29 Mai

Amtsblatt für Bochum – Immer die neuesten Stadtinfos frisch auf den Tisch

In Bochum wissen die Menschen oft viel zu wenig darüber, was in der Stadt und der Stadtpolitik passiert. Nur noch die WAZ berichtet umfänglich und täglich. Andere Städte informieren die Bürger*innen mit ihrem Amtsblatt über das Stadtgeschehen aller zwei Wochen. Diesem Beispiel könnte die Stadt Bochum folgen.

Anders als dem Dänen Marcellus schwant den Bochumern nichts Übles. Dabei ist auch in ihrer Stadt „etwas faul“. Erfreulicherweise ist die kommunale Bühne für verschwörende Theoretiker, die theoretische Verschwörer sehen, zu volkstümlich, in Bochum zu klein. Am Ende bietet die ordentlich gelegte Frisur von Thomas Eiskirch im Vergleich zu Trumps Tolle und Putins Pläte zu wenig Projektionsfläche. Glück gehabt.

Aber trotz dieser fehlenden Nebelkerzen, die jede sachliche bundespolitische Diskussion freudlos ersticken, führt die Bochumer Stadtgesellschaft kaum klare Debatten über die Entscheidungen, die ihre Repräsentanten im Rat zu treffen haben. Einige Fraktionsvorsitzende sind den Bochumer Bürgern wahrscheinlich so bekannt wie Dubravka Šuica. Wer das ist? Die europäische Kommissarin für „neuen Schwung für die Europäische Demokratie“. Ich musste auch googeln.

Unserem Bochum, ein Dorf, das an der Hand der klobigen industriellen Konzerne zur Stadt gewachsen ist, fehlt eine fein geölte Bürgergesellschaft, der seit hunderten Jahren gewiss ist, dass sie ihre Geschicke selbst steuern muss. Diese Bürgergesellschaft kann sich nur vor dem Hintergrund einer dauerhaften informationellen Kulisse empor entwickeln. Da die einzig verbliebene Tageszeitung, die von der Mehrheit der Bochumer gar nicht abonniert ist und gelesen wird, dafür nicht ausreicht, ist die Politik gefordert.

In Zeiten der Mosaike aus Blogs, Tweets und Insta-Posts lohnt auch mal ein Blick aufs Analoge: Gerade das staubige Amtsblatt, das in Bochum bislang nur der kaum gehörten Verkündung von Satzungen und Ausschreibungen dient, könnte dem Bürgergedanken neues Leben einhauchen. Entblättern sich monatlich frei Haus redaktionell und interessant aufbereitet die Vorhaben der Verwaltung, die Debatten des Rates und Informationen der Fraktionen über ihre politische Arbeit, wird eine Grundlage für Beteiligung und Teilhabe geschaffen. In anderen Städte, z.B. Freiburg gibt es ein solches Amtsblatt schon seit Jahrzehnten (Amtsblatt Freiburg https://www.freiburg.de/pb/281247.html). In den meisten Haushalten freuen sich die Menschen seit über 30 Jahren und 816 Ausgaben, aller zwei Wochen kostenfrei mit den neuesten Stadtnachrichten und -veranstaltungen auf 10 Zeitungsseiten versorgt zu werden. Der Druck finanziert sich über einen kleinen Teil Werbung auf der letzten Seite des Blattes.

Praktischerweise hegen bestehende Gesetze und Rechtsprechung ein redaktionelles Amtsblatt in Neutralität und Inhalt ein, ohne dass die Lokalpolitik hier kompliziert eigenes Recht schaffen muss. So darf das Amtsblatt nur über Veranstaltungen, Vorhaben und Debatten aus den Sphären des Rates und der Verwaltung informieren. Allgemeine journalistische Berichterstattung über Neuigkeiten in der Stadt, z.B. über die Spieltage des VfL Bochums oder den Handtaschendiebstahl am Bahnhof, obliegen den journalistischen Medien – Also de facto der WAZ, da Radio Bochum sich in den „Hits der 80er und 90er“ erschöpft. Ebenso bleiben die spitzen Kommentare den Bochumer Redakteuren vorbehalten. Auch die Recherche und Unterfütterung politischer Debatten mit z.B. Zitaten von Seiten der IHK bleiben Metier der Tageszeitung. WAZ, Social Media und Amtsblatt würden sich mit ihrer unterschiedlichen Ausrichtungen ergänzen.

