Nur 63% der Jugendlichen halten es für wahrscheinlich, dass sie langfristig im Ruhrgebiet bleiben, 50 % der Jugendlichen bewertet die Zukunftsperspektiven des Ruhrgebiets negativ. Die Jugendlichen sehen sich von der Politik übergangen. Politik wird überwiegend für alte Menschen gemacht, ihre Zukunft habe die Politik nicht im Blick.
Zu den Kommunalwahlen in NRW hat Civey im Auftrag des Jungen Initiativkreis Ruhr und der Initiative Ruhrpott eine repräsentative Umfrage unter jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren durchgeführt (Ergebnisse Civey-Umfrage).
Schlechtes Zeugnis für die Kommunalpolitik
Im Ergebnis zeigt sich, dass sich die Jugend im Ruhrgebiet abgehängt und von der Politik nicht ernst genommen fühlt. Die Umfrage zeigt, die politische Aufklärung bei den Jugendlichen ist mangelhaft, vielen jungen Menschen im Ruhrgebiet sind Politik Kommunalwahlen fremd (WAZ vom 28.08.2025). Nur 36 % bewerten die aktuelle Kommunalpolitik positiv, 48 % als negativ, 15 % der Befragten konnten die Frage nicht beantworten. Die jungen Menschen beschreiben ihre aktuelle Gefühlslage im Hinblick auf Politik überwiegend negativ, Angst (45 %), Misstrauen (43 %) und Frustration (39 %) bestimmen das Bild. Nur 15 % fühlten sich bei politischen Entscheidungen berücksichtigt.
Die Ursachen für die negativen Einschätzungen liegen zum einen darin, wie die jungen Menschen die Städte des Ruhrgebiets erleben, zum anderen wie sie sich verstanden und wahrgenommen fühlen.
Schulen – Dass sieht man besonders am Zustand der Schulen und Bildungseinrichtungen. Diese wurden über Jahrzehnte vernachlässigt, Klassen in Containern sind die Regel, ebenso wie bauliche Missstände und schlechte Ausstattung. Geben Städte in NRW im Schnitt sind es in Bochum nur 4.240 Euro, liegen die Pro-Kopf-Ausgaben im Jahr 2022 in NRW bei durchschnittlich 8.600 Euro, wie eine Anfrage der STADTGESTALTER ergab (WAZ vom 26.09.2024). Für die jungen Menschen in Bochum gehören marode Schulen zu Alltag, wie die Schulen aussehen und ausgestattet sind bestimmt welche Wertschätzung ihnen beigemessen wird. Kein Wunder also, dass sich laut Civey-Umfrage 41 % der Jugendlichen schlecht auf das Berufsleben vorbereitet sehen.
Mobilität – Ähnlich sieht es beim Verkehr aus. Jugendliche bewegen sich mangels Führerscheins überwiegend mit dem Rad, zu Fuß oder dem ÖPNV durch die Stadt. Die Infrastruktur für diese Verkehrsmittel zeigt sich in Bochum wie dem Ruhrgebiet deutlich unterentwickelt.
Wer ein Auto fährt, hat im Ruhrgebiet und Bochum die volle Aufmerksamkeit. Ohne Auto ist man aus Sicht der Politik Mensch zweiter Klasse, so also auch die jungen Menschen. Jugendlichen wird von klein auf erklärt, dass der Verkehr für sie zu gefährlich ist, sie sich daher nicht allein und selbständig durch die Stadt bewegen können. Autoverkehr sei wichtiger, die jungen Menschen hätten sich dem unterzuordnen.
Die Bedürfnisse der Jugendlichen sich frei in der Stadt bewegen zu können, haben für die Bochumer Politik keinen erkennbaren Wert. Auch stellen die Jugendlichen fest, dass die Stadt zwar im großen Stil das Parken subventioniert, auf der anderen Seite aber erklärt, dass für bessere Schulen, das Geld fehle.
