusätzliche Grundschule (Gahlensche Straße) und Realschule (Feldsieper Straße) vor. Nach beidem besteht Bedarf. Am Standort Feldsieper Straße gab es bis 2015 bereits eine Realschule, die Helene-Lange-Schule, diese könnte wiederbelebt werden.
Unbrauchbare Schulentwicklungsplanung
Die damalige Realschule wurde ab 2016 durch eine Gemeinschaftsschule ersetzt, diese 5 Jahre später durch eine Gesamtschule und jetzt soll nach Meinung der Schulverwaltung ein neues Gymnasium entstehen. An einem Standort in nicht mal 10 Jahren vier verschiedene Schulformen etablieren zu wollen, dokumentiert die Kopf- und Erfolglosigkeit der Bochumer Schulentwicklungsplanung. Diese erweist sich immer wieder als unbrauchbar (Schulentwicklungspläne erweisen sich immer wieder als unbrauchbar).
Die Gesamtschule durch ein elftes Gymnasium zu ersetzen, ist nach den schlechten Erfahrungen mit den zwei Standorte (Feldsieper und Gahlensche Straße), die fast 20 Minuten Fußweg auseinander liegen, keine gute Idee. Was bei der Gesamtschule nicht funktioniert hat, wird mit einem Gymnasium nicht besser laufen. Schulen sollten, soweit irgend möglich, nicht auf mehrere, weit voneinander entfernt liegende Standorte aufgeteilt werden. Warum die Schulverwaltung, aus den Erfahrungen nichts gelernt hat, verwundert.
Da neben den STADTGESTALTERn auch andere politische Gruppierungen einen Schulstandort in der Innenstadt für eine gute Idee halten, sollte die Verwaltung im ersten Schritt mit Planungen beginnen, wie der bisherige Standort der Musikschule am Westring zukünftig für eine weiterführende Schule genutzt werden kann.
Während in den meisten deutschen Großstädten die Einwohnerzahl seit 1960 gestiegen ist, ist sie in Bochum um 86.000 Menschen gesunken. Das führt zu hohen Ausfällen bei Steuereinnahmen wie Zuweisungen. Bochum muss attraktiver werden, um mehr Menschen für die Stadt zu gewinnen.
Eine Stadt lebt von ihren Einwohnern und Einwohnerinnen, das gilt nicht nur im Hinblick auf Attraktivität, sondern auch in finanzieller Hinsicht. Mehr Menschen in der Stadt zahlen mehr Steuern, wegen ihnen bekommt die Stadt mehr Finanzmittel vom Land. Zwar kosten zusätzliche Einwohner*innen auch mehr Geld, denn die Stadt benötigt zum Beispiel größere Schulen oder mehr Wohnungen, aber viele städtischen Fixkosten steigen nicht. Es ist nur ein Stadtrat erforderlich und es ist fast die gleiche Infrastruktur an Straßen, Kanälen, Strom- Gas und sonstigen Versorgungsleitungen nötig, unabhängig davon, wie viel Menschen in der Stadt leben.
Einwohner und Einwohnerinnen gewinnen war lange kein Ziel
Doch lange hat sich Bochum wenig darum gekümmert, wie viele Menschen in der Stadt leben. So ist die Einwohnerzahl von 1960 bis 2022 um 86.000 Menschen (- gesunken. Zum Vergleich 81 Großstädte gibt es in Deutschland, In 55 Städten ist die Zahl der dort lebenden Menschen im gleichen Zeitraum gestiegen oder gleichgeblieben, nur in 27 gesunken, darunter alle 10 Stadtgemeinden der Ruhrstadt.
Auf einem Jahrzehnt des Wandels, in den 60er Jahren, in dem die Ruhr-Universität und Opel nach Bochum kamen, folgten vier Dekaden des Stillstands, in denen die Stadt versuchte den Strukturwandel zu verhindern bzw. zu ignorieren. Während die Großstädte außerhalb des Ruhrgebiets in die Zukunft investierten und den Strukturwandel aktiv vorantrieben, hoffte man in Bochum auf neue Industrie.
Entsprechend nahm die Zahl der wachsenden Großstädte im Laufe der Jahrzehnte deutschlandweit deutlich zu. Im Zeitraum 2000 bis 2022 verloren nur 14 Großstädte nennenswert Einwohner*innen, davon die fast die Hälfte Stadtgemeinden der Ruhrstadt, Bochum gehörte weiter dazu, die Einwohnerzahl nahm um 25.405 Menschen (6%) ab.
Die Folgen des Einwohnerverlustes
Menschen und Unternehmen machten weiterhin einen Bogen um Bochum und zogen andere Großstädte vor, um dort zu leben oder sich anzusiedeln. Stadtgestaltung, ein gutes Stadtbild und hohe Attraktivität waren bis Mitte der 2010er Jahre kein Thema in Bochum. Die in dieser Hinsicht immer größer werdenden Defizite und Mängel wurden mit “Woanders ist auch scheiße.” relativiert. Die Stadt träumte rückwärtsgewandt weiter von einer Re-Industrialisierung, der Strukturwandel kam nicht voran.
Der Verlust von 86.000 Menschen ging einher mit dem Verlust von 86.000 Konsumenten, die in Innenstädten und Stadtteilzentren heute als Kunden fehlen und 86.000 potentiell Steuerzahlenden, die bei der Stadt als Einnahmequelle ausfielen. Legt man die Steuereinnahmekraft und die Zuweisungen des Landes pro Kopf zugrunde, nahm die Stadt 2021 2.725 Euro pro Kopf an Steuern und Zuweisungen ein. 86.000 Einwohner und Einwohnerinnen mehr würden für Bochum heute jedes Jahr als 237,8 Mio. mehr Einnahmen pro Jahr bedeuten.
Der Fehler, dass die Stadtpolitik über Jahrzehnte Stadtgestaltung, Stadtbild und Attraktivität vernachlässigt hat, kommt Bochum heute teuer zu stehen.
Weiteres Problem: Geringe Steuereinnahmekraft
Zwar kann Bochum in den letzten Jahren die Einwohnerzahl halten, jedoch ist der Grund nicht der Umzug von Menschen mit gutem Einkommen und hoher Steuerkraft, sondern insbesondere der Zuzug von Flüchtlingen. Die Steuereinnahmekraft liegt daher über 20,4% unter dem in Deutschland üblichen. 1.232 Euro Steuereinnahmen erwirtschaften die Menschen in Bochum pro Kopf für die Stadt, im deutschen Schnitt sind es 1,.547 Euro in Mainz, Frankfurt und München sogar über 3.000 Euro (Deutschlandatlas – Steuereinnahmekraft).
Menschen mit hohem Anspruch an Stadtgestaltung, Stadtbild und Attraktivität und tendenziell hoher Steuerkraft ziehen eher nicht nach Bochum, es sind insbesondere die Menschen, für die es vorrangig ist, günstig zu leben und die sonst kaum Ansprüche stellen können.
Defizite bei Schulen und Bildung
Jedoch tut die Stadt viel zu wenig, um diesen Menschen mehr Chancen und gute Zukunftsperspektiven durch höhere Bildung und bessere Qualifizierung zu verschaffen. Das städtische Schul- und Bildungswesen ist unterentwickelt, die Schulentwicklungsplanung ist unbrauchbar (Schulentwicklungspläne erweisen sich immer wieder als unbrauchbar), der Zustand und Ausstattung der Schulen sind beklagenswert. Bildung und Qualifizierung der Menschen hat in der Bochumer Politik keine Priorität. Auch das ist ein wesentlicher Grund für die niedrige Steuereinnahmekraft.
Zwar hat sich die Hochschullandschaft in Bochum seit den 60er-Jahren massiv zum Positiven verändert – weit über 50.000 Studierende sind an Bochumer Hochschulen eingeschrieben – doch schaffte es die Stadt weiterhin nicht in ausreichendem Maße die Absolventen in Bochum zu halten. Zum einen fehlen weiterhin Beschäftigungsmöglichkeiten in Bochum, zum anderen ziehen auch die Studierenden andere Städte zum Leben vor. Liegen Jobangebote neben Bochum auch aus Städten wie Mainz, Freiburg oder Erlangen vor, ziehen die meisten weg (Warum wollen viele (Hochqualifizierte nicht im Ruhrgebiet leben und arbeiten?).
Weiterhin tut sich die Stadtpolitik in Bochum schwer, die Stadtstrukturen grundlegend zu verändern. Der Fokus der Politik liegt weiterhin auf der Versorgung der Menschen, insbesondere der sozial Benachteiligten. Wie diese Politik, bei schwindender Einwohnerzahl und abnehmender Steuereinnahmekraft im Vergleich zu den deutschen Großstädten sonst finanziert werden soll, darüber wird sich kaum Gedanken gemacht. Trotzdem die negativen Folgen der verfehlten Politik – insbesondere die Last der fehlenden Einwohner*innen – die Stadt heute hart trifft, ist die Bereitschaft einer grundsätzlichen Neuausrichtung weiter eher gering. Zwar sehen die Ziele der Bochum-Strategie die nötige Umorientierung mittlerweile vor (Präsentation Bochum-Strategie), doch geht die Umsetzung in der Realität nur zähflüssig voran.
Für grundlegende Veränderungen fehlt der Mut
Es fehlt weiterhin der Mut und die nötige Geschwindigkeit, die Stadt so zu verändern, wie dies in erfolgreichen Großstädten schon über Jahrzehnten zu beobachten ist. Bochum tut sich nach wie vor schwer von anderen Städten zu lernen und will den Blick, den Menschen von außen auf die Stadt haben, immer noch viel zu selten wahrhaben.
Um Einwohner und Einwohnerinnen sowie Unternehmen für die Stadt zu gewinnen und die Steuereinnahmekraft pro Kopf zu erhöhen, muss die Stadt deutlich attraktiver werden. Insbesondere müssen die gravierenden Mängel bei Stadtgestaltung und Stadtbild beseitigt werden. Zweitens sollte die Schaffung von besseren Zukunftsaussichten für die Menschen Priorität bekommen, die bisher in dieser Hinsicht benachteiligt sind. Dazu sind erhebliche Investitionen in die Verbesserung der städtischen Schul- und Bildungslandschaft nötig.
Eine Schulkonferenz entscheidet nicht so, wie Schulträger und Schulaufsicht das gerne hätten, also wird der Schulleitung gedroht und sie eingeschüchtert. Eine inakzeptable und rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise.
Das höchste Entscheidungsgremium jeder Schule ist die Schulkonferenz. Dieses Gremium trifft u.a. Beschlüsse über die Ziele der Schule, mit welchen Methoden unterrichtet wird, mit welchen Einrichtungen die Schule kooperiert, wer Träger des Offenen Ganztags wird oder wie die Schule zum Schulentwicklungsplan steht.
Eigenverantwortliche Schule und Rolle der Schulkonferenz
Das Gremium ist paritätisch mit Eltern und Lehrer*innen besetzt. An höheren Schulen kommen Vertreter*innen der Schüler*innen hinzu. In NRW gilt das Leitbild der Eigenverantwortlichen Schule. Diese soll selbst und eigenverantwortlich über ihre Belange entscheiden und sich eigenverantwortlich nach ihren Bedürfnissen und Belangen organisieren (Eigenverantwortliche Schule, Ministerium für Schule und Bildung NRW). Vorsitzendes Mitglied der Schulkonferenz ist der Schuleiter bzw. die Schulleiterin. Diese besitzen kein Stimmrecht, außer bei Stimmengleichheit.
Die Mitglieder der Schulkonferenz sind bei der Ausübung ihres Mandats an Aufträge und Weisungen nicht gebunden, so steht es ausdrücklich im Schulgesetz (§ 62 (5) SchulG-NRW). Daraus folgt, Schulträger (Stadt Bochum) wie Schulaufsicht können und dürfen den Mitgliedern der Konferenz keinerlei Vorgaben machen. Die Schulkonferenz ist ein in jeder Hinsicht unabhängiges Gremium, das alle Entscheidungen selbständig und eigenverantwortlich trifft. Die Mitglieder entscheiden dabei allein aufgrund ihrer persönlichen Ansicht.
Schulträger und Schulaufsicht sind also nicht berechtigt die Schulkonferenz zu Beschlüssen in ihrem Sinne anzuweisen. Beide dürfen jedoch an Konferenzen teilnehmen und dort ihre Ansichten äußern. Der Schulträger darf zudem in der Konferenz Anträge stellen. An Abstimmungen dürfen beide hingegen nicht teilnehmen.
Gesetzliche Aufgabe und Leitbild der Schulaufsichtsbehörden
Das Schulgesetz verpflichtet die Schulaufsichtsbehörden, die Schulen in ihrer Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu beraten und zu unterstützen (§3 (1) SchulG-NRW). Ihre Aufgabe ist nicht, Entscheidungen für die Schule zu treffen. In diesem Sinne hat sich die Schulaufsicht in NRW auch ein entsprechendes Leitbild gegeben (Selbstverständnis, Rolle und Verantwortung der Schulaufsicht in Nordrhein-Westfalen).
Vermitteln Leitbild und die Regelungen des Schulgesetzes den Anschein die Schulaufsicht würde sich in der Rolle sehen, Schule und Schulleitung in ihren eigenverantwortlichen Entscheidungen zu unterstützen, sieht die Realität doch ganz anders aus:
Rechtsmissbräuchliches Verhalten der Schulaufsicht
Treffen Lehrer*innen, Eltern und ggf. Schüler*innen in der Schulkonferenz eine Entscheidung im Sinne der Schule, die der Schulverwaltung nicht passt, etwa, weil sie dem Schulentwicklungsplan oder dem Verfahren zur Auswahl eines OGS-Trägers nicht zustimmt, tritt die Schulaufsicht auf den Plan und versucht ohne Rechtsgrundlage die Entscheidung der Schulkonferenz auszuhebeln. Auf die Schulleitung wird Druck ausgeübt. Diese habe dafür zu sorgen, dass die Schulkonferenz im Sinne des Schulträgers entscheide. Die Eltern seien auf Linie zu bringen. Der Vorwurf lautet, die Schulleitung habe die Eltern nicht im Griff.
Es wird mit dienstrechtlichen Konsequenzen gedroht, wenn die Schulleitung die Schulkonferenz nicht davon überzeugt im Sinne des Schulträgers abzustimmen. Schulleitungen werden mit permanenten Einbestellungen ins Amt und Telefonanrufen eingeschüchtert. Fordert die betroffene Schulleitung die Schulaufsicht auf, die mündlich gemachten Ausführungen schriftlich zu machen, geschieht in dieser Hinsicht allerdings nichts.
Der Missbrauch des Beanstandungsrechts
Schließlich gipfelt die Einflussnahme auf Beschlüsse der Schulkonferenz darin, dass die Schulaufsicht mit allen Mitteln versucht, die Schulleitung zu zwingen, unliebsame Beschlüsse der Konferenz zu beanstanden, auch wenn Rechtsgründe dafür nicht ersichtlich sind und Rechtsprechung einer solchen Beanstandung offensichtlich entgegensteht (§ 59 (10) SchulG-NRW). Mit dieser Vorgehensweise umgeht die Schulaufsicht die Gesetzeslage, denn sie selbst besitzt kein Recht Beschlüsse der Schulkonferenz zu beanstanden. Dieses Recht steht allein der Schulleitung für den Fall zu, dass Beschlüsse tatsächlich gegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verstoßen. Also weist die Schulaufsicht die Schulleitung an, den unliebsamen Beschluss zu beanstanden, denn hält die Konferenz trotz Beanstandung an dem Beschluss fest, darf die Schulaufsicht selbst an Stelle der Konferenz entscheiden.
Bereits das Ansinnen der Schulaufsicht die Schulleitung anzuweisen zu können, einen Beschluss der Schulkonferenz zu beanstanden, obwohl auch die Schulleitung als Mitglied der Schulkonferenz an Aufträge und Weisungen nicht gebunden ist (§ 62 SchulG-NRW) erscheint rechtsmissbräuchlich. Wenn die Schulleitung keinen Grund zur Beanstandung sieht, diese trotzdem anweisen zu wollen, dass diese auch ohne Grund den Beschluss beanstanden soll, ist rechtsmissbräuchlich.
Auch das Mittel der Dienstanweisungen zu nutzen, um sich indirekt das nicht vorhandene Recht zu verschaffen, Beschlüsse der unabhängigen Schulkonferenz zu beanstanden und damit durch eigene Entscheidungen ersetzen zu können, zeugt von einem Selbstverständnis der Schulaufsicht, das in jeder Hinsicht der Gesetzeslage wie dem Leitbild des Schulministeriums widerspricht.
Falsches Selbstverständnis der Schulaufsicht
Die Schulaufsichtsbehörden sehen offensichtlich nicht in der Unterstützung und Beratung der Schulen ihre Aufgabe, sondern meinen, sie müssten die Schulkonferenzen bevormunden. Nach Ansicht der Schulaufsicht hat die Konferenz nur zu tun, was sie selbst oder der Schulträger vorgeben bzw. vorschreiben. Der Mitwirkung von Eltern, Lehrer*innen und Schüler*innen bei schulorganisatorischen Angelegenheiten wird allein symbolische Bedeutung zugebilligt. Die Schulkonferenz darf die Entscheidungen des Schulträgers huldvoll abnicken, Widerspruch ist nicht erwünscht und hat daher zu unterbleiben. Der Schulleitung wird vermittelt, es sei ihre Aufgabe, sicher zu stellen, dass sich die Schulkonferenz mit dieser rein symbolischen Rolle abfindet und bitte eigenständige Entscheidung unterlässt.
Damit hängt die Schulaufsicht einer Auffassung von Mitwirkung aus dem 19. Jahrhundert nach. So hält sie es sogar für gerechtfertigt, um die Schulkonferenz auf Linie zu bringen, der Schulleitung zu drohen und diese einzuschüchtern. Dabei sollte die Anwendung solcher Methoden nach Zusammenbruch der DDR in Deutschland eigentlich Geschichte sein.
Dem Schulträger steht der Rechtsweg offen
Sind Beschlüsse der Schulkonferenz tatsächlich rechtwidrig, steht dem Schulträger der Rechtsweg offen. Die Aufhebung eines Beschlusses kann vor dem Verwaltungsgericht eingeklagt werden. Dann entscheidet das Gericht, ob der entsprechende Beschluss wirksam ist oder aufgehoben werden muss.
Statt den Rechtsweg zu bestreiten die Schulaufsicht zu bemühen, damit sie über Drohungen und Einschüchterung die Schulleitung zwingt, entgegen ihrer Ansicht, Beschlüsse zu beanstanden, um diese selbst treffen zu können, zeigt, dass man sich wenig Chancen ausrechnet, dass das Gericht entsprechende Beschlüsse der Schulkonferenz für rechtswidrig erklärt und aufhebt.
Die Schulaufsicht zu missbrauchen, um unliebsame Beschlüsse der Schulkonferenz auf die beschriebene Weise aus der Welt zu schaffen, ist nicht nur der falsche Weg, sondern auch erkennbar rechtswidrig. Die Schulkonferenz ist ein unabhängiges Gremium, dass an Anweisungen nicht gebunden ist. Das gilt für alle Mitglieder, auch für den vorsitzenden Schulleiter bzw. die vorsitzende Schulleiterin. Die Unabhängigkeit der Schulkonferenz ist von Schulaufsicht und Schulträger zu respektieren.
Die STADTGESTALTER haben die Methoden der Schulaufsicht mit großem Erstaunen und Bestürzung zur Kenntnis genommen. Bei der obersten Schulaufsichtsbehörde, dem Ministerium für Schule und Bildung NRW, wurde angefragt, ob dieses Vorgehensweise toleriert wird und gebeten die Schulaufsicht auf die bestehende Rechtslage und das bestehende Leitbild hinzuweisen.
Die STADTGESTALTER gehen davon aus, dass die Schulaufsicht zukünftig jeden Versuch Schulleitungen zu drohen oder diese einzuschüchtern unterlässt, um unliebsame Beschlüsse der Schulkonferenz aufheben zu lassen. Sollte ein Beschluss tatsächlich rechtswidrig sein, kann dieser über den Rechtsweg angefochten werden. Ein anderer Weg ist nicht zulässig.
In Bochum soll ein neues Gymnasium entstehen und für die Gesamtschule Bochum-Mitte ein neues Schulgebäude gebaut werden. Die STADTGESTALTER schlagen vor, für diese Schulen visionäre Schul- und Lernkonzepte zu erarbeiten, die sie zu Vorbildschulen für ganz Deutschland machen.
2011/12 eröffnete die Stadt eine Gemeinschaftsgrundschule und zwei Sekundarschulen. Beide Schulformen sind mangels Nachfrage gescheitert Die Gemeinschaftsgrundschule schloss schon zum Schuljahr 2018/19, beide Sekundarschulen sollen jetzt folgen.
Die ganze Problematik der chaotischen Schulentwicklungsplanung zeigt sich am Schulstandort an der Feldsieper Straße. Dort wurde 2011/12 die Realschule geschlossen, es folgte für nur sechs Jahre die Gemeinschaftsschule, 2018/19 dann die Gesamtschule, die jetzt, nach weiteren fünf Jahren, in ein Gymnasium umgewandelt werden, soll. Kompetente und verlässliche Schulentwicklungsplanung sieht anders aus.
Vorhersehbar konnte die Gesamtschule Mitte, nur 800 Meter entfernt von einer weiteren Gesamtschule nicht funktionieren. Doch die Einwände, auch der STADTGESTLATER (Gesamtschulstandort ist ungeeignet), wollten die Politiker*innen von SPD, CDU und Grünen partout nicht hören, sie meinten es besser zu wissen und wurden eines Besseren belehrt. Nach nur 53 Anmeldungen zum letzten Schuljahr für vier Eingangsklassen (WAZ vom 23.02.23), erkannten auch Schulverwaltung und Politik, dass die Gesamtschule am Standort Feldsieper Straße keine Zukunft hat.
Also soll aus der Gesamtschule jetzt ein Gymnasium werden und die Gesamtschule an einen anderen, noch nicht bekannten Standort in ein neues Schulgebäude umziehen.
In 6 von 30 Stadtbezirken erreichen mehr als 50% der Kinder nur maximal eine eingeschränkte Realschulempfehlung
Während in Ländern mit erfolgreichem Schulsystem (z.B. Norwegen oder Finnland) in der Regel nur noch eine Schulform besteht, benötigt man in Deutschland weiterhin drei. Am Ende der Grundschule ist das Lernniveau der Schulkinder auch in Bochum bisher zu unterschiedlich. In Bochum erreichen in 6 von 30 statistischen Stadtbezirken (Westenfeld, Kruppwerke, Werne, Hamme, Wattenscheid-Mitte und Günnigfeld) mehr als 50% der Kinder nur maximal eine eingeschränkte Realschulempfehlung (Interaktiver Sozialbericht). Die Entwicklung ist zudem negativ, die Zahl der Bezirke mit entsprechenden Schulempfehlungen hat sich seit dem Schuljahr 2021/22 sogar um einen erhöht.
Besonders Kindern aus Ortsteilen mit großen Problemen, fehlt es also bereits nach ihrer Grundschulzeit an wesentlichen Voraussetzungen, um in der folgenden Schulzeit mindestens einen Realschulabschluss erwerben zu können. Grundschulen mit schwierigen sozialen Umfeldbedingungen haben große Probleme den Anforderungen individueller Förderung und Inklusion gerecht zu werden und diese zu leben. Um dieses Problem zu lösen hatten die STADTGESTALTER bereits 2019 einen Vorschlag für ein Modellprojekt an fünf Grundschulen gemacht (Modellprojekt für bessere Grundschulen, Antrag 20222948). Grüne, SPD und CDU zeigten sich aber an einer Lösung des Problems desinteressiert und lehnten den Vorschlag ab.
Somit wird es in Bochum neben Gesamtschulen zukünftig weiterhin Hauptschulen und Gymnasien geben. Von dem Ziel der STADTGESTALTER, dass alle Schulkinder mit wenigen Ausnahmen die Grundschule mindestens mit einer Realschulempfehlung verlassen, ist die Stadt weit entfernt. Von Grünen, SPD und CDU wird dieses Ziel auch gar nicht verfolgt.
Eine einmalige Chance – Bochumer Schulen mit visionären Lern- und Schulkonzepten
Der Lern- und Schulerfolg hängt nicht nur in den Grundschulen im Wesentlichen von den verfolgten Schul- und Lernkonzepten ab. Einige Schulen in Deutschland zeigen schon heute, wie das gelingt und modernes Lernen in Zukunft funktionieren wird (Schulen der Zukunft – Gelebte Utopien). Was für Bochum vielleicht noch nach Utopie klingt, ist in diesen Schulen längst gelebte Realität. In einigen der 15 für den Schulpreis nominierten Schulen kann man erleben, was heute schon an Schulen möglich ist und damit auch in Bochum möglich wäre (Deutscher Schulpreis – Das sind die 15 nominierten Schulen).
Wenn sich Bochum als Vorreiter in Sachen Schulen und Bildung versteht, dann, so der Vorschlag der STADTGESTALTER, sollte sowohl im neu zu gründenden Gymnasium wie in der neu zu bauenden Gesamtschule ein vorbildliches, visionäres Schul- und Lernsystem umgesetzt werden. Dabei sollte zum Beispiel auf dem Gymnasium, das bisher für diese Schulform typische “Abschulen” in Zukunft abgestellt werden. Sitzenbleiben oder Verweis auf eine untergeordnete Schulform, sollten durch entsprechende frühzeitige und individuelle Förderung vermieden werden.
Lernen sollte einen anderen Fokus erhalten. Es geht nicht mehr darum bestimmte Abschlüsse zu erreichen, sondern den Schülern und Schülerinnen eine bestmögliche Entfaltung ihrer persönlichen Potentiale zu ermöglichen und sie in die Lage zu versetzen sich auch nach der Schule jedes erforderliche Wissen selbst drauf zu schaffen.
So sehen visionäre Schulkonzepte beispielsweise vor, dass die Schülerschaft weitestgehend selbst entscheidet, wie, wo und womit sie lernt. Die Lehrekräfte haben eine andere Rolle. Sie sind Lernbegleiter und Coaches, die die Schüler, die Lernpartner, beim eigenständigen Lernen ?anleiten und unterstützen (Schulen der Zukunft – Gelebte Utopien).
Wie lassen sich visionäre Schulkonzepte erarbeiten?
Idealerweise beschäftigt sich die Ruhr-Universität bereits seit langem mit visionären Lern- und Schulkonzepten von morgen (Re-thinking Education- Unterwegs zur Schule von morgen). Zusammen mit Lehrern und Lehrerinnen sowie anderen Pädagogen, die an Bochumer Schulen unterrichten und sich für neue, visionäre Konzepte interessieren, könnte eine Expertenrunde gebildet werden, in der die entsprechenden Konzepte für beide Schulen entwickelt und erarbeitet werden.
Da die Gesamtschule neu errichtet werden soll, bietet es sich an, die Planung und Gestaltung der erforderlichen Schulräumlichkeiten in die Entwicklung des neuen visionäre Schulkonzepts mit einzubeziehen. Denn Schulen sehen in Zukunft auch ganz anders aus, als wir es bisher von klassischen Schulen kennen. Statt Klassenzimmern gibt es Inputräume oder Lernateliers, die eher ausgestattet sind wie Wohnzimmer, weil das Lernen auch Spaß machen soll und die Schulräumlichkeiten selbst eine Wohlfühlatmosphäre ausstrahlen sollen.
Auf diese Weise könnte Bochum zu zwei weiterführenden Schulen kommen, die Vorbild für weitere Schulen in Bochum aber auch für Schulen weit über die Stadtgrenzen hinweg sein können. Darüber hinaus könnte die Stadt mit diesem Vorgehen ihren Ruf als Wissens- und Bildungsstadt stärken. Neben dem Haus des Wissens könnte die Entwicklung der Vorbildschulen ein weiterer überregional beachteter Baustein der Bochum Strategie sein, mit der die Stadt ihren Ruf als “Talentschmiede im Ruhrgebiet” untermauert. (Die Kompetenzen der Bochum Strategie – Talentschmiede im Ruhrgebiet).
Durch den Aufbau zweier neuer weiterführender Schulen mit vorbildlichen Schul- und Lernkonzepten ergibt sich für die Stadt die einmalige Chance, sich als Vorreiter in Sachen moderner Schulentwicklung für die Bildung von morgen zu profilieren. Sie kann Vorbildschulen für ganz Deutschland schaffen und die Schullandschaft in Bochum einen entscheidenden Schritt in Richtung Zukunft voranbringen. Nach Ansicht der STADTGESTALTER dürfen Politik und Verwaltung diese Chance unter keinen Umständen verspielen.
Nach der Fehlentscheidung zahlreiche Grundschulen zu schließen, hat es die Stadt versäumt rechtzeitig neue Klassenräume und Schulen zu bauen. So müssen viele Grundschulkinder jetzt in Containern unterrichtet werden, wobei selbst die an sechs Schulen fehlen. Wieder einmal zeigt sich das Desinteresse von Stadt und Stadtpolitik an Bildung und guten Schulen.
Wie viel Wert eine Stadt und die Stadtpolitik Bildung und Schulen beimessen, zeigt sich am Zustand und der Ausstattung der städtischen Schulen. Eine Stadt die Schulkinder in Containern unterbringt, weil sie es fahrlässig versäumt hat, entsprechend der prognostizierten Entwicklung der Schülerzahlen rechtzeitig die benötigten Klassenräume zu bauen, bringt deutlich zum Ausdruck, was von sie von Schulen und Bildung hält, nämlich wenig.
2012 – Der Auslöser des Problems: Schließung der Grundschulen
Das Problem von zu wenig Klassenräumen hat die Stadt selbst geschaffen. 2012 beschloss die Politik die Zahl der Grundschulen von 51 auf 43 zu reduzieren. Vorhersehbar falsche Annahmen über die Entwicklung der Schülerzahlen führten zu dieser folgenschweren Fehlentscheidung, Bei der Berechnung des Raumbedarfs war die Schulverwaltung im damaligen Schulentwicklungsplan von einer Schülerzahl von 28-30 Kindern für jede Klasse ausgegangen, obwohl vom Land längst eine Herabsetzung auf 22-23 Kinder pro Klasse beschlossen worden war (Das Märchen von Schulschließungen aufgrund abnehmender Schülerzahlen).
Obwohl sie es besser hätte wissen müssen, schloss die Bochumer Politik vier Grundschulen ganz, dazu drei Teilstandorte. Vier weitere Grundschulen wurden zu Teilstandorten anderer Schulen degradiert. In Summe fielen 76 Klassenräume für über 1.700 Schüler und Schülerinnen weg.
2018 – Die große Zahl fehlender Klassenräume wird erkannt
Im Verfahren zur Aufstellung des folgenden Schulentwicklungsplans bis zum Jahr 2018 stellt die Stadt wenig überraschend fest, dass die Zahl der benötigten Klassenräume in Folge der geschlossenen Schulen dramatisch zu niedrig lag. Auf einmal stellt man fest, dass in den nächsten 5 Jahren die Zahl der Grundschüler um 1.220 steigen würde und im Schuljahr 2022/23 in den städtischen Schulen insgesamt 12.025 Kinder unterrichtet werden müssten. Bei der angestrebten durchschnittlichen Klassengröße von 22,5 Schülern würden Räume für 534 Klassen benötigt. Übriggeblieben waren aber nur Räumlichkeiten für 447 Klassen (Entwicklungsplan für die Grundschulen ist unbrauchbar)
In der Stadt stellte also bereits 2018 fest, dass ein zusätzlicher Bedarf an Räumlichkeiten für 80 bis 90 Klassen bestehen würde. Wobei nur ein Teil des Bedarfs durch die Reaktivierung von Räumlichkeiten in bestehenden Grundschulen, besonders Teilstandorten befriedigt werden könne, Um die verbleibenden Räumlichkeiten bereitstellen zu können, müssten trotzdem vier bis fünf Grundschulen (= 48 bis 54 zusätzliche Klassenräume) neu gebaut werden oder die bestehenden Grundschulstandorte um entsprechend viele neue Klassenräume erweitert werden (Falsche Grundschulschließungen kosten die Stadt 50 Mio. Euro).
Der Neubau von zusätzlich vier 4-zügigen Grundschulen kostet bei derzeitigen Baukosten mindestens 90 Mio. Euro., denn die Kosten für den Ersatzneubau der Feldsieper Grundschule liegen aktuell bei 23 Mio. Euro (WAZ vom 06.09.21). Werden statt Schulneubau die bestehenden Schulen um neu zu bauende Klassenräume erweitert, wird das aufgrund der zusätzlichen Kosten für das Bauen im Bestand und der höheren Fixkosten aufgrund der höheren Zahl an Baustellen in Summe voraussichtlich nicht viel günstiger. Schon 2018 wurde also erkennbar, die politische Fehlentscheidung von 2012 würde für die Stadt ein sehr teures Nachspiel haben.
Bis 2023 – Die Schulverwaltung sitzt das Problem aus
Obwohl schon der Schulentwicklungsplan 2018 den umgehenden Neubau von mindestens 48 neuen Klassenräumen hätte zur Folge haben müssen, geschah in dieser Hinsicht in den folgenden 5 Jahren nichts. In der Stadt der gepflegten Langsamkeit blieb die Schulverwaltung untätig und hoffte, das Problem würde sich von selbst lösen.
Darüber hinaus weigerte sich die Politik von sich aus die erforderlichen Maßnahmen zu beschließen und das nötige Geld bereit zu stellen. Entsprechende Anträge von STATGESTALTERn, CDU und FFB um Planung und Bau der benötigten Grundschulen endlich auf den Weg zu bringen, lehnte die Rot-Grüne-Koalition zuletzt 2022 in den Beratungen für den Stadthaushalt 2023/24 ab (Anträge 3a, 3b und 15).
Gleichzeitig musste die Stadtverwaltung aufgrund der Prognosen zu den Schülerzahlen für den neuen Schulentwicklungsplan 2022 erkennen, dass sich das Raumproblem an den Schulen nicht in Luft auflösen würde. Gemäß letzter Prognose soll die Zahl der Schulkinder bis zum Schuljahr 2025/26 auf fast 12.500 steigen und auch 10 Jahre später (2035/36) noch bei 11.200 liegen.
Notlösung Container
Da die Schulverwaltung es jedoch über 5 Jahre verpasst hatte vorausschauend zu handeln und rechtzeitig für eine ausreichende Zahl neuer Klassenräume zu sorgen, blieb nur Zeit für eine eilig zusammengeschusterte Notlösung. Bis zum Schuljahr 2022/23 brachte man 20 Klassen in Containern unter, bis 2023/24 sollten weitere 24 folgen und dann noch zwei weitere bis zum Ende des gleichen Schuljahrs (WAZ vom 25.04.23).
Allerdings gelang auch dieser Plan nicht. Zu Beginn dieses Schuljahrs blieben an sechs Grundschulstandorten die geplanten Containeraufstellplätze auf den Schulhöfen leer. Die Stadt hatte eine rechtzeitige Bestellung versäumt (WDR vom 09.08.23). Mangels Klassenräumen müssen die Schulen jetzt improvisieren.
Nachdem Grüne und SPD das Problem selbst verursacht haben, indem sie zunächst die Grundschulen geschlossen und dann die rechtzeitige Errichtung der erforderlichen Klassenräume verhindert hatten, zeigten sie sich jetzt scheinheilig verärgert darüber, dass die Kinder in Containern untergebracht werden müssen, bzw. gar die Container dafür fehlen. Zudem werden fehlende Sanitäreinrichtungen an den Container bemängelt (WAZ vom 23.05.23).
Nur mit guten Schulen lassen sich Lehrkräfte und Familien für die Stadt gewinnen
Die grundsätzliche Einsicht, dass man nur mit gut ausgestatteten Schulen im besten baulichen Zustand Familien und Lehrkräfte für die Stadt gewinnen kann und nicht mit im Hauruck-Verfahren auf dem Schulhof aufgebauten Containerklassen (Lehrkräftemangel in Bochum hat auch lokalpolitische Gründe), scheint bei den Verantwortlichen indes weiterhin zu fehlen. Auch das gerade für eine gute Integration und geringe Arbeitslosigkeit optimal ausgestattete Schulen die Voraussetzung sind (Alarmierende Zahlen – Höchste Zeit sich ernsthaft um Integration zu bemühen), scheint in der Stadtpolitik bisher nicht angekommen zu sein.
So wird die schlechte Schulpolitik der letzten Jahrzehnte auch in der Bochumer Sozialstatistik bei den Schulempfehlungen sichtbar. Bis zum Schuljahr 2019/20 erreichte in fünf Stadtbezirken (Westenfeld, Hamme, Werne, Kruppwerke, Wattenscheid-Mitte) die Mehrheit der Bochumer Grundschüler und -schülerinnen im Durchschnitt keine uneingeschränkte Empfehlung für die Realschule. Zum Schuljahr 2021/22 hat sich die Zahl um einen weiteren Bezirk (Günnigfeld) erhöht (Interaktive Sozialbericht Bochum). Anstatt sich zu verbessern, verschlechtert sich die Lage an den Grundschulen.
In Bochum ist die Stadtpolitik bisher nur bereit in Schulen zu investieren, wenn die Kosten dafür zu einem wesentlichen Teil von Land oder Bund übernommen werden.
Man gibt große Teile der Investitionen in Schulgebäude zudem für wenige Prestigeprojekte aus, die sich auch aufgrund von schlechtem Projektmanagement unfassbar verteuern. Allein das Schulzentrum Gehrte wird nach derzeitigem Stand um 69 Mio. Euro, teurer als ursprünglich geplant, das Projekt Gesamtschule Mitte/ Feldsieper Schule um 40,5 Mio. Euro (Kosten für Gesamtschule explodieren). Das Geld, das nur diesen beiden Bauprojekte zusätzlich kosten, hätte also locker ausgereicht, um die 48 zusätzlich erforderlichen Klassenräume an den Grundschulen im Zeitraum 2018-2023 zu errichten.
Zusammenfassung: 5 Ursachen für das Container-Desaster
Die Ursachen für das Container-Desaster lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Für Stadt und Stadtpolitik haben die Bedürfnisse von Schulkindern und Schulen keine Priorität. 2. Man ist nicht bereit, die nötigen Gelder für baulich gute und gut ausgestattete Schulen bereit zu stellen. 3. Vorhandene Gelder werden in außer Kostenkontrolle geratenen Bauprojekten verschwendet. 4. Die Stadt gefällt sich in gepflegter Langsamkeit. Man ist nicht bereit und in der Lage drängende Probleme wie die Unterbringung von Kindern in geeigneten Klassenräumen, rechtzeitig und vorausschauend zu organisieren. 5. Es fehlt die Bereitschaft, das Schulverwaltungsamt effizient zu organisieren, und Schulen und Bildung in den Mittelpunkt der Stadtpolitik zu stellen
Somit ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Schulverwaltung durch den nächsten Skandal auffällig wird.
Böse Überraschung bei einigen Bochumer Grundschulen: Ab dem nächsten Schuljahr sollen die Kinder nicht mehr von dem Träger im offenen Ganztag betreut werden, mit dem die Eltern, Kinder und Lehrkräfte seit Jahren hochzufrieden sind. Ab dem 01.08.23 soll ein anderer übernehmen. Obwohl die Schulen die Betroffenen sind, wurde die Neuvergabe an ihnen vorbei organisiert. Eltern, Schulleitungen und Lehrkräfte sind aufgebracht. Um die Vorgänge aufzuklären haben die STADTGESTALTER Akteneinsicht genommen.
Beispiel Frauenlobschule, Bochum-Hiltrop: Seit Jahren organisiert der gemeinnützige Träger Outlaw gGmbH mit großem Einsatz und enger Einbindung in die Schulgemeinschaft den offenen Ganztag. Jetzt teilt das Schulverwaltungsamt mit, ab August 2023 wird die SPD-nahe AWO, die Organisation des offenen Ganztagstags (OGS) übernehmen. Ausgerechnet der Träger soll zukünftig wieder die Kinder im offenen Ganztag betreuen, dessen Vertrag die Schulkonferenz vor Jahren gekündigt hatte, weil dieser den Anforderungen der Schule an die OGS nicht gerecht wurde.
Schulen. Eltern und Lehrkräfte beklagen Intransparenz und fehlende Beteiligung
Eltern, Lehrkräfte und Schulleitung der Frauenlobschule wie weiterer Grundschulen sind erzürnt, dass die Neuvergabe über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde und sie als Betroffene nicht wirklich in das Vergabeverfahren eingebunden wurden (WAZ vom 17.03.23).
Die STADTGESTALTER nahmen Akteneinsicht, um zu prüfen wie die Vergabefahren gelaufen sind. Es bestätigt sich, die Beteiligung der Schulen bzw. der Schulkonferenzen, dem höchsten Gremium jeder Schule, dass bei Grundschulen paritätisch durch Eltern wie Lehrkräfte besetzt ist, war in jeder Hinsicht unzureichend. Darüber fiel auf, dass bei den Verfahren in einem Punkt die Vorgaben des Schulgesetztes missachtet wurden.
Eigentlich sollte man erwarten, dass eine solch wichtige Entscheidung, wie wer die Schulkinder auf welche Weise im offenen Ganztag (OGS) betreut, nur in enger Abstimmung mit den betroffenen Schulen erfolgt. Denn die Eltern und Lehrkräfte vor Ort wissen naturgemäß am besten, wie der Ganztag an der Schule organisiert werden sollte und von wem. Doch die Akteneinsicht ergab, die Schulen wurden außen vorgelassen.
Die Ergebnisse der Akteneinsicht
Eine Beteiligung der Schulen fand eigentlich nur am Anfang der Vergabeverfahren statt. Alle Schulen sollten der Schulverwaltung ein von der Schulkonferenz beschlossenes OGS-Konzept zusenden.
Bewertungsgremium wurde nicht eingerichtet – Gemäß den Beschlüssen des Stadtrates vom 28.09.2017 (Vorgänge 20172075 und 20172076) sollte im nächsten Schritt des Verfahrens zu jeder Schule ein Bewertungsgremium gebildet werden, das die im Vergabeverfahren eingehenden Bewerbungen von möglichen OGS-Trägern bewerten sollte. Dieses Bewertungsgremium sollte aus fachkundigen Vertreterinnen und Vertretern des Schulverwaltungsamtes der Stadt Bochum sowie der jeweiligen Schule bestehen.
Entgegen den Vorgaben der entsprechenden Ratsbeschlüsse, bildete das Schulverwaltungsamt jedoch keine entsprechenden Bewertungsgremien. Stattdessen stellte die Verwaltung eine Bewertungsmatrix mit 3 Hauptkriterien auf, die sich in insgesamt 10 Unterkriterien untergliedern. 9 der 10 Kriterien wurden durch den Stadtrat vorgegeben (Vorgang 20172075), ein weiteres Unterkriterium fügte die Verwaltung hinzu.
Bewertungskriterien und Gewichtung unzureichend – Dazu nahm die Verwaltung eine Gewichtung der Kriterien vor. Auch diese wurde weder vom Stadtrat vorgegeben, noch mit den Schulen abgesprochen. Ebenfalls wurde den Schulen nicht die Möglichkeit gegeben den Kriterienkatalog um eigene Wertungskriterien zu erweitern, mit denen bei der Bewertung schulspezifische Besonderheiten hätten berücksichtigt werden können. Im vorgesehenen Bewertungsgremien hätten die Bewertungskriterien und deren Gewichtung zwischen Schulverwaltung und Schulen besprochen und abgestimmt werden müssen. Das konnte mangels entsprechender Gremien nicht geschehen.
Zudem erscheint die Gewichtung einiger Kriterien fragwürdig. So wurde die laufende Fortbildung der OGS-Kräfte höher gewichtet als deren Quantität und Qualität.
OGS-Konzepte nicht ausreichend berücksichtigt – Das von den Schulen ausgearbeitete OGS-Konzept floss so gut wie gar nicht in die Bewertung ein. Die Mühe eigene Bewertungskriterien in die Bewertungsmatrix aufzunehmen, um bei der Bewertung die besonderen Merkmale des OGS-Konzeptes der jeweiligen Schule berücksichtigen zu können, sparte man sich. Es wurde lediglich ein allgemeines Unterkriterium “Berücksichtigung schulspezifischer Besonderheiten” aufgenommen und mit nachrangiger Gewichtung versehen, so dass das eingereichte OGS-Konzept letztlich für die Bewertung der Angebote der möglichen OGS-Träger quasi bedeutungslos wurde.
Punktevergabe fragwürdig – Auch die Bewertung der Angebote der möglichen Träger nach den einzelnen Kriterien erfolgte auf fragwürdige Weise. Für jedes Unterkriterien konnte die Erfüllung des jeweiligen Kriteriums prinzipiell mit 10, 8, 6, 4 oder 2 Punkte bewertet werden. Jedoch wurde die Vergabe von 8 Punkten bei acht von zehn Kriterien unmöglich gemacht. Das führt im Ergebnis zu einer unangemessen hohen Punkteabwertung für den Fall, in dem ein Angebot in einer Bewertungskategorie nur knapp besser war als das andere, also eigentlich die Bewertung 10 zu 8 Punkten angemessen gewesen wäre, jetzt aber die nur leicht schlechtere Erfüllung des Kriteriums automatisch zu einer Abwertung um 4 (auf 6 Punkte) statt nur um 2 Punkte (auf 8 Punkte) führte, was sich letztlich unangemessen stark auf die Gesamtbewertungszahl auswirkt.
Ohnehin fraglich erscheint wie eine Bewertung der Kriterien nach Punkten möglich war, da die Vorgaben des Rates eigentlich nur eine Bewertung, Erfüllung des jeweiligen Kriteriums oder Nicht-Erfüllung des Kriteriums möglich macht. (Vorgang 20172076).
Fehlender Realitätscheck bei Konzepten der Träger – Weiterhin erscheint bedenklich, dass in die Bewertung nur eingeflossen ist, was die möglichen OGS-Träger in ihren Konzepten vollmundig versprochen haben bzw. als prinzipiell möglich angekündigt haben. So versprechen die Träger beispielsweise eine bestimmte personelle Ausstattung. Angesichts des aktuellen Personalmangels im sozialen Bereich ist aber fraglich, ob das zugesicherte Personal dann real auch bereitgestellt werden kann. Denn das Personal, das gemäß Angebot an den offenen Ganztagsschulen eingesetzt werden soll, haben die möglichen Träger nicht etwa schon angestellt, nein, sie müssen es erst einstellen, wenn ihnen die Trägerschaft der OGS tatsächlich übertragen wird. So sucht die AWO-Ruhr-Mitte aktuell händeringend Personal für dutzende Stellen (Stellenangebote AWO).
Entscheidung allein auf Basis der Bewertung der Verwaltung – Die Bewertung der Konzepte der möglichen Träger erfolgte letztlich durch die Verwaltung, die Schule wurde, anders als der Stadtrat es vorgesehen hatte, nicht beteiligt. Zwar wurde der Schulleitung die Bewertungsmatrix vorgelegt, damit sie zu 9 von 10 Unterkriterien eine eigene Bewertung abgeben konnte. Jedoch wurde anschließend diese Bewertung ohne Rücksprache mit Schule und Schulleitung verworfen und durch eine eigene Bewertung der Verwaltung ersetzt. Die Auswahl des zukünftigen OGS-Trägers erfolgte damit ausschließlich auf Grundlage der Bewertung durch die Verwaltung..
Eigentlich hätte in dem Bewertungsgremium Einvernehmen über die Bewertung zwischen Schulverwaltungsamt und Schulen bzw. Schulkonferenz und hinsichtlich der Auswahl des zukünftigen OGS-Trägers hergestellt werden müssen. Dazu konnte es jedoch nicht kommen, da solche Gremien gar nicht geschaffen wurden. Die Verwaltung entschied über die Köpfe der Schule hinweg.
Zustimmung von Schulkonferenzen wurde nicht eingeholt – Es folgte am 21.12.2022 eine Mail an die Schulleitungen, dass diese dringend den entsprechenden Vergabeentscheidungen des Schulverwaltungsamtes zustimmen müssten, also im Fall von mindestens drei Grundschulen auch einem völlig unerwarteten Wechsel des Trägers der OGS zum neuen Schuljahr 2023/24 (WAZ vom 01.03.23).
Allerdings bedarf es gemäß §65 (2) 3. i.V.m. § 9 (3) SchulG-NRW nicht der Zustimmung der Schulleitung, sondern der Schulkonferenz, wenn im Anschluss an eine Vergabe eine Kooperationsvereinbarung zwischen Schulträger und dem zukünftigen Träger der OGS geschlossen werden soll. Das Schulverwaltungsamt versuchte jedoch die Kooperationsvereinbarungen ohne Beteiligung der Schulkonferenzen zu schließen. Dies ist ausweislich des Wortlauts des Schulgesetzes rechtswidrig.
Gemäß den Vorgaben des Schulgesetzes müssen an allen betroffenen Grundschulen die Schulkonferenzen einberufen werden, um ihnen die beabsichtigten Kooperationsvereinbarungen vorzulegen und über diese abstimmen zu lassen. Wird in einer Schulkonferenz einer Vereinbarung nicht zugestimmt, wird diese nichts rechtwirksam. Der ausgewählte Träger kann ohne Zustimmung der Schulkonferenz nicht mit der Übernahme der OGS beauftragt werden. Eine Zustimmung allein der Schulleitung ohne zustimmenden Beschluss der Schulkonferenz ist rechtswidrig und hat keine Rechtskraft.
Nach aktuellem Kenntnisstand hat sich nur an einer der betroffenen über 50 Grund- und Förderschulen die Schulkonferenz mit der Kooperationsvereinbarung beschäftigt und darüber abgestimmt. An der Frauenlobschule hat die Schulkonferenz am 28.03.23 einstimmig beschlossen der Kooperationsvereinbarung aufgrund der ungenügenden Beteiligung der Schule und der mannigfachen Verfahrensmängel im Vergabeverfahren nicht zuzustimmen.
Dringend sind Beschlüsse der Schulkonferenzen gemäß §65 (3) i.V.m. §9 (3) SchulG-NRW an allen anderen Schulen nachzuholen. Die Schulleitungen sind gesetzlich verpflichtet die Schulkonferenzen einzuberufen und die Mitglieder und Mitgliederinnen des Gremiums über den Ablauf der Vergabeverfahren zu informieren, über die Mängel der Beteiligung zu beraten und die beabsichtigten Kooperationsvereinbarungen zur Abstimmung vorzulegen. Sollten Kooperationsvereinbarungen ohne Zustimmung der Schulkonferenz von Schulleitungen unterschrieben worden sein, sind diese Unterschriften zur “Zustimmung” umgehend zurück zu ziehen.
Fazit
Zusammenfassend ist festzustellen, die Einschätzung der Schulen, Eltern und Lehrkräfte der betroffenen Schulen ist richtig. Eine echte Beteiligung der Schulen gab es nicht. Das Vergabeverfahren war für die Schulen intransparent. Die Vorgaben des Stadtrates (Bewertungsgremium) wie des Schulgesetzes (Zustimmung Schulkonferenz), in welcher Weise die Schulen bzw. Schulkonferenzen hätten an dem Verfahren beteiligen werden müssen, wurden missachtet.
Darüber hinaus fand zudem keine Beteiligung statt wie sie in der Sache angemessen gewesen wäre. Die Organisation der OGS ist ein wesentlicher Bestandteil des Schullalltags und des Lebens der Kinder an den Schulen. Eine gut geführte und in den Unterrichtstag eingebundene OGS hat einen entscheidenden Einfluss auf den Schulerfolg. Es hätte also von Seiten der Verwaltung alles dafür getan werden müssen, die Schulen an den OGS-Vergabeverfahren zu beteiligen und ihre Ein- und Vorgaben zu berücksichtigen. Das Ziel hätte sein müssen, die Entscheidung, wer zukünftig die OGS trägt, gemeinsam mit den Schulen zu treffen. Die Verwaltung hatte sicher zu stellen, dass das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wird und alle Belange der Schulen in den Verfahren berücksichtigt werden. Es war und ist aber nicht ihre Aufgabe – ohne die Schulen zu kennen – über die Köpfe von Eltern, Schulleitung und Lehrkräften hinweg für diese Entscheidungen zu treffen. Das Selbstverständnis der Verwaltung bedarf in dieser Hinsicht dringend einer Korrektur.
Neue Vergabeverfahren
Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Stimmen Schulkonferenzen den Kooperationsvereinbarungen mit zukünftigen OGS-Trägern aufgrund der Mängel im Vergabeverfahren und ihrer ungenügenden Beteiligung nicht zu, ist das Vergabeverfahren nach Ansicht der STADTGESTALTER zu wiederholen, auch wenn das Schadenersatzforderungen, der von der Verwaltung ohne Rücksprache mit den Schulen ausgewählten Träger nach sich zieht.
Selbst an einfachsten Aufgaben, wie der Anschaffung von Radabstellanlagen für die Bochumer Schulen, scheitert die Bochumer Verwaltung. Selbstverliebt beschäftigt sie sich seit Jahren mit sich selbst, statt endlich die benötigten Fahrradständer zu kaufen und auf den Schulhöfen aufzustellen.
Bildung und Verkehrswende sind zwei wichtige Bausteine für eine erfolgreiche und lebenswerte Stadt. Nicht nur darum werden diese beiden Punkte in vielen Verlautbarungen und Reden von Oberbürgermeister, Politik und Stadt als Schmuck ins eigene Schaufenster gestellt. Dass Bochum aber gerade in diesen Schnittpunkten recht blank dasteht, kann nicht mit Nachsicht betrachtet werden.
Sichere Radwege und Abstellanlagen kennen viele Schüler*innen in Bochum gar nicht
Für Schüler*innen stellt das Fahrrad das einzige individuelle Verkehrsmittel dar. Es verschafft Menschen die erste Freiheit, sich selbstbestimmt in ihrem Umfeld zu bewegen. Doch die Stadt beschneidet diese Möglichkeiten fahrlässig und lässt die individuelle Mobilität der Jüngsten, Jüngeren und Kleinen brach liegen. Weder finden sich ausreichend Radwege, um sicher zur Schule zu kommen, noch gibt es an den Schulen selbst sichere Radabstellanlagen. Der Schulweg endet bereits an der Bordsteinkante im Nirvana.
Das abgewetzte und oftmals fragwürdige Sprichwort von dem vielbemühten Hänschen, dem Hans und dem Lernen passt in diesem Falle leider wie die Faust aufs Auge. Und hat die gleichen schmerzhaften Auswirkungen. Lernen Kinder nicht frühzeitig, sich verantwortungsvoll und sicher im Straßenverkehr zu bewegen, dann fällt es ihnen später deutlich schwerer. Es geht also nicht nur um Komfort und Bewegungsfreiheit, sondern auch um Gefahrenprävention.
Gefährlich sind aber nicht nur die pädagogischen Konsequenzen, sondern auch die einfache Tatsache, dass irgendwie der Weg vom Kinder- ins Klassenzimmer physisch überwunden werden muss. Gibt es keine sicheren Radwege und keine Radabstellanlagen, dann fährt häufig das Elterntaxi vor. Nicht nur, dass dieser Chauffeurdienst zusätzlich Gift auf den zarten Keimling der Selbstständigkeit schüttet – Die Staffeln an Elterntaxen, die anfahren, halten, abbiegen, einparken, rausziehen und manchmal hupen und fluchen, stellen zwei Tonnen an kinetische Gefahr für die Kleinen dar, die zwischen Blech und Alu zu Fuß oder doch mit dem Rad zur Schule wuseln müssen.
Zur Karikatur wird dieser Zustand spätestens dann, wenn der Polizist zur Verkehrserziehung in die Klassen kommt und niemand weiß, wo man sein Rad an der Schule überhaupt hinstellen soll oder das Fahrrad des Sprösslings gleich aus dem Kofferraum des SUV gewuchtet wird. Es könnte auch ein Astronaut den Schülern von seiner Reise ins All berichten – die Inhalte wären kaum weniger lebensnah und realistisch für die Kinder.
Verwaltung scheitert bereits daran an den Schulen ausreichend Radabstellplätze zu schaffen
Dabei geht es gar nicht um Raketenphysik. Die Verwaltung wird viel mehr durch eine ganz bodenständige Allerweltsaufgabe an den Rand ihrer Belastungsgrenze gebracht. Radabstellanlagen baut diese schließlich zwar seltener als notwendig, aber dennoch immerhin mit gewisser Regelmäßigkeit seit Jahren im öffentlichen Straßenraum ein. Das Prinzip eines im Boden installierten Bügels, an den man sein Fahrrad mit einem Schloss anbinden kann oder einer Abstellanlage für gleich mehrere Räder funktioniert überall in Bochum und sogar in anderen Städten gleich. Auch auf unseren Schulhöfen.
Es bedarf nur weniger Anrufe, um die auf dem Markt verfügbaren Abstellanlagen zu bestellen. Ausgefuchste Planungen und Prioritätenlisten, die teure Arbeitszeit von teuren Bediensteten binden, kann man sich sparen, weil der Status aller Schulen beinahe gleich schlecht ist. Die traurige Realität, welche die Verwaltung auf Anfrage der STADTGESTALTER offenbaren musste: Bereits im Juni 2020 stellte die Verwaltung mittels einer Abfrage an den Schulen fest (Anlage zu Vorlage 20212223), an ausnahmslos allen(!) Bochumer Schulen fehlen brauchbare Ständer für Fahrräder. Ja, an allen. An keinem(!) Standort sind auch nur annähernd(!) ausreichend Radabstellanlagen vorhanden. Und wo doch ein paar Abstellanlagen eingesprenkelt sind, dann sind es überwiegend felgenfressende Vorderradhalter, die jedem Fahrraddieb die Freudentränen in die Augen schießen lassen. Auf 41.757 Schüler*innen kommen in Bochum sage und schreibe 153 Anlehnbügel, das sind 306 Radabstellplätze, die den Namen verdienen. Beschämend, nur 0,73% der Schüler und Schülerinnen können ihr Rad sicher an ihrer Schule abstellen oder anders herum, für 99,27% der Schüler*innen gibt es auf den Schulhöfen keine brauchbaren Fahrradständer.
Ein Vorschlag zur Rettung: In einem Sofortprogramm kann man an jeder Schule Abstellanlagen aufstellen. An jeder Grundschule Anlagen für die sichere Abstellung von 60 Fahrrädern, bei weiterführenden Schulen für 200 Räder. Einen Fehler kann man gar nicht machen. An keinem Standort wären nach dem Sofortprogramm zu viele Radständer vorhanden.
Was macht die Stadt? Die verweist auf das bereits jahrelang verschleppte Radverkehrskonzept. In diesem sollen dann in jedem Stadtbezirk zunächst eine(!) weiterführende Schule von einem externen Büro u.a. auf Radabstellanlagen untersucht werden (Vorlage 20212223). In dem Tempo brauchen die ältesten Kinder, denen heute Radabstellanlagen fehlen, wohl schon Rollatorabstellplätze.
Die Verwaltung beschäftigt sich mit sich selbst, statt die eklatanten Missstände zu beseitigen
Der vorliegende Fall zeigt exemplarisch wie ineffizient und lustlos teilweise in der Verwaltung gearbeitet wird. Statt die Beseitigung von Missständen zeitnah und zielorientiert anzugehen, werden Mitarbeiter*innen über Jahre mit der Erstellung von sinnfreien Abfragen und Konzepten beschäftigt (Stadtplanung: Ausufernde Konzeptflut sorgt für Zeit- und Geldverschwendung). Oft geht es in der Verwaltung nicht darum für die Menschen in der Stadt sinnvolle Verbesserungen zu schaffen, vielmehr geht es um die Selbstbeschäftigung der Mitarbeiter*innen, also allein darum mit sinnfreier Arbeit deren Anstellung und Bezahlung zu rechtfertigen.
Seit Jahrzehnten wissen alle, dass an keiner einzigen Bochumer Schule auch nur ansatzweise so viele Radständer vorhanden sind, wie gebraucht werden. Für diese Erkenntnis war keine aufwendige Abfrage erforderlich. Die Schulen benötigen keine Gutachten und Konzepte, in denen Verfahren und Prioritätenlisten entwickelt werden, welche Schulen als erstes die begehrten Abstellanlagen erhalten sollen. Das ist nichts weiter als Zeit- und Geldverschwendung. Alle Schulen benötigen dringend nur eins: Fahrradständer, jetzt und sofort.
Auch helfen den Schulen keine Pilotprojekte, in denen untersucht wird, welche Radabstellanlagen, am besten geeigneten sind. In tausenden Schulen in Deutschland werden jeden Tag hunderte Räder abgestellt. Welche Ständer taugen und welche nicht, ist bekannt, das kann die Verwaltung in einer Fahrradstadt auf dem kurzen Dienstweg erfragen.
Für die rund 100 Bochumer Schulen könnte die Stadt auf einen Schlag pauschal Abstellanlagen für 14.000 Räder anschaffen und diese auf alle Schulen verteilen. Sind die aufgestellt, sieht man nach kurzer Zeit, an welchen Schulen noch Abstellplätze fehlen. In einer zweiten Runde können die dann nachbestellt und ergänzt werden. Das Vorgehen ist denkbar einfach und mit dem nötigen Willen ohne Probleme binnen eines Jahres umsetzbar.
Doch in Bochum sind seit Zählung der Abstellanlagen durch die Verwaltung im Jahr 2020 schon wieder fast 3 Jahre vergangen, in denen an den Schulen immer noch nichts passiert ist. Die mangelhafte Arbeitsleistung der Verwaltung ist unerträglich, es fehlt offensichtlich an der Kompetenz selbst einfachste Aufgaben schnell und effizient zu erledigen. Den Willen, Missstände zeitnah und ergebnisorientiert zu beseitigen, sucht man ohnehin vergeblich.
Die Stadtverwaltung beauftragt immer mehr Konzepte, Untersuchungen und Gutachten. Die sind teuer und nicht selten nutzlos. Manche werden nie umgesetzt, andere haben wenig Aussagekraft, wieder andere dienen lediglich als Alibi für unpopuläre Entscheidungen. Hinzu kommen jene, die nur erstellt werden, weil es dafür Fördermittel gibt und solche, die in Auftrag gegeben werden um Zeit zu gewinnen.
Um Projekte zu realisieren und strategische Ziele zu erreichen, ist es grundsätzlich sinnvoll Konzepte zu entwickeln, die anschließend konsequent und zielgerichtet umgesetzt werden. Auch mit der Erstellung solcher Konzepte externe Fachleute zu beauftragen ist in der Regel für die Verwaltung von Vorteil, weil die beauftragten Büros auf die nötigen Untersuchungen spezialisiert sind, themenbezogen über entsprechend viel Erfahrungen aus anderen Städten verfügen und sie die neusten Erkenntnisse und Lösungsansätze aus den entsprechenden Wissensbereichen in die Konzepte einbringen können.
Die Verwaltung besitzt nicht die personellen Ressourcen und speziellen Kenntnisse, Konzepte wie etwa zum Klimaschutz oder zur Schuldigitalisierung selbst zu entwickeln. Ihre Aufgabe ist es die Konzepte auf die städtischen Bedingungen anzupassen und dann Schritt für Schritt, Maßnahme für Maßnahme zu realisieren.
In Bochum konnte man in den letzten Jahren zwar eine wahre Konzeptflut beobachten, bei der Realisierung und Umsetzung hapert es allerdings. Aber auch in anderer Hinsicht macht der städtische Umgang mit der Erstellung und Umsetzung von Konzepten stutzig.
Fragwürdiger Umgang mit Konzepten
Konzepte werden beauftragt und nur ansatzweise bis gar nicht umgesetzt – Ein in Bochum leider nicht selten zu beobachtender Vorgang. Es werden Konzepte erstellt, die eine Vielzahl von Maßnahmen vorsehen, die umgesetzt werden sollen, um die in den Konzepten lang und breit ausformulierten Ziele zu erreichen. Danach werden dann aber nur wenige der Maßnahmen tatsächlich angegangen. Nach einer gewissen Zeit verschwinden die Konzepte sang und klanglos in der Schublade. Gegenüber er Politik zugesagte Berichte zum Stand der Umsetzung finden nicht statt. Typische Konzepte die dieses Schicksal ereilt haben, ist das Klimaschutzteilkonzept Verkehr oder das Radverkehrskonzept 1999 (Trauriges Jubiläum – 20 Jahre Radkonzept, kaum Zählbares passiert).
Auf der anderen Seite gibt es Konzepte, die werden beauftragt und anfertigt, die Ergebnisse passen der Verwaltung aber nicht, also haben sie keinerlei Auswirkungen. Man wartet ein paar Jahre ab und beauftragt dann ein neues Konzept zu gleichem Sachverhalt. So geschehen bei der Planung zum städtischen Bäderkonzept. Die Ergebnisse des Wasserflächenbedarfskonzept von 2015 passte den Verantwortlichen nicht, also wurde 2021 die Erstellung ein neuen beauftragt (WasserWelten Bochum legen Bäderkonzept vor). Jetzt passten die Ergebnisse zu den beabsichtigten Planungen, bis dahin lagen die Schwimmbadplanungen 6 Jahre auf Eis.
Wieder andere Konzepte werden insbesondere deshalb erstellt, weil die Erstellung mit Fördermitteln gefördert wird. Um die Stellen der Klimaschutzmanager finanziert zu bekommen, wurden 2014 insgesamt fünf Klimaschutz(teil-)konzepte sowie ein Klimaanpassungskonzept entwickelt, eine konsequente Umsetzung der mit den Konzepten beschlossenen Maßnahmen war nie beabsichtigt und fand entsprechend bis heute auch nicht statt (Klimaschutz, viel Papier, wenig Greifbares).
Andere Konzepte wie die Integrierten Stadtentwicklungskonzepte (ISEKs Bochum) sind Voraussetzungen um Finanzmittel aus den diversen Fördertöpfen von Land und Bund zu bekommen. Auch in diesen Konzepten wird eine Vielzahl von Maßnahmen vorgeschlagen, von denen dann nur ein Bruchteil umgesetzt wird. Die Stadt setzt nur die Maßnahmen um, die mit Fördermitteln gefördert werden, die Fördermittel fließen jedoch nur spärlich. Wesentliche Maßnahmen wurden daher bis heute nicht umgesetzt, allein mit großen Worten in schönen Konzepten kann der Stadtumbau jedoch nicht gelingen. Da können Konzepte noch so gut sein, ohne konsequente Umsetzung bleiben sie wirkungs- und in weiten Teilen sinnlos.
In der Vergangenheit ließ die Verwaltung auch Konzepte erstellen, bei denen klar war, dass sie nie umgesetzt würden, die aber dazu dienten für Bauvorhaben die erforderlichen Fördermittel zu erhalten. Prominentestes Beispiel ist hier das Musikforum: Das für den Betrieb erstellte Konzept sah den Bau eines Musikzentrums für alle mit täglichen Musikveranstaltungen vor. Entgegen des Konzeptes wurde ein Konzerthaus für die Bochumer Symphoniker mit Musikschulalibi erreichtet (Musikforum – an 4 von 7 Tagen ohne Veranstaltung).
Konzepte werden beauftragt, um Zeit zu gewinnen – Ist der Handlungsdruck in Teilbereichen hoch, wie zum Beispiel nach der Ausrufung des Klimanotstandes durch den Stadtrat 2019 oder beim Radverkehr, beauftragt die Verwaltung zunächst die Erstellung von übermäßig aufwendigen Handlungskonzepten. Für die Zeit der Konzepterarbeitung ermöglicht diese Vorgehensweise Untätigkeit damit zu entschuldigen, dass man noch auf die Fertigstellung der entsprechenden Konzepte warte. Obwohl die Erstellung der entsprechenden Konzepte eigentlich nur Monate in Anspruch nehmen sollte, da sie von den Planungsbüros mittels vorhandener Textbausteinkästen für viele Städte in Serie produziert werden, dauert der Erarbeitungsprozess in Bochum regelmäßig mehrere Jahre. Es entsteht der Eindruck, dass die Verwaltung den Prozess bewusst in die Länge zieht.
Ebenso kommt es vor, dass die Verwaltung die Umsetzung von beschlossenen Konzepten nur im Schneckentempo vorantreibt. Im Rahmen der Corona-Krise stellte sich heraus, dass mit der Umsetzung des bereits im Juli 2019 beschlossene Medienentwicklungsplan für die Schulen auch ein Jahr später noch gar nicht ernsthaft begonnen worden war. Ebenfalls wurde deutlich, dass das Konzept im Hinblick auf das Tempo der erforderlichen Schuldigitalisierung weit hinter dem zurückblieb, was eigentlich hätte Ziel sein sollen (Digitaloffensive: Tempo bei der Schul-Digitalisierung deutlich erhöhen). Schon bei Aufstellung des Konzeptes hatte man es mit der Digitalisierung nicht eilig. Ein Konzept war jedoch nötig um die entsprechenden Fördermittel abzugreifen. Also formulierte die Verwaltung die Ziele im Konzept bewusst unambitioniert und langfristig. So wollte man sich 2019 z.B. noch fünf Jahre Zeit nehmen um jede Schule in Bochum mit je 64 Tablets auszustatten.
Konzepte werden von der Stadt vor Veröffentlichung “korrigiert” – Auffällig, dass nachdem Konzepte der Verwaltung bereits über Monate vorliegen, diese immer noch nicht Politik und Öffentlichkeit vorgestellt werden. Gefallen der Verwaltung die von den Planungsbüros erarbeiteten Ergebnisse nicht, werden die Planungsbüro gedrängt ihre Konzepte im Sinne der Verwaltung “zu korrigieren”. Wie vorgegangen wird, beschreibt die Aussage des Geschäftsführers von Planersocietät, dessen Büro ein Verkehrsgutachten zum Stadtteil Hamme erstellt hat: „Ich war durchaus verwundert, dass die Stadtverwaltung uns diesen Vorschlag [Tempo 30 auf der Dorstener Straße] nicht direkt herausgestrichen hat.“ (WAZ vom 13.12.2022).
Dass die Konzepte die Einschätzungen und Vorschläge von unabhängigen Verkehrsexperten wieder gegeben, ist also eine Illusion. Die Konzepte durchlaufen ein Korrekturverfahren, bei dem nur das in den Konzepten stehen bleibt, was der Verwaltung genehm ist. Diese “Anpassungsverfahren” ziehen sich oft über Monate hin. Die Verwaltung moniert Konzeptpassagen, die Planungsbüros schreiben diese nach den Wünschen der Verwaltung um, bis die Darstellungen und Ergebnisse der Konzepte das wiedergeben, was die Verwaltung hören will. Das treibt auch die Kosten hoch, denn die Arbeiten im Rahmen dieses Prozesses lassen sich die Büros gesondert vergüten.
Im Extremfall beauftragt die Verwaltung auch Konzepte, die bereits im Entstehungsprozess so manipuliert werden, dass sie am Ende zu dem von der Verwaltung gewünschten Ergebnis kommen. Einen solchen Fall deckten die STADTGESTALTER bei dem Konzept zur Streckenführung des Radschnellwegs im Bereich der Bochumer Innenstadt auf (Akteneinsicht: Verwaltung “lenkt” große RS1-Trassensuchshow zum gewünschten Ergebnis).
Grundsätze zum Umgang mit Konzepten
Die Beauftragung, Erstellung und Umsetzung von Konzepten erfolgt in Bochum also oft nicht zielgerichtet. Es ist nicht zu erkennen, ob die Ergebnisse die tatsächlichen Einschätzungen der beauftragten Expert*innen wiedergeben oder von der Verwaltung in ihrem Sinne “angepasst” wurden. Es fehlt an Transparenz, wie die Ergebnisse zu Stande gekommen sind. Die Erstellung von Konzepten, die nicht oder nur ansatzweise realisiert werden, stellt Geld- und Zeitverschwendung dar.
Die Verwaltung muss zu einem anderen Umgang mit Konzepten verpflichtet werden. Dabei sollten folgende Grundsätze beachtet werden:
Es werden nur Konzepte beauftragt, bei denen sichergestellt ist, dass diese von der Verwaltung umgesetzt werden können.
Für die Erstellung von Konzepten wird ein verbindlicher Zeitrahmen vorgegeben, der einzuhalten ist.
Konzepte werden so veröffentlich, wie die Planungsbüros diese formulieren. Eine Einflussnahme auf die Einschätzungen oder eine Korrektur der Ergebnisse durch die Verwaltung findet nicht statt.
Die Veröffentlichung der Konzepte erfolgt, sobald die beauftragten Planungsbüros diese fertig gestellt haben.
Die Verwaltung kann eine eigene kritische Einschätzung sowie eigenständige Überarbeitung der Ergebnisse vorlegen. Diese ist als solche zu kennzeichnen.
Interessierten Bürgern und Bürgerinnen wird ermöglicht zu den Konzepten wie dazu verfassten Einschätzungen der Verwaltung über die Bürgerbeteiligungsplattform Consul (Die Bürgerbeteiligung in Bochum auf ein neues Niveau heben) Stellung zu nehmen.
Jede Umsetzung von Konzepten wird mit einem Terminplan versehen, dessen Einhaltung mit einem effizienten Controlling überwacht wird. Dies beinhaltet, dass der Politik über die Umsetzung mindestens einmal jährlich Bericht erstattet wird.
Die genannten Grundsätze ermöglichen der Politik eine bessere Entscheidungsfindung. Die Transparenz, auf welcher Grundlage die Politik über Konzepte entscheidet, wird für die Bürger und Bürgerinnen erhöht. Eine Bürgerbeteiligung findet automatisch statt. Die Umsetzung beschlossener Konzepte erfolgt konsequent und zielgerichtet. Der Beauftragung von Konzepten, die nicht oder nur in Ansätzen umgesetzt werden, wird vermieden.
An 11 Universitäten in NRW werden Lehrer und Lehrerinnen ausgebildet. Unter anderem an der Ruhr-Universität in Bochum. Eigentlich sollten sich genug Absolventen entscheiden in Bochum zu bleiben, um an den Schulen dort zu unterrichten. Doch die Stadt und die städtischen Schulen sind nicht attraktiv genug. Also herrscht auch in Bochum Lehrkräftemangel.
Laut Bezirksregierung Arnsberg fehlen an den Bochumer Schulen aktuell fast 60 Lehrerinnen und Lehrer (Radio Bochum 26.09.22). Um Ausfälle durch Krankheit, Schwangerschaft und anderen Gründen jederzeit ausgleichen zu können, sollte die Lehrerversorgung an den Schulen bei 105% liegen. An Bochumer Grund-, Förder- und Berufsschulen liegt das Versorgungsdefizit im Moment bei 7 Prozentpunkten, bei Gesamt- und Realschulen sind es 6%P. Etwas entspannter stellt sich die Lage bei Hauptschulen, Sekundarschulen, Berufsschulen und Weiterbildungskollegen dar, dort sind es bis zu 5%P (WAZ vom 20.07.22). An den Gymnasien in Bochum wie in NRW gibt es dagegen – mit Ausnahme von Mangelfächern wie Mathematik, Naturwissenschaften, Informatik, Technik, Kunst und Musik – ein Überangebot an Lehrer*innen (Lehrermangel! Allein in NRW sind schon 4.400 Stellen an Schulen unbesetzt).
Lehrerkräftemangel hat besonders in prekären Stadtteilen fatale Auswirkungen
Besonders schlimm ist die Lage derzeit an den Grundschulen. Dabei ist an einigen Schulen das Problem erheblich größer als bei anderen. Bei manchen Grundschulen fehlt jede vierte Lehrkraft. Das liegt oft am Ruf der Schulen. Liegen die Schulen in prekären Stadtteilen mit sehr heterogener Schülerschaft, in Schulgebäuden deren Zustand und Ausstattung deutlich zu wünschen übriglässt, bewerben sich auf Lehramtsstellen dort noch deutlich weniger Lehrer und Lehrerinnen als sonst schon.
Es kommt zu einem Teufelskreis. In Stadtteilen, die von Verelendung und Verwahrlosung bedroht sind, ist der Lehrkräftemangel besonders groß, und damit das Risiko hoch, dass die Kinder ganz oder teilweise gar nicht mehr ordnungsgemäß beschult werden können. Da, wo gute Schulen und Bildung am nötigsten wären, ist der Mangel am größten. Keine Lehrer*innen, keine guten Schulen und Bildung und damit für die Kinder keine Chancen, Perspektiven und soziale Teilhabe. An Schulen, in denen Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit den Alltag prägen, wollen aber wiederum keine Lehrer und Lehrerinnen unterrichten. Und so verschärft sich die Lage immer weiter.
Bochum schafft es nicht Lehramtsstudierende in der Stadt zu halten
Grundübel des Lehrkräftemangels ist sicher, dass das Land über Jahrzehnte nicht genug Lehrer und Lehrerinnen ausgebildet hat, da der Bedarf an Lehrkräften dramatisch unterschätzt wurde. Doch eigentlich sollte Bochum der Mangel weniger betreffen als andere Städte, denn die Stadt ist eine der Orte in NRW, an dem die zukünftigen Pädagogen ausgebildet werden. 5 Jahre dauert ein Lehramtsstudium bis zum Masterabschluss, 18 Monate Vorbereitungszeit schließen sich an. Eine lange Zeit, die die Studierenden einen großen Teil ihrer Zeit zum Studium und Referendariat in Bochum verbringen oder im Idealfall sogar in der Stadt wohnen. Anzunehmen wäre, wenn den Studierenden die Stadt und die Arbeitsbedingungen in den Schulen der Stadt gut gefallen, setzen sie alles daran in Bochum zu bleiben. Doch das sehen viele offenbar anders und verlassen Bochum nach dem Staatsexamen nur zu gerne. Entsprechend ist der Mangel an Lehrkräften auch in Bochum kritisch und nur wenig dramatischer als in den anderen Städten des Ruhgebiets.
Zu schlechte Arbeitsbedingungen
Das hat besonders zwei Gründe, die Lebensqualität in der Stadt ist nicht hoch genug und die Arbeitsbedingungen sind an vielen Bochumer Schulen auch nicht die besten. Baulicher Zustand, Ausstattung, Digitalisierung sowie Schulorganisation sind oft schlecht. Dazu ist die Lernsituation an manchen Schulen sehr herausfordernd. Das gilt besonders für solche in Stadteilen, in denen den Schüler*innen grundlegende deutsche Sprachkenntnisse fehlen und die Eltern den Kindern mangels eigener Schulbildung kaum helfen können.
Über Jahrzehnte vernachlässigten Stadt und Politik die städtischen Schulen und trafen eklatante Fehlentscheidungen. So schloss man 2012/2013 noch Grundschulen (Falsche Grundschulschließungen kosten die Stadt 50 Mio. Euro), die heute fehlen. Jetzt will die Stadt in jedem Stadtbezirk eine neue Grundschule bauen. Die Pläne kommen aber nicht voran. Derweil kämpfen die bestehenden Grundschulen mit zu vielen Kindern und zu vollen Klassen.
Ebenfalls fehlen an vielen Schulen Sporthallen, die Lehrschwimmbecken sind häufig marode, an manchen Schulen unbenutzbar. Immer noch verfügen nicht alle Schulen über einen Glasfaseranschluss, nur wenige über ein flächendeckendes schnelles WLAN-Netz. Dass Schule und Bildung bei den regierenden Parteien SPD und Grüne nie eine Lobby hatten, sieht man vielen Schulen in Bochum an.
Fehlende Lebensqualität
Hinzu kommen die Mängel bei der Entwicklung der Stadt. Das ÖPNV-Netz im Ruhrgebiet ist schlecht. Ein flächendeckendes Netz sicherer Radwege gibt es in Bochum immer noch nicht. Die Straßen und Plätze stellen sich überwiegend grau und trostlos dar. Viele Stadtteilzentren sind ausgestorben, statt lebendigen Stadtteilplätzen findet man nur öde Parkplätze vor. Der Niedergang der Innenstädte von Wattenscheid und Bochum ist unübersehbar. Die City sieht beliebig aus. Attraktivität, Flair und Ambiente sucht man vergeblich. Nur das Bermuda3Eck ist beliebt und zieht jeden Abend Menschen aus dem ganzen Ruhrgebiet in das Stadtzentrum. Mangelnde Instandhaltung, Fehlplanungen, Sauberkeit und Ordnung trüben das Stadtbild zusätzlich.
In Konkurrenz zu anderen deutschen Großstädten hat Bochum in Sachen Stadtentwicklung und Lebensqualität den Anschluss verpasst. Winkt den in Bochum frisch ausgebildeten Lehrern und Lehrerinnen eine Stelle außerhalb des Ruhgebiets, so schmerzt es sie regelmäßig wenig Bochum zu verlassen. Der Wegzug wird oft als Verbesserung empfunden.
Der Lehrkräftemangel in Bochum hat also ebenfalls lokalpolitische Ursachen. Der Stadt fehlt es an der erforderlichen Attraktivität um die Menschen zu halten. Gesuchte hochqualifizierte Menschen wie Lehrer und Lehrerinnen wollen in modernen Städten mit höchster Lebensqualität wohnen und an Schulen arbeiten, die sich im Topzustand befinden und bestens ausgestattet sind. Zu diesen Städten gehört Bochum bisher nicht.
Nur mit hochmodernen Schulen mit bester Ausstattung und hoher Lebensqualität kann die Stadt Lehrkräfte gewinnen
Den über Jahrzehnte entstandenen Rückstand bei der Stadtentwicklung aufzuholen wird kurz- und mittelfristig kaum möglich sein. Die Stadt kann in kürzerer Frist allerdings deutlich mehr für ihre Schulen tun. Das Ziel muss die Schaffung hochmoderner Schulen mit bester Ausstattung sein. Dies ließe sich schneller erreichen und würde auch den Schülern und Schülerinnen sehr zu Gute kommen. Um die Lehrer*innen von Verwaltungstätigkeiten zu entlasten, könnte, wie von den STADTGESTALTERn bereist 2019 vorgeschlagen, die Stadt die Schulen zudem mit Schulmanagern ausstatten, die unter anderem die Beschaffung von Ausstattung, den Betrieb der Schulgebäude, die Digitalisierung sowie das schulische Berichtswesen organisieren (Modellprojekt für bessere Grundschulen).
Lokalpolitische Maßnahmen, die geeignet sind kurz- bis mittelfristige Lehrkräfte zu gewinnen, gibt es sonst nur wenige. Einige Kommunen zahlen Prämien, andere bieten Lehramtsstudenten Stipendien an, deren Annahme dazu verpflichtet einige Jahre vor Ort als Lehrkraft zu arbeiten. Wieder andere Gemeinden versuchen Lehrkräfte mit vergünstigtem Wohnraum in guten Wohnlagen zu locken. Der Aufwand für solche Maßnahmen ist jedoch hoch. Fraglich ist, wie viele Lehrkräfte sich damit wirklich zusätzlich gewonnen lassen und wie viele diese Angebote annehmen, aber auch ohne Anreize in die Stadt gekommen bzw. dort geblieben wären.
Kurzfristig wird die Stadt die Mangellage also nicht beseitigen können. Trotzdem muss sie jetzt aktiv werden und alles tun, um die Attraktivität von Schulen und Stadt deutlich zu erhöhen, damit sich zumindest auf lange Sicht genug Lehrkräfte für die Bochumer Schulen gewinnen lassen..
Kinder- und Jugendfreundlichkeit sollte bei der Stadtplanung zukünftig eine bedeutendere Rolle spielen.
Denn bisher werden die Jüngsten in Bochum bevorzugt auf Spielplätze, Jugendhäuser oder Sportparks verwiesen, sonst ist der öffentliche Raum leider wenig kinder- und jugendfreundlich. Besonders problematisch, Kinder können sich in Bochum nicht gefahrlos und eigenständig durch die Stadt bewegen. Selbst die Schulwege sind oft nicht sicher.
Besonders kinderfreundliche Städte verfolgen die Vision einer bespielbaren Stadt. Bochum sollte dieses Leitbild ebenfalls verfolgen.
Am Dienstag dieser Woche wurde der Weltkindertag begangen. Anlass genug zu fragen, wie kinder- und jugendfreundlich sind Bochum und Wattenscheid.
Kinder und Jugendlich sind im Stadtbild wenig präsent
Dabei fällt zunächst auf, dass die 55.000 Kinder und Jugendlichen (15,1 % der Stadtbevölkerung) im Stadtbild von Bochum eher selten zu sehen sind, während sie in den Städten der Niederlande aber auch Skandinaviens viel mehr das Stadtbild prägen. Man könnte meinen, in diesen Ländern wäre der Anteil an Kindern und Jugendlichen an der Stadtbevölkerung größer als bei uns. Das ist aber nicht der Fall. Sieht man in Bochum Kinder Jugendliche, dann besonders an speziell für sie geschaffenen Orten, wie Spiel-, Sport- und Bolzplätzen oder Grünanlagen mit Einrichtungen für Kinder sowie Jugendhäuser und Ähnlichem.
Kinder und Jugendliche auf öffentlichen Plätzen sieht man dagegen eher wenig, auch sind die Jüngsten eher selten dabei anzutreffen wie sie durch die Stadt laufen oder mit dem Rad fahren. Viele Wege erledigen die Eltern und fahren sie mit dem Auto an die Orte, die für Kinder und Jugendliche bestimmt sind. Auf den Straßen in den Wohngebieten und auf den Plätzen in den Stadtvierteln wird nur noch selten frei gespielt. Die Flächen, wo sich Kinder und Jugendliche frei bewegen dürfen, liegen wie Inseln über das Stadtgebiet verteilt und sind nicht durch Wege, die sie gefahrlos und eigenständig benutzen können, verbunden. Nicht Mal die Wege zur Schule sind durchgehend sicher.
Bewertung kinder- und jungendfreundliche Stadt
Betrachtet man die Kinder- und Jugendfreundlichkeit der Stadt anhand verschiedener Einzelkriterien, ergibt sich folgendes Bild:
Gut ausgebaut sind die Spielplätze und Spielareale, auch Veranstaltungen für Kinder- und Jugendliche gibt es viele. Bei der Umgestaltung und dem Neubau werden Kinder und Jugendliche gut eingebunden, werden befragt und dürfen mit planen. Zudem gibt es nach 2018 nun zum zweiten Mal eine Jugendbefragung. In diesem Jahr soll erneut abgefragt werden, was die Jugendlichen sich wünschen und wo sie Verbesserungspotentiale sehen.
Mittelmäßig stellt sich die Versorgung mit Schulen über das Stadtgebiet dar. Es fehlen im gesamten Stadtgebiet Grundschulen, ebenso wie eine Gesamtschule in Wattenscheid. Mit dem ÖPNV kommen Kinder und Jugendliche ebenfalls mittelmäßig durch die Stadt. Das Nahverkehrsnetz in Bochum wie im Ruhrgebiet ist eher schlecht ausgebaut. Auch bei den Plätzen zum Sporttreiben besteht Nachholbedarf, da wünschen sich die Jugendlichen mehr Plätze mit Möglichkeiten zum Skaten und für andere Jugendsportarten (Ergebnisse Jugendbefragung). .
Unzureichend stellt sich die Lage bei Orten für Jugendliche dar, die nicht zum Sporttreiben vorgesehen sind. Plätze zum Abhängen und Freiräume für Jugendliche gibt es bisher in der Stadt zu wenige (Ergebnisse Jugendbefragung). Ebenso unzureichend ist der bauliche Zustand der Schulen wie deren Ausstattung sowie der Zustand und das Angebot an Sportstätten (Sportplätze, -hallen und Schwimmmöglichkeiten) für die Schulen (Zehn Beispiele für die verfehlte Bochumer Schulpolitik).. Insbesondere die Lehrschwimmbecken sind in einem desaströsen Zustand, Sporthallen gibt es zu wenig. Lediglich die Sportplätze befinden sich in der Regel in einem angemessenen bis guten Zustand. Zu einer Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Stadtplanungsprojekten, die nicht nur sie betreffen, kommt es eher selten. An den meisten Planungen werden sie nicht beteiligt. Dieser Zustand ist ebenfalls unzureichend.
Mangelhaft stellt sich die Aufenthaltsqualität auf städtischen Plätzen und sonstigen Orten in der Stadt dar. Diese ist in Bochum allgemein schlecht, Bedürfnisse der Kinder- und Jugendlichen wurden bei den Gestaltungen nur selten berücksichtigt, allenfalls gibt es ein angrenzendes Spielplatzareal. Viele Plätze sind kaum mehr als Parkplätze. Typisch ist der Vorfall am Hans-Ehrenberg-Platz (WAZ vom 11.08.22). In Bereich der Fußgängerzone der Innenstadt gibt es keinen Spielplatz, nur sehr wenige Spielgeräte für Kleinkinder. Immer noch gibt es viel zu wenige Betreuungsplätze in KiTas und Kindergärten. Mehr als 1.000 Plätze fehlen (WAZ vom 27.10.21). Ebenso mangelhaft ist die Digitalisierung der Schulen (Digitaloffensive: Tempo bei der Schul-Digitalisierung deutlich erhöhen).. Immer noch nicht verfügen alle Schulen der Stadt über einen Glasfaseranschluss, ebenso wenig über gut funktionierendes WLAN. Zu Fuß kommen Kinder und Jugendliche ebenfalls nur schlecht durch die Stadt. Es fehlen Überwege, Gehwege wie Kreuzungen sind zugeparkt, weshalb Kinder im Verkehr übersehen werden. Hinsichtlich der Zukunftsperspektiven der jungen Generation wird in der Stadt viel zu wenig getan. Die Maßnahmen zur Verhinderung des Klimawandels sind ebenfalls nur mangelhaft. Trotzdem bereits 2019 der Klimanotstand ausgerufen wurde, gibt es bis heute kein neues Klimaschutzkonzept mit Klimaschutzzielen, die dem Klimanotstand gerecht werden.
Ungenügend sieht es bei der extrem hohen Schulden der Stadt aus, die jetzigen Generationen angehäuft haben und die die jungen, nachfolgenden Generation einmal werden abtragen müssen. Das wird negative Auswirkungen auf die Zukunftsperspektiven und den Wohlstand der jungen Menschen haben. Ebenfalls ungenügend ist die politische Beteiligung der Jugendlichen. Es gibt weder ein Jugendparlament, noch eine Jugendkonferenz noch einen Jugend-Check mit dem geprüft wird wie sich politische Beschlüsse mit den Bedürfnissen der jungen Menschen vereinbaren lassen. Die Wege zu den Schulen sind durchgehend unsicher und oft mit Gefahren verbunden. Schulwegpläne gibt es nur an sehr wenigen Schulen. Trotzdem der Stadtrat immer wieder beschlossen hat diese Pläne für alle Schulen zu erstellen und die Schulwege systematisch zu verbessern (unter anderem 2013 im Klimaschutzteilkonzept klimafreundlicher Verkehr (Maßnahme 8a)), zeigt sich die Verwaltung konsequent desinteressiert, in dieser Richtung tätig zu werden. Die Aufgabe wird einfach nicht abgearbeitet. Ebenfalls ungenügend ist die Situation beim Radverkehr. Mangels flächendeckendem Netz guter und sicherer Radwege können Kinder und Jugendliche nicht gefahrlos mit dem Rad durch die Stadt fahren. Auch sind z.B. Radabstellanlagen bzw. eine ausreichende Anzahl an Radständern an vielen Schulen nicht vorhanden.
Schaut man sich die Gesamtsituation über alle 21 Kriterien an, stellt sich die Situation in Bochum und Wattenscheid hinsichtlich Kinder- und Jugendfreundlichkeit im Ergebnis als unzureichend dar.
Das Hauptproblem ist, Kinder- und Jugendliche werden im Bochumer Stadtraum auf spezielle Orte verwiesen, im sonstigen Stadtraum sind sie eher unerwünscht, dieser wird besonders dem Autoverkehr vorbehalten. Die Stadtentwicklung in Bochum erfolgte in den letzten Jahrzehnten nicht kinder- (Kinderorientierte Stadtentwicklung) sondern im Wesentlichen autoorientiert. Das ist in Städten, in denen Kinder und Jugendliche auch schon im jungen Alter überall im Stadtbild präsent sind, mittlerweile anders.
Das Leitbild der bespielbaren Stadt
Dabei sind die „alltäglichen Freiheiten“ des Spielens im Freien, die Fähigkeit der Kinder, sich selbstständig fortzubewegen, und der Grad des Kontakts mit der Natur starke Indikatoren dafür, wie eine Stadt funktioniert, nicht nur für Kinder, sondern für alle Generationen von Stadtbewohner*innen. Wenn Städte nicht auf die Bedürfnisse von Kindern eingehen, riskieren sie negative wirtschaftliche und kulturelle Auswirkungen, Familien ziehen weg (Cities Alive: Designing for urban childhoods).
In besonders kinderfreundlichen, bespielbaren Städten wird das Ziel verfolgt, dass alle Flächen und Stadträume vorrangig den Menschen zum städtischen Leben dienen, also insbesondere auch für das Spielen und Leben der Kinder und Jugendlichen. Städte wie Oslo, Antwerpen, Gent, Rotterdam, Barcelona, Griesheim, Freiburg und Tel Aviv verfolgen das Leitbild der bespielbaren Stadt (Bespielbare Städte). Der gesamte öffentliche Raum soll Möglichkeiten zum Bespielen und dem Aufenthalt von Kindern- und Jugendlichen bieten. Dabei sollen Dinge, die zum Spielen im Stadtraum aufgestellt werden, keine Spielgeräte sein, die vorgeben, wie sie zu bespielen sind, sondern sollen Kinder anregen, sie so spielerisch zu nutzen wie es ihnen gerade einfällt. Die Kinder sollen ihrer Phantasie freien Lauf lassen. Zum zweiten sollen Kinder und Jugendliche sich gefahrlos auf sicheren Wegen zu Fuß oder mit dem Rad durch die ganze Stadt bewegen können, um alle Orte, die sie in der Stadt aufsuchen möchten, selbständig, ohne Hilfe der Eltern erreichen zu können (Vision einer bespielbaren Stadt).
Auch im Bochumer Osten wurde bereits ein erstes Projekt zur bespielbaren Stadt verwirklicht (WAZ vom 05.02.20). Dazu wurde eine Slackline zum Balancieren, kleine Trampolinfelder direkt vor dem Amtshaus, Poller, auf denen man sitzen kann, auf dem Marktplatz und die knallroten Holzbalken am Wiebuschweg im öffentlichen Raum des Stadtbezirks aufgestellt. Sie sollen zum Verweilen, Klettern und Turnen einladen. Es fehlt jedoch noch an der Vernetzung und den Möglichkeiten, dass Kinder und Jugendliche sich zwischen den Dingen frei, eigenständig und sicher bewegen können.
Playable Cities
In Bristol, Oxford, Melbourne, Tokio Seoul und anderen Städten wird die Idee der bespielbaren Stadt noch einen Schritt weitergedacht (Playable Cities). Dabei geht es darum, dass Bürger*innen die Möglichkeit gegeben wird, ihr eigenes Umfeld kreativ zu gestalten, um auf diese Weise Handlungsfähigkeit und Eigenverantwortung der Menschen in der Stadt zu stärken. So werden Orte mit dauerhaften oder temporären Installationen geschaffen, an denen nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene zum Spielen angeregt werden.
So wurden erst in Bristol, danach in New York, Tokio und London Schatten auf Gehwege projiziert, die Menschen zum Tanzen, Spielen und Schattenkämpfen anregten:
In einem weitere Projekt wurde an einem Fußgängerübergang eine spielerische Kommunikation mit der Ampel inszeniert:
Die Projekte sind häufig digital (Playable Cities Projekte) und stellen Menschen und Spiele in den Mittelpunkt der Stadt der Zukunft, indem sie städtische Infrastruktur nutzen und sich die Smart-City-Technologien zu Nutze machen. Zielsetzung ist es, Verbindungen zu schaffen – von Mensch zu Mensch und von Mensch zu Stadt. Durch Interaktion und kreative Installationen sollen soziale Dialoge eröffnet und die Bürger zu Gesprächen zur Stadtentwicklung angeregt werden (Vision Playable Cities).
In der Community der Playable Cities haben sich Städte der ganzen Welt zusammengeschlossen, in denen Menschen entsprechende Projekte entwickeln. Häufig werden die Projekte dann nicht nur in einer Stadt installiert, sondern gehen auf Tournee durch die Städte, die sich der Gemeinschaft angeschlossen haben.
Zusammenfassung und Ergebnis
Im Ergebnis ist festzuhalten, mit der Kinder- und Jugendfreundlichkeit ist es in Bochum noch nicht gut bestellt, daher sind Kinder und Jugendliche im Stadtbild vergleichsweise wenig präsent. Diese Situation ist Folge der bisher wenig kinderorientierten Stadtplanung, die sich bisher bevorzugt an den Bedürfnissen des Autos orientiert hat.
Das Leitbild der Stadtplanung in Bochum muss sich also weiter verändern. Die bespielbare Stadt wäre eine Vision, die die Stadt zukünftig verfolgen sollte. Der städtische Raum sollte von Kindern- und Jugendlichen durchgehend genutzt und bespielt werden können. Alle Orte in der Stadt müssen sicher, eigenständig und ohne Hilfe der Eltern erreichbar sein. Bei allen Stadtplanungsprojekten, sollten Kinder- und Jugendliche beteiligt und ihre Bedürfnisse vorrangig berücksichtigt werden.
Will die Stadt als bespielbare Stadt Vorreiter werden, sollte sie in Erwägung ziehen der Gemeinschaft der Playable Cities beizutreten, um sich mit Städten weltweit zu vernetzen, die eine intelligente und innovative Stadtentwicklung verfolgen, mit dem Ziel möglichst viele Interaktionen nicht nur von jungem Menschen durch Spielen im Stadtraum zu schaffen.
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