Natürlich müsste das Amtsblatt aus 100% recycelten Altpapier bestehen und zertifiziert klimaneutral hergestellt werden. Ebenso sollte eine barrierefreie digitale Version verfügbar sein. Wer möchte sollte zudem die Papierversion abbestellen und dafür die digitale Version abonnieren können. Und ja, es werden sich dagegen Bedenken, Widerstände und Zaudern formieren… Dornige Chancen nannte dies mal jemand.

22 Nov

Gesucht: Podcast & Blog zur Bochumer Stadtpolitik

Der Bochumer Stadtrat hat beschlossen, dass Ratssitzungen zukünftig ins Internet übertragen werden sollen. Rats-TV kann aber nur der erste Schritt sein, die Bochumer besser über die Stadtpolitik zu informieren, ein weiterer könnte die Schaffung eines unabhängigen Stadtkanals sein, der sich journalistisch mit den wichtigen Themen der Stadt beschäftigt.

Über 8 Jahre hat es gedauert, bis die Politik jetzt einhellig für eine Übertragung der Ratssitzungen gestimmt hat.

Rats-TV, eine langjährige Forderung von FDP, STADTGESTALTERn und Linken, wird endlich umgesetzt

In der letzten Wahlperiode noch hatten sich SPD, CDU, sowie große Teile der Grüne gegen eine Online-Übertragung von Ratssitzungen ausgesprochen. Die entsprechenden Anträge von, FDP, STADTGESTALTERn, Linken und Piratenpartei waren immer wieder gescheitert. Am Ende der Wahlperiode hatte bereits die CDU ihren Widerstand aufgegeben. So scheiterte der letzte Antrag in der alten Ratsperiode nur knapp an SPD, Teilen der Grünen sowie der UWG.

Gleich in der ersten Ratssitzung der neuen Wahlperiode stimmte der Rat einstimmig dafür, dass die Verwaltung bereits für die Dezembersitzung ein Konzept vorlegt, wie die Übertragung in der Geschäftsordnung des Rates verankert werden kann und die Übertragung technisch umgesetzt werden soll. Linke, Die PARTEI und die STADTGESTALTER hatten in der Ratssitzung mit einem eigenen Antrag erneut Druck gemacht. Letztlich wurde das Rats-TV mit einem gemeinsamen Antrag  fast aller Fraktionen und Gruppen des Rates auf den Weg gebracht.

Informationen über die Stadtpolitik sind auch mit Rats-TV noch schwer zu bekommen

Doch reicht Rat-TV, um den Einwohner der Stadt die Politik des Rates näher zu bringen? Das ist leider nicht der Fall. Die Berichterstattung in den Bochumer Medien ist weiterhin zu dünn. Eigentlich berichtet nur die WAZ-Bochum kontinuierlich über die Ratspolitik. Doch auch die ist personell regelmäßig nicht in der Lage die Ratssitzungen in voller Länge zu verfolgen, zu Ausschusssitzungen kommen nur sporadisch Pressevertreter, entsprechend werden viele Themen gar nicht oder nur oberflächlich behandelt. Investigative Beiträge bleiben die Ausnahme. Die Berichterstattung von Radio Bochum über die Lokalpolitik beschränkt sich auf eine überblicksartige Darstellung der wichtigsten Themen. Eine Berichterstattung, die aufzeigt, welche politische Gruppierung bei welchem Thema warum, welche Position vertritt, findet regelmäßig nicht statt. Unabhängige Blogs oder Podcasts, die regelmäßig aus den Ratssitzungen berichten, gibt es bisher leider nicht. Lediglich der Pottblog von Jens Matheuszik, gleichzeitig Vorsitzender der SPD Bochum-Ehrenfeld, berichtet regelmäßig live via Twitter und in seinem Blog über die Ratssitzungen.