Stadtteile – Insgesamt hat sich bei den Menschen zwischen 16 und 24 Jahren eine generelle der Frustration über die Entwicklung vieler Stadtteile eingestellt (WAZ vom 28.08.2025). Viele stellen fest, dass sich die Stadtteile, in denen sie seit Kindesbeinen leben, seit Jahren negativ entwickeln. Die Nahversorgung in den Stadtteilzentren funktioniert nicht mehr, das Stadtbild hat sich verschlechtert, die Stadtteilzentren veröden. Der Kiez, den sie noch als lebenswerten Mittelpunkt ihrer Kindheit in Erinnerung haben, gibt es oft nicht mehr.
Jugendliche und Kinder werden unsichtbar
Jugendliche und Kinder sind in der Stadt auch immer seltener zu sehen. Die 55.000 Bochumer Kinder und Jugendlichen (15,1 % der Stadtbevölkerung) sind im Stadtbild von Bochum eher selten zu sehen, während sie in den Städten der Niederlande aber auch Skandinaviens viel mehr das Stadtbild prägen. Kinder und Jugendliche auf öffentlichen Plätzen sieht man in Bochum eher wenig.
Sie werden auf speziell für sie geschaffene Orten, wie Spiel-, Sport- und Bolzplätzen oder Grünanlagen mit Einrichtungen für Kinder sowie Jugendhäuser und Ähnlichem verwiesen. Die Flächen, wo sich Kinder und Jugendliche frei bewegen dürfen, liegen wie Inseln über das Stadtgebiet verteilt und sind nicht durch Wege, die sie gefahrlos und eigenständig benutzen können, verbunden. Nicht Mal die Wege zur Schule sind durchgehend sicher. Oft fahren die Eltern ihre Kinder mit dem Auto an die Orte, die für Kinder und Jugendliche bestimmt sind. Im Auto bleiben sie unsichtbar. Dabei haben auch Jugendliche das Bedürfnis als fester Teil der Stadtgesellschaft präsent und sichtbar zu sein.
Stadtpolitik orientiert sich an den Älteren
Zudem nehmen die jungen Menschen ein Desinteresse der Politik an Zukunftsthemen war. Die Politik orientiert sich an den Interessen der älteren Generationen. Denn die sind in der Mehrheit. Auf fast 200 Menschen im Alter von 60 Jahren und älter kommen in Bochum hundert junge Menschen unter 18 Jahren (197: Alt-Jung Koeffizient 2023). Es gibt in der Stadt also fast doppelt so viele alte wie junge Menschen.
Streben ältere Menschen eher keine Veränderungen an, wollen das alles so bleibt, wie es war, und messen z.B. Themen wie Klimakrise, Entwicklungen von Zukunftstechnologien, moderner Stadtentwicklung oft nur eine geringe Bedeutung zu, machen sich die jungen Menschen intensive Gedanken über ihre Zukunft und die Zukunft der Stadt, in der sie leben. Eine Veränderung der Lebensbedingung aufgrund des Klimawandels, eine Wirtschaft, die im Wettbewerb um Zukunftstechnologien nicht konkurrenzfähig aufgestellt ist, oder eine Stadt, die bei der Stadtentwicklung nicht Schritt halten kann, macht ihnen Angst. Sie sehen, eine rückwärtsgewandte Politik, die Veränderungen ablehnt, wirkt sich zum Nachteil auf die Zukunftsperspektiven der jungen Generationen aus. Entsprechend düster sieht die Hälfte der jungen Menschen die Zukunft des Ruhrgebiets.
Städtische Finanzen – Auch die bedenkliche Schieflage der Stadtfinanzen der Stadt zeigt, dass die Politik in Bochum die Interessen der jungen Menschen nicht im Blick hat, ja sogar missachtet. Wer zwei Mrd. städtische Schulden aufhäuft, die nachfolgende Generationen bezahlen sollen, bürdet den jungen Generationen kaum tragbare Lasten auf, schränkt deren Handlungsfähigkeit in der Zukunft wissentlich ein und beeinträchtigt damit erheblich deren Lebensperspektiven in der Stadt.
Wenn Parteien oder Wählergruppen bei der Kommunalwahl propagieren, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur für Fahrräder und E-Scooter zurückzufahren oder gar zu stoppen und die E-Roller am liebsten verbieten möchten, erklären, den Klimanotstand nicht weiter ernst nehmen zu wollen, keine ernsthaften Anstrengungen unternehmen wollen, die Investitionen in Schulen und Bildung massiv zu erhöhen, sich gegen Projekte wenden, wie das Haus des Wissens oder Konzepte und Investitionen ablehnen, die Stadtteilzentren wieder aufzuwerten, erkennen die jungen Menschen, dass ihre Interessen nicht vertreten und ihre Bedürfnisse nicht gesehen und beachtet werden.
Beteiligung – Das zeigt sich auch in der ablehnenden Haltung der politischen Gruppierungen, den jungen Menschen mehr Mitsprache bei den Themen zu ermöglichen, die sie besonders betreffen.
Anders als in anderen Städten, gibt es in Bochum weder ein Jugendparlament oder einen Jugendstadtrat noch eine Jugendkonferenz oder einen Jugendcheck, wie das z.B. die STADTGSTALTER seit Jahren fordern (Wie kinder- und jugendfreundlich ist Bochum). Die Mehrheit der Parteien in Bochum lehnt solche Institutionen und Projekte ab.
Jugend in Bochum ohne Lobby
Die Jugend hat in der Stadt keine Lobby. Die Politik ist nicht auf die Gestaltung der Zukunft ausgerichtet, so kommt der Strukturwandel kaum voran und dauert schon 65 Jahre. Große Teile der Politik sind immer noch im Denken gefangen, dass am besten alles so bleiben soll, wie es früher nie war.
Der Mut zu elementaren Veränderungen fehlt. Mit dieser Grundhaltung wird man junge Menschen nicht für die Stadt und das Ruhrgebiet gewinnen können. Wie von der Hälfte der Jugendlichen angenommen, sind die Zukunftsaussichten des Ruhrgebiets und der Ruhrstadt wohl daher eher düster einzuschätzen.
Immerhin gibt es in Bochum den Kinder- und Jugendring, der immer wieder die jungen Menschen zu ihren Anliegen und politischen Themen befragt und ihre Meinung einholt und der zur Kommunalwahl einen Wahlomaten speziell für Jugendthemen geschaffen hat: Kommunal-O-Mat
Wie sich Bochum entwickelt, ob es bergauf oder bergab geht, hängt davon ab, wie gut Politik und Verwaltung arbeiten. Die Stadt steht vor acht Herausforderungen. Wie bekommt sie diese bewältigt? Wie weit ist sie dabei?
Seit 65 Jahren befinden sich Bochum und das Ruhrgebiet im Strukturwandel. Trotz einiger Fortschritte schrumpft die Stadt weiter (- 7.998 Menschen, Zensus 2011 bis 2022) und tut sich mit Unternehmensansiedlungen schwer. Die Großstädte des Ruhrgebiets (Ruhrstadt), können mit den prosperierenden Metropolen und Großstädten Deutschlands, Europas und der Welt weiterhin nicht mithalten.
Während fast alle europäischen Stadtagglomerationen den Wandel von Industriestädten zu erfolgreichen Dienstleistungs- und Wirtschaftsmetropolen vollzogen haben, kämpfen die 15 Städte der Ruhrstadt immer noch mit den Folgen der Deindustrialisierung und schaffen es nicht, sich zu einem pulsierenden urbanen Wirtschaftszentrum Europas zu entwickeln. Während Metropolen weltweit zu den Motoren der Weltwirtschaft geworden sind, bleibt die Ruhrstadt unterentwickelt und hängt weiter am Subventionstropf von Land und Bund.
Warum sind die Großstädte und Metropolen außerhalb des Ruhrgebiets weiter? Welchen großen Herausforderungen sehen sich Bochum und die Ruhrstadt gegenüber? Wo steht Bochum bei der Bewältigung? Was wurde in den letzten 5 Jahren geschafft und was ist noch zu tun?
Bochum steht wie alle 15 Stadtgemeinden der Ruhrstadt vor acht großen Herausforderungen:
Stadtfinanzen – Beseitigung der bedrohlichen finanziellen Schieflage der Stadt – Ziel mehr Investitionen und finanzielle Handlungsfreiheit
Aktuelle Situation: Im Haushalt 2025/26 gibt die Stadt 201 Mio. Euro insgesamt mehr aus als sie einnimmt. Die städtischen Schulden liegen bei 2 Mrd. Euro. Die Kämmerin rechnet 2029 mit 71 Mio. Euro Ausgaben allein für Schuldzinsen. Die städtischen Finanzrücklagen sind aufgebraucht.
Entwicklung: Die Kämmerin rechnet damit, dass auch in den nächsten Jahren der Haushalt nicht ausgeglichen werden kann und das Defizit im Haushalt durch weitere Schulden gedeckt werden muss (Konzept zur Sanierung des Bochumer Stadthaushalts).
War die Haushaltslage 2020 schlecht, hat sie sich bis heute weiter verschlechtert, Bochum droht ein Haushaltsnotstand. Die Stadt hat keine finanziellen Spielräume mehr für Investitionen, die erforderlich sind, um eine moderne Stadtentwicklung voranzutreiben. Die Einnahmen reichen nicht, um die laufenden Ausgaben zu decken.
Lösungsansätze: Konzepte, wie der Haushaltsnotstand abgewendet werden soll, hat die Politik bisher keine vorgelegt.
Fazit und Ausblick: Die finanziellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Stadtentwicklung fehlen. Die Politik ignoriert das Problem. Lösungsansätze sind keine vorhanden. Die Lage wird sich weiter verschlechtern.
Infrastruktur – Herstellung einer metropolengerechten und in europäischen Großstädten üblichen Infrastruktur – Ziel: Eine Stadt, die Menschen und Unternehmen anzieht
Aktuelle Situation: Im Vergleich zu Großstädten und Metropolen europa- wie weltweit fehlt Bochum wie der Ruhrstadt eine metropolengerechte Infrastruktur. Diese ist nur beim Autoverkehr vorhanden. Werden in Metropolen 20% und mehr Wege mit dem ÖPNV zurückgelegt, sind es in Bochum nur 13,3 %. Wird in Metropolen wie Paris, London, Tokio oder Shanghai, mehr Rad als Auto gefahren, dominiert in der Ruhrstadt weiterhin der Kfz-Verkehr alles.
Die Infrastruktur zeigt sich rückständig und unterentwickelt. Der Autoverkehr wirkt sich stark negativ auf die Lebensqualität aus.
Entwicklung: Maßnahmen, um die Situation zu ändern oder einen Plan wie man das erreichen will, was in Metropolen heutzutage üblich ist, gibt es nicht. Investieren prosperierende Großstädte in mehr Straßenbahnlinien und erheblich längere Züge (Renaissance der Straßenbahnen), um mehr Menschen zu transportieren, geht diese Entwicklung an Bochum völlig vorbei. Der ÖPNV verliert beständigbweiter Fahrgäste. Wurden 2014 noch 15,8 % der Wege in Bochum mit Bus und Bahn zurückgelegt, sind es heute nur noch 13,3 %.
Lösungsansätze: Projekte wie der RRX sind unambitioniert und bleiben, wenn sie nach Jahrzehnten endlich umgesetzt sind, weit hinter dem zurück, was anderswo lange Standard ist. Fahren zentrale Linien des ÖPNV weltweit im 5 Minuten-Takt, soll mit dem RRX nur ein 20-Minuten-Takt erreicht werden.
Fazit und Ausblick: Die Politik erkennt den dringenden Handlungsbedarf nicht. Während in den Großstädten und Metropolen der Welt massiv in Infrastruktur investiert wird, geschieht in Bochum und der Ruhrstadt wenig bis nichts. Der Rückstand zu dem, was üblich ist, wird also immer größer.
Stadtentwicklung – Wiederbelebung der Stadtteilzentren und Innenstädte – Ziel: Höhere Lebensqualität und Attraktivität
Aktuelle Situation: Viele Bochumer Stadtteilzentren sowie die beiden Innenstädte (Bochum und Wattenscheid) befinden sich in einem bedenklichen Zustand. Viele Stadtteilzentren weisen schwere Defizite bei der Stadtgestaltung auf, das Nahversorgungsangebot ist unzureichend, ein Supermarkt fehlt, die Aufenthaltsqualität ist gering.
Entwicklung: In wenigen Stadtvierteln z.B. Kortländer, Ehrenfeld ist ein leichter Aufwärtstrend zu spüren, die allermeisten entwickeln sich weiterhin negativ: Wattenscheid, Bochum-Innenstadt, Hofstede, Riemke, Gerthe, Hamme, Werne, Leithe, Kornharpen u.a..
Lösungsansätze: Lange redete die Politik sich die Lage in den Stadtteilen schön. Politische Fehlentscheidungen, wie der Ausbau der Herner Straße in Riemke oder die Auslagerung der Supermärkte in das Gewerbegebiet waren wesentliche Ursachen des Niedergangs der Stadtteilzentren. Nur in besonders schweren Fällen wurden oft nur mäßig erfolgreiche Integrierte Stadtentwicklungskonzepte (ISEK) auf den Weg gebracht.
Immerhin kam es 2024 zu der von den STADTGESTALTERn schon lange geforderten Bestandaufnahme über den Zustands der Bochumer Stadtteilzentren (Zentren neu denken). Erstmals wurde der massive und dringende Handlungsbedarf sichtbar.
Das ebenfalls von den STADTGESTALTERn geforderten Stadtteilentwicklungskonzepte (Stadtpolitische Herausforderungen in Bochum 2020 bis 2025), in denen die Maßnahmen festgelegt werden sollten, wie die aufgezeigten Mängel systematisch Stadtteil für Stadtteil behoben werden sollen, gibt es jedoch bis heute nicht.
Fazit und Ausblick: Es wird einiges getan, damit sich der Zustand der Stadtteilzentren verbessert. Doch es ist nicht genug. Der Niedergang der Stadtteilzentren schreitet vielerorts schneller voran, als mit Maßnahmen neue Strukturen geschaffen werden können. Zudem geht die Stadt nicht systematisch vor und treibt die Entwicklung der Stadtteile und Stadtteilzentren nicht auf Dauer und nachhaltig voran. Maßnahmen werden nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet. Häufig verdampfen sie ohne große Wirkung wie Tropfen bei großer Hitze.
Klimakrise – Erreichung der Klimaneutralität – Ziel: Die Stadt für zukünftige Generationen lebenswert erhalten
Aktuelle Situation: Rund 2.000 kt CO2eq/a wurden in Bochum pro Jahr 2021 erzeugt. Daran hat sich in den letzten 4 Jahren aufgrund nur weniger substanzieller Aktivitäten in Sachen Klimaschutz kaum etwas geändert.
Entwicklung: Während im Bereich Wirtschaft, aufgrund des Rückgangs von Industrie eine Treibhausgasminderung zu verzeichnen ist, ist sie bei der Energieerzeugung minimal. Die Stadtwerke kaufen zwar vermehr grünen Strom ein oder labeln ihn mittels Greenwashing (Greenwashing Stadtwerke) um. Der Anteil an selbst aus erneuerbaren Quellen erzeugter Energie (Wärme und Strom) bleibt aber gering. Im Verkehrsbereich ist überhaupt keine Einsparung von Treibhausgasen zu verzeichnen (Klimaneutral 2035? Bochum kann das Ziel nicht erreichen). .
Lösungsansätze: Die Politik hat 2019 den Klimanotstand ausgerufen, 2023 ein Nachhaltigkeitskonzept verabschiedet. Ziel ist, die Stadt soll 2035 klimaneutral sein. Die davon ausgehenden Maßnahmen sind nicht im Ansatz geeignet, die Treibhausgase im erforderlichen Maße zu senken. Sie dienen allein dem Zweck Aktivität vorzutäuschen (Stadt will mit „Stadtradeln“ und Foodsharing Klimaneutralität erreichen).
Bildung/ Schulen – Schaffung einer zukunftsfähigen Schul- und Bildungslandschaft – Ziel: Mehr Zukunftsperspektiven und weniger Armut
Aktuelle Situation: In 6 von 30 Ortsteilen erhalten mehr als 50% der Grundschüler nur eine Hauptschul- oder eine eingeschränkte Realschulempfehlung. Immer noch gibt es in Bochum zwei Hauptschulen, obwohl klar ist, dass ein Hauptschulabschluss heute kaum mehr ausreicht, um einen Beruf zu erlangen, mit dem sich ein ausreichendes Einkommen erzielen lässt.
Entwicklung: Die Arbeitslosen- und Unterbeschäftigtenquote sowie die Zahl von jenen, die auf Transferleistungen (Bürgergeld, Grundsicherung, Wohngeld u.a.) angewiesen sind, nehmen in Bochum wieder zu. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen verharrt auf hohem Niveau. Während Menschen mit guten und hohen beruflichen Qualifikationen gesucht werden, finden die ohne Schul- oder Berufsabschluss kaum mehr einen Job. Die Schul- und Bildungslandschaft in Bochum ist zu oft nicht in der Lage, den Schülern und Schülerinnen die Qualifikationen zu vermitteln, die nachgefragt werden.
Zwar werden Schulen, saniert, neugebaut und deren Ausstattung verbessert. Doch das Tempo, in dem das geschieht, ist viel zu langsam. Der Zustand, den die Schulen haben sollten, um stadtweit qualitativ hochwertigen Unterricht bieten zu können, wird in den nächsten Jahrzehnten nie erreicht.
Insgesamt betrachtet verbessert sich die Lage nicht, sie verschlechtert sich eher. Der Anteil am Haushalt, den die Stadt an finanziellen Mitteln, für Transfer- und Sozialleistungen aufwenden muss, nimmt immer weiter zu.
Lösungsansätze: Die Schulentwicklungsplanung geht in Bochum regelmäßig am Bedarf vorbei und erweist sich durchgehend als untauglich (Schulentwicklungspläne erweisen sich immer wieder als unbrauchbar). Die Folge ist eine chaotische, ständig wechselnde Planung, die durch untaugliche Provisorien und die ständige Revision von Fehlentscheidungen geprägt ist.
Fazit und Ausblick: Die Politik ist weiterhin nicht bereit, die erforderlichen Mittel bereit zu stellen, um alle Schulen in einen guten baulichen Zustand zu versetzen und diese erstklassig auszustatten. Das Ziel, eine Schullandschaft zu schaffen, die sich an den Bedürfnissen von Schülern und Schülerinnen, sowie an den nachgefragten Qualifikationen orientiert, wird nicht verfolgt. Alles daran zu setzen, dass alle Schüler und Schülerinnen in Bochum mindestens einen Realschulabschluss erlangen, ist nicht das Ziel.
Politik – Neuorientierung beim Politikstil – Ziel: Mehr bürgerlicher Beteiligung und als Mitbestimmung.
Aktuelle Situation: In Bochum bestimmt die Verwaltung die Politik und nicht die Politik, was die Verwaltung zu tun hat. Die Verwaltung schlägt vor, was zu tun ist, die Mehrheitskoalition nickt die Dinge ab, wenn die Verwaltung das erwartet. Einen eigenen Gestaltungswillen besitzt die Politik nicht. Man erarbeitet selbst so gut wie keine eigenen Vorschläge und Konzepte.
Auch Bürgerbeteiligung wird eher als lästig und nicht als bereichernd empfunden. Sie wird im Wesentlichen alibimäßig betrieben.
Entwicklung: Die Menschen fühlen sich zunehmend abgehängt von Politik und Verwaltung. Politik wird als selbstherrlich wahrgenommen. Mit den Menschen zu diskutieren und sie zu überzeugen, wird abgelehnt. Nur zu Wahlen wendet man sich an die Bürger und Bürgerinnen der Stadt. Das wiederum führt zu Politikverdrossenheit. In der Folge nimmt insbesondere in Stadtvierteln, die sich negativ entwickeln, die Zahl von jenen zu, die populistische bis extremistische Parteien wählen.
Die Menschen entfernen sich von der Politik. An Politik, die man nicht selbst mitgestalten kann und in die man nicht eingebunden wird, besteht wenig Interesse. Der gesellschaftliche Zusammenhalt schwindet. Politik wird konsumiert. Die Politik versteht es nicht die Menschen von ihren Ideen zu überzeugen, bzw. ist nicht gewillt solche zu entwickeln.
Lösungsansätze: In der Vergangenheit wurden diverse Möglichkeiten nach mehr Bürgerbeteiligung diskutiert, doch wesentliche Verbesserungen gab es keine. So gibt es zwar mittlerweile ein digitales Mitbestimmungsportal (Bochum Mitgestalten), doch schaut man sich an, was die Menschen dort mitgestalten dürfen, zeigt sich wirklich relevante Bürgerbeteiligungen findet über das Portal nicht.
Auch einen institutionalisierten Bürgerbeteiligungsprozess bei allen relevanten größeren (Bau-)Vorhaben der Stadt gibt es bis heute nicht. Die Verwaltung bestimmt im Wesentlichen allein, ob, wann und inwieweit Beteiligungen stattfinden.
Fazit und Ausblick: Da keine politische Bereitschaft erkennbar ist, die Einbindung der Menschen in die politischen Prozesse substanziell zu verbessern, werden sich Politik und Menschen weiter entfremden. Die Politikverdrossenheit wird zunehmen.
Ruhrstadt – Transformation der Metropole Ruhr – Ziel: Die weltweit sichtbare Ruhrstadt.
Aktuelle Situation: Die viertgrößte Metropole Europas, die Ruhrstadt, ist nicht sichtbar. Die Zusammenarbeit der 15 Städte, aus denen die Ruhrstadt besteht, liegt weit unter den Möglichkeiten. Ökonomische Synergieeffekte bleiben weitgehend unerschlossen. Jede Stadt ist gefangen in ihrem Kirchturmdenken. Ein Denken in Metropolstrukturen und auf der Ebene einer Metropole findet nicht statt. Der Horizont der Stadtpolitik endet an der Stadtgrenze.
Entwicklung: Die Entwicklung zur Ruhrstadt stagniert. Die Städte erwarten, dass das Land ihnen vorgibt, wie eine Ruhrstadt zu bilden ist. Eigenständiges Handeln, um aus eigenem Antrieb eine Ruhrstadt zu schaffen, überfordert die kommunalpolitischen Akteure.
Die Wirtschaftskraft, die Metropolen heutzutage weltweit als Motor der Wirtschaft entfalten und deren Möglichkeiten sind in der Politik des Ruhrgebiets weitgehend unbekannt und werden nicht diskutiert.
Lösungsansätze: Schon zaghafte Bemühungen wie BOGESTRA und Ruhrbahn zu verschmelzen, scheitern am kleinkarierten Denken in Politik, Gewerkschaften und Verwaltungen.
Zu einer kommunalen Zusammenarbeit kommt es, wenn überhaupt, selten und dann nur auf Nebenschauplätzen. Beispiele sind die gemeinsame Leistellentechnik der Feuerwehren Herne und Bochum oder die Übernahme von Personaldienstleistungen von Bochum für andere Städte.
Eine systematische Suche nach Feldern, auf denen die Städte der Ruhrstadt sinnvoll zusammenarbeiten können, findet nicht statt, denn sie ist nicht gewollt.
Fazit und Ausblick: Die Ruhrstadt wird auf absehbare Zeit kein Akteur auf der Bühne der Metropolen sein. Die Ruhr-Metropole werden viele Unternehmen, die weltweit agieren, weiterhin nicht wahrnehmen. Die Skalenfeffekte gemeinsamer Organisationsstrukturen werden die Städte nicht realisieren können. Eine metropolengerechte Infrastruktur ist nicht in Sicht.
Die Städte der Ruhrstadt werden auch in Zukunft wirtschaftlich nicht mithalten und mit den anderen Großstädten und Metropolen konkurrieren können. Der Rückstand wird immer größer. Die Politik verbaut den Menschen eine positive wirtschaftliche Zukunft.
Verwaltung – Reform der Verwaltung – Ziel: Mehr Kundenfreundlichkeit und Effizienz bei den Abläufen
Aktuelle Situation: Die Zahl der Stellen in der Bochumer Verwaltung ist seit 2015 um 40 % angewachsen die städtischen Personalkosten um 60 % gestiegen. Der maßlose Personalzuwachs sprengt den Stadthaushalt und ist Hauptgrund dafür, dass die Stadt 2025/26 201 Mio. mehr ausgibt als sie einnimmt (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0 – Die Ursachen).
Entwicklung: Die Stadt stellt ungebremst immer mehr Personal ein. Eine Überprüfung der Verwaltungsabläufe auf Effizienz und Kundenfreundlichkeit findet nicht statt. Die Stadt wird nach den Bedürfnissen der Beschäftigten ausgerichtet. Die Menschen, die in der Stadt leben, zählen dagegen wenig. Das zeigt sich besonders deutlich bei der Baustellenorganisation (Baustellenorganisation: Stadt verhält sich provokant wie respektlos).
Lösungsansätze: Die Verwaltung bestimmt die Politik. Die Mehrheitskoalition vertritt die Beschäftigten der Verwaltung, die Belange der Bürger und Bürgerinnen sind nachrangig. Man ist also nicht gewillt den Personalzuwachs zu begrenzen und daran interessiert die Abläufe zu verbessern und damit die Kosten zu senken wie die Kundenfreundlichkeit zu erhöhen. Ernsthafte Bemühungen in diese Richtung gibt es keine.
Fazit und Ausblick: Die Politik lässt den Dingen ihren Lauf, sie ignoriert das Problem. Die Personalkosten werden also weiter ungebremst zunehmen, ebenso wie die Zahl der Stellen.
Auch eine systematische Untersuchung der Verwaltungsabläufe, um diese schneller, effizienter und kundenfreundlicher zu organisieren, wird es nicht geben. Die Verwaltung hat kein Interesse daran, die Politik tut wiederum das, was die Verwaltung ihr vorgibt.
Zusammenfassung
In der Gesamtschau ist festzustellen, bei allen acht Bereichen reichen die bisherigen Anstrengungen der Stadt bei weitem nicht, diese zu bewältigen. Es wurde weder in den letzten Jahrzehnten genug getan, die Aufgaben abzuarbeiten, noch ist der Wille vorhanden, zukünftig ausreichend zu tun, die Schwierigkeiten zu überwinden.
Teilweise fehlt es bereits am Problembewusstsein. Die Herausforderung wird als solche gar nicht erkannt oder gesehen (Ruhrstadt). Oft wird zwar etwas getan, aber nicht genug. Es herrscht die Ansicht, dass man überhaupt etwas tut, reiche bereits aus. Es fehlt das Verständnis, dass man so viel tun muss, dass eine Herausforderung auch sicher bewältigt wird und man im Wettbewerb mit anderen Großstädten mindestens zu einem Status kommen muss, der allgemein üblich ist.
Die großen Herausforderungen, vor denen die Stadt steht, werden gar nicht gesehen. Man meint Stadtpolitik bestehe allein darin, irgendwas für die Stadt und die Bürger und Bürgerinnen zu tun, beispielsweise diverse Vereine mit seiner Anwesenheit auf dem Sommerfest zu unterstützen, 350 Euro an das Tierheim zu spenden, ein Tagespraktikum beim USB zu machen, mit Senioren Kaffee zu trinken oder dem Sportverein zu einem neuen Kunstrasenplatz zu gratulieren. