18 Jun

Fahrgastschwund – Alarmierende Entwicklung bei der BOGESTRA

Die Fahrgastzahlen im ÖPNV liegen in Deutschland nach Corona mittlerweile wieder bei knapp 90% der Fahrgastzahlen von 2019. Die BOGESTRA konnte 2022 dagegen nur 76% des Vor-Corona-Niveaus erreichen. Bereits seit 2010 kann die BOGESTRA nicht mehr mit der Entwicklung der deutschen OPNV-Unternehmen mithalten.

Schaut man sich die Entwicklung der Fahrgastzahlen deutscher Nahverkehrsunternehmen über die letzten 13 Jahre genauer an, dann stieg die Zahl der Fahrgäste in Deutschland ab 2010 stetig, bis sie 2019 einen Höhepunkt erreichte. Danach brach die Zahl Corona bedingt massiv ein, stieg dann bis 2022 wieder auf fast 90% der Fahrgastzahl der Vor-Corona-Zeit an (VdV Jahresberichte). Bei der BOGESTRA war die Entwicklung eine andere: Von 2010 bis 2015 lag die Fahrgastzahl bei um die 144 Mio., sank dann bis 2019 leicht, um in der Corona-Zeit um 27% auf knapp über 104 Mio. zu fallen und konnte sich im letzten Jahr dann nur leicht auf etwas mehr als 108 Mio. Fahrgäste erholen. Damit liegt die Zahl weiterhin 24% unter Vor-Corona-Niveau, und das trotz 9-Euro-Ticket-Boom 2022.

Fahrgastzahlen BOGESTRA Soll-Ist

BOGESTRA kann bei Fahrgastzahlen mit anderen Verkehrsunternehmen nicht mithalten

Hätte sich die Fahrgastzahl der BOGESTRA seit 2010 so entwickelt, wie das im Durchschnitt der deutschen Nahverkehrsunternehmen der Fall war, müsste die Zahl der Fahrgäste heute bei über 151,3 Mio. Fahrgästen liegen. Tatsächlich sind es nur 108,7 Mio.. Damit liegt die tatsächliche Zahl fast 40% unter der, die sich im normalen deutschen Trend ergeben hätte (siehe Grafik oben).

Hinsichtlich der Fahrgastzahlen bleibt die BOGESTRA also schon seit Jahren deutlich hinter der Entwicklung bei den Verkehrsunternehmen der meisten deutschen Städte zurück. Wie bei bei fast allen Nahverkehrsunternehmen ist der jährliche Unternehmensverlust jedoch förmlich explodiert, bei der BOGESTRA von knapp 60 Mio. Euro pro Jahr bis 2019 auf knapp 90 Mio. Euro 2022  (WAZ vom 05.06.23.). Vergleicht man das Defizit der BOGESTRA mit dem anderer Städte, liegt das Nahverkehrsunternehmen für Bochum, Gelsenkirchen und Witten mit etwas über 95 Euro pro Einwohner*in im Mittelfeld der deutschen Unternehmen. Sieht man allerdings auf die Zahl der Fahrgäste bzw. Fahrten pro bedienten Einwohner*innen, schneidet die BOGESTRA sehr schlecht ab (siehe Grafik unten), von hier betrachteten zehn Verkehrsbetrieben deutlich am schlechtesten. Während die BOGESTRA nur auf 120 Fahrten pro Einwohner*in kommt, sind es in Stuttgart schon 127, in Düsseldorf, Nürnberg, der Rhein-Neckar–Region (Mannheim, Heidelberg, Ludwigshafen) und Karlsruhe zwischen 150 und 200 Fahrten, in allen anderen Städten (Bonn, Dresden, Hannover) mehr als 200, in Freiburg sogar fast 300 Fahrten pro Einwohner*in.

Vergleich Städte, Fahrten und Verluste pro Einwohner*in
Vergleich Städte, Fahrten und Verluste pro Einwohner*in

Warum steht die BOGESTRA so schlecht da?

Die Zahlen machen deutlich, die BOGESTRA wird vergleichsweise wenig genutzt. Sie hat im Verhältnis zu der Zahl der Menschen, die in dem Gebiet wohnen, das das Unternehmen versorgt, wenig Kunden. Woran liegt das?

In vier Punkten unterscheidet sich die BOGESTRA von anderen städtischen Nahverkehrsunternehmen:
1. Das ÖPNV-Netz wurde seit Jahrzehnten nicht nennenswert ausgebaut
2. Das Netz basiert auf wenigen Straßenbahnlinien und vielen langsamen Buslinien
3. Das Tarif- und Ticketsystem ist für Menschen, die nur ab und zu fahren, undurchschaubar
4. Es fehlen Mobilitätsstationen zur bequemen multimodalen Nutzung mehrerer Verkehrsmittel

Alle vier Defizite sind seit Jahren bekannt. Die Politik hält eine Verbesserung aber nicht für erforderlich bzw. blockiert sie. Im Rahmen der Bochum-Strategie gibt es zwar eine Kernaktivität “Vorfahrt ÖPNV – Leitprojekte öffentlicher Nahverkehr” echte Leitprojekte sind darunter jedoch nicht zu finden. Die Kernaktivität stellt nicht mehr als eine Marketingaktivität dar. Ebenfalls hat der Bochumer Oberbürgermeister erst unlängst pressewirksam ein Positionspapier mit der Forderung unterschrieben den ÖPNV-Anteil zu verdoppeln (Positionspapier „Städte, Landkreise und Verkehrsverbünde begrüßen das Ziel der Verdoppelung der Fahrgäste des ÖPNV bis 2030!“), aktuell liegt dieser in Bochum nur bei 15,3%, doch konkret unternehmen, um das geforderte Ziel zu erreichen, tut der Oberbürgermeister nichts. Ernsthafte Aktivitäten gibt es im Bereich ÖPNV und Mobilitätswende nicht, die Bereitschaft etwas zu tun wird allenfalls vorgetäuscht.

Dias Ziel der Verkehrswende wurde von SPD und Grünen, die in der Stadt seit über 20 Jahren die Verkehrspolitik bestimmen, nie verfolgt. Entsprechend gab es In zwei Jahrzehnten keine Projekte das Bochumer Nahverkehrsnetz  substanziell auszubauen. Im Gegenteil verhindert die Bochumer Politik sogar den Bau wichtiger ÖPNV-Linien, indem sie mögliche Trassen unnötig mit Wohngebieten zubaut (Planungsfehler bei Wohnquartier Günnigfeld macht wichtige ÖPNV-Verbindung unmöglich) .

Zu 1.: Netzdefizit – Mehr Kunden gewinnt ein Nahverkehrsunternehmen insbesondere mit einem attraktiven Liniennetz. Im Bochumer Nahverkehrsnetz fehlen wichtige Verbindungen: Unter anderem eine schnelle Anbindung des Ruhr Parks an die City, eine Nord-Süd-Verbindung in Wattenscheid, eine Anbindung des Nordens von Wattescheid zum Bochumer und Essener Zentrum (Regiotram) und eine alternative Verbindung von der Innenstadt zur Ruhr-Universität und Hochschule über Altenbochum und Mark 51°7. Obwohl für alle diese Projekte bereits seit Jahren Vorschläge auf dem Tisch liegen, wird deren Planung und Umsetzung von der rot-grünen Rathauskoalition konsequent verhindert (Zehn neue Linien für das Bochumer Nahverkehrsnetz).. So bleibt das Bochumer Nahverkehrsnetz lückenhaft, was wiederum Kunden abschreckt in Bochum Bus- und Bahn zu benutzen..

Zu 2.: Langsamkeitsdefizit – Viele Bereiche der Stadt sind nur mit langsamen Buslinien angebunden, die jede Gießkanne anfahren und bis zum Ziel endlos lange benötigen. Es fehlen kurze schnelle Shuttles zu den Schnellverkehrslinien, so dass die Kunden bei minimalen Umsteigezeiten ohne große Umwege zu Bahnlinien kommen, mit denen sie schnell zum Ziel kommen. Das bedeutet auch, dass die Straßenbahnlinien beschleunigt werden sollten, insbesondere durch eigene Gleiskörper.

Zu 3. Tarif- und Ticketdefizit – bisher betreiben VRR und BOGESTRA bewusst ein kundenunfreundliches Tarif- und Ticketsystem um Menschen, die nur ab und zu Bus oder Bahn nehmen wollen, von der Benutzung des ÖPNV abzuhalten. Es fehlt eine mit Geld aufladbare Smartcard von der die Fahrpreise über Touchterminals bei jeder Fahrt abgebucht werden können (Höchste Zeit für den E-Fahrschein. Das Eazy-Ticket, das ein kilometerbasiertes Bezahlen von Fahrtstrecken mittels Mobiltelefons ermöglich, ist zu umständlich und ggü. den sonstigen Fahrpreisoptionen regelmäßig zu teuer. Hier ist ein Umdenken nötig, denn auch Menschen ohne Monatsfahrkarte sind als Kunden wichtig, ein Verzicht auf diese Kunden kann sich die BOGESTRA nicht leisten.

Zu 4.Multimodaldefizit – Trotzdem bereits 2013 beschlossen wurde, in der Stadt ein Netz von Mobilitätsstationen aufzubauen, um es Menschen möglich, bequem und ohne Zeitverlust mit mehreren Verkehrsmitteln zum Ziel zu kommen, hat die Stadt es bis heute nicht geschafft, die mittlerweile ein Jahrzehnt alten Beschlüsse umzusetzen. (Bochum fehlen Car-Sharing-Stellplätze und Mobilitätsstationen).  Mit dem ÖPNV kommend an einem Bahnhalt komfortabel auf (Leih-)Rad oder Car-Sharing-Auto zu wechseln, ist wegen fehlender Mobilitätsstationen in Bochum regelmäßig nicht möglich. Der Bau der Stationen scheitert an der gepflegten Langsamkeit, mit der die Stadt ihre Aufgaben verschleppt

Keine rosige Zukunft

Die Zukunft der BOGESTRA sieht also alles andere als rosig aus. Dass das Unternehmen die Fahrgastzahlen von vor Corona je wieder erreichen wird, erscheint trotz gerade eingeführtem 49-Euro-Ticket mehr als fraglich. Angesichts fehlender fast 35 Mio. Fahrten bis zum Niveau von 2019, erscheint die Zahl von 20.000 neuen Kunden, die die BOGESTRA über das günstige Deutschlandticket gewinnen konnte, sehr gering (WAZ 08.05.2023).

Aufgrund der Blockadehaltung der Bochumer Politik in Sachen grundlegendem ÖPNV-Ausbau ist zu befürchten, dass die BOGESTRA zukünftig eher weiter Kunden verlieren als hinzugewinnen wird. Auf der anderen Seite wird das Defizit der BOGESTRA eher zu- als abnehmen. Damit wird auch der zukünftige Investitionsspielraum immer kleiner. Diese Entwicklung abzuwenden, dürfte es bereits zu spät sein, denn es dauert mindestens 5-10 Jahre bis Nahverkehrsprojekte geplant und umgesetzt worden sind. Selbst wenn jetzt relevante Projekte angeschoben werden, würde sich ein Effekt auf die Fahrgastzahlen erst im nächsten Jahrzehnt zeigen, bis dahin kann die Stadt die negative Entwicklung nur hilflos beobachten.

Bleibt die Zahl der Fahrgäste dauerhaft deutlich unter den Zahlen von vor 2020 oder sinkt sogar weiter, wird es unumgänglich zu der Forderung kommen, das Angebot der BOGESTRA deutlich zu reduzieren sowie Personal und Kosten einzusparen. Dann wird die kurzsichtige und nicht vorausschauende Verkehrspolitik der Stadt bei der BOGESTRA Menschen den Job kosten.

Beitragsbild Foto: PRobin

08 Apr

Betrieb Seilbahn vom Ruhr Park zur Bochumer City mit Gewinn möglich

Eine aktuelle Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass sich eine Seilbahnlinie zwischen  Ruhr Park und Innenstadt bereits nach 5 bis 12 Jahren refinanziert und mit Gewinn betreiben lässt. Die STADTGESTALTER haben anhand der Nutzen-Kosten-Analyse zu der in Bonn geplanten Seilbahn Fahrgastnachfrage, Fahrpreiserlöse und Kosten auf die Bochumer Strecke hochgerechnet.

Eine Seilbahnverbindung vom Ruhr Park zur Innenstadt wäre ein Gewinn für beide Einkaufszentren (Seilbahnlinie City – Ruhr Park: Die Rettung der Innenstadt ist der Ruhr Park). Neue Attraktionen wie die Seilbahn brächten neue Kunden in die City. Der Besuch von Ruhr Park und City, verbunden mit einer Seilbahnfahrt über die Dächer der Stadt, würde viele Menschen nach Bochum locken.

Jedoch stellt sich die Frage, wie viel kostet eine solche Seilbahnlinie, wie kann diese finanziert werden und kann sie dauerhaft mit wirtschaftlichem Erfolg betrieben werden? Genau diese Frage haben die STADTGESTALTER jetzt näher untersucht und dabei wichtige Daten der Nutzen-Kosten-Analyse für die in Bonn geplante Seilbahn (Seilbahn Bonn – Bericht zur Standardisierten Bewertung) zugrunde gelegt. Die Analyse für die Seilbahnlinie auf den Venusberg wurde im Januar 2022 veröffentlicht.

Welches Seilbahnsystem sollte in Bochum eingesetzt werden?

Grundsätzlich stehen aus technischer Sicht drei verschiedene Seilbahnsystem zur Verfügung, mit denen auch die Strecke Ruhr Park – Innenstadt/Hbf realisiert werden könnte. Die Systeme unterscheiden sich in der Zahl der eingesetzten Seile: Bei Einseilsystemen (1S) hängen die Kabinen an einem einzigen Trag- und Zugseil, das auch die Kabinen von Station zu Station zieht. Bei Zweiseilsystemen (2S) dient ein Tragseil quasi als Gleis auf dem die Kabinen rollen, das zweite Seil ist das Antriebs- und Zugseil. Dreiseilsysteme (3S) bestehen aus zwei Tragseilen, hinzu kommt wiederum das Zugseil.

Dreiseilumlaufbahnen sind schneller, energetisch effizienter und die Kabinen größer. Allerdings sind die Baukosten sind aufgrund der technischen Komplexität höher als bei den anderen Systemen. Einseilumlaufbahnen sind wiederum teurer im Betrieb, dafür bei den Investitionskosten deutlich günstigster, können jedoch nicht so viele Personen befördern wie die beiden anderen Systeme. Mit Einseilsystemen werden in der Regel 10 Personen pro Kabine befördert, mit Dreiseilsystem 35 Personen. Zweiseilumlaufbahnen liegen bei allen Kriterien zwischen den beiden anderen Systemen.

Vergleich Seilbahnsysteme Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

Streckenführung vom Ruhr Park über Altenbochum in die Innenstadt

Für die Seilbahnlinie zwischen Innenstadt/Hbf und Ruhr Park schlagen die STADTGESTALTER eine Streckenführung vom Beginn des Bongard-Boulevards am Hauptbahnhof über einen Halt in Altenbochum am Haupteingang des Hauptfriedhofs bis zum Ruhr Park vor. Diese Linienführung hat den großen Vorteil, dass keine Wohngebiete überfahren werden müssen. Bei entsprechender Streckenführung werden lediglich zwei Wohnhäuser überquert.

Systemdaten Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

Nach Vorstellung der STADTGESTALTER sollte die Linie ebenso wie die in Bonn geplante aus zwei technischen Anlagen mit zwei eigenen Antriebsaggregaten bestehen, so dass beide Teile auch getrennt betrieben werden können. Die erste Seilbahnsektion Innenstadt/Hbf bis Altenbochum wäre dann knapp zwei Kilometer lang, die zweite Sektion zum Ruhr Park rund drei Kilometer. Somit würde die Gesamtlänge würde fünf Kilometer betragen. Mit einer Dreiseilumlaufbahn könnten die Fahrgäste die Strecke vom Ruhr-Park in 9 bis 12 Minuten zurücklegen, mit einer Einseilumlaufbahn würde die Fahrt um die 15 Minuten dauern, mit einer Zweiseilumlaufbahn um die 13 Minuten.

Seilbahnfahrt Ruh Park – Innenstadt

Zwischenhalt Altenbochum

Als Zwischenhalt für die Seilbahnlinie bietet sich Altenbochum an. Im Bereich vor dem Haupteingang des Hauptfriedhofs entlang der Immanuel-Kant-Straße gibt es einige Möglichkeiten und ausreichend Fläche die Seilbahnstation so zu platzieren, dass das Bild des Bauensembles am Hauptfriedhofs nicht beeinträchtigt wird.

Der Stadtteil Altenbochum (18.536 Einwohner*innen) verfügt mit 3.865 Menschen pro Quadratkilometer über eine für Bochum vergleichsweise hohe Bevölkerungsdichte. Im Einzugsbereich des Seilbahnhalts würden entsprechend viele Menschen wohnen. Der Halt läge am Hauptfriedhof (64.000 Grabstellen), in direkter Nähe zur Evangelischen Hochschule (rd. 3000 Studierende und Beschäftigte), der Unternehmenszentral der städtischen Wohnungsbaugesellschaft VBW sowie zum neuen Wohnviertel Ostpark, dem bisher eine leistungsfähiger Nahverkehrsanbindung fehlt, obwohl hier in den nächsten Jahren 1.000 neue Wohnungen entstehen sollen ()

Seilbahnhalt Altenbochum

Auch für eine spätere Fortführung der Seilbahn Richtung Mark 51°7 und Ruhr-Universität wäre die Seilbahnstation in Altenbochum optimal gelegen (Seilbahn – Rückgrat der Bochumer Universitäts- und Hochschullandschaft).

Kalkulation der Fahrgastnachfrage

Die Teilung der Linie in zwei technisch eigenständige Seilbahnanlagen macht es möglich, beide Sektionen unabhängig voneinander laufen zu lassen. Da der Ruhr-Park Montag bis Samstag von 10 Uhr bis 20 Uhr geöffnet ist, lohnt es sich nicht, das Einkaufszentrum vor 9 Uhr anzufahren. Für den morgendlichen Pendelverkehr wäre es allerdings sinnvoll zwischen 6 und 9 Uhr die Sektion Innenstadt/Hbf – Altenbochum im Nebenverkehrstakt zu betreiben. In den Nebenverkehrszeiten werktags von 21 bis 0 Uhr und sonntags von 9 bis 24 Uhr sollte dagegen die ganze Seilbahn über beide Sektionen betrieben werden. Zu den Nebenverkehrszeiten wäre in den Stationen die Einfahrt einer Kabine aller 2 Minuten sinnvoll, in den Hauptverkehrszeiten ein Takt von 20 bis 24 Sekunden.

Fahrgastnachfrage und Betriebszeiten

Auf Basis dieser Betriebszeiten ergibt sich für die Seilbahnlinie ein Fahrgastpotential von 16.400 Menschen pro Tag. Dabei kann von folgender Beförderungsnachfrage ausgegangen werden: Konservativ kalkuliert kann angenommen werden, dass 15% der jährlich 12 Millionen Ruhr-Park-Besucher*innen und 20% der rund 2.800 dort Beschäftigten zukünftig die Seilbahn zur Anreise nutzen. Weiterhin ist mit 500.000 Menschen im Jahr zu rechnen, die nach Bochum kommen, um in ihrer Freizeit eine Seilbahnfahrt zu erleben. Schließlich können 1.500 Menschen pro Tag einkalkuliert werden, die die Seilbahn als Teil einer Fahrt mit dem ÖPNV durch das VRR-Gebiet nutzen sowie mit täglich 3.000 Menschen, die von oder ab Altenbochum die Seilbahn nutzen.

Die STADTGESTALTER schlagen vor, dem Ruhr Park ein Fahrkartenkontingent von im Jahr 250.000 bis 375.000 Hin- und Rückfahrtickets zu überlassen. Diese Fahrkarten können die Geschäfte des Ruhr-Parks dann kostenfrei an ihre Kunden weitergeben, unter anderem als Werbegeschenke oder Treuebonus für Einkäufe. Im Gegenzug beteiligt sich der Ruhr Park mit einem pauschalen jährlichen Zuschuss am Betrieb der Seilbahn. Dieser Vorschlag ist mit zwei Vorteilen verbunden, er beteiligt zum einen den Ruhr Park an den Betriebskosten der Seilbahn und trägt zur Kostendeckung bei. Zum anderen regt er die Kunden des Ruhr Parks an, mit der Seilbahn in die Innenstadt zu fahren und diese zu beleben.

Kosten und Fahrpreiserlöse

Legt man die Kostenkalkulation zu den Baukosten der Seilbahn in Bonn zugrunde, lassen sich für die Seilbahnlinie Ruhr Park – Innenstadt/Hbf bei Verwendung einer Einseilumlaufbahn Baukosten von rund 60 Mio. Euro berechnen (Preisbasis 2019). Für die Strecke auf den Venusberg in Bonn werden 66 Mio. Euro veranschlagt (Seilbahn Bonn – Bericht zur Standardisierten Bewertung). Da die in Bonn geplante Seilbahn rund 700 Meter kürzer ist als die in Bochum, sie dafür aber zwei kostenintensive Zwischenstationen mehr aufweist, ergibt sich für die Seilbahn in Bochum ein um 6 Mio. verminderter Kostenansatz.

Für den Bau einer Zwei- bzw. Dreiseilumlaufbahn wäre aufgrund der höheren technischen Komplexität mit Baukosten von rund 80 Mio. bzw.100 Mio. Euro zu rechnen. Auf Basis der aktuell geltenden Förderrichtlinien ist davon auszugehen, dass wie in Bonn auch in Bochum 95% der Infrastrukturkosten für den Fahrweg und 10% der Planungskosten von Bund und Land übernommen werden. Für die Stadt oder ein privates Verkehrsunternehmen, das die Linie baut, ergäbe sich damit ein selbst zu finanzierender Eigenanteil an den Baukosten von 9,75 bis 16,25 Mio., je nachdem welches Seilbahnsystem eingesetzt wird.

Finanzierungsmodell Seilbahn Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

Für Kapitaldienst (Abschreibung und Zinsen), Unterhaltung (Wartung, Reparaturen, Prüfungen, Unterhaltung Fahrweg) sowie den Seilbahnbetrieb (Personal und Energie) ist pro Jahr abhängig vom eingesetzten Seilbahnsystem mit 4,2 bis 5 Mio. Euro Kosten zu rechnen. Diesen Kosten stehen Erlöse aus Fahrkartenverkäufen, dem Zuschuss des Ruhr Parks, sowie Einnahmen aus Werbung und Sonderfahrten von 6 bis 6,4 Mio. Euro gegenüber, so dass mit der Seilbahn ein Einnahmenüberschuss von 1,9 bis 1,4 Mio. Euro im Jahr erwirtschaftet werden kann. Rechnet man diesen Überschuss den für den Seilbahnbau zu investierenden Eigenanteil entgegen, lässt sich der Eigenanteil in 5 bis 12 Jahren refinanzieren.

Anzumerken ist, dass bei der Kalkulation der Fahrtkostenerlöse ein erhöhter Kostensatz von 1,25 Euro pro Fahrt zugrunde gelegt wurde, da anzunehmen ist, dass auf der Seilbahnstrecke überdurchschnittlich häufig Tickets für Gelegenheitsfahrer*innen benutzt werden und erheblich seltener Abo-Tickets, Semester- oder Schokotickets als im VRR-Gebiet sonst. Entsprechend höher werden die durchschnittlichen Erlöse pro Fahrt für das Unternehmen, sein, das die Seilbahn betreibt.

Bei den Betriebskosten ist eine weitere Senkung möglich, sofern ein Großteil des zum Betrieb der Seilbahnanlagen benötigten Stroms mit einer Solaranlage gewonnen wird. Eine direkte Erzeugung des für die Seilbahn benötigten Stroms wäre über ein Solarfeld auf der ehemaligen Müllhalde Kornharpen möglich, die von der Seilbahn überfahren wird und die nur 1.500 Meter von der Zwischenstation Altenbochum entfernt liegt, die voraussichtlich die Antriebsaggregate für beide Seilbahnsektionen aufnehmen würde.

Betriebskosten Seilbahn Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

10 gute Gründe für die Seilbahn zwischen Ruhr Park und Innenstadt

Die Untersuchung der STADTGESTALTER zeigt, die Seilbahn bedeutet nicht nur einen Gewinn für die Innenstadt, den Ruhr Park, den städtischen Nahverkehr und das Image der Stadt und würde einen Beitrag zu weniger Verkehr auf den Straßen sowie für mehr Umwelt- und Klimaschutz leisten, sie könnte darüber hinaus auch mit Gewinn betreiben werden. Nach den vorliegenden Berechnungen ist davon auszugehen, dass sie in jedem Jahr 1,4 bis 1,9 Mio. Euro in die Kassen des Verkehrsunternehmens spült, das die Seilbahn betreibt.

Zu dem dargestellten ökonomischen Erfolg der Seilbahnlinie kommen weitere betriebs- und volkswirtschaftliche Nutzeneffekte, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht berechnet wurden. Dazu zählen insbesondere:

  • Positive Kosteneffekte im ÖPNV-Netz durch Einsparung von redundanten (Bus-)Linien
  • Positive Erlöseffekte bezogen auf das gesamte ÖPNV-Netz
  • Positive Umwelteffekte aufgrund eingesparter Autokilometer
  • Eingesparte Unfallfolgekosten aufgrund eingesparter Autokilometer
  • Positive ökonomische Effekte durch die Verminderung von Reisezeiten

Im Grunde spricht somit alles dafür, das Bochum sich für den Bau einer Seilbahn zwischen Ruhr Park und Innenstadt entscheiden sollte. Eigentlich müsste die BOGESTRA ebenso wie die Stadt, an der Ausweitung des städtischen Nahverkehrsnetzes, zusätzlichen Kunden und Erlösen sowie an einer zusätzlichen Attraktion für die Innenstadt interessiert sein. Sofern das nicht der Fall ist, besteht die Option, dass sich Kaufleute und Gastronomen der Innenstadt, der Ruhr Park und ein Seilbahnhersteller mit dem Ziel zusammentun, ein privates Verkehrsunternehmen zu gründen, das die Seilbahn baut und betreibt. Dann allerdings würde der Gewinn aus dem Seilbahnbetrieb nicht dem städtischen Nahverkehr zu Gute kommen, sondern in die Kassen von privatem Unternehmen fließen. Für BOGESTRA und Stadt wäre das nur die zweitbeste Lösung.

12 Dez

Wird der 5-Minuten-Takt zwischen Duisburg und Dortmund je Wirklichkeit?

Bus- und Bahnverkehr im Ruhrgebiet erfüllen nicht im Ansatz die Anforderungen, die eine Metropole an den Nahverkehr stellt. Das Netz ist lückenhaft, die Infrastruktur häufig marode, auf die Pünktlichkeit von Bussen und Bahnen kann man sich nicht verlassen. Bochum ist leider keine Ausnahme. Was muss sich ändern?

Das Nahverkehrsangebot in Bochum wird auch in der neusten Studie der Agora Verkehrswende als ungenügend bewertet (ÖV-Atlas Deutschland). Auch in der Stadt im Herzen des Reviers sind die Lücken im Nahverkehrsnetz groß, halbwegs dichte Taktungen gibt es nur auf den wenigen Hauptverkehrslinien.

Ohne dicht getaktete Hautschlagader kein metropolengerechter Nahverkehr

Doch was würde ein flächendeckendes, dicht getaktetes städtisches Nahverkehrsnetz in Bochum bringen, wenn es schon an einer dicht getakteten Hauptverkehrslinie Duisburg – Mülheim – Essen – Bochum – Dortmund fehlt und sie auch für die Zukunft weder geplant schon nicht in Sicht ist. Bisher gibt es nicht mehr als eine „Vision“. Die besteht bisher darin, irgendwann, vielleicht bis 2030, mit dem RRX einen 15 Minuten-Taxt zwischen Köln und Dortmund zu realisieren. Denn selbst das gibt es heute nicht. ÖPNV-Kunden auf der Ruhrlinie zwischen Duisburg und Dortmund sind schon froh, wenn sie mal nicht 30 Minuten auf die nächste Bahn warten müssen.

Die Vision „15-Minuten-Takt“ ist unambitioniert, unzeitgemäß und zementiert die Rückständigkeit des Ruhrgebiets in Sachen Nahverkehr. Dabei will das Ruhrgebiet doch eigentlich so gerne Metropole sein, ist aber weder willens noch in der Lage die grundsätzlichen Anforderungen für ein metroplengerechtes Nahverkehrsnetz zu erfüllen. Erfolgreiche Millionen-Metropole, in denen die Hauptschlagadern des ÖPNV nicht mindestens im 5-Minuten-Takt fahren, gibt es sonst in Europa und der Welt nicht. Wie sollen die Nahverkehrsnetze der Städte an der Hauptlinie funktionieren und mit Kunden versorgt werden, wenn man zwischen den Zentren der Metropole mehr schlecht als Recht hin und her kommt?

Verlässlich- und Pünktlichkeit sind im Ruhrgebiet ungenügend

Zu allem Überfluss ist nicht nur die ÖPNV-Taktung zwischen den Städten des Ruhrgebietes schlecht, es fehlt zudem an Verlässlichkeit und Pünktlichkeit. Ständige Störungen führen ständig zu Verspätungen, Zugausfällen und entnervten Kunden. Die Verantwortlichen haben die Kontrolle über den Bahnverkehr verloren. Das Ruhrgebiet ist nicht mehr in der Lage einen verlässlichen Schienenpersonennahverkehr anzubieten.

Die Netzinfrastruktur ist marode und überaltert, die Strecken sind überbelegt und die Zuständigen mit dem Betrieb überfordert. Ständig wiederkehrende Stellwerkschäden, eine verschlafene Digitalisierung bei der Steuerungstechnik, sowie übermäßig verknüpfte Fahrpläne ohne Reserven, bei denen selbst kleinste Störungen bereits das ganze Netz im Nah- und Fernverkehr in wesentlichen Teilen zum Absturz bringen, belegen immer wieder die gravierenden Unzulänglichkeiten des Bahnsystems im Ruhrgebiet.

Bei den meisten Linien wird im Schienennahverkehr des Ruhrgebiets mit Mühe und Not nur ein Pünktlichkeitsquote von 70 bis 80% erreicht. Gute Nahverkehrsnetze streben Quoten von 95% und mehr bei deutlich dichterer Taktung an. Die Verantwortlichen bekommen die Probleme seit Jahren nicht in den Griff. in letzter Zeit wird es eher schlechter. Der aktuelle Zustand ist unerträglich, auch ist keine nennenswerte Besserung in Sicht. Das aktuelle Betriebskonzept ist weder erfolgreich noch funktioniert es, die Zuständigen sind den Aufgaben nicht gewachsen.

Eine grundlegende Neuorientierung ist erforderlich

Diese Erkenntnis ist bitter, aber es wird Zeit, dass sich die Verantwortlichen, insbesondere jene aus der Politik eingestehen, dass das Konzept, wie Nah- bzw. Bahnverkehr heute im Ruhrgebiet betrieben wird, krachend gescheitert ist. Ein grundlegender Neuanfang ist erforderlich, die bisherige Strategie ist offensichtlich ungeeignet, die bestehenden Problem in den Griff zu bekommen.

Für einen Neuanfang gilt es ein Grundproblem aufzulösen. Ein Verkehr- von Fern und Nahverkehrszügen auf den gleichen Streckenabschnitten ist im dicht besiedelten Ruhrgebiet zu störanfällig, die Komplexität der Verknüpfungen und gegenseitigen Abhängigkeiten nicht beherrschbar. Fern- und Nahverkehr müssen getrennt werden, beide benötigen von Köln bis Dortmund eigene voneinander getrennte Gleiskörper. Diese zu schaffen, bedeutet Milliardeninvestitionen. Doch es gibt keine Alternative, die Lösung, beide Verkehre über gemeinsame Gleise zu leiten, ist.

Separate eigene Gleiskörper für Nah- und Fernverkehr bedeutet aber auch, dass über die Ruhrschiene zwischen Duisburg und Dortmund so gut wie kein Fernverkehr mehr fließen sollte. Der Fernverkehr aus Frankfurt, Brüssel oder Amsterdam sollte in Duisburg oder Düsseldorf enden, der aus Hamburg oder Berlin in Dortmund. Fernverkehrszüge sollten das Ruhrgebiet zukünftig umfahren oder ohne Halt zwischen Duisburg und Dortmund durchfahren. Dafür aber müssen Nahverkehrszüge auf der Ruhrlinie Duisburg – Mülheim – Essen – Bochum – Dortmund pünktlich im 3 bis 5 Minuten-Takt verkehren.

Mögliches Rückgrat des Ruhrgebietsnahverkehrs eine Ring- und Achtlinie

Einen Vorschlag wie das angedachte Konzept funktionieren könnte, haben die STADTGESTALTER bereits Anfang 2020 gemacht (Eine Ring- und Achtlinie für das Ruhrgebiet). Die Idee, das Rückgrat des ÖPNV des Ruhrgebiets bildet eine Nahverkehrstrasse in Form einer Acht. Im Norden über Oberhausen Gelsenkirchen und Herne, im Süden über Hagen, Wuppertal und Düsseldorf, und in der Mitte über die Ruhrlinie. Mit diesem Konzept würden die Fernzüge zwar nicht mehr direkt in Mülheim, Essen und Bochum halten, dafür aber sind die Bahn- und Nahverkehrskunden aufgrund der dichten Taktung erheblich schneller in Duisburg oder Dortmund. Für die allermeisten Fahrgäste würden sich die Fahrzeiten verkürzen im Nahverkehr würde eine ganz neue Qualität erreicht.

Dicht getaktete Ruckgratlinien sind die Voraussetzung für erheblich mehr Kunden im Nahverkehr

Über eine sehr dicht getaktete Linie, die alle Großstädte des Ruhrgebiets miteinander verbindet, würden Massen von Fahrgästen in die lokalen Nahverkehrsnetze der Städte gepumpt. Diese Kunden würden es wiederum für die Städte attraktiv machen die Kapazität ihrer Nahverkehrslinien zu erhöhen, die Takte zu verdichten und zusätzliche Linien im Netz anzubieten. Letztlich ist der 3 bis 5-Minuten-Takt auf der Ruhrlinie der Schlüssel dafür, die Kundenzahlen im ÖPNV des Ruhrgebiets zu verdoppeln. Diese Maßnahme ist unabdingbar, sie ist die Voraussetzung für einen erfolgreichen Nahverkehr im Ruhrgebiet. So lange Politik und Städte des Ruhrgebiets das nicht erkennen und diese Maßnahme nicht auf Platz eins der Liste der dringend umsetzbaren ÖPNV-Projekte stellen, bleiben alle Absichtserklärungen, den Bus- und Bahnverkehr im Revier endlich nach vorne bringen zu wollen, nur inhaltslose Phrasen.

Für eine Wende im ÖPNV des Ruhgebiets ist also erforderlich, dass sich die Politik das Scheitern der bisherigen Verkehrspolitik im Bahnverkehr des Ruhrgebiets eingesteht und den Weg für einen Kurswechsel frei macht. Zukünftig sollte also die strikte Trennung der Gleiswege von Fern- und Nahverkehr das Ziel sein sowie ein 3 bis 5 Minuten-Takt auf den Schienentrassen, die die Großstädte des Ruhrgebiets verbinden. Ohne diesen radikalen Kurswechsel, wird der ÖPNV im Ruhrgebiet nie die Anforderungen eines metroplengerechten Nahverkehrs erfüllen können,

29 Aug

Zehn neue Linien für das Bochumer Nahverkehrsnetz

Der öffentliche Nahverkehr in Bochum hat bei vielen Einwohner*innen den Ruf langsam, unpünktlich und wenig komfortabel zu sein. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, will die Stadt einen großen Teil des Stadtverkehrs auf Bus und Bahn verlagern. Das kann aber nur mit attraktiven, schnellen und dicht getakteten Nahverkehrslinien gelingen. Die STADTGESTALTER legen jetzt einen Plan vor, der 10 Linien vorschlägt, mit denen das bestehende Netz ergänzt werden könnte.

39% beträgt der Anteil des Bochumer Stadtverkehrs am insgesamt in der Stadt von Menschen erzeugten Treibhausgases (CO2). Die Stadt hat sich das Ziel gesetzt bis 2035/40 klimaneutral sein. Jedoch werden derzeit noch 54% aller Wege in Bochum mit dem Auto zurückgelegt, das ist etwa doppelt so viel wie in modernen Großstädten sonst üblich. Der Anteil des ÖPNV liegt aktuell nur bei 15,3%. Ziel ist es diesen zu verdoppeln (PositionspapierStädte, Landkreise und Verkehrsverbünde begrüßen das Ziel der Verdoppelung der Fahrgäste des ÖPNV bis 2030!“).

Für die Bochum Strategie werden Leitprojekte des öffentlichen Nahverkehrs gesucht

Auch eine Kernaktivität der Bochum-Strategie nennt sich “Vorfahrt ÖPNV – Leitprojekte öffentlicher Nahverkehr”. Bisher findet sich unter dieser Kernaktivität jedoch kein echtes Leitprojekt. Bei dem bei den Einwohnern*innen umstrittenen Projekt “Netz 2020” handelt es sich um eine überfällige Reform des Liniennetzes, mit der jedoch kein echter Ausbau des Nahverkehrsnetzes verbunden ist.

Das aktuelle Schnellverkehrsnetz ist unattraktiv

Damit mehr Menschen vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen, muss die Stadt ein attraktives öffentliches Nahverkehrsnetz anbieten. Menschen nehmen den ÖPNV, wenn sie mit Bus und Bahn ähnlich schnell und komfortabel von A nach B kommen wie mit dem Auto. Das ist in Bochum nur auf wenigen Wegen möglich. Es fehlt ein flächendeckendes Netz an Straßen-, Stadtbahnen, S- und Regionalbahnen. Große Teile und wichtige Punkte der Stadt (z.B. RUB, Hochschule Bochum Ruhr-Park, Wattescheid Bf) sind nicht oder nur unzureichend an das Schnellverkehrsnetz angebunden.

Ein Schnellverkehrsnetz, das im Wesentlichen aus nur drei Straßenbahntrassen, einer Stadtbahnlinie, einer Regionalbahnlinie nach Norden und einer Bahntrasse von Ost nach West besteht, kann die Anforderungen, die eine Großstadt mit 370.000 Einwohnern an den ÖPNV stellt, nicht erfüllen. Wichtige Verbindungen fehlen, alle Linien führen sternförmig zum Hauptbahnhof, so dass die ÖPNV-Benutzer*innen immer erst zum Bahnhof fahren muss und dann weder davon weg. Das bedeutet häufig lange Umwege. Große Teile des Stadtgebietes, werden bisher nur durch langsame, unkomfortable und schlecht getaktete Buslinien erschlossen.

Insgesamt ist das Netz unattraktiv. Die Nutzung von Bus und Bahn stellt nur selten eine konkurrenzfähige Alternative zur Autonutzung dar. Regelmäßig ist man im Stadtgebiet mit dem Auto deutlich schneller und komfortabler von A nach B unterwegs.

Ausbau des Schnellverkehrsnetzes – Vorschlag STADTGESTALTER

Um mehr Kunden für den Nahverkehr zu gewinnen, ist es also erforderlich, dass bestehende Nahverkehrsnetz um wichtige schnelle Linien zu ergänzen.

Die STADTGESTALTER schlagen daher vor, das Bochumer Nahverkehrsnetz um zehn zusätzliche Linien zu ergänzen, zwei Straßenbahnlinie, sechs Seilbahnlinien, eine Regiotram- und eine neue Regionalbahnlinie:

Schnellverkehrsplan 2050, Vorschlag STADTGESTALTER

Straßenbahnlinien
308 – Verlängerung der Straßenbahnlinie 308 bis zum Regionalbahnhof Castrop-Rauxel Merklinde
304 – Neue Straßenbahnlinie 304 vom Hauptbahnhof über die bestehenden Straßenbahngleise bis Weitmar Kirche und dann neu über Weitmar Mark bis Stiepel.

Regiotram
RT1 – Verbindung vom Hauptbahnhof über Jahrhunderthallte, Günnigfeld, Lorheide Stadion, Leithe, Essen-Kray bis Essen Universität bzw. Essen Hauptbahnhof (Bahnanbindung für Leithe und Günnigfeld).

Regionalbahn
RB46X – Ergänzung der bestehenden Linie RB46 durch eine neue Linien RB46X, die vom Hautbahnhof nach Recklinghausen und Münster fährt (Ohne Umsteigen von Bochum nach Recklinghausen und Münster). Die Idee ist, die bisherige Linie des RB46 vom Bochumer Hauptbahnhof bis Riemke mit einem Zug zu befahren der aus zwei eigenständigen Zugteilen besteht (Doppeltraktion). Am Bahnhof Riemke sollen dann beide Zugteile getrennt werden. Ein Zug fährt weiter – wie bisher – nach Gelsenkirchen, der andere nach Recklinghausen

Seilbahnlinien
SX1 – Eine leistungsfähige Verbindung vom Hauptbahnhof über den Hauptfriedhof zum Ruhr Park (Seilbahnlinie City-Ruhr Park), mit einer möglichen Verlängerung nach Harpen.
SX2– Eine direkte, schnelle Verbindung von RUB und Hochschule zur S-Bahnstation Langendreer West, später verlängerbar bis Werne Amt (Seilbahn – Rückgrat der Bochumer Universitäts- und Hochschullandschaft).
SX3 – Verbindung RUB und Hochschule mit Laer/ Mark 51°7. In einem zweiten Schritt könnte die Linie zum Kemnader See und über Witten-Heven zum Bahnhof Witten verlängert werden (Seilbahn – Rückgrat der Bochumer Universitäts- und Hochschullandschaft).
SX4 – August-Bebel-Platz – Wattenscheid Bahnhof – Höntrop Kirche und Höntrop Bahnhof (Zentrale (Seilbahn-)Verkehrsachse für Wattenscheid). Diese Linie kann zu einem späteren Zeitpunkt über den Südpark bis zum Eisenbahnmuseum und dem Bahnhof Dahlhausen verlängert werden,
SX5 – Eine weitere Verlängerung ist über Eppendorf, von Sundern zur RUB und ein weitere nach Hattingen möglich.
SX6 – Vom August-Bebel-Platz über Günnigfeld, Hordel und Riemke bis nach Gerthe kann mit einer weiteren Linie der Norden der Stadt erschlossen werden.

Somit schlagen die STADTGESTALTER insbesondere Seilbahnverbindungen vor, diese haben u.a. folgende Vorteile: Sie sind schneller realisierbar als Straßen- oder Stadtbahnlinien, da keine Trassen über bestehende Straßen gebaut werden müssen. Seilbahnen benötigen keine Verkehrsflächen auf Straßen. Mit Seilbahnen kommen die ÖPNV-Benutzer tendenziell schneller von A nach B, da an den Stationen keine Wartezeiten entstehen. Es steht immer eine abfahrbereite Kabine zum Einstieg bereit.

Netzabdeckung, Haltestellen des Schnellverkehrs, 600m Umkreis, rot bestehend, grün: zusätzlich

Die Stadt braucht einen Masterplan “Ausbau des Schnellverkehrsnetzes”

Bei allen vorgeschlagenen Linien handelt es sich um potentielle “Leitprojekte des öffentlichen Nahverkehrs”, die der entsprechenden Kernaktivität der Bochum-Strategie zugeordnet werden können. Mit der Verwirklichung aller zehn Linien würde hinsichtlich des Bochumer Nahverkehrsnetzes ein Optimalzustand erreicht, der geeignet ist, eine Fahrgaststeigerung zu bewirken, mit der sich der ÖPNV-Anteil im Modal Split ziemlich sicher auf 25-30% erhöhen ließe.

Die Realisierung der Linien ist jedoch bereits aus finanziellen Gründen nur Schritt für Schritt über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten möglich. Zwar werden bei Bahnprojekten bis zu 90% der Kosten vom Land NRW übernommen, doch finanziert das Land nicht nur Bochumer Projekte, so dass eine Förderung neuer Linien nur hintereinander mit zeitlichem Abstand möglich ist.

Im Rahmen der Bochum Strategie benötigt die Stadt also einen Masterplan, der festlegt, wie, in welcher Reihenfolge und wann die Leitprojekte des öffentlichen Nahverkehrs finanziert und umgesetzt werden können und sollen.

Zu diesem Zweck haben die STADTGESTALTER die dargestellt Linien in vier Prioritätskategorien einsortiert. Dabei wurden die vordringlich erforderlichen Linien der Priorität 1 zugeordnet. Linien mit hoher Priorität der Kategorie 2, Linien mit weniger oder nachrangiger Priorität in die Kategorien drei und vier:

Priorität 1
August-Bebel-Platz – Wattenscheid Bf. – Höntrop Bf (SX4)
BO-Hbf – Günnigfeld – Leithe – Essen (RT1)
BO-Hbf – Ruhr Park (SX1)
BO-Hbf – Recklinghausen (RB46X)
RUB/Hochschule – Langendreer (West) (SX2)

Priorität 2
BO-Hbf – Weitmar Mark – Stiepel (304)
RUB/Hochschule – Laer/ Mark 51°7 (SX3)
RUB/ Hochschule – Kemnader See – Witten Bf (SX3)
Gerthe – DO-Merklinde (308)

Priorität 3
Höntrop Bf – Südpark – Eisenbahnmuseum – Dahlhausen (SX4)
Höntrop Bf – Eppendorf – Sundern – Stiepel Nord – RUB (SX5)
August-Bebel-Platz – Günnigfeld – Hordel – Hofstede – Riemke – Handwerksweg (Gerthe) (SX6)

Priorität 4
Sundern – Hattingen Mitte (SX5)
Ruhr Park – Harpen (SX1)
Langendreer (West) – Werne Amt (SX2)

Sämtliche Linienprojekte müssen zunächst auf ihre technische und finanzielle Umsetzbarkeit geprüft werden. Auch sollte untersucht werden, ob es weitere Linien gibt, die das Netz sinnvoll ergänzen könnten. In jedem Fall muss bei der Prüfung der Machbarkeit das Nahverkehrsnetz als Ganzes betrachtet werden, denn nur ein neues flächendeckendes Netz an Schnellverkehrsverbindungen kann so attraktiv sein, dass sich insgesamt die Fahrgastzahlen deutlich erhöhen. Einzelne Linien alleine, für sich betrachtet, sind dazu nicht in der Lage.

Masterplan “Schnellverkehrsnetz Bochum 2050”

Das von den STADTGESTALTERn entwickelte Schnellverkehrsnetz soll zeigen, wie in Bochum das Nahverkehrsnetz 2050 aussehen könnte und welche wichtigen Linien derzeit fehlen. Der Vorschlag ist als Ausgangspunkt für die Entwicklungen eines Masterplans und Ideensammlung zur Entwicklung eines attraktiven Schnellverkehrsnetz zu verstehen.

Der Prozess, einen solchen Masterplan “Schnellverkehrsnetz Bochum 2050” zu entwickeln, sollte umgehend beginnen. Die Planung und Umsetzung von Nahverkehrsprojekten dauert in der Regel 5 Jahre und länger. Will Bochum 2035/40 klimaneutral sein, bleibt keine Zeit noch länger mit dem Ausbau des Nahverkehrsnetzes zu warten.

07 Aug

VRR: Fahrgäste gefangen im Tarifdschungel

Um Gelegenheitsfahrer vom Bus- und Bahnfahren abzuschrecken hat der VRR einen einzigartigen Tarifdschungel geschaffen. Jetzt gibt es weitere Ideen das Tarifdickicht noch undurchdringlicher zu machen. Offen ist weiterhin, wann Fahrgäste für den Fahrscheinkauf eine Schulung nachweisen müssen, mit der sie die Fähigkeit erworben haben im VRR-Tarifdschungel den richtigen Fahrschein zu lösen. Eine Glosse.

80 Seiten dick ist der so genannte “Überblick” des VRR über das Tarifsystem (Der Tarif im Überblick). Das komplette Tarifsystem wird in allen Einzelheiten in einem dreibändigen Kompendium erklärt, das vom Lehrstuhl für die wissenschaftliche Erforschung des VRR-Tarif- und Fahrscheinsystems der Hochschule Gelsenkirchen herausgebracht wird. Der Lehrstuhl erforscht die Untiefen des VRR-Tarifdschungels und bietet einen 6-semestrigen Studiengang an, der mit dem Bachelor of “VRR-Tarif und Ticket-Art” abgeschlossen werden kann. Nur mit diesem Abschluss dürfen Tarifexpert*innen sich neue Preisstufen, Ticketvarianten und Tarife für den VRR ausdenken. Der Abschluss ist ebenfalls Voraussetzung für die Leitung eines VRR-Kundencenters.

Kunden verzweifeln am Tarifsystem des VRR

Für die Kunden will der VRR jetzt dreiwöchige Tarif-Schulungen anbieten, denn in umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen wurde festgestellt, dass nur sehr wenige Menschen in der Lage sind, im VRR-Tarifdschungel die richtige Fahrkarte zu lösen. Von 100 Kunden schaffen es nur drei in 9 von 10 Fällen innerhalb von 30 Minuten den für sie günstigsten Fahrpreis im VRR zu finden. Von 100 Testpersonen mussten zehn nach ausgiebigen Tests psychologisch betreut werden, da sie an dem System des VRR verzweifelten und vor den Fahrkartenautomaten mit Weinkrämpfen zusammenbrachen.

Immer neue Tarife und Preisstufen

Der VRR und seine Nahverkehrsunternehmen aber sind offenbar stolz darauf, ihren Kunden das komplizierteste Der VRR und seine Nahverkehrsunternehmen aber sind offenbar stolz darauf, ihren Kunden das komplizierteste Tarifsystem der Menschheitsgeschichte anzubieten. Tarifexpert*innen haben jetzt eine Reihe weiterer Vorschläge vorgelegt um den Tarifdschungel noch undurchdringlicher zu machen. So soll das Bärenticket in drei weitere Fahrscheine differenziert werden. Für besonders reiselustige Frührentner*innen zwischen 55 und 60 Jahren soll das Pandaticket angeboten werden. Menschen mit schlohweißen Haaren ab 65 sollen zukünftig das Eisbärenticket erwerben können. Für Menschen ab 60, die beim Schwarzfahren erwischt werden, ist sollen zum Nachlösen eines Schwarzbärenticket gezwungen werden, bei dem der reguläre Fahrpreis mit ihrem Lebensalter multipliziert wird. Hochbetagten sollen ab einem Alter von 99 alle Fahrten erstattet werden, wenn sie das 100 Lebensjahr vollendet haben (Century-Ticket).

Auch bei den Jüngsten solle es das Schokoticket demnächst in weiteren Geschmacksrichtungen geben. Angedacht sind unter anderem Traube-Nuss, Müsli-Muffin und Keks-Karamel. So finden auch Schokoticket-Nutzer mit Nuss-Allergie oder vegan lebende Schüler*innen demnächst das für sie passende Ticket.

Besonders innovativ soll das Halbwegticket sein. Alle, die weil ihnen schlecht wird, sie was vergessen haben oder aus sonst einem Grund eine beabsichtigte Fahrt unplanmäßig auf halber Strecke frühzeitig beenden müssen, soll das Ticket eine Fahrpreisreduktion von 21,23% ermöglichen.

Neu würde auch der Schwarzfahrjoker sein, den es in allen Tarifstufen ab 10 Euro geben soll. Bei Vorlage des Jokers, kommt der ertappte Kunde beim Schwarzfahren einmal straffrei davon.

Auch die Preisstufe A soll reformiert werden. Bisher gibt es im VRR-System die Preisstufe A3, die alle “Großstädte mit sehr dichtem und qualitativ besonders hochwertigem Nahverkehrsangebot” umfasst. Da das Angebot des VRR jedoch in keiner Stadt sehr dicht und qualitativ besonders hochwertig ist, kann in diese Stufe eigentlich keine Stadt des VRR-Gebiets eingeordnet werden. In der neuen Preisstufe A sollen die Kommunen daher neu eingeteilt werden, in A1: Es gibt nur Busse und die kommen selten und nur hin und wieder pünktlich, A1½: es gibt dazu auch einen Bahnanschluss, A2: Busse und Bahnen kommen auch schon mal häufiger, A3: Es wird etwa 50% von dem angeboten, was sonst in europäischen, amerikanischen und asiatischen Großstädten und Metropolen Standard ist.

Nur kein einfaches Tarifsystem

Der Einführung eines Smartcard-Tickets, wie es das in fast allen fortschrittlichen Metropolen der Welt gibt, verweigert sich der VRR auch weiterhin. Eine Karte als E-Fahrschein, auf die man Geld laden kann und deren Guthaben die Kunden dann Fahrt für Fahrt abfahren, indem man sie bei Fahrtbeginn und -ende an einen Kartenleser hält, lehnen die Tarifexpert*innen des VRR weiterhin ab. Aus VRR-Kreisen ist zu hören, ein solches System sei für die Kunden des VRR aufgrund seiner Einfachheit unverständlich, da diese auf das absurd komplizierte VRR-Tarifsystem konditioniert seien. Zudem würde ein einfaches System viel zu viele Kunden veranlassen auf Bus und Bahn umzusteigen. Volle Busse und Bahnen wolle man den Fahrgästen des VRR jedoch nicht zumuten.

Die Nachteile der Smartkarten hätten sich zudem in der Corona-Krise gezeigt. Mit einem Smartcard basierten Fahrscheinsystem hätten die Nahverkehrsunternehmen des VRR deutlich weniger coronabedingte Einnahmeverluste eingefahren und hätten so auf Millionen staatlicher Hilfen zum Ausgleich dieser Verluste verzichten müssen. Denn während im VRR-Gebiet der Fahrkartenkauf im Bus oder den Kundencentern über Monate nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich war und daher viele Kunden ohne zu zahlen oder gar nicht mit Bus und Bahn unterwegs waren, hätten in Nahverkehrssystemen mit Smartkarte viele Gelegenheitsfahrer*innen ihre E-Fahrscheine (Smartkarten) auch während der Krise weiter an den Automaten und online aufgeladen und so den ÖPNV weiter benutzt.

Doch jetzt gibt es revolutionäre Überlegungen zukünftig gleich ganz auf das Tarif- und Fahrscheinsystem zu verzichten. Aufgrund der coronabedingten Erfahrungen mit einem Betrieb von Bussen und Bahnen fast ohne Fahrgäste, werden erste Stimmen laut, ob man den Nahverkehr im VRR-Gebiet vielleicht zukünftig ganz ohne Fahrgäste betreiben sollte, denn dann könnten Fahrscheine und Tarife gleich ganz entfallen.

Eine einfaches Tarifsystem im VRR, die Hoffnung ist tot

Bus- und Bahnkunden dürfen gespannt sein, was die nächsten Jahre bringen. Hoffnung, dass sich wirklich was ändert, gibt es allerdings nicht. Die Pressemeldung, in der die Führung des VRR jedes Jahr verkündet, dass das Fahrschein- und Tarifsystem bald wesentlich vereinfacht würde, wird zukünftig jeweils am ersten April veröffentlicht.

Der VRR und seine Nahverkehrsunternehmer sind Dinosaurier, die sich in ihrem eigenen Tarifdschungel verirrt haben. Die Erfahrung zeigt, der nächste Evolutionsschritt ist erst möglich, wenn die Dinosaurier ausgestorben sind.

28 Feb

Aufarbeitung des Schneechaos in Bochum

Fast 14 Tage ist es her, da endete eine Woche Schneechaos in Bochum. Über eine Woche funktionierten Bus und Bahn sowie die Müllentsorgung – sofern überhaupt – mehr schlecht als recht. Wie konnte es dazu kommen? Was muss zukünftig anders laufen, damit die Stadt auch bei Schnee und Eis besser funktioniert?

Am Freitag, den 05.02 war es am Mittag noch 10 Grad warm, danach sank die Temperatur bis zum Samstagabend auf 0 Grad, Schneefall begann und weitere 18 Stunden später betrug die Temperatur –5 Grad (Wetter Februar 2021). Dieser in unseren Breiten seltene Temperatursturz, verbunden mit dem zwischenzeitlich einsetzenden Schneefall führte zu einer dichten Schnee- und Eisdecke die sich eine Woche über die Straßen der ganzen Stadt legte und einen vernünftigen öffentlichen Nahverkehr wie eine Müllabholung fast unmöglich machte.

Der für die Räumung der Straßen zuständige USB schaffte es bis zum Ende der Frostwoche nicht alle wichtigen städtischen Straßen und Radwege zu räumen. Die Eis- und Schneeschicht, die sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag auf dem Straßenbelag gebildet hatte, ließ sich kaum mehr beseitigen. In anderen Städten und auch in den Niederlanden dagegen waren alle wichtigen Straßen und Radwege nach ein bis zwei Tagen wieder schneefrei und befahrbar.

Wie konnte es in Bochum zu dem Schneechaos kommen?

Als die Außentemperatur null Grad erreicht hatte, fiel der Schnee zunächst nicht in Flocken, stattdessen regnete es Eiskörner auf die noch warmen Straßen, die dort schmolzen. Es bildete sich ein Wasserfilm, der zunächst mit zunehmendem Schneefall vom Schnee überdeckt wurde und dann, als der zunehmende Frost den Boden erreichte, mit dem Schnee zusammenfror. Es entstand eine mit Schnee bedeckte Eisschicht, die auf den Straßen zusätzlich von den Autos verdichtet wurde. Durch das Befahren vermischte sich der Wasserfilm zudem noch mit dem Schnee, ehe das Gemisch dann gefror.

Auf diese Weise bildete sich eine dicke Schnee- und Eisplatte, die sich mit den leichten Räumfahrzeugen des USB und dem üblichen Salzeinsatz nicht mehr beseitigen ließ. Auf der Schicht konnten keine Busse mehr fahren, die Schienen der Straßenbahnen ließen sich nicht mehr freilegen. Die Müllabfuhr kam auf den Straßen nicht voran. Die Mülltonnen über den Schnee zum Fahrzeug zu zerren, statt über den Asphalt zu rollen, war nur mit einem Vielfachen an Zeitaufwand möglich. ÖPNV und Müllentsorgung kamen zwischenzeitlich praktisch zum Erliegen.

Warum blieb das Schneechaos in anderen Städten aus?

In Städten, in denen alle wichtigen Straßen- und Radwege schon nach ein bis zwei Tagen vollständig geräumt waren, war es zur Bildung der Eis- und Schneedecke dagegen erst gar nicht gekommen. In Nimwegen beispielsweise wurden in 12-Stunden Schichten beständig alle wichtigen Verkehrsverbindungen mit Räumfahrzeugen abgefahren, damit die Hauptstraßen nicht von einer Eis- und Schneeschicht zugedeckt werden konnten (WAZ vom 12.02.2021).

Zwar wurden in Bochum die wichtigsten Straßen (Streustufe 1 und 2) vom USB bereits am Samstagabend präventiv gestreut, jedoch wurden erst am Sonntag, 7. Februar, ab 4:00 Uhr die Straßen in den Stufen 1 insgesamt viermal und in der Stufe 2 zweimal bearbeitet (Mitteilung 20210615). Dies stellte sich im Nachhinein als nicht ausreichend heraus, die Bildung der Eis- und Schneeplatte konnten diese Maßnahmen nicht verhindern. Zudem wird das Streuen am Samstag zunächst eine zusätzliche Verflüssigung von Schnee bewirkt haben, wodurch aufgrund des starken und schnellen Temperatursturz noch mehr Eis entstand.

Schon direkt mit Beginn des Schneefalls hätte für den Winterdienst alles an Personal und Räumfahrzeugen aufgeboten werden müssen, um jede Bildung einer Eis- und Schneeschicht auf den Straßen und Wegen bereits im Ansatz zu verhindern. Das jedoch gelang in Bochum nicht. Es waren zu wenig Räumfahrzeuge auf der Straße. Der Schnee konnte sich fast ungehindert auf den Straßen aufhäufen und in der beschriebenen Weise bis Montagmorgen zu der fatalen Eis- und Schneeplatte zusammenfrieren. Nachdem sich die Platte gebildete hatte, bestand bei den anhaltenden Frosttemperaturen von bis zu -15 Grad für den USB keine Chance mehr mit dem vorhandenen Gerät und den verfügbaren Mitteln die zusammengefrorene Eis- und Schneeplatte zu beseitigen.

Wie lässt sich ein Schneechaos zukünftig verhindern?

Es stellen sich also folgende Fragen:

  • Wurde beim USB nicht erkannt, welche fatalen Folgen es haben würde, wenn der fallende Schnee nicht sofort geräumt würde, um die Bildung der Eis- und Schneeplatte zu verhindern?
  • In wieweit fehlte es dem USB an den erforderlichen Personal- und Räumkapazitäten, um den Schnee frühzeitig zu räumen?
  • Was ist zu tun um zukünftig ein Schneechaos zu verhindern? In wieweit müssen die Räumabläufe beim USB geändert werden und zusätzliche Räumkapazitäten geschaffen werden?

Am 09.03.2021 wird der USB im Ausschuss des Stadtrats für Umwelt, Natur und Ordnung auf diese Fragen antworten müssen.

Bei der Bewertung der Antworten wird zu berücksichtigen sein, dass eine Wettersituation, wie wir sie in der zweiten Februarwoche erlebt haben, eigentlich nur aller 20 Jahre zu erwarten ist und daher in unseren Regionen die Erfahrungen mit solchen Situationen nur begrenzt vorhanden seien können. Dazu erscheint ein Vorhalten von schwerem Räumgerät und entsprechendem Personal für Ereignisse, die nur aller 20 Jahre zu erwarten sind, nicht unbedingt sinnvoll und unwirtschaftlich.

Die Kommunikation von USB und BOGESTRA ist verbesserungswürdig

Dazu wurde während des Schneechaos immer wieder der mangelnde Informationsfluss zwischen USB wie BOGESTRA und Bürger*innen bemängelt. Eine weitere Aufgabe von USB wie BOGESTRA ist es somit zu überlegen, wie sich die Kommunikation mit den Kunden verbessern lässt. Ein Zugeständnis, dass eine Räumung der Straßen durch die entstandenen Schnee- und Eisplatten praktisch unmöglich geworden war, gab es nie. Die Verbreitung und Aktualität der Informationen der BOGESTRA insbesondere zum Ersatzverkehr erscheint verbesserungswürdig. Gleiches gilt hinsichtlich der Nachholtermine zur Abholung des Mülls durch den USB.

Bemühungen des USB um ein Schneechaos zukünftig zu vermeiden sind bisher nicht zu erkennen.

Dass sich die Einschränkungen infolge von solch besonderen Schneeereignisse zukünftig gänzlich vermeiden lassen, ist nicht zu erwarten, dass jetzt Maßnahmen ergriffen werden, die für die Zukunft eine bessere Bewältigung solcher Ereignisse ermöglichen, hingegen schon. Die Erklärung der Verwaltung bzw. des USB, wie es zu dem Schneechaos kommen konnte, ist in dieser Hinsicht unzureichend, denn sie enthält keinerlei Ansätze wie der USB für den Fall, dass eine ähnliche Wetterlage erneut eintritt, chaotische Zustände, wie sie in der ersten Februarwoche zu beobachten waren, vermeiden will (Mitteilung 20210615).

Aufgabe der Politik ist es den USB aufzufordern darzulegen, wie das Unternehmen sich in Zukunft besser für solche Schneeereignisse rüsten will, Zudem muss die  Politik ggf. erforderliche Entscheidungen treffen, die nötig sind, damit der USB ab dem nächsten Winter besser auf solche Ereignisse vorbereitet ist.

24 Jun

Wo steht Bochum nach dem Ende des Lockdown?

Geht man in diesen Tagen durch die Bochumer Innenstadt, dann schaut es fast so aus, als sei alles so wie vor der Krise, nur die vielen Menschen mit Masken weisen darauf hin, dass die Normalität doch noch nicht zurückgekehrt ist. Was sind die Folgen der Corona-Krise für Bochum? Was kommt noch auf die Stadt zu?

Halten Einzelhandel, Gastronomie und Veranstalter durch?

Mit Maske Bummeln und Shoppen gehen? Da halten sich doch viele zurück. Nicht wenige, die bisher mit Online-Shopping wenig am Hut hatten, haben in der Krise das Einkaufen im Internet zu schätzen gelernt. Diese Effekte werden sich nur begrenzt zurückdrehen lassen. Die negative Entwicklung im Einzelhandel vor Ort in Bochum wird sich beschleunigen. Es wird zu weiteren Geschäftsaufgaben kommen. Zwar tut sich vieles in der Bochumer Innenstadt, das positive Effekte haben wird, wie die Erneuerung der Plätze, wie Husemannplatz und hoffentlich auf Rathausplatz, Markthalle, Haus des Wissens und die Anbindung der City an den Radschnellweg. Doch bis diese Projekte umgesetzt sind und Früchte tragen, dauert es noch bis mindestens 2023.

Es wird sich rächen, dass die Politik in Bochum in Sachen Innenstadtaufwertung viel zu spät den Schalter von autogerechter zu lebenswerter Innenstadt umgelegt hat. Die positiven Effekte der lauenden Innenstadtprojekte wird für einige, hoffentlich nicht für viele, Einzelhändler zu spät kommen.

Die Folgen für Gastronomen und Veranstalter werden noch deutlich dramatischer ausfallen. Ein Drittel des Umsatzes in der Innenstadt wird schon heute von der Gastronomie erwirtschaftet. Die weiter bestehenden Maßnahmen, beschränken die Zahl der Kunden und halten sie vom Besuch von Kneipe und Restaurants ab. Es fehlen die Veranstaltungen, nicht nur im Bermudadreieck, die sonst Innenstadtbesucher auch in die Gastronomie locken. Zu erwarten ist, dass auch hier eine Reihe von Betrieben aufgeben wird. Noch nicht absehbar ist, ob sich langfristig neue Betriebe mit gleicher Anziehungskraft finden werden, wenn sich die Lage wieder vollständig normalisiert hat. Auch ist offen, ob Strukturen, wie sie das Bermuda3Eck aufweist, durch den wirtschaftlichen Einbruch nachhaltig geschädigt werden. Können entstehende Leerstände wieder in gleicher Qualität besetzt werden, werden sich Lücken auftun oder werden diese vermehrt durch Betriebe ersetzt, die der Anziehungskraft des 3Ecks nicht zuträglich sind, Stichwort Shisha Bars?

Wird es bald wieder Veranstaltungen wie Bochum Total geben, die den Ruf von Bochum in der Vergangenheit sehr positiv geprägt haben 2021 wieder geben oder fehlt den Veranstaltern in Zukunft die wirtschaftliche Kraft diese zu stemmen?

29 Feb

Bei Busumleitung Kassenberger Straße nachbessern

Seit dem 21.02.2020 ist der Bereich der Stützmauer auf der Kassenberger Straße in Höhe der Hausnummer 9 bis zum Jahresende zur Einbahnstraße geworden. Grund hierfür sollen Sicherungs- und Erneuerungsarbeiten an der dort befindlichen Stützmauer sein.

Dies bedeutet, dass der Linien- und Autoverkehr aus Bochum Dahlhausen kommend in Richtung Oberdahlhausen und Eppendorf über die Hasenwinkeler Straße umgeleitet wird und somit nun die gesamte Belastung auf dieser Strecke liegt. Die Bushaltestellen Im Berge, Am Birkenwald, Gaußstraße und Meinholtweg werden also von keiner Linie (345, 355 und NE5) angefahren und Personen, die auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind, müssen entweder zu Fuß zur nächsten angefahrenen Haltestelle (Scharpenseelstraße) laufen, oder mit dem Bus zur Haltestelle Bochum Dahlhausen Bf fahren und dort warten, bis der Fahrer seine Pause beendet hat, um die Umleitungsstrecke zu fahren.

Nicht zum ersten Mal Unverständnis bei den Anwohnern

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02 Jan

Eine Ring- und Achtlinie für das Ruhrgebiet

Das Ruhrgebiet braucht dringend ein leistungsfähiges öffentliches Nahverkehrsnetz wie es sonst in europäischen Großstädten und Metropolen schon lange Standard ist. Über dieses Ziel sind sich eigentlich alle einig. Um das Ziel zu erreichen wird allerdings wenig bis gar nichts getan.

Der Takt des RRX ist nicht metropolengerecht

Zwar soll bis 2035 die Infrastruktur für ein besseres Regionalbahnnetz aufgebaut werden (VRR-Nahverkehrsplan 2014), damit in 15 Jahren sogenannte RRX-Züge die großen Städte des Ruhrgebietes im 15 Minuten-Takt verbinden. Doch der Standard der heute in Metropolregionen üblich ist, wird auch mit dieser Verbesserung des Nahverkehrsnetzes nicht halbwegs erreicht. In Metropolen liegen die Takte der Züge, die die Hauptstationen verbinden, bei 5 Minuten und weniger. Sollen die Einwohner des Ruhrgebietes zukünftig einen wesentlichen Teil (25-30%) ihrer Weg mit dem ÖPNV zurücklegen, dann muss auch im Ruhrgebiet in 20 Jahren ein solcher Takt erreicht werden

Auch werden die RRX-Linien nicht alle Städte des Ruhrgebietes direkt miteinander verbinden, viele Städte hängen an unterschiedlichen Linien und werden sich auch weiterhin nicht ohne Umsteigen und nicht in einem dichtem Takt erreichen lassen. Die Haupt RRX-Linie durchquert das Ruhrgebiet in Ost-West-Richtung. Städte, die nicht an der Achse Köln bis Hamm liegen, sind nur mit Abstrichen zu erreichen.

Es fehlt eine Ringlinie, die die fast alle Großstädte des Ruhrgebiets verbindet Weiterlesen

07 Apr

Seilbahn – Rückgrat der Bochumer Universitäts- und Hochschullandschaft

Für den Bochumer Süd-Osten erstellt die Aachener Ingenieugruppe IVV gerade ein Nahverkehrskonzept; Das Ziel: Ruhr-Universität und Hochschule sollen mit Langendreer, Ostpark und Mark 51°7 direkt vernetzt werden.

Machbarkeitsstudie ob Bus, Straßen- Stadt- oder Seilbahn

Stadt, RUB, Hochschule Bogestra,und Bochum Perspektive haben die Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Geprüft wird auch, ob die Vernetzung mit Bussen, Straßen, Stadt- oder Seilbahn erfolgen soll.

Gleichzeitig verfolgen die gleichen Akteure den Rahmenplan Campus Bochum, mit dem insbesondere der RUB-Campus urbaner gestaltet werden soll und die Wissenschaftsstandorte in der Stadt besser miteinander verknüpft werden sollen (Mitteilung 20190440).

RUB sucht nach einer direkten und leistungsfähigen Verbindung der Campusstandorte

Die Ruhr-Universität verfolgt bei der Campusentwicklung die Strategie sich an drei so genannten Wissenspolen weiter zu entwickeln (RUB Campusentwicklung). Diese Standorte sind der RUB-Campus, das Innovationsquartier auf Mark 51°7/Laer und die Innenstadt, dort das Bochumer Fenster, Blue Square und das sog. Archäologie-Dreieck.

Diese drei Standorte der RUB sowie die Standorte der weiteren Bochumer Hochschule sollen möglichst optimal miteinander vernetzt werden, ebenso wie eine komfortable Verbindung von RUB/Hochschule sowie Innovationsquartier zur TU-Dortmund angestrebt wird. Denn Grundlage für eine erfolgreiche Weiterentwicklung von Bochum als Universitätsstadt ist die Vernetzung aller Universitäts-und Hochschulstandort. Weiterlesen