Sich schnell und einfach über das zu informieren, was in der Politik läuft und wie in der Politik diskutiert wird, ist den Einwohnern von Bochum und Wattenscheid also trotz Rats-TV weiterhin kaum möglich. Auch fehlt weiter eine regelmäßigen Berichterstattung aus den Bezirksvertretungen und den Ausschüssen des Rates. Eine intensive Beschäftigung mit der Bochumer Lokalpolitik bleibt Menschen vorbehalten, die viel Zeit dafür investieren können und bereits über ein umfassendes Wissen verfügen, wo sie welche Informationen finden können. Im Ergebnis erklärt sich so, warum viele Menschen über die Lokalpolitik relativ wenig informiert sind und zum Beispiel erst mitbekommen, dass ein neues Baugebiet in ihrer Nachbarschaft entsteht, bei dem umfangreiche Fällungen von Bäumen geplant sind, wenn die Bagger anrollen.

In Bochum fehlt ein unabhängiges Medium, das umfassend über die Stadtpolitik berichtet

Es fehlen in Bochum also unabhängige Medien, die mit journalistischem Sachverstand kontinuierlich über die stadtpolitischen Themen und Diskussionen berichten. Dem steht entgegen, dass Menschen mit den notwendigen journalistischen Qualifikationen um solche Medien zu bespielen, das nicht ehrenamtlich tun können, sondern ordentlich bezahlt werden müssen, auf der anderen Seite aber viele Menschen nicht bereit sind für gute Berichterstattung Geld zu bezahlen.

Eine Finanzierung durch Nutzer und Werbung wird also ein solches unabhängiges politisches Stadtmedium nicht tragen können. Alternativ denkbar wäre eine Finanzierung über eine Stiftung, die sich eine unabhängige Berichterstattung mit journalistischem Anspruch zum Ziel setzt. Für diese Stiftung müssten wiederum potente Geldgeber aus der Stadtgesellschaft gewonnen werden, die bereit sind, das genannte Ziel finanziell zu unterstützen, ohne selbst Einfluss auf die Berichterstattung nehmen zu wollen. Auch die Stadt selbst sollte ein Interesse haben eine solche Stiftung finanziell zu unterstützen.

Im Idealfall kann auf diese Weise ein Onlinekanal zur Stadtpolitik geschaffen werden, über den mittels Blogberichten und Podcasts direkt von Ratssitzungen berichtet wird und Reportagen zu wichtigen stadtpolitischen Ereignissen und Themen aufgerufen werden können. Ebenso kann solch ein Kanal eine Plattform für Interviews mit an staatspolitischen Entscheidungen beteiligten oder davon betroffenen Akteuren sein. Auch für Kommentare zu kontroversen Themen, die die Menschen in der Stadt bewegen, sollte der Kanal Raum geben. Dazu sind auch unterhaltende Formate, wie satirische Beiträge oder eine “Late-Night-Show”, die sich mit Stadt und Stadtgesellschaft beschäftigt, denkbar.

Für einen stadtpolitischen Kanal ist Unterstützung aus der Stadtgesellschaft nötig 

Letztlich ist für die Umsetzung eines solchen Projekts die Stadtgesellschaft gefragt. Wie gut sollen die Einwohner Stadt über die Themen der Stadtpolitik informiert sein? Was ist der Stadtgesellschaft eine unabhängige und umfassende Berichterstattung über die Stadtpolitik wert? Gibt es in der Stadtgesellschaft Akteure, die sich vorstellen können ein solches Projekt finanziell zu tragen? Woran es voraussichtlich nicht mangelt, sind engagierte Bochumer mit journalistischem Background, die bereit wären die Inhalte für den Kanal zu produzieren.