29 Mai

Amtsblatt für Bochum – Immer die neuesten Stadtinfos frisch auf den Tisch

In Bochum wissen die Menschen oft viel zu wenig darüber, was in der Stadt und der Stadtpolitik passiert. Nur noch die WAZ berichtet umfänglich und täglich. Andere Städte informieren die Bürger*innen mit ihrem Amtsblatt über das Stadtgeschehen aller zwei Wochen. Diesem Beispiel könnte die Stadt Bochum folgen.

Anders als dem Dänen Marcellus schwant den Bochumern nichts Übles. Dabei ist auch in ihrer Stadt „etwas faul“. Erfreulicherweise ist die kommunale Bühne für verschwörende Theoretiker, die theoretische Verschwörer sehen, zu volkstümlich, in Bochum zu klein. Am Ende bietet die ordentlich gelegte Frisur von Thomas Eiskirch im Vergleich zu Trumps Tolle und Putins Pläte zu wenig Projektionsfläche. Glück gehabt.

Aber trotz dieser fehlenden Nebelkerzen, die jede sachliche bundespolitische Diskussion freudlos ersticken, führt die Bochumer Stadtgesellschaft kaum klare Debatten über die Entscheidungen, die ihre Repräsentanten im Rat zu treffen haben. Einige Fraktionsvorsitzende sind den Bochumer Bürgern wahrscheinlich so bekannt wie Dubravka Šuica. Wer das ist? Die europäische Kommissarin für „neuen Schwung für die Europäische Demokratie“. Ich musste auch googeln.

Unserem Bochum, ein Dorf, das an der Hand der klobigen industriellen Konzerne zur Stadt gewachsen ist, fehlt eine fein geölte Bürgergesellschaft, der seit hunderten Jahren gewiss ist, dass sie ihre Geschicke selbst steuern muss. Diese Bürgergesellschaft kann sich nur vor dem Hintergrund einer dauerhaften informationellen Kulisse empor entwickeln. Da die einzig verbliebene Tageszeitung, die von der Mehrheit der Bochumer gar nicht abonniert ist und gelesen wird, dafür nicht ausreicht, ist die Politik gefordert.

In Zeiten der Mosaike aus Blogs, Tweets und Insta-Posts lohnt auch mal ein Blick aufs Analoge: Gerade das staubige Amtsblatt, das in Bochum bislang nur der kaum gehörten Verkündung von Satzungen und Ausschreibungen dient, könnte dem Bürgergedanken neues Leben einhauchen. Entblättern sich monatlich frei Haus redaktionell und interessant aufbereitet die Vorhaben der Verwaltung, die Debatten des Rates und Informationen der Fraktionen über ihre politische Arbeit, wird eine Grundlage für Beteiligung und Teilhabe geschaffen. In anderen Städte, z.B. Freiburg gibt es ein solches Amtsblatt schon seit Jahrzehnten (Amtsblatt Freiburg https://www.freiburg.de/pb/281247.html). In den meisten Haushalten freuen sich die Menschen seit über 30 Jahren und 816 Ausgaben, aller zwei Wochen kostenfrei mit den neuesten Stadtnachrichten und -veranstaltungen auf 10 Zeitungsseiten versorgt zu werden. Der Druck finanziert sich über einen kleinen Teil Werbung auf der letzten Seite des Blattes.

Praktischerweise hegen bestehende Gesetze und Rechtsprechung ein redaktionelles Amtsblatt in Neutralität und Inhalt ein, ohne dass die Lokalpolitik hier kompliziert eigenes Recht schaffen muss. So darf das Amtsblatt nur über Veranstaltungen, Vorhaben und Debatten aus den Sphären des Rates und der Verwaltung informieren. Allgemeine journalistische Berichterstattung über Neuigkeiten in der Stadt, z.B. über die Spieltage des VfL Bochums oder den Handtaschendiebstahl am Bahnhof, obliegen den journalistischen Medien – Also de facto der WAZ, da Radio Bochum sich in den „Hits der 80er und 90er“ erschöpft. Ebenso bleiben die spitzen Kommentare den Bochumer Redakteuren vorbehalten. Auch die Recherche und Unterfütterung politischer Debatten mit z.B. Zitaten von Seiten der IHK bleiben Metier der Tageszeitung. WAZ, Social Media und Amtsblatt würden sich mit ihrer unterschiedlichen Ausrichtungen ergänzen.

Natürlich müsste das Amtsblatt aus 100% recycelten Altpapier bestehen und zertifiziert klimaneutral hergestellt werden. Ebenso sollte eine barrierefreie digitale Version verfügbar sein. Wer möchte sollte zudem die Papierversion abbestellen und dafür die digitale Version abonnieren können. Und ja, es werden sich dagegen Bedenken, Widerstände und Zaudern formieren… Dornige Chancen nannte dies mal jemand.

08 Mai

Ist das Uni-Center Bochum noch zu retten?

Immer mehr Leerstände und fortschreitender Verfall bis zur Verwahrlosung prägen das Bild des Uni-Centers. Welche Möglichkeiten gibt es noch, das Uni-Center zu retten? Die STADTGESTALTER haben mögliche Optionen untersucht.

1973 wurde das Uni-Center eröffnet und galt damals als moderner Ort zum Wohnen, Einkaufen und Leben. Gebaut hat den Wohn- und Einkaufskomplex wie viele ähnliche Hochhaussiedlungen in Deutschland die Neue Heimat, der größte Baukonzern für Großprojekte jener Zeit. Ein Unternehmen der deutschen Gewerkschaften, das 1986 wegen Misswirtschaft, Korruption und persönlicher Bereicherung der Führungsriege abgewickelt werden musste.

Rund 10 Jahre nach der Eröffnung beginnen die Probleme

Die Zerschlagung der neuen Heimat führte 1986 auch zum Verkauf des Uni-Centers an einen privaten Investor. Schon zu diesem Zeitpunkt gab es massive Vermietungsprobleme. Im Abschlussbericht zum 3. Untersuchungsausschuss NEUE HEIMAT des Deutschen Bundestages  ist unter dem Punkt “unzulässige Geschäftsbetätigung in Form der Betreuung und Bewirtschaftung von Immobilienfonds” zu lesen “Hauptverlustträger waren die Fonds Bochum-Querenburg und Köln-Monheim mit Leerständen und Mietverzichten in den Wohnbereichen und einer starken Unrentierlichkeit der Gewerbebetriebe”. Der durch beide Fonds verursachte Schaden wurde auf 39.8 Mio. DM beziffert.

Kaum 10 Jahre nach der Eröffnung des Uni-Centers, gab es also bereits massive Probleme bei der Vermietung und Verpachtung der Wohn- und Gewerbeflächen. Die Versprechungen und Hoffnungen der Neuen Heimat wie der Stadt erfüllten sich leider nicht. Schnell zeigten sich viele Probleme; Das Center war total verbaut, grobe Baumängel machen die Unterhaltung und Instandhaltung bis heute schwierig und teuer, viele Plätze und Orte funktionierten nicht und werden als Angsträumen wahrgenommen, die Anbindungen zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV an Hustadt und die Wohnviertel jenseits des Laerholz waren und sind schlecht. Die brutalistische Architektur des Centers wurde zunehmend als hässlich empfunden.

In der Folge zogen die Menschen aus, die es sich leisten konnten. Zum Hauptgrund im Uni-Center zu wohnen wurden immer mehr die günstigen Mieten. Es kam zu einer sich immer weiter verschärfenden sozialen Schieflage. Die Bevölkerungsmischung aus Studierenden, Hochschulbeschäftigten und Opelmitarbeiter*innen gab es schon bald nicht mehr. Auch der Zusammenhalt zwischen den Wohnparteien in den Hochhäusern schwand. In den Hochhäusern wurde das Wohnen im Laufe der Zeit anonymer (Bochumschau: Leerstände und schleichender Verfall im Uni-Center Bochum).

Uni-Center Bochum – Leerstände, Mängel, schleichender Verfall

Die Renovierung 1995 unterbricht den Niedergang nur kurz

1995 wurden die Geschäftsbereiche des Uni-Centers grundlegend renoviert und umgestaltet. Die Geschäftslokale wurden erweitert, es wurde neu gepflastert, Fassaden wurden neugestaltet. Dadurch konnten neue Gewerbemieter gewonnen werden. Für ein paar Jahre verbesserte sich die Lage deutlich. Der neue Investor und das neue Projektmanagement konnten rund 10 Jahre das modernisierte Uni-Center erfolgreich bewirtschaften.

Nennenswert investiert wurde nach 1995 jedoch nicht mehr. Das Center wurde an ein Geflecht von Investmentunternehmen verkauft, die mit Wohn- und Gewerbeimmobilen Renditen für Finanzfonds erwirtschaften. Eigentümer und Betreiber sind heute die Unternehmen Dakota Investment S.A., Aroundtown S.A. sowie Grand City Property S.A.. Bereits 2008 wurde das Uni-Center als dringend sanierungsbedürftig eingestuft (Licht+Schatten – Wohnungsverkäufe in Bochum: Mieterprivatisierung, Mehrfachverkäufe und Finanzinvestoren, Michael Wenzel 2008).

Der Zustand aktuell: zunehmende Leerstände und fortschreitender Verfall

Bis 2022 verschärfte sich die Lage weiter. Trotz immer neuer Ankündigungen durch den aktuellen Eigentümer hinsichtlich weitreichender Pläne zur Neugestaltung und Sanierung des Centers, passierte bis heute nichts. Die Leerstände nahmen weiter zu, die Berichte über Missstände, kaputte öffentliche Toiletten, Wasserschäden, Aufzugsausfälle, Verfall und Verwahrlosung häuften sich. Von ursprünglich 72 Ladenlokalen und Büroräumlichkeiten (Uni-Center Broschüre 2007) sind heute noch 28 vermietet. In weiteren vier Ladenlokalen und Büros ist die Verwaltung des Centers und des Wohnungsbestands untergebracht. Das 2. Obergeschoss steht weitgehend leer. Im 3. Geschoss sind Bezirksverwaltungsstelle, Stadtbücherei, Musikschule und das Bürgerbüro der Stadt untergebracht.

Immerhin werden aktuell die Dächer saniert und der Netto Discountermarkt ist in ein größeres Ladenlokal umgezogen. Die Sanierung der bestehenden Dächer weist allerdings darauf hin, dass der Investor die Immobilie nicht grundlegend und zeitgemäß umbauen will. Offenbar sind, wenn überhaupt, kaum mehr als kosmetische Umgestaltungen geplant.

Wie grundlegend müsste eine Sanierung und Modernisierung sein?

Es stellt sich somit die Frage, reichen kosmetische Gestaltungsmaßnahmen aus, um für das Uni-Center neue Kunden und Bewohner*innen zu gewinnen? Zum einen sind rein optisch wirkende Maßnahmen nicht geeignet die weiterhin bestehende Sanierungsbedürftigkeit der baulichen Strukturen zu beheben. Zum anderen stellt sich die Frage, ob die bauliche Struktur des Centers noch zeitgemäß ist. So werden heute Geschäftslokale in anderen Etagen als dem Erdgeschoss kaum mehr nachgefragt. Flair, Ambiente und Aufenthaltsqualität spielen heute eine viel wichtigere Rolle als noch vor 30 Jahren. Eine Hochhaussiedlung mit integriertem Einkaufscenter schreckt heute eher Kunden ab, als sich damit Kunden gewinnen lassen. In ein Wohnviertel mit sozialer Schieflage, fahren Kunden ungern zum Einkaufen. Ebenso wird die Erreichbarkeit mit ÖPNV, Rad oder zu Fuß zu einem immer wichtigeren Faktor. Erfolgreich kann das Uni-Center nur wieder werden, wenn sich das Image grundlegend wandelt. Dafür wird mehr schöne Farbe und neues Pflaster jedoch nicht ausreichen.

Die Gebäude des Uni-Centers sind in die Jahre gekommen und schwer sanierungsbedürftig. Dazu kommt, dass ihre verbauten Grundrisse nicht mit den Anforderungen an zeitgemäße Einkaufszentren in Einklang zu bringen sind. Besonders augenfällig ist in dieser Hinsicht der dunkle Durchgang von der Dr.-Gerhard-Petschelt-Brücke, zur langen Ladenpassage, die das ganze Center von Ost nach West durchzieht. Die Vermietung wesentlicher Teile der bestehenden Bausubstanz scheint also auch nach einer bloßen optischen Aufhübschung des Centers nicht möglich.

Was würde eine grundlegende Sanierung kosten?

Um zu einem zeitgemäßen, modernen Einkaufzentrum zu kommen, müssten somit große Gebäudeteile ganz oder teilweise abgerissen bzw. grundlegend umgebaut werden. So entschied man sich in Dorsten das alte Lippetor-Center komplett abzureißen und für 60 Mio. Euro an gleicher Stelle ein neues Center zu bauen (Merkaden). Ein substanzieller Umbau mit Teilabriss wäre zu teuer gewesen.

Um also das Uni-Center in einen Zustand zu versetzen, der für neue Geschäfte und Gastronomie wie deren Kunden attraktiv ist, müssten große Teile des Centers abgerissen, neu bebaut oder die bauliche Struktur grundlegend umgebaut werden. Gemessen an anderen Projekten dieser Größenordnung ist eine solche substanzielle Umgestaltung mit Kosten in Höhe von mindestens 50 Mio. Euro verbunden.

Kann und will der aktuelle Eigentümer das leisten und würde sich eine solche Investition auf Dauer überhaupt rentieren? Beide Fragen müssen wohl mit nein beantwortet werden. Eine grundlegende Sanierung und Modernisierung, wie sie für eine Wiederbelebung des Uni-Centers erforderlich wäre, lohnt sich für den Eigentümer nicht. Der Verfall ist schon zu weit fortgeschritten, der jetzige Zustand von einem zeitgemäßen viel zu weit entfernt. Den Betrag, den der Eigentümer investieren müsste, bekäme er nie wieder refinanziert, also ist nicht anzunehmen, dass er ihn ausgeben wird.

Darüber hinaus geht der Investor ein hohes Risiko ein, denn fraglich ist, ob der mit der Umgestaltung dauerhaft gewünschte Turnaround überhaupt gelingt, da sich selbst neu gebaute Einkaufzentren in Deutschland mittlerweile sehr schwertun. So ist auch das bereits erwähnte, in Dorsten neu gebaute Einkaufszentrum ein wirtschaftlicher Flop (Dorsten transparent vom 01.03.19).

Die Hoffnung des SPD-Bezirksbürgermeisters Helmut Breitkopf, dass die Dachsanierung ein Startschuss für die erforderliche umfassende substanzielle Neugestaltung sein könnte (WAZ vom 22.09.20), wird daher ziemlich sicher enttäuscht werden, sie scheitert an den ökonomischen Realitäten. Auch dass die Suche der SPD nach einem neuen Investor, der dann die erforderlichen Investitionen stemmen soll, erfolgreich sein wird, ist nicht anzunehmen (WAZ vom 15.06.20). Wird das Uni-Center nochmals verkauft, dann voraussichtlich an ein Unternehmen, das nur noch die Resteverwertung vornimmt, bis mangels Mietern keine nennenswerten Mieteinnahmen mehr vorhanden sind.

Wie kann das Uni-Center ohne private Investitionen gerettet werden?

Die Voraussetzungen für eine Rettung des Uni-Centers sind also denkbar schlecht. Realistisch ist davon auszugehen, dass die dringend notwendigen Investitionen nicht erfolgen werden und damit der Niedergang und Verfall weiter seinen Lauf nehmen wird. Privaten Investoren fehlt jedes wirtschaftliche Interesse an substanziellen Investitionen. Unvermeidlich wird also irgendwann die öffentliche Hand Geld in die Hand nehmen müssen, um den Niedergang zu stoppen. Die sich stellende Frage ist nicht mehr ob Millionen öffentliche Gelder in das Uni-Center fließen werden, die Frage ist nur noch, wann das Geld fließt. Spätestens wenn der Zustand eingetreten ist, dass sich eine Sanierung der Bausubstanz nicht mehr ökonomisch darstellen lässt und in der Folge das Center quasi leer gezogen ist, wird die Stadt es für einen Euro übernehmen und auf ihre Kosten abreißen lassen. Der bis zu diesem Zeitpunkt weiter andauernde Verfall und die zunehmende Verwahrlosung wird die Stadt allerdings teuer zu stehen kommen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ein sozialer Brennpunkt entsteht, mit allen negativen Konsequenzen, die das für eine Stadt hat. Es spricht somit alles dafür bereits jetzt vorausschauend zu handeln.

Welche Maßnahmen sind für eine Rettung notwendig?

Doch was müsste alles für eine Rettung getan werden? Zunächst mal ist der schon erwähnte Teilabriss und grundlegende Umbau der bestehenden Baustruktur erforderlich, damit ein Ort entstehen kann, an dem sich Studierende und Bewohner*innen wohl fühlen, gerne treffen und aufhalten.

Das Uni-Center wird in Zukunft auch nicht mehr als reines Einkaufszentrum funktionieren. Es sollte eine Nutzung als beliebter Aufenthalts- und Treffpunkt für den Stadtteil und die RUB angestrebt werden, mit viel Grün, einladenden Plätzen und einem entsprechenden gastronomischen Angebot. Ein erster Vorschlag in diese Richtung ist dem Rahmenplan Campus Bochum zu entnehmen.

Rahmenplan Campus Bochum 

Weiterhin ist eine Ausweitung der universitären Nutzung anzustreben. Die RUB hat bereits das ehemalige Kirchenzentrum im Uni-Center übernommen und zum Uni-Forum umgebaut, das als Gästehaus für internationale Forschende dient. Weitere universitäre Nutzungen im Uni-Center wären denkbar: Ein weiteres Studentenwohnheim, ggf. betrieben vom AKAFÖ, könnte im Uni-Center untergebracht werden. Die städtische VBW oder ein anderes Wohnungsunternehmen könnte neue Wohnungen auch für andere Bevölkerungsgruppen schaffen. Es könnten Räumlichkeiten, in denen an die Öffentlichkeit gerichtete Veranstaltungen der RUB stattfinden können, entstehen, z.B. des musischen Zentrums oder Vorlesungen, die sich auch an die Stadtbevölkerung richten. Denkbar wäre auch die Unterbringung einer Dependenz von Unifit, dem hochschuleigenen Fitnessstudio, in Verbindung mit dem bereits vorhandenen Unibad. Ebenso wäre das Uni-Center ein idealer Standort für universitäre Startups, Working Spaces und einen Makerhub (Ideenschmiede und Jobmaschine – Ein MakerHub für Bochum).

Für alle diese Nutzungen müsste die Stadt idealer Weise den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, das Immobilienunternehmen des Landes NRW, mit ins Boot holen, dem alle universitär genutzten Gebäude gehören und der sich auch im Uni-Center am Bau von Immobilien für universitäre Nutzungen beteiligen könnte.

An folgender Visualisierung kann abgelesen werden, welche Gebäude des Uni-Centers ganz oder teilweise abgerissen bzw. grundsätzlich umgebaut werden sollten (rot) und welche Baustrukturen im Großen und Ganzen bestehen bleiben könnten und bei denen nur weniger einschneidende Umgestaltung erforderlich sind (gelb). Grob lässt sich sagen, die Gebäude, über deren (Teil-)Abriss und Neubau nachzudenken ist, befinden sich alle südlich der bestehenden Ost-West-Ladenpassage.

Sanierungsbedarf Uni-Center

Aufgrund dieser Teilung wäre also ein denkbares Szenario zur Rettung des Uni-Centers, dass die Stadt vom jetzigen Eigentümer diese Immobilien übernimmt und sie mindestens bis auf die Parkhausebene abreißen lässt, um sie im nächsten Schritt an neue Investoren, darunter den BLB NRW für eine Neubebauung zu veräußern. Im Rahmen dieses Vorgehens könnte die Stadt selbst einen Gebäudeteil für die städtischen Nutzungen (Bürgerbüro, Bezirksverwaltungsstelle, Stadtbücherei, Musikschule) neu errichten und von diesem dann Eigentümer bleiben.

Weiterhin wichtig für eine positive Entwicklung des Uni-Centers ist eine bessere Anbindung an die Stadt, besonders an die RUB und die Hustadt. Dazu werden im Rahmenplan Campus Bochum bereits einige Vorschläge gemacht, u.a. die Einrichtung einer neuen attraktiven Mittelachse von Uni-Center bis zum Audimax, sowie die Anlage einer Promenade für zu Fuß Gehende und Radfahrende vom Uni-Center in die Hustadt. Ergänzt werden sollte dieser Vorschlag durch eine autonome Buslinie mit Mini-Shuttles vom Audimax über das Uni-Center bis zum Brunnenplatz, dem Zentrum der Hustadt, wie sie bereits von den STADTGESTALTERn vorgeschlagen wurde (Mini-Shuttle-Linie von der Hustadt über das UniCenter bis zur RUB).

RUB-Shuttle-Linie (grün)

Die Rettung des Uni-Center ist nur mit einem Rettungsplan der Stadt möglich

Realistisch betrachtet wird also eine Rettung des Uni-Centers nur mit dem massiven Einsatz von öffentlichem Geld möglich sein. Die fortschreitende und sich beschleunigende negative Entwicklung des Uni-Centers bedeutet, dass dringend gehandelt werden sollte. Sonst werden die mit einem weiteren Verfall des Centers verbundenen negativen Folgen immer massiver werden. Es ist also höchste Zeit, dass sich die Stadt ein Konzept überlegt, wie sie das Center retten und eine Wiederbelebung in Gang setzen kann. Im ersten Schritt wäre zu klären, wie man den derzeitigen Eigentümer überzeugt, das Uni-Center zu einem angemessenen Preis ganz oder teilweise an die Stadt zu übertragen.

24 Apr

Grillen in Bochum – Mehr Picknickplätze mit Grillstationen statt Verbote

Nur auf den ersten Blick gibt es in Bochum genug Orte, an denen die Einwohner und Einwohnerinnen grillen können. Auf vielen Grünflächen und Parks fehlen jedoch Picknickplätze mit Grillstationen. In der Folge sind einige Grünflächen zeitweise stark überlaufen, zum Beispiel der Ümminger See oder die Schmechtingwiese. Anderswo ist wiederum kaum was los. Die STADTGESTALTER wollen mit mehr und besseren Grill-Angeboten sowie einem stadtweiten Grillkonzept das Grillgeschehen besser organisieren und über die Stadt verteilen.

Die Menschen in Bochum und dem Ruhrgebiet lieben es zu grillen. Kaum ist es draußen warm genug, werden Freunde, Bekannte und Verwandte mobilisiert und die Grünflächen gestürmt, um sich am schönen Wetter zu erfreuen und gemeinsam zu grillen. Viele Parks sind voll mit grillenden Menschen, die das Leben genießen. Grillen ist ein fester Bestandteil des urbanen Lebens, auf den Wiesen der Städte zeigt sich wie lebendig und lebenswert die Städte sind.

Wenn zu viele Menschen grillen wollen, gibt es Ärger

An manchen Orten allerdings kommen zu viele Grillende auf zu wenige ausgewiesene Grillstellen. Am Ümminger See gibt es nur zwei, eher mickrige Grillflächen. Das Ordnungsamt schafft es nicht, die Grillregeln durchzusetzen, der Müll nimmt Überhand, wird zu spät entsorgt und fliegt bis dahin durch den ganzen Park. Zu viele Menschen fahren mit dem Auto an den See und parken mangels ausreichender Parkplätze wild auf Grünflächen. Für die vielen Menschen fehlen Toiletten, einige verrichten ihre Notdurft in den Büschen (WAZ vom 01.04.22). Das macht andere Menschen, die sich im Park erholen und anderweitig betätigen wollen, verständlicher Weise ärgerlich.

Das Grillen sollte besser organisiert statt verboten werden

Das Grillen am Ümminger See zu verbieten, wie es die CDU und Teile der SPD fordern, ist allerdings keine Lösung. Die STADTGESTALTER sind überzeugt, Verbote sollten immer nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn keine andere Lösung Wirkung zeigt. Die Möglichkeiten, das Grillen in Bochum besser zu organisieren, sind aber noch lange nicht erschöpft.

Mehr Picknickplätze mit Grillstationen – In Ländern, wo das Grillen ebenfalls sehr beliebt ist, verfügen fast alle Parks, Aussichtspunkte, Rastplätze und sonstige Grünflächen über Picknickplätze mit Grillstationen. Das sind öffentliche, häufig gemauerte Grills, auf die nur noch Grillkohle, Grillrost und Grillgut gelegt werden müssen und das Grillvergnügen kann beginnen. Dazu verfügen die Picknickplätze noch über ausreichend Abfallbehälter sowie feste Gruppen von Holzbänken und -tischen, die häufig sogar überdacht sind.

Picknickplatz mit Grillstation, Foto: Jim Henderson

Diese Plätze haben mehrere Vorteile. Sie weisen klar aus, an welchen Stellen gegrillt werden darf. Die gemauerten Grills sind sicherer zu benutzen als die mitgebrachten. Es wird verhindert, dass an Stellen gegrillt wird, wo das eigentlich verboten ist, zum Beispiel unter Bäumen. Entsprechend ist es für das Ordnungspersonal einfacher die geltenden Grillregeln durchzusetzen. Weitere Vorteile: Wer die öffentlichen Grillstationen benutzt, muss keine Einmalgrills mitbringen und die bleiben dann auch nicht im Park liegen. Auch muss man nicht mit dem Auto in den Park fahren, um dort den mitgebrachten Grill zu entladen, der Grill steht schon am Picknickplatz. Der Müll kann leichter entsorgt werden, die benötigten Abfallbehälter stehen gleich neben dem Grill, auch hitzebeständige für heiße Asche. Zudem sind die Stationen so massiv gebaut, dass Vandalismus kaum eine Chance hat. Die Hinterlassenschaften der Grillgesellschaften verteilen sich nicht über den ganzen Park, sie konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Grillplätze. Die Reinigung und Entsorgung wird für Stadt und den USB einfacher.

Gemauerte Grillstation

Damit sich die Grillfreunde und -freundinnen nicht in wenigen Parks ballen, ist wichtig, dass die Stadt über viele attraktive Picknickplätze mit Grillstationen gut verteilt über das ganze Stadtgebiet verfügt. Gibt es viele gute Grillplätze in der Stadt, werden die jetzt überlaufenen auf die Dauer weniger angesteuert.

Reservierung von stark nachgefragten Grillplätzen – An Parks oder Grünflächen, wo trotzdem noch mehr Grillfreudige auf zu wenige Grillmöglichkeiten treffen, kann die Stadt zusätzlich eine Vorreservierung der Grillstationen einführen. Reservierungen könnten, ggf. gegen eine kleine Gebühr, online ermöglicht werden, über einen in der Nähe liegenden Kiosk oder einen sich vor Ort ohnehin aufhaltenden Grill-Scout, der das Grillgeschehen im Auge behalten soll.

Bewirtschaftung von Picknickplätzen – Für Tage, an denen viel gegrillt wird, wäre zu überlegen, ob es möglich ist, die Bewirtschaftung der Grillplätze an private Gewerbetreibende zu übertragen. Diesen könnte erlaubt werden an den Picknickplätzen nachgefragte Dinge zu verkaufen (Getränke, Eis, Grillgut, Grillgerät usw.), wären aber im Gegenzug verpflichtet, das Grillen zu organisieren, sofern nötig, Reservierungen entgegen zu nehmen und dafür zu sorgen, dass die Picknickplätze in einem guten und sauberen Zustand bleiben.

Ein stadtweites Grillkonzept würde helfen

Die STADTGESTALTER regen an, ein stadtweites “Grillkonzept” aufzustellen. Nur einzelne überlaufene Orte wie den Ümminger See zu betrachten, wo das Grillen zeitweise aus dem Ruder läuft, greift zu kurz, das Grillen sollte in der ganzen Stadt besser organisiert werden. Das Konzept sollte insbesondere festlegen:

  • Wo in der Stadt Picknickareale mit Grillstationen eingerichtet und aufgebaut werden sollten.
  • Wie zukünftig die zeitnahe Reinigung und Unterhaltung der Picknickplätze organisiert werden soll.
  • Für welche Grillstationen ggf. ein Reservierungssystem benötigt und eingerichtet werden sollte.
  • An welchen Picknickplätzen ggf. die Bereitstellung von Toilettenanlagen sinnvoll sein könnte.
  • Wie die Stadt sicherstellt, dass die Grillregeln konsequent und immer dann, wenn es erforderlich ist, durchgesetzt werden.
  • Wie die bestehenden städtischen Grillregeln sinnvoll an das neue Konzept angepasst werden müssen. Dazu wäre unter anderem zu klären, ob das Grillen, auch mit mitgebrachten Grills weiterhin erlaubt sein soll oder z.B. nur im Umkreis der Grillstationen.

Funktioniert das Grillen in den Parks ist das gut für das Image der Stadt

Mit einem funktionierenden Grillkonzept kann die Stadt in Sachen Lebensqualität punkten und sich von anderen Städten positiv abheben. Von den Stadtbewohner*innen geliebte, saubere Parks und Grünflächen, in denen das städtische Leben pulsiert, wo sich Menschen aller gesellschaftlichen Schichten treffen, zusammen essen, lachen, spielen sowie Sport treiben und allen ihren Vorlieben nachgehen können, ohne andere zu stören, machen eine attraktive Stadt aus.

Eine smarte Stadt, ermöglicht den Einwohnern und Einwohnerinnen im öffentlichen Raum, die Dinge zu tun, die das Leben ausmachen. Dazu gehört gerade in Bochum und dem Ruhrgebiet auch sich mit Freunden, Bekannten und Verwandten im Grünen zum Grillen zu treffen. Generell gilt, Verbote sind keine Alternative zu intelligenten Lösungen, die es möglichst allen Menschen möglich machen, in der Stadt das zu unternehmen, was sie sich wünschen.

08 Apr

Betrieb Seilbahn vom Ruhr Park zur Bochumer City mit Gewinn möglich

Eine aktuelle Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass sich eine Seilbahnlinie zwischen  Ruhr Park und Innenstadt bereits nach 5 bis 12 Jahren refinanziert und mit Gewinn betreiben lässt. Die STADTGESTALTER haben anhand der Nutzen-Kosten-Analyse zu der in Bonn geplanten Seilbahn Fahrgastnachfrage, Fahrpreiserlöse und Kosten auf die Bochumer Strecke hochgerechnet.

Eine Seilbahnverbindung vom Ruhr Park zur Innenstadt wäre ein Gewinn für beide Einkaufszentren (Seilbahnlinie City – Ruhr Park: Die Rettung der Innenstadt ist der Ruhr Park). Neue Attraktionen wie die Seilbahn brächten neue Kunden in die City. Der Besuch von Ruhr Park und City, verbunden mit einer Seilbahnfahrt über die Dächer der Stadt, würde viele Menschen nach Bochum locken.

Jedoch stellt sich die Frage, wie viel kostet eine solche Seilbahnlinie, wie kann diese finanziert werden und kann sie dauerhaft mit wirtschaftlichem Erfolg betrieben werden? Genau diese Frage haben die STADTGESTALTER jetzt näher untersucht und dabei wichtige Daten der Nutzen-Kosten-Analyse für die in Bonn geplante Seilbahn (Seilbahn Bonn – Bericht zur Standardisierten Bewertung) zugrunde gelegt. Die Analyse für die Seilbahnlinie auf den Venusberg wurde im Januar 2022 veröffentlicht.

Welches Seilbahnsystem sollte in Bochum eingesetzt werden?

Grundsätzlich stehen aus technischer Sicht drei verschiedene Seilbahnsystem zur Verfügung, mit denen auch die Strecke Ruhr Park – Innenstadt/Hbf realisiert werden könnte. Die Systeme unterscheiden sich in der Zahl der eingesetzten Seile: Bei Einseilsystemen (1S) hängen die Kabinen an einem einzigen Trag- und Zugseil, das auch die Kabinen von Station zu Station zieht. Bei Zweiseilsystemen (2S) dient ein Tragseil quasi als Gleis auf dem die Kabinen rollen, das zweite Seil ist das Antriebs- und Zugseil. Dreiseilsysteme (3S) bestehen aus zwei Tragseilen, hinzu kommt wiederum das Zugseil.

Dreiseilumlaufbahnen sind schneller, energetisch effizienter und die Kabinen größer. Allerdings sind die Baukosten sind aufgrund der technischen Komplexität höher als bei den anderen Systemen. Einseilumlaufbahnen sind wiederum teurer im Betrieb, dafür bei den Investitionskosten deutlich günstigster, können jedoch nicht so viele Personen befördern wie die beiden anderen Systeme. Mit Einseilsystemen werden in der Regel 10 Personen pro Kabine befördert, mit Dreiseilsystem 35 Personen. Zweiseilumlaufbahnen liegen bei allen Kriterien zwischen den beiden anderen Systemen.

Vergleich Seilbahnsysteme Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

Streckenführung vom Ruhr Park über Altenbochum in die Innenstadt

Für die Seilbahnlinie zwischen Innenstadt/Hbf und Ruhr Park schlagen die STADTGESTALTER eine Streckenführung vom Beginn des Bongard-Boulevards am Hauptbahnhof über einen Halt in Altenbochum am Haupteingang des Hauptfriedhofs bis zum Ruhr Park vor. Diese Linienführung hat den großen Vorteil, dass keine Wohngebiete überfahren werden müssen. Bei entsprechender Streckenführung werden lediglich zwei Wohnhäuser überquert.

Systemdaten Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

Nach Vorstellung der STADTGESTALTER sollte die Linie ebenso wie die in Bonn geplante aus zwei technischen Anlagen mit zwei eigenen Antriebsaggregaten bestehen, so dass beide Teile auch getrennt betrieben werden können. Die erste Seilbahnsektion Innenstadt/Hbf bis Altenbochum wäre dann knapp zwei Kilometer lang, die zweite Sektion zum Ruhr Park rund drei Kilometer. Somit würde die Gesamtlänge würde fünf Kilometer betragen. Mit einer Dreiseilumlaufbahn könnten die Fahrgäste die Strecke vom Ruhr-Park in 9 bis 12 Minuten zurücklegen, mit einer Einseilumlaufbahn würde die Fahrt um die 15 Minuten dauern, mit einer Zweiseilumlaufbahn um die 13 Minuten.

Seilbahnfahrt Ruh Park – Innenstadt

Zwischenhalt Altenbochum

Als Zwischenhalt für die Seilbahnlinie bietet sich Altenbochum an. Im Bereich vor dem Haupteingang des Hauptfriedhofs entlang der Immanuel-Kant-Straße gibt es einige Möglichkeiten und ausreichend Fläche die Seilbahnstation so zu platzieren, dass das Bild des Bauensembles am Hauptfriedhofs nicht beeinträchtigt wird.

Der Stadtteil Altenbochum (18.536 Einwohner*innen) verfügt mit 3.865 Menschen pro Quadratkilometer über eine für Bochum vergleichsweise hohe Bevölkerungsdichte. Im Einzugsbereich des Seilbahnhalts würden entsprechend viele Menschen wohnen. Der Halt läge am Hauptfriedhof (64.000 Grabstellen), in direkter Nähe zur Evangelischen Hochschule (rd. 3000 Studierende und Beschäftigte), der Unternehmenszentral der städtischen Wohnungsbaugesellschaft VBW sowie zum neuen Wohnviertel Ostpark, dem bisher eine leistungsfähiger Nahverkehrsanbindung fehlt, obwohl hier in den nächsten Jahren 1.000 neue Wohnungen entstehen sollen ()

Seilbahnhalt Altenbochum

Auch für eine spätere Fortführung der Seilbahn Richtung Mark 51°7 und Ruhr-Universität wäre die Seilbahnstation in Altenbochum optimal gelegen (Seilbahn – Rückgrat der Bochumer Universitäts- und Hochschullandschaft).

Kalkulation der Fahrgastnachfrage

Die Teilung der Linie in zwei technisch eigenständige Seilbahnanlagen macht es möglich, beide Sektionen unabhängig voneinander laufen zu lassen. Da der Ruhr-Park Montag bis Samstag von 10 Uhr bis 20 Uhr geöffnet ist, lohnt es sich nicht, das Einkaufszentrum vor 9 Uhr anzufahren. Für den morgendlichen Pendelverkehr wäre es allerdings sinnvoll zwischen 6 und 9 Uhr die Sektion Innenstadt/Hbf – Altenbochum im Nebenverkehrstakt zu betreiben. In den Nebenverkehrszeiten werktags von 21 bis 0 Uhr und sonntags von 9 bis 24 Uhr sollte dagegen die ganze Seilbahn über beide Sektionen betrieben werden. Zu den Nebenverkehrszeiten wäre in den Stationen die Einfahrt einer Kabine aller 2 Minuten sinnvoll, in den Hauptverkehrszeiten ein Takt von 20 bis 24 Sekunden.

Fahrgastnachfrage und Betriebszeiten

Auf Basis dieser Betriebszeiten ergibt sich für die Seilbahnlinie ein Fahrgastpotential von 16.400 Menschen pro Tag. Dabei kann von folgender Beförderungsnachfrage ausgegangen werden: Konservativ kalkuliert kann angenommen werden, dass 15% der jährlich 12 Millionen Ruhr-Park-Besucher*innen und 20% der rund 2.800 dort Beschäftigten zukünftig die Seilbahn zur Anreise nutzen. Weiterhin ist mit 500.000 Menschen im Jahr zu rechnen, die nach Bochum kommen, um in ihrer Freizeit eine Seilbahnfahrt zu erleben. Schließlich können 1.500 Menschen pro Tag einkalkuliert werden, die die Seilbahn als Teil einer Fahrt mit dem ÖPNV durch das VRR-Gebiet nutzen sowie mit täglich 3.000 Menschen, die von oder ab Altenbochum die Seilbahn nutzen.

Die STADTGESTALTER schlagen vor, dem Ruhr Park ein Fahrkartenkontingent von im Jahr 250.000 bis 375.000 Hin- und Rückfahrtickets zu überlassen. Diese Fahrkarten können die Geschäfte des Ruhr-Parks dann kostenfrei an ihre Kunden weitergeben, unter anderem als Werbegeschenke oder Treuebonus für Einkäufe. Im Gegenzug beteiligt sich der Ruhr Park mit einem pauschalen jährlichen Zuschuss am Betrieb der Seilbahn. Dieser Vorschlag ist mit zwei Vorteilen verbunden, er beteiligt zum einen den Ruhr Park an den Betriebskosten der Seilbahn und trägt zur Kostendeckung bei. Zum anderen regt er die Kunden des Ruhr Parks an, mit der Seilbahn in die Innenstadt zu fahren und diese zu beleben.

Kosten und Fahrpreiserlöse

Legt man die Kostenkalkulation zu den Baukosten der Seilbahn in Bonn zugrunde, lassen sich für die Seilbahnlinie Ruhr Park – Innenstadt/Hbf bei Verwendung einer Einseilumlaufbahn Baukosten von rund 60 Mio. Euro berechnen (Preisbasis 2019). Für die Strecke auf den Venusberg in Bonn werden 66 Mio. Euro veranschlagt (Seilbahn Bonn – Bericht zur Standardisierten Bewertung). Da die in Bonn geplante Seilbahn rund 700 Meter kürzer ist als die in Bochum, sie dafür aber zwei kostenintensive Zwischenstationen mehr aufweist, ergibt sich für die Seilbahn in Bochum ein um 6 Mio. verminderter Kostenansatz.

Für den Bau einer Zwei- bzw. Dreiseilumlaufbahn wäre aufgrund der höheren technischen Komplexität mit Baukosten von rund 80 Mio. bzw.100 Mio. Euro zu rechnen. Auf Basis der aktuell geltenden Förderrichtlinien ist davon auszugehen, dass wie in Bonn auch in Bochum 95% der Infrastrukturkosten für den Fahrweg und 10% der Planungskosten von Bund und Land übernommen werden. Für die Stadt oder ein privates Verkehrsunternehmen, das die Linie baut, ergäbe sich damit ein selbst zu finanzierender Eigenanteil an den Baukosten von 9,75 bis 16,25 Mio., je nachdem welches Seilbahnsystem eingesetzt wird.

Finanzierungsmodell Seilbahn Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

Für Kapitaldienst (Abschreibung und Zinsen), Unterhaltung (Wartung, Reparaturen, Prüfungen, Unterhaltung Fahrweg) sowie den Seilbahnbetrieb (Personal und Energie) ist pro Jahr abhängig vom eingesetzten Seilbahnsystem mit 4,2 bis 5 Mio. Euro Kosten zu rechnen. Diesen Kosten stehen Erlöse aus Fahrkartenverkäufen, dem Zuschuss des Ruhr Parks, sowie Einnahmen aus Werbung und Sonderfahrten von 6 bis 6,4 Mio. Euro gegenüber, so dass mit der Seilbahn ein Einnahmenüberschuss von 1,9 bis 1,4 Mio. Euro im Jahr erwirtschaftet werden kann. Rechnet man diesen Überschuss den für den Seilbahnbau zu investierenden Eigenanteil entgegen, lässt sich der Eigenanteil in 5 bis 12 Jahren refinanzieren.

Anzumerken ist, dass bei der Kalkulation der Fahrtkostenerlöse ein erhöhter Kostensatz von 1,25 Euro pro Fahrt zugrunde gelegt wurde, da anzunehmen ist, dass auf der Seilbahnstrecke überdurchschnittlich häufig Tickets für Gelegenheitsfahrer*innen benutzt werden und erheblich seltener Abo-Tickets, Semester- oder Schokotickets als im VRR-Gebiet sonst. Entsprechend höher werden die durchschnittlichen Erlöse pro Fahrt für das Unternehmen, sein, das die Seilbahn betreibt.

Bei den Betriebskosten ist eine weitere Senkung möglich, sofern ein Großteil des zum Betrieb der Seilbahnanlagen benötigten Stroms mit einer Solaranlage gewonnen wird. Eine direkte Erzeugung des für die Seilbahn benötigten Stroms wäre über ein Solarfeld auf der ehemaligen Müllhalde Kornharpen möglich, die von der Seilbahn überfahren wird und die nur 1.500 Meter von der Zwischenstation Altenbochum entfernt liegt, die voraussichtlich die Antriebsaggregate für beide Seilbahnsektionen aufnehmen würde.

Betriebskosten Seilbahn Ruhr Park – Innenstadt/Hbf

10 gute Gründe für die Seilbahn zwischen Ruhr Park und Innenstadt

Die Untersuchung der STADTGESTALTER zeigt, die Seilbahn bedeutet nicht nur einen Gewinn für die Innenstadt, den Ruhr Park, den städtischen Nahverkehr und das Image der Stadt und würde einen Beitrag zu weniger Verkehr auf den Straßen sowie für mehr Umwelt- und Klimaschutz leisten, sie könnte darüber hinaus auch mit Gewinn betreiben werden. Nach den vorliegenden Berechnungen ist davon auszugehen, dass sie in jedem Jahr 1,4 bis 1,9 Mio. Euro in die Kassen des Verkehrsunternehmens spült, das die Seilbahn betreibt.

Zu dem dargestellten ökonomischen Erfolg der Seilbahnlinie kommen weitere betriebs- und volkswirtschaftliche Nutzeneffekte, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht berechnet wurden. Dazu zählen insbesondere:

  • Positive Kosteneffekte im ÖPNV-Netz durch Einsparung von redundanten (Bus-)Linien
  • Positive Erlöseffekte bezogen auf das gesamte ÖPNV-Netz
  • Positive Umwelteffekte aufgrund eingesparter Autokilometer
  • Eingesparte Unfallfolgekosten aufgrund eingesparter Autokilometer
  • Positive ökonomische Effekte durch die Verminderung von Reisezeiten

Im Grunde spricht somit alles dafür, das Bochum sich für den Bau einer Seilbahn zwischen Ruhr Park und Innenstadt entscheiden sollte. Eigentlich müsste die BOGESTRA ebenso wie die Stadt, an der Ausweitung des städtischen Nahverkehrsnetzes, zusätzlichen Kunden und Erlösen sowie an einer zusätzlichen Attraktion für die Innenstadt interessiert sein. Sofern das nicht der Fall ist, besteht die Option, dass sich Kaufleute und Gastronomen der Innenstadt, der Ruhr Park und ein Seilbahnhersteller mit dem Ziel zusammentun, ein privates Verkehrsunternehmen zu gründen, das die Seilbahn baut und betreibt. Dann allerdings würde der Gewinn aus dem Seilbahnbetrieb nicht dem städtischen Nahverkehr zu Gute kommen, sondern in die Kassen von privatem Unternehmen fließen. Für BOGESTRA und Stadt wäre das nur die zweitbeste Lösung.

12 Feb

Men`s Sheds – Werkstätten für ältere Menschen gegen Einsamkeit

Immer mehr ältere Menschen vereinsamen, nachdem sie in Rente gegangen sind. Ihnen fehlt eine Aufgabe, soziale Kontakte zu Mitmenschen, sie wissen oft nichts mit ihrer Zeit anzufangen. In englischsprachigen Ländern hat man ein Gegenrezept gefunden: Men`s Sheds, Werkstätten, in denen ältere Menschen, nicht nur Männer, sich treffen, um miteinander zu werkeln, handwerkliche Dinge herzustellen, Sachen zu reparieren oder ihre Fertigkeiten an andere, häufig Jüngere, weiter zu geben.

Gerade die Menschen im Ruhrgebiet sind es gewohnt, dass handwerkliche Arbeit ihr Leben bestimmt. Auch sind es viele Menschen auf der Arbeit wie privat gewohnt, dass sie nicht selbst ihr Leben gestalten. Ihr Arbeitsleben lang hat der Arbeitgeber bestimmt, wann, wo welche Arbeiten zu erledigen sind, teilweise hat der Arbeitgeber sogar die Wohnung besorgt und die Eltern haben vorbestimmt, dass eine Lehre in dem Betrieb, wo schon der Vater gearbeitet hat, die richtige Wahl ist.

Einsamkeit im Alter

Wenn dann mit 65 Jahren, das Rentenalter beginnt, fällt dann auf einen Schlag nur die gewohnte Beschäftigung weg, sondern auch die täglichen Kontakte zu den Arbeitskolleg*innen. Von einem Tag auf den anderen wird der Tagesablauf nicht mehr durch die Arbeit bestimmt. Viele ältere Menschen sind es nicht gewohnt sich selbst zu beschäftigen und ihren Tag eigenständig zu gestalten, sich selbst Aufgaben zu suchen oder mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen. Es kommt zu Vereinsamung, im schlimmsten Fall zu Depressionen und anderen psychischen Krankheiten.

Das Konzept Men’s Sheds

Um solchen Entwicklungen vorzubeugen, hat sich zunächst in Australien, dann in vielen weiteren englischsprachigen Ländern, wie Groß-Britannien, Irland und Kanada die Men’s.Shed-Bewegung entwickelt. Überall in diesen Ländern werden Werkstätten eingerichtet, in denen sich insbesondere ältere Männer, aber auch Frauen treffen und handwerklich arbeiten und ihre handwerklichen Fertigkeiten austauschen.

About Men`s Sheds – 9 Minute Video

Die Werkstätten sind Treffpunkte, in denen man Gleichgesinnte trifft, in denen sich die Senioren und Seniorinnen über alles Mögliche, nicht nur über ihre handwerklichen Interessen austauschen und Bekanntschaften wie Freundschaften schließen und so neue soziale Kontakte aufbauen. Dazu finden die Menschen neue Aufgaben und Wertschätzung für ihre Arbeit und Leistungen. Psychische Gesundheit basiert darauf, dass Menschen sich gebraucht fühlen, stolz sind auf ihre Fähigkeiten, was sie schaffen und in einer Gemeinschaft mit anderen verankert fühlen. Alles das können sie in den Men`s Sheds finden.

Die Vorteile für Gesundheit und Wohlbefinden der in Men’s Sheds aktiven Männer wurde in vielen Studien nachgewiesen (Men’s sheds as an alternative healthcare route? A qualitative study of the impact of Men’s sheds on user’s health improvement behaviours). Entsprechend sind es besonders die Krankenkassen und staatlichen Gesundheitssysteme, die die Men`s Shed-Bewegung in UK, Irland, Australien und Kanada unterstützen sowie finanziell fördern.

Für gemeinnützige Einrichtungen in der Stadt sind Men’s Sheds wertvolle Partner. Ist zum Beispiel die Rutsche im Kindergarten zu reparieren, dann wendet man sich an den Men`s Sheds und dort findet sich jemand, der die Rutsche wieder flott bekommt. Wenn der Tennisverein ein neues Gartentor benötigt, dann können das die Aktiven im Men’s Shed für ihn passgenau herstellen. Solche Projekte bedeuten für die in den Sheds Beschäftigten eine besondere Wertschätzung ihrer Arbeit und Fertigkeiten.

Wie baut man einen Men`s Shed auf?

Landesweit tätige Men`s-Sheds-Verbände (z.B. UK Men`s-Sheds-Association), die den Aufbau von Men`s-Sheds unterstützen und organisieren, bestehen in Deutschland bisher nicht. Für Interessierte ist es daher schwierig aus eigener Kraft einen Men`s Shed aufzubauen. Aber die STADTGESTALTER könnten sich vorstellen, dass die Stadt, in Bochum insbesondere die Seniorenbüros, die Gründung von Men`s Sheds unterstützen.

Benötigt werden Räumlichkeiten für eine Werkstatt verbunden mit einem Raum, in dem sich die Aktiven neben der Arbeit austauschen, treffen und auch mal feiern oder eine Runde Karten spielen können. Darüber hinaus müssen die nötigen Maschinen und Werkzeuge besorgt werden. Dabei kämen auch Spenden von örtlichen Handwerks- und Industrieunternehmen gelegen und müssten organisiert werden. Im Idealfall bildet sich Gruppen Senior*innen, die einen Men`s Shed aufbauen wollen und die Seniorenbüros stehen als Ansprechpartner bereit, um bei der Suche geeigneter Räume wie dem Aufbau und der Einrichtung zu helfen.

In Abhängigkeit von den handwerklichen Fertigkeiten der Aktivitäten kann die Einrichtung der Werkstätten ganz unterschiedlich ausfallen. Will man sich eher der Holz- oder der Metallverarbeitung widmen? Gibt es Aktive die z.B. Schneidern und Nähen wollen oder solche, die Interesse haben Sachen zu reparieren, z.B. Fahrrädern oder Elektrogeräte? Je nachdem, wie die Interessenlage ist, muss der jeweilige Men`s Shed anders ausgestattet und eingerichtet sein. Auch erstrebenswert, die in den Men`s Sheds erstellten kunsthandwerklichen Produkte sollten in entsprechenden Läden angeboten werden. Dort könnten dann auch Dinge, die repariert werden sollen, abgegeben werden. Eine ideale Ergänzung zu Men`s Sheds wäre also ein Ladenlokal in der Innenstadt, das dort einen der nicht wenigen Leerstände belegen könnte. Langfristig wäre anzustreben, in jedem Stadtbezirk der Stadt Bochum mindestens einen Men`s Shed aufzubauen, so dass die Aktiven keine weiten Wegen zu ihrem Shed zurücklegen müssen.

Auch ließen sich Men’s Sheds mit der Einrichtung von MakerHubs verbinden, wie sie die STADTGESTALTER erstmals 2020 vorgeschlagen haben (Ideenschmiede und Jobmaschine – Ein MakerHub für Bochum). So könnten die Räumlichkeiten von MakerHubs auch von Men’s Shed-Initiativen genutzt werden.

Einsamkeit wird immer mehr zu einem gesellschaftlichen Thema

Die Bochumer Bevölkerung wird immer älter. Bereits heute sind in der Stadt mehr als ein Fünftel der Menschen 65 Jahre und älter (21,8%). Die Vereinsamung von älteren Menschen wird zu einem immer größeren Thema. Einsamkeit macht krank. Die Ruhr-Universität gehört zu den führenden Wissenschaftsinstitutionen, die das Thema erforschen (Einsamkeit – Erkennen, evaluieren und entschlossen Entgegentreten, Prof. Dr. Maike Luhmann, Ruhr-Universität Bochum). Das Bundesfamilienministerium plant eine Strategie gegen Einsamkeit.

Es wäre also eine Chance für die Stadt, sich des Themas “Einsamkeit im Alter” als Vorreiter besonders anzunehmen. Der Aufbau und die Einrichtung von Men`s Sheds ist zwar letztlich kein Allheilmittel gegen Einsamkeit, aufgrund der spezifischen Bevölkerungsstruktur im Ruhrgebiet hinsichtlich Alter und handwerklichen Fertigkeiten, sind entsprechende Werkstätten aber gerade in Bochum ein gutes Instrument viele ältere Menschen zu erreichen, die nach neuen Aufgaben, sozialen Kontakten und Wertschätzung suchen, um ihr Leben im Alter nicht alleine in ihrer Wohnung vor dem Fernseher sitzend zu verbringen. Men`s Sheds wären somit ein ideales Thema für die Bochum-Strategie.

05 Feb

Straßenbahnlinie sollte von Gerthe bis Merklinde verlängert werden

Seit nunmehr 3 Jahrzehnten versucht die Verwaltung die Straßenbahnlinie in Gerthe zweispurig auszubauen und nach Cöppencastrop zu verlängern. Doch die Versuche scheitern immer wieder kläglich. Das Projekt ist zu unambitioniert, hat zu wenig Nutzen und bekommt daher keine Förderung. Die STADTGESTALTER schlagen jetzt eine Verlängerung nach Castrop-Rauxel oder Merklinde vor.

Bis 1967 fuhr die Straßenbahn noch vom Bochum Hauptbahnhof bis Castrop-Rauxel Münsterplatz. Dann entschied die Politik, die Bahn würde den Autoverkehr stören und legte die Linie still. Eine Fehlentscheidung wie sie in Bochum in den 60er Jahren für viele Straßenbahnlinien getroffen wurde. Aufgrund fehlender Weitsicht schrumpfte die Stadt das Straßenbahnnetz auf nur noch 4 Linien ein. (Über 65 Jahre Rückbau und Stillstand beim Nahverkehrsnetz).

Projekte zum Ausbau des Straßen- und Stadtbahnnetzes überfordern Bogestra und Verwaltung

In den 90er Jahren erkannte die Stadt ihre falsche Politik und erklärte das Straßenbahnnetz nunmehr wieder ausbauen zu wollen. Doch außer diesem Lippenbekenntnis brachten die Verantwortlichen in den folgenden drei Jahrzehnten keine nennenswerten Straßen- bzw. Stadtbahnprojekte zum Ausbau des Netzes auf den Weg. Immer wieder blieb es bei Planungen, die dann scheiterten. So gibt es bis heute keine Bahnlinie zum Ruhr Park, ebenso wie die Linie 310 immer noch in Höntrop endet und die Linie 308/318 in Dahlhausen bzw. Gerthe. Zuletzt scheiterte die Verlängerung der U35 an einem kapitalen Rechenfehler bei der Kosten-Nutzen-Analyse (U35-Verlängerung vor dem Aus). Verkehrsplanung und Bogestra erwiesen sich über Jahrzehnte als unfähig auch nur eines der genannten Projekte zu realisieren. Alle Planungen erwiesen sich als undurchführbar, nicht bezahlbar oder nicht förderfähig.

Land will Projekt in Gerthe nicht fördern

Das gleiche Spiel wiederholte sich jetzt beim beabsichtigten zweispurigen Ausbau der Linie 308/318 von Gerthe-Mitte bis Haltestelle Schürbankstraße und der daran anschließenden 300 Meter langen Verlängerung bis Cöppencastrop. Das Land verweigerte mangels ausreichendem Nutzen die Förderung. Wobei der zweigleisige Ausbau der Straßenbahnlinie bis Schürbankstraße durchaus sinnvoll wäre, um statt des aktuellen 15-Minuten-Taktes nach Gerthe einen 7,5-Minuten-Takt zu ermöglichen. Eine Verlängerung ins Nichts nach Cöppencastrop wäre dagegen mit verhältnismäßig hohen Kosten verbunden, würde aber zu kaum neuen Fahrgästen führen. Ob der Nutzen des Projekts insgesamt die Kosten überwiegt, ist also fragwürdig. Entsprechend vergab das Land die Fördermittel an andere Städte, für ÖPNV-Projekte, denen das Verkehrsministerium ein besseres Nutzen-Kosten-Verhältnis zumaß.

Erst auf Nachfrage der Bezirksfraktion Nord der Grünen kam das erneute Scheitern des Projekts ans Licht. Bereits im Juli 2021 fragten die Grünen bei der Verwaltung den Sachstand des Projektes nach (Anfrage: 20212208). Die Verwaltung brauchte aufgrund der ihr eigenen Gemächlichkeit sechs Monate um auf einer halben DIN A4-Seite im Januar 2021 einzugestehen (Mitteilung 20213545), dass der Förderantrag bereits im April 2021 abgelehnt wurde (Informationen zum Planungsvorrat zur Beschleunigung von Stadtbahn- und Eisenbahnprojekten).

Projekt in Gerthe ist zu wenig ambitioniert

Letztlich scheiterte das Projekt daran, dass die Verlängerung der Linie bis nach Cöppencastrop wenig ambitioniert ist und keinen nennenswerten Beitrag zur Mobilitätswende leisten kann. Eigentlich handelt es sich um ein Alibi-Projekt, dass davon ablenken soll, dass Rot-Grün im Bochumer Stadtrat an einem nennenswerten Ausbau des Bochumer Nahverkehrsnetzes nur auf dem Papier interessiert ist, sonst aber alle Bemühungen das städtische Schienennetz auszubauen, kommentarlos ablehnt, wie zuletzt am 16.12.2021 den Vorstoß der Fraktion ”Die PARTEI und STADTGESTALTER” eine systematische Vorplanung zur Ausweitung des Bahnnetzes im städtischen Nahverkehr aufzunehmen (Antrag 20213912).

Wirklich sinnvoll ist nur eine Verlängerung nach Castrop-Rauxel oder Merklinde Bahnhof

Ein wirklich nennenswerter Zuwachs an Fahrgästen wäre nur zu erwarten, wenn die Straßenbahnlinien nicht nur bis Cöppencastrop sondern wieder nach Castrop-Rauxel bis zum Münsterplatz verlängert würde oder mindestens bis zum Bahnhof Merklinde. Von diesem Bahnhof könnten die Fahrgäste dann mit der RB43 nach Castrop-Rauxel, Herne, Wanne-Eickel, Gelsenkirchen-Buer und –Zoo sowie nach Gladbeck, Dorsten und Dortmund kommen.

Die Verlängerung der Straßenbahnlinie bis zum Münsterplatz wäre allerdings technisch anspruchsvoll und entsprechend aufwendig, langwierig und kostenintensiv. Die Verlängerung zum Bahnhof Merklinde, wie bereits 2021 von den STADTGESTALTERn vorgeschlagen (Zehn neue Linien für das Bochumer Nahverkehrsnetz) wäre hingegen vergleichsweise einfach zu realisieren. Die Straßenbahn müsste nur um rund 3 km verlängert werden, damit die Fahrgäste zukünftig den Bahnhof Merklinde von Gerthe-Mitte aus in etwa 6 Minuten erreichen könnten.

ängerung Straßenbahnlinie 308/318 bis CAS-Merklinde

In Merklinde fährt aktuell aller 60 Minuten die RB43 (Emschertal-Bahn) Richtung Dorsten über Castrop-Rauxel, Herne und Gelsenkirchen und in die andere Richtung nach Dortmund. Ein Gutachten aus dem Jahr 2011 hat bereits festgestellt, dass sich die Zahl der Fahrgäste verdoppeln ließe, würde auf der Strecke ein 30-Minuten-Takt realisiert (Emschertalbahn RB43 Analysen und Perspektiven). VRR sowie die Bürgermeister von Castrop-Rauxel und Herne machen sich seit 2020 dafür stark, nicht nur den Takt zu verdichten, sondern die Linie erheblich zu beschleunigen und sogar nach Holland (Winterswijk) zu verlängern (Mit der Wasserstoff-Bahn von Castrop-Rauxel alle 30 Minuten nach Holland). Dieser Initiative sollte sich die Stadt Bochum anschließen.

Eine Verlängerung der Linie 308/318 sollte mit einer Modernisierung der RB43 kombiniert werden

Ein 15-Minuten-Takt abgestimmt auf die Ankunftszeiten der Linie 308/318 am Bahnhof Merklinde wäre ideal. Die Straßenbahn könnte aller 7,5 Minuten bis Gerthe–Mitte fahren, Jede zweite Fahrt, aller 15 Minuten könnte bis Merklinde fortgesetzt werden. Dort am Bahnhof kann dann nach Castrop-Rauxel, Herne, Gelsenkirchen-Buer und Dortmund umgestiegen werden. Dadurch könnte nach Beschleunigung der RB43 im Idealfall die Fahrtzeit von Gerthe-Mitte nach Castrop auf 15 Minuten, zum Bahnhof Herne auf 20 Minuten und nach Buer sowie Dortmund auf 25 Minuten verkürzt werden.

In Verbindung mit einer Modernisierung der RB43 könnte also eine Verlängerung der Linie 308/318 zum Bahnhof Merklinde zu erheblichen Fahrgastzuwächsen führen und viele Menschen bewegen, statt dem Auto die Bahn zu nehmen. Ein solches Projekt wäre damit auch ein echter Beitrag zur von der Stadt Bochum angestrebten Mobilitätswende. Aufgrund dieser Perspektiven, sähe auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis deutlich positiver aus als bei der bisher angestrebten Verlängerung nach Cöppencastrop. Vergleichsweise geringen Baukosten stünde eine erhebliche Erhöhung der Fahrgastzahlen gegenüber. Unter diesen Bedingungen wäre es dann auch erheblich einfacher die gewünschten Fördergelder vom Land zu erhalten.

Die Verlängerung der Straßenbahnlinie 308/318 sollte also mit der Modernisierung der RB 43 gemeinsam gedacht werden. Entsprechend sollte sich die Stadt Bochum gemeinsam mit Dortmund, Herne, Castrop-Rauxel und dem VRR im ersten Schritt für eine Modernisierung der RB43 stark machen, die dann mit dem Verlängerungsprojekt der Straßenbahnlinie von Gerthe nach Merklinde verknüpft wird. Denn umgekehrt bedeutet die Verlängerung der Straßenbahn auch mehr Fahrgäste für die RB43.

Leitprojekte öffentlicher Nahverkehr müssen zukünftig auch echte Leitprojekte sein

Insgesamt wird es Zeit, dass die Stadt Bochum sich endlich dazu durchringt ambitionierte ÖPNV-Projekt zu verfolgen, statt mit der Realisierung von Alibi-Projekten immer wieder zu scheitern. Eine Kernaktivität der Bochum-Strategie trägt die vielversprechende Bezeichnung “Vorfahrt ÖPNV-Leitprojekte öffentlicher Nahverkehr”, diesem Anspruch müssen die ÖPNV-Projekte, die die Stadt verfolgt, auch gerecht werden.

23 Jan

Gutachten bestätigt: Autofreier August-Bebel-Platz ist die beste Lösung

Seit Jahren können sich Stadt und Politik nicht entscheiden wie der hässlichste Platz der Stadt umgestaltet werden soll. Jetzt schafft ein Gutachten Klarheit, ein Platz ohne Autos hat für die Innenstadt Wattenscheid das mit Abstand größte Potential. Die von den STADTGESTALTERn bereits 2015 vorgeschlagene Herausnahme des Verkehrs soll nun Wirklichkeit werden.

Eigentlich sollte der August-Bebel-Platz schon vor Jahren umgestaltet werden. Doch wie so häufig, dauert in Bochum und Wattenscheid vieles etwas länger als in anderen Städten. 2013 hatte die Stadt drei Planungsbüros beauftragt. Vorschläge für eine Umgestaltung zu machen. Obwohl in städtebaulicher Hinsicht fortschrittlichen Städten schon lange üblich, traute sich die Verwaltung unter dem damaligen Stadtbaurat jedoch nicht den Planungsbüros vorzugeben den Platz autofrei zu gestalten. 75.000 Euro zahlte die Stadt für drei mäßige Planungsentwürfe, denen es nicht gelang, bei gleichzeitigem Verkehr den Platz spürbar aufzuwerten. Die Politik war wenig begeistert. Ein vierter Konsensentwurf der Verwaltung mit Elementen aus allen drei Entwürfe konnte die Politik ebenfalls nicht überzeugen.

August-Bebel-Platz mit Autoverkehr nicht förderfähig

Auch die Bezirksregierung, die die einen Großteil der Fördermittel zur Neugestaltung de Platzes bereitstellen soll, war nicht überzeugt von den Bochumer Konzepten, man ließ durchblicken, dass es für einen Platz, über den weiter Verkehr fließen sollte, es keine Fördermittel geben werde (August-Bebel-Platz autofrei?!). Also überzeugte die SPD die Wattenscheider Grünen, den Platz doch autofrei zu gestalten. Die CDU und UWG liefen Sturm und drohten mit einem Bürgerbegehren. SPD und Grüne knickten ein. Man einigte sich darauf ein unabhängiges Verkehrsgutachten erstellen zu lassen, das vier Planungsvarianten mit unterschiedlichen Verkehrsführungen prüfen und vergleichen sollte. Darauf basierend sollte dann ein neuer Planungswettbewerb zur Gestaltung des Platzes ausgeschrieben werden.

Verkehrsgutachten sieht mit Abstand größtes Potenzial für die Wattenscheider Innenstadt bei autofreiem Platz

Das Verkehrsgutachten (Verkehrliche Auswirkungen möglicher Umbauvarianten) inklusive einer schalltechnischen Untersuchung (Untersuchung Schall) liegt jetzt vor. Aufgrund der eindeutigen Ergebnisse schlägt die Verwaltung vor, den Platz nunmehr doch autofrei zu gestalten. Die autofreie Gestaltungsvariante bietet laut Gutachten das größte Potential für eine neue Platzgestaltung und wie alle Varianten keine nennenswerten negativen Auswirkungen bezogen auf den Verkehr. Nur 5.000 Fahrzeuge (ohne ÖPNV) queren den Platz pro Tag. Das bedeutet am Tag fahren aller 5 Minuten rd. 30 Autos über den Platz. Die Verkehrsbelastung kann somit nur als gering bezeichnet werden.

Im Gutachten wurden vier Varianten untersucht:
Variante 1: Autos und ÖPNV queren auf einem gemeinsamen Fahrstreifen je Fahrtrichtung den Platz. Es gilt ein Tempolimit von 20 km/h.
Variante 2: Autos queren den Platz nur noch im Einbahnstraßenverkehr von Süd nach Nord.
Variante 3: Der Verkehr wird mit einem Auto- wie einem davon separierten ÖPNV-Fahrstreifen je Fahrtrichtung über den Platz geführt.
Variante 4: Der August-Bebel-Platz wird autofrei.

Im Rahmen des Gutachtens wurden die Auswirkungen der Verkehrsführungen auf die Umgebung geprüft. Insbesondere wurden negative Auswirkungen von eventuellem Ausweichverkehr auf Straßen in der Nachbarschaft des Platzes betrachtet. Zudem wurde bewertet, welche Umgestaltungspotentiale die Varianten für die Innenstadt bieten.

Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass alle vier Varianten die Qualität im umliegenden Straßennetz nicht negativ beeinflussen. Die Varianten 2 und 3 lassen kaum Raum für eine positive Umgestaltung des August-Bebel-Platzes. Dieser ist bei Variante 4 mit Abstand am größten. Die Verkehrssicherheit für Menschen die zu Fuß gehen oder das Rad nehmen, weißt zudem bei den Varianten 2 und 3 immer noch deutliche Defizite auf. Variante 4 besitzt darüber hinaus das größte Potenzial für die Stärkung der Nahmobilität, die für die Entwicklung der Wattenscheider Innenstadt von entscheidender Bedeutung ist.

Bewertungsmatrix, ISG Ingenieure-Gesellschaft Stolz mbH

Insgesamt wurden die vier Varianten nach acht Kriterien bewertet. Die autofreie Variante schafft es dabei auf 12 Punkte, die anderen drei Varianten 1, 2 und 3 nur auf 7, 5 bzw. 4 Punkte. Die Umgestaltungsvariante ohne Autoverkehr auf dem August-Bebel-Platz setzt sich somit deutlich gegenüber den anderen Varianten durch. Ein erwartbares Ergebnis, dass die Analyse der STADTGESTALTER bestätigt, die sich als erste politische Kraft bereits vor 7 Jahren, im Januar 2015, für einen autofreien August-Bebel-Platz ausgesprochen haben (Neue Ideen für Wattenscheid).

Nunmehr verfolgt auch die Verwaltung diese Lösung. Im Auslobungstext für den Gestaltungswettbewerb für den Platz (Entwurf Auslobungstext) soll es jetzt heißen: „Vorgabe für den Planungswettbewerb ist eine MIV-freie Verkehrsführung für den August-Bebel-Platz. Die Querung der Platzfläche wird somit für den Kfz-Verkehr gesperrt. Lediglich der Busverkehr sowie die Straßenbahn passieren den Platz.“ (MIV = Motorisierter Individualverkehr = Auto).

Erkenntnis, dass der Platz autofrei sein sollte, kommt spät, hoffentlich nicht zu spät

Wären Politik und Verwaltung den Erkenntnissen gefolgt, die in erfolgreichen Großstädten zu Platzumgestaltungen schon seit Jahrzehnten vorliegen, hätte es für die Entscheidung, den August-Bebel-Platz zukünftig für den motorisierten Individualverkehr zu sperren, keines Gutachtens bedurft. Der Platz hätte schon in den letzten Jahren grundlegend umgestaltet werden können, ja müssen, denn er lädt die Menschen nicht nach Wattenscheid ein, seine derzeitige Gestaltung schreckt sie ab. So kommt die Erkenntnis, dass der Verkehr auf dem Platz der Innenstadt schadet und nicht nützt, zwar spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Besser jedenfalls als hätte man den Platz schon umgebaut und müsste nun feststellen, die teuren Umgestaltungen würden nichts für die Wattenscheider Innenstadt bewirken, da der Autoverkehr immer noch über den Platz fährt.

Noch besser: Park statt Platz

Die STADTGESTALTER hatten 2015 jedoch nicht nur einen autofreien August-Bebel-Platz vorgeschlagen, sie schlugen vor, aus dem Platz einen Park zu machen. (Aus dem August-Bebel-Platz einen Park machen). Dabei könnte Park Im südlichen Teil auch als Platz gestaltet werden. Dieser Vorschlag ist auch angesichts der Klimakrise 2022 noch genau so aktuell wie schon 2015. So stellt das bereits dargestellte Gutachten ebenfalls fest, dass der August-Bebel-Platz aufgrund seiner fast vollständigen Pflasterung und Asphaltierung derzeit eine Hitze-Insel darstellt. Eine Beschattung durch Vegetation, mehr Begrünung und Wasserflächen sollte der Überhitzung des Platzes entgegen wirken. Genau da setzt die Parkidee der STADTGESTALTER an.

August-Bebel-Platz, Plan STADTGESTALTER

Nach den Vorstellungen der STADTGESTALTER soll der neue Park zu einem attraktiven und belebten Ort am Eingang der Wattenscheider Innenstadt gemacht werden. Der Autoverkehr bis auf Straßenbahnen und Busse soll umgeleitet werden. Für die wegfallenden Parkplätze kann an der Nordseite des Platzes ein offenes Parkhaus errichtet werden.

in dem neuen Park sollen viele verschiedene Aktivitäten für alle Altersgruppen möglich sein (Plan des neuen Parks). Es soll ein Spielareal geben, viele Sitzgelegenheiten, neben dem bestehenden Brunnen ein weiteres Wasserspiel und ein Spielfeld, das den Park besonders für Kinder und Jugendliche attraktiv macht. Vorbild könnte der Vasaparken in Stockholm sein (Vasaparken Wikipedia).

Um den gesamten heutigen August-Bebel-Platz in einen neuen autofreien Platz umzuwandeln, ist die Fläche mit 12.700 Quadratmetern eigentlich viel zu groß (August-Bebel-Platz vs. August-Bebel-Park). Für einen Innenstadtpark mit integrierter Platzfläche am Eingang zur Oststraße könnte die Fläche viel besser und vielfältiger genutzt werden.

Am 09.03.2022 wird der Stadtrat die Ausschreibung für die Gestaltung eines neuen, autofreien August-Bebel-Platzes auf den Weg bringen. Im Rahmen der Ausschreibung sollen maximal 15 Planungsbüros bzw. Bürogemeinschaften im Rahmen eines Wettbewerbs qualitativ hochwertige Umgestaltungsvorschläge einreichen. Fünf Büros davon werden von der
Stadt Bochum gesetzt (Beschlussvorlage 20222823). Die Wattenscheider dürfen gespannt sein, welche Umgestaltungsideen die Städtebauer 2023 präsentieren werden.

Zu hoffen ist, dass die Arbeiten zur Umgestaltung dann 2024 beginnen und vielleicht schon 1 bis 2 Jahre später der neue Platz der Öffentlichkeit übergeben werden kann. Denn es wird höchste Zeit, dass sich in der Wattenscheider Innenstadt grundlegend was tut, um den sich ungebremst fortsetzenden Niedergang endlich zu stoppen.

15 Jan

Die Stadtfläche muss besser genutzt werden: Mehr Grün, weniger Asphalt, mehr Wohnraum

Jeder Quadratmeter in der Stadt existiert nur einmal und jeden Quadratmeter sollte man möglichst optimal nutzen. Von der optimalen Nutzung der Stadtfläche hängt letztlich die Lebensqualität und Attraktivität einer Stadt ab. Leider fehlt Bochum bisher ein Konzept wie jeder Quadratmeter Stadtfläche möglichst optimal genutzt werden kann

Ein Quadratmeter Stadtfläche kann Teil einer grünen Oase sein, Teil eines Parkplatzes, einer Straße oder auf ihm kann ein Gewerbebetrieb wie ein Wohngebäude stehen. Ein Wohnhaus kann mehrgeschossig sein und über einen Dachgarten sowie eine Solaranlage verfügen oder es kann eingeschossig sein mit einem Flachdach, das nur mit Dachpappe gedeckt ist. So verschieden wie die Nutzung ist, so unterschiedlich ist auch der Wert, den die Nutzung für die Stadt hat.

Die Nutzungsoptimierung von Stadtflächen

Drei Nutzungsperspektiven können unterschieden werden, der individuelle Nutzen einzelner Einwohner*innen, der Nutzen für die Stadt bzw. das Ruhrgebiet und der Nutzen für das gesamte Land. Ein Stellplatz etwa hat nur Nutzen für jemanden, der dort sein Auto abstellt, ein Stadtplatzlatz dagegen einen Nutzen für alle, die in dem Viertel leben und den Platz nutzen. Eine Autobahn, eine Bahnlinie oder ein weltweit agierender Industriebetrieb kann auch einen überregionalen Nutzen für das ganze Land haben. Entsprechend ist der Nutzen für jeden Quadratmeters Stadtfläche unterschiedlich zu bewerten.

Ziel der Stadt sollte es sein, Maßnahmen zu entwickeln, die sicherstellen, dass jeder Quadratmeter möglichst optimal genutzt wird. Das bedeutet zum Beispiel Wohngebäude sollten in Abstimmung mit der Umgebung mit möglichst vielen Etagen gebaut werden, um auf einem Quadratmeter möglichst viel Wohnraum zu schaffen. Es sollte die Verpflichtung zur Begrünung von Dach und Fassaden bestehen. Um den Nutzwert der Fläche zu maximieren sollte zudem eine energetische Nutzung des Dachs bzw. des Grundstücks (solar oder mit Erdwärme) vorgesehen werden.

Mobilität ist ein Grundbedürfnis in einer Stadt, trotzdem sollten die Verkehrsflächen auf das notwendigste minimiert werden. Verkehrsmittel, die wenig Fläche für den Transport vieler Menschen beanspruchen, sollten gegenüber denen bevorzugt werden, die viel Platz für den Transport weniger Menschen benötigen. Ein weiteres städtisches Ziel sollte sein, die negativen Effekte von Verkehr wie Lärm, Luftverschmutzung, Flächenversiegelungen, Wertminderungen zu minimieren. Statt Stadtflächen als Stellplätze für Autos. zu nutzen, kann man sie besser als Grün-, Platzflächen, für Verkehrswege oder für Wohngebäude nutzen. Der Nutzen eines Parkplatzes ist nur für denjenigen, der ihn nutzt hoch für die Stadt aber gering, der Wert für alternative Nutzungen deutlich höher, insbesondere da die Fläche von erheblich mehr Einwohner*innen genutzt werden kann oder ein positiver Effekt für Klima- und Umwelt erreicht wird. Irgendwo abgestellt werden müssen die Autos aber gleichwohl. Das muss unter bestmöglicher Ausnutzung der Fläche geschehen also am besten in mehrstöckigen Parkhäusern oder unter Wohngebäuden.

Für die Attraktivität und Wohnqualität der Städte ist Grün wichtig sowie Straßen und Plätze, die zum Leben im öffentlichen Raum einladen. Der Nutzen eines asphaltierten Quadratmeters ist ggü. einer Fläche, der als Beet genutzt wird, auf dem ein Baum, ein Spielgerüst oder eine Bank steht gering. Trotzdem müssen Flächen asphaltiert werden, da Verkehrswege in jeder Stadt unverzichtbar sind, um sicher und schnell von A nach B zu kommen. Die Zahl der Verkehrswege sollte aber wegen des hohen Nutzens einer alternativen Nutzung auf das unbedingt notwendige Maß begrenzt werden.

Frei- und Naturflächen sind für das Klima wie die Attraktivität und das Lebensgefühl in einer Stadt von großer Bedeutung. Entsprechend groß ist ihr Nutzen und der Wert hoch, so dass sie, wenn irgend möglich, unbebaut erhalten bleiben sollten.

Im Bereich des Gewerbes können wenige Arbeitsplätze auf einer großen Fläche entstehen (z.B. DHL auf Mark 51°7) oder viele Arbeitsplätze in einem mehrstöckigen Bürogebäude. Der Nutzen pro Quadratmeter städtischer Fläche kann also auch hier recht unterschiedlich sein. Auch können z.B. Industriebetriebe negative Folgen, wie Lärm und Luftverschmutzung mit sich bringen, die den Nutzwert schmälern, aber auch einen positiven gesamtgesellschaftlichen Nutzen für das ganze Land mit sich bringen, der den Nutzwert pro Quadratmeter erhöht. Beide Effekte sind bei einer Nutzenbewertung zu berücksichtigen.

Einbeziehung der negativen Folgen von Nutzungen

Bewertet die Stadt den Nutzen eines Quadratmeters muss sie also den gesamtgesellschaftlichen Nutzen der Fläche betrachten und die negativen Folgen der Nutzung für die Stadt (Lärm, Luftverschmutzung usw.).

Hauptsächliche Nutzung einer Fläche und zusätzliche Nutzungen

Grundsätzlich kann jedem Quadratmeter Fläche eine Hauptnutzung zugeordnet werden, Natur- und Freifläche, Wohnen, Gewerbe, Verkehr, Freizeit. Die Intensität der Nutzung kann dabei je nach Intensität der Nutzung variieren. Ob eine Freifläche als Acker oder als Wald genutzt wird, führt zu einem unterschiedlichen Nutzwert, insbesondere wenn man den Nutzen hinsichtlich des Klimaschutzes bewertet. Steht auf einem Quadratmeter Fläche ein mehrstöckiges Wohn- oder Parkhaus, ist die Nutzung ebenfalls intensiver und der Nutzwert höher, als bei einstöckigen Nutzungen.

Zu der Hauptnutzung kommen Zusatznutzungen hinzu. Zur Nutzung als Wohnfläche kann ein Quadratmeter zusätzlich als Parkfläche, Gartenfläche und Fläche zur Energieerzeugung, ja sogar landwirtschaftlich genutzt werden, wenn das Gebäude über eine Tiefgarage, einen Dachgarten, eine Solaranlage und ggf. sogar eine landwirtschaftliche Dachnutzung mit einem Gewächshaus verfügt. In der Stadt sollte also das Ziel verfolgt werden, dass jeder Quadratmeter Fläche nicht nur mit seiner Hauptnutzung einen möglichst hohen Nutzwert erzielt, sondern darüber hinaus noch möglichst vielen zusätzliche Nutzungen aufweist.

Exkurs: Ökonomisch-mathematische Modell zu flächenoptimierter Stadtplanung

Die Stadt Bochum ist 145.400.000 Quadratmeter groß. Jedem Quadratmeter könnte ein Nutzwert zugeordnet werden, der angibt wie gut die entsprechende Fläche genutzt wird. Die Summe aller Nutzungswerte gäbe dann wieder, wie gut die gesamten Stadtfläche genutzt wird. Entsprechend sollte diese Summe, der Flächennutzwert der gesamten Stadt, maximiert werden.

Bei der Maximierung dieses Zielwertes sind jedoch diverse Restriktionen zu berücksichtigen. Unter anderem sollte eine vorgegebene Verkehrsfläche sowohl an Verkehrswegen wie Stellflächen vorhanden sein. Weiterhin sollte festgelegt werden, welcher Teil an städtischer Fläche auf jeden Fall von Bebauungen freigehalten werden soll. Ebenso wäre vorzugeben, welche Fläche für Wohnraum in jedem Fall zur Verfügung stehen muss. In diesem Sinne ist die Berücksichtigung weiterer Restriktionen sinnvoll.

Mit Zielfunktion und Restriktionen ließe sich ein lineares Optimierungsmodell aufstellen, mit dem mathematisch die Flächennutzung der gesamten Stadt optimiert werden könnte. Insbesondere ließe sich mit dem Modell analysieren, wie sich in der Stadt eine Veränderung der Flächennutzung auf den Gesamtflächennutzwert auswirken würde und welche Nutzungsänderungen wo in der Stadt besonders sinnvoll wären.

Ein solches komplexes mathematisches Modell kann also ein sinnvolles Instrument zu einer strategischen Maximierung des Gesamtflächennutzwertes der Stadt sein.

Von der autogerechten Stadt zur Stadtplanung nach menschlichem Maßstab

Die Nutzung der Stadtflächen entsprechend den Bedürfnissen der Stadtbewohner*innen zu maximieren, ist erst seit wenigen Jahrzehnten Ziel der Stadtplanung. Der vielleicht weltweit prägendste Stadtplaner unserer Zeit, der Däne Jan Gehl. hat dafür den Begriff Human Scale geprägt (Menschlicher Maßstab). Im Mittelpunkt der Stadtplanung steht bei Gehl der Mensch als Wesen, das bestimmte Bedürfnisse im Lebensraum befriedigen will. Das Ziel der Stadtplanung ist es, die Lebensqualität der Menschen als Bewohner*innen der Städte zu erhöhen (Jan Gehl: “In The Last 50 Years, Architects Have Forgotten What a Good Human Scale Is”). Zuvor war Stadtplanung allein auf das Transportmittel Auto fixiert. Nicht die Bedürfnisse der Menschen standen im Mittelpunkt der Stadtplanung, stattdessen wurde als Ziel verfolgt die Stadt möglichst autogerecht zu gestalten.

Dem Paradigmenwechsel, nicht mehr das Auto als Maßstab der Stadtplanung zu verfolgen, sondern die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt der Stadtplanung zu stellen, folgt logisch das Ziel den Nutzwert der Stadtfläche im Sinne der Stadtbewohner*innen ständig weiter zu maximieren. Dies geschieht jedoch bisher wenig systematisch, sondern vielmehr relativ zufällig von Projekt zu Projekt. In der Stadt werden Stadtplanungsdefizite erkannt,. Orte, an denen man die Stadt mehr den Bedürfnissen der Menschen anpassen kann werden entsprechend umgestaltet, in Bochum zum Beispiel der Husemannplatz.

Systematische Nutzenmaximierung im Rahmen der Stadtplanung

Eine systematische Maximierung der Nutzwerte von Stadtflächen erfolgt bislang nicht. So wird bei Wohngebäuden häufig keine Maximierung der Wohnfläche eingefordert und sind auch mögliche Zusatznutzen nicht Gegenstand der Planungen. Nur selten werden unterschiedliche Planungsalternativen für Bebauungs- oder Stadtsanierungsgebiete entwickelt. Eine Ermittlung von Flächennutzwerten findet bisher gar nicht statt, entsprechend können sie auch nicht in die Entscheidungen der Politik, welche Planungen realisiert werden sollen, einfließen. In der Regel wird der erstbeste Vorschlag realisiert. Die Politik entscheidet aus dem Bauch heraus, da es an konkreten und systematisch ermittelten Entscheidungskriterien wie Nutzwerten fehlt.

Dabei wäre es wichtig zu wissen, welchen Nutzwert hat eine Fläche vor einer Umgestaltung oder Neubebauung, welcher soll durch die Stadtplanungsmaßnahme erreicht werden und mit welcher Planungsvariante kann das Zeil am besten erreicht werden.

Negativbeispiel: Dietrich-Benking-Straße Ost

Es reicht nicht wie etwa bei dem Bauvorhaben Dietrich-Benking-Straße Ost, zu beschließen eine Fläche zu bebauen und dann den erstbesten Vorschlag mit einer ideenlosen Bebauung mit überwiegend Reihenhäusern und übermäßig vielen Verkehrsflächen und entsprechend geringem Flächennutzwert durchzuwinken (Städtebauliches Konzept Dietrich-Benking-Straße Ost).

Städtebauliches Konzept Dietrich-Benking-Straße Ost, Stadt Bochum

Wenn man ein Feld wie an der Dietrich-Benking-Straße bebauen will, dann hätte unter der Vorgabe den Nutzwert pro Quadratmeter zu maximieren erheblich mehr Wohnraum geschaffen werden müssen und es hätte wesentlich weniger Verkehrsfläche entstehen dürfen und es hätten viel mehr Grünflächen auf dem Gelände verbleiben müssen. Diese Ziele hätten mit dem Bau einer Quartiersgarage an der Dietrich-Benking-Straße, einer Verpflichtung zu Dach- und Fassadenbegrünung sowie einer mehrstöckigen Bebauung erreicht werden können. Auch hätte die Erzeugung von Strom und Wärme mittels Solar- und Erdwärmeanlage Gegenstand des Planungsprojekts sein müssen. Mehr als ein Drittel der Fläche zu asphaltieren oder als Stellplatzflächen vorzusehen, ist hingegen ideen- wie anspruchslos und widerspricht allen Grundsätzen moderner Stadtplanung. Auch der Versuch der Fraktion “Die PARTEI und die STADTGESTALTER”, die Planungen noch zu korrigieren scheiterte, der Antrag (Vorlage 20213996) die Verkehrsflächen deutlich zu reduzieren und die Bauherren zur Einhaltung eines höheren Energiestandards zu verpflichten, wurde vom Ausschuss des Stadtrates abgelehnt.

Das Vorhaben an der Dietrich-Benking-Straße zeigt anschaulich, weder bei der Verwaltung noch im Stadtrat wird bisher systematisch das Ziel verfolgt, bei jeder Neu- oder Umplanung die städtische Fläche möglichst optimal zu nutzen und damit einen möglichst hohen Flächennutzwert zu erreichen. Es ist höchste Zeit sich mit dieser Thematik zu befassen.

02 Jan

Mehr Zebrastreifen und Kreisverkehre statt Ampeln

Das Queren einer Hauptverkehrsstraße ist in Bochum viel zu oft noch ein Wagnis oder mit langen Umwegen verbunden. An vielen Stellen fehlen Übergänge, oft müssen die zu Fuß Gehenden lange warten, bis sie der Autoverkehr die Straße queren lässt. Beim Überqueren von Straßen kommt es überdurchschnittlich häufig zu schweren und tödlichen Unfällen. Bochum benötigt mehr Zebrastreifen und Kreisverkehre statt Ampeln.

In den letzten 14 Monaten haben sich in Bochum vier tödliche Unfälle mit Menschen ereignet, die eine Straße zu Fuß überqueren wollten: 13.11.2020, Wattenscheider Straße26.11.2020, Alleestraße;11.12.2021, Universitätsstraße: und 14.12.2021, Dr.-C-Otto-Straße.

Weniger Unfälle durch mehr Zebrastreifen

Über Jahrzehnte hinweg, hat man die Zahl der Zebrastreifen verringert und versucht die Menschen, die zu Fuß gehen, dazu zu bewegen, Hauptverkehrsstraßen nur an Stellen zu queren, die mit einer Ampel versehen sind. Dazu hat man Straßen mit Mittelinseln versehen, die die Fußgänger*innen als “Fluchtinseln” nutzen können, sobald der durchgehende Strom Autos für eine Querung der Fahrbahn eine Lücke aufweist. Es bestand die Befürchtung Zebrastreifen könnten den Autoverkehrsfluss behindern, also wurden sie abgebaut.

Begründet wurde der Rückbau mit der fehlenden Sicherheit an Zebrastreifen, weil Kraftfahrer*innen den Vorrang der zu Fuß Gehenden zu oft nicht  akzeptieren würden. In den letzten beiden Jahrzehnten in Deutschland durchgeführte sehr ausführliche Unfallanalysen belegen jedoch das Gegenteil. Ein möglichst dichtes Netz von Querungsmöglichkeiten hat keine signifikante negative Ausprägung von Fußgängerverkehrsunfällen an Zebrastreifen zur Folge, sondern eine eindeutig nachweisbare Erhöhung der Verkehrssicherheit (u.a. Untersuchungen zur Sicherheit von Zebrastreifen). Zebrastreifen waren nicht unsicherer als eine Querung an Ampelanlagen mit gleichzeitigen Abbiegeverkehr bei Grün für Fußgänger und anderen latenten Gefahren (Renaissance der Zebrastreifen in Deutschland).

Fehlende bzw. zu weit auseinander liegende Querungsmöglichkeiten sowie lange Wartezeiten bei beampelten Querungen führen bei den zu Fuß Gehenden zu gefährlichem Verhalten: Straßen werden an unsicheren Stellen gequert, an denen keine Querungshilfen vorhanden sind, Straßen werden bei Rot gequert. Die Folge sind regelmäßig schwere bis tödliche Unfälle. Nur zahlreiche Übergänge für Menschen, die zu Fuß gehen, vermindern letztlich dieses Unfallrisiko. Nach Erhebungen der Stadt Köln ereignet sich an Zebrastreifen im Schnitt aller 20 Jahre ein Unfall, an beampelten Übergängen aller 12,5 Jahre (“Zebrastreifen oder Ampel”, Vortrag der Stadt Köln zum AGFS Kongress 2019).

Statt Ampeln mehr Kreisverkehre und Zebrastreifen

Neben der Forderung nach mehr Übergängen, sollten die Bestehenden auch sicherer und komfortabler gestaltet werden. In diesem Sinne hat die Stadt Köln mit einem extra dafür aufgelegten Programm bis zum Jahr 2019 145 Ampelanlagen im Stadtgebiet überprüft und 100 durch alternative Betriebsformen ersetzt. Stand 2019 sollten noch sechs weitere ersetzt werden, für weiter 23 liefen Planungen (“Zebrastreifen oder Ampel”, Vortrag der Stadt Köln zum AGFS Kongress 2019).

Zu alternativen Betriebsformen für Ampelanlagen, zählen neben Zebrastreifen auch Kreisverkehren sowie Aufpflasterungen. Daneben gelingt es durch Maßnahmen wie veränderte Verkehrsführungen zur Verringerung des Verkehrsaufkommens und der Verbesserung von Sichtbeziehungen die Voraussetzungen zu schaffen, um Ampeln durch andere Betriebsformen zu ersetzen.

Darüber hinaus spart die Stadt mit jedem Zebrastreifen und Kreisverkehr, der Ampelanlagen ersetzt, viel Geld. Bis 2011 hat die Stadt Köln bereits 200 Ampeln abgebaut und spart dadurch jedes Jahr 4 Millionen Euro an Strom und Wartung ein (Der Spiegel 09.02.2011).

Beispiele und Vorschläge für Bochum

Auch in Bochum ließen sich an vielen Orten mehr Zebrastreifen und Kreisverkehre an Stelle von Ampelanlagen einrichten. Die STADTGESTAALTER setzen sich beispielsweise dafür ein, die Lichtsignalanlage an der Kreuzung Berg-, Kortum- und Kurfürstenstraße am Kunstmuseum durch einen Kreisverkehr zu ersetzen (Die Bochumer Kortumstraße soll aufblühen).

Für die Herner Straße von A40 bis Dorstener Straße, könnten sich die STADTGESTALTER vorstellen, vier bestehende Übergänge, die bisher nur über eine Mittelinsel verfügen, mit Zebrastreifen auszurüsten und zwei neue Übergänge mit Zebrastreifen und Mittelinsel zu schaffen, so dass die Übergänge im besagten Straßenabschnitt nicht mehr als 100 Meter weit auseinander liegen. Durch die Zebrastreifen erhalten die zu Fuß Gehenden bei der Querung Vorrang vor dem Autoverkehr, es entfallen Wartezeiten und lange Umwege, um zu den bestehenden Querungsmöglichkeiten hinzulaufen, weniger Menschen queren die Straße an Stellen, an denen es keine Querungshilfe gibt. So würde die Herner Straße deutlich fußverkehrfreundlicher und sicherer.

Dem Beispiel Kölns folgend schlagen die STADTGESTALTER darüber hinaus vor, ein Programm aufzulegen, mit dem die Stadt alle Ampelanlagen daraufhin überprüft, ob diese nicht durch alternative Betriebsformen ersetzt werden können. Zudem sollten bei allen Hauptverkehrsstraßen überprüft werden, wo bestehende Übergänge mit Mittelinseln durch Zebrastreifen ergänzt werden können, bzw. an welchen Stellen zusätzliche Querung mit Zebrastreifen für zu Fuß Gehende eingerichtet werden sollten. Das Ziel sollte sein, dass Hauptverkehrsstraßen mit beidseitiger Wohnbebauung aller 100 Meter einen Übergang aufweisen.

Zu beachten ist, dass sichere Zebrastreifen nachfolgenden Vorgaben erfüllen sollten (siehe auch: AGFS: Querungsstellen für die Nahmobilität):

  • Sicht freihalten (Parken verhindern, das die Sicht auf den Zebrastreifen versperrt),
  • deutliche Markierung Beschilderung,
  • nur an Straßen mit einem Fahrstreifen pro Richtung,
  • Barrierefreiheit (abgesenkte Bordsteine, taktile Elemente),
  • möglichst mit Mittelinsel,
  • Beleuchtung,
  • maximal Tempo 50.

Programm für mehr Zebrastreifen, Kreisverkehre und weniger Ampeln kann nur Anfang sein

Bochum will deutlich fußverkehrfreundlicher werden, aus diesem Grund ist die Stadt 2014 der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen (AGFS) beigetreten. Jedoch hat die Stadt in den letzten Jahren viel zu wenige Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Menschen, die zu Fuß gehen, auf den Weg gebracht. Es wird Zeit, dass die Stadt sich nicht nur symbolisch um das Thema kümmert, sondern systematisch Maßnahmen plant und umsetzt, die den Fußverkehr sicherer und attraktiver machen. Ein Programm für mehr Zebrastreifen, Kreisverkehre und weniger Ampeln kann da nur der Anfang sein, wäre aber schon ein Meilenstein in die vorgegebene Richtung.

05 Dez

Ruhr Park und Hannibal Center könnten viel Sonnenstrom erzeugen

Die Bochumer Einkaufszentren Ruhr Park und Hannibal Center verfügen über riesige Dach- und Parkplatzflächen, die zur Erzeugung von Sonnenstrom genutzt werden könnten. Die STADTGESTALTER haben errechnet, was maximal möglich wäre. Es könnte so viel Strom erzeugt werden wie 6.200 Bochumer Haushalte im Jahr verbrauchen.

Die Stadt Bochum will bis 2035 klimaneutral sein. Dafür muss der gesamte Strom, der in der Stadt verbraucht wird, mittels erneuerbarer Quellen erzeugt werden. Darüber hinaus sollte angestrebt werden, dass der Strom, der in der Stadt verbraucht wird, möglichst vor Ort gewonnen wird. Grüner Strom kann auf verschiedene Weisen erzeugt werden, insbesondere aus Wasser- und Windkraft, mittels Geothermie, Biomasse oder durch die Kraft der Sonne. Tatsächlich kann in Bochum Strom in großem Maßstab nur aus Sonne gewonnen werden. Geothermie ist besser für die Wärmeerzeugung geeignet, Windräder lassen sich in Bochum wegen der nötigen Abstandsflächen zu Wohnbebauung nicht aufstellen, Biomasse und Wasserkraft stehen nur in überschaubarer Menge zur Verfügung.

Sonnenstrom hat in Bochum zur Stromerzeugung das größte Potential

Um Strom aus Sonne zu gewinnen, können Solaranlagen auf Dächer montiert werden, auf Freiland-, Wasser- oder Parkplatzflächen. Jedoch stehen Frei- und Grünflächen in Bochum für eine solare Nutzung nur wenige zur Verfügung. Regelmäßig stehen dem großflächigen Aufbau von Solarfarmen eine andere Nutzung, z.B als Acker oder Weideland, eine Ausweisung als Naturschutzgebiet oder optische Gründe entgegen. Die Nutzung der Bochumer Seen für schwimmende Solaranlagen hatten die STADTGESTALTER schon vorgeschlagen (Schwimmende Solaranlagen auf Bochumer Seen). Auf dem Wasser könnte so viel Strom erzeugt werden, wie 11% der Bochumer Haushalte im Jahr verbrauchen. Das ist schon eine Menge. Das Potential in Bochum lässt sich aber noch deutlich vergrößern, wenn zusätzlich Dach und Parkplatzflächen genutzt werden. Aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen sollte sich die Stadt dabei zunächst auf die Nutzung von besonders großen Flächen konzentrieren, wie sie zum Beispiel bei Einkaufszentren vorzufinden sind. Entsprechend wird auf dem Dach des Hannibal Centers bereits seit 2009 Sonnenenergie in Strom umgewandelt.

Wieviel Sonnenstrom könnte auf den Geländen von Ruhr Park und Hannibal Center erzeugt werden?

Doch wie groß ist das Potential bei der Stromerzeugung aus Sonnenkraft zum Beispiel bei Hannibal Center und Ruhr-Park, den beiden größten Einkaufszentrum auf dem Stadtgebiet? Die STADTGESTALTER haben untersucht, in welcher Weise die Flächen beider Einkaufszenten für die Erzeugung von Sonnenstrom genutzt werden könnten und welche Menge Strom sich maximal im Jahr erzeugen ließe. Dabei wurde nicht nur das Hannibal-Center an sich betrachtet, sondern auch angrenzende Flächen. Zum einen das Gelände, auf dem sich auch der Prater befindet, sowie die Fläche des gegenüberliegenden Hellweg-Baumarktes und die im Osten angrenzende Brachfläche. Beim Ruhr Park wurde die Parkplatzfläche der Medi Therme in die Betrachtungen einbezogen. 

Dachflächen: Zwar erscheinen die Dachflächen beider Einkaufszentren auf den ersten Blick groß, doch besonders beim Ruhr Park sind diese nur begrenzt nutzbar. Dachaufbauten für Lüftungs- und Klimaanlagen lassen beim Ruhr Park nur eine solare Nutzung zu maximal 60% zu. Beim Hannibal Center wurden auf dem Dach des Supermarktes sowie der östlichen Gebäuden bereits Solarmodule aufgestellt.  Hier sind maximal 80% der Dachflächen nutzbar. Bei Solaranlagen auf Dächern muss zudem geklärt werden, in wieweit die Gebäude über die für den Aufbau von Solaranlagen nötige Statik verfügen. Unter Umständen verkleinert sich die mit Solaranlagen bebaubare Dachflächen aufgrund fehlender statischer Voraussetzungen weiter. Ohne Betrachtung der Statik wäre maximal eine Dachfläche von 4,36 ha für die Montage von Solaranlagen auf beiden Einkaufszentren nutzbar.

Freilandflächen: Beide Einkaufszentren verfügen eigentlich nicht über ungenutzte Freilandflächen, sämtliche Flächen werden als Park- und Verkehrsflächen genutzt oder sind mit Gebäuden überbaut. Angrenzend an das Hannibal Center befindet sich jedoch eine rund 10 ha große Brachfläche, ein ehemaliges Zechengelände, auf dem später eine Schwefelsäurefabrik betrieben wurde, und das seit über 30 Jahren erfolglos saniert wird. Aufgrund der Umweltschäden ist diese Fläche bisher weder zu Wohn- noch zu Gewebezwecken nutzbar. Eine Nutzung für eine Freiflächen-Solaranlage böte sich daher an.

Park- und Verkehrsflächen: Der größte Flächenanteil wird bei Einkaufszentren für das Parken und den Verkehr bereitgestellt. So verfügen Ruhr Park und Hannibal Center über insgesamt 23.3 ha Parkplatz-und Straßenflächen. Es bestehen zwei Möglichkeiten diese solar zu nutzen. Die Stellplätze können überdacht werden oder es könnten Solar-Tracker (Solar-Tracker: Nachführsysteme für Photovoltaik-Anlagen) aufgestellt werden. Bei Solar-Trackern werden Solarmodule drehbar auf einen mehrere Meter hohen Mast montiert und dann nach dem jeweiligen Sonnenstand ausgerichtet. Dies ermöglicht eine zusätzliche Stromausbeute von bis zu 45% gegenüber starren Freiland- oder Dachanlagen. So wird es möglich selbst bei schlechtem, bewölktem Wetter mittels Solar-Trackern noch eine erkleckliche Menge Strom zu gewinnen.

Solar-Tracker, Foto Parucom:

Problem der Überdachung von Stellplätzen mit Solardächern ist bei Ruhr Park wie Hannibal Center, dass die Parkplätze nur teilweise nach Süden ausgerichtet sind. Dazu können nur die Stellplätze aber nicht die Verkehrsflächen überdacht und solar genutzt werden. Zwar ist auch bei Solar-Trackern der Bedarf an Aufstellfläche gegenüber starren Freilandanlagen höher, da diese untereinander einen recht großen Abstand benötigen um gegenseitige Verschattung ganztägig auszuschließen, dafür aber liefern sie deutlich höhere Erträge.

Aus diesen Gründen haben die STADTGESTALTER eine solare Nutzung durch Solar-Tracker betrachtet, wie sie z.B. bereits auf dem Parkplatz des Amazon-Lagers FRA3 in Bad Hersfeld besteht.

Solar-Tracker ermöglichen eine unproblematische doppelte Nutzung der Park- und Verkehrsflächen zum Parken und zur Erzeugung von Strom, ohne dass eine Nutzung die andere nennenswert einschränkt.

Bis zu 620 Solar-Tracker könnten auf dem Gelände von Ruhr Park und Hannibal Center zur Erzeugung von Sonnenstrom aufgestellt werden.

Solarpotential von Ruhr Park und Hannibal Center

Nutzt man die genannten Flächen vollständig für die Erzeugung von Sonnenstrom, wäre die Erzeugung von maximal 15.000 MWh Strom pro Jahr möglich. Das entspräche dem Jahresbedarf von 6.200 Bochumer Haushalten (3,1% aller Bochumer Haushalte). 7.300 t CO2 könnten so pro Jahr eingespart werden.

Es würde sich anbieten mit dem erzeugten Strom zunächst den Stromverbrauch der Einkaufszentren selbst abzudecken, der aufgrund von zu versorgenden umfangreicher Beleuchtungs-, Lüftungs-, Klima- und Kühlungsanlagen ebenfalls erheblich sein dürfte.

Modelle zu Aufbau, Unterhaltung und Betrieb sowie Wirtschaftlichkeit

Zum Aufbau, der Unterhaltung und dem Betrieb der Solaranlagen wären besondere zwei Modelle denkbar. Die Einkaufszentren selbst bauen und betreiben die Anlagen oder ein Energieunternehmen wie die Stadtwerke übernehmen Bau und Betrieb der Solaranlagen und verkaufen dann den Strom zu einem Vorzugspreis an die Einkaufszentren und übernehmen die Vermarktung des überschüssigen Stroms.

Trotzdem das Stromerzeugungspotential im Vergleich zu zum Beispiel schwimmenden Solaranlagen (Schwimmende Solaranlagen auf Bochumer Seen) deutlich geringer ist, sind Konzepte zur solaren Nutzung der Flächen von Einkaufszentren wirtschaftlich sinnvoll, denn sonst sind in der Stadt kaum derart große, zusammenhängende Flächen vorhanden, die mit Solaranlagen bestückt werden könnten. Die Montage von vielen vergleichsweise kleinen Solaranlagen auf vielen durchweg kleineren Dächern und Parkplätzen erzeugt ungleich höhere Kosten, sowohl beim Bau, wie hinsichtlich der Unterhaltung.

Bis 2035 klimaneutral

Will Bochum bis 2035 klimaneutral sein, muss jede Anstrengung unternommen werden Teile des Stroms aus erneuerbaren Quellen in Bochum selbst zu erzeugen. Die Einkaufszentren bieten für diesen Zweck ein herausragendes Potential und können damit einen bedeutenden zur klimaneutralen Stromproduktion leisten. Die STADTGESTALTER regen daher an, dass sich Stadt, Stadtwerke, Ruhr Park und Hannibal Center zusammensetzen um zu erörtern, wie sie das dargestellte Potential zum Wohl der Stadt möglichst vollständig ausschöpfen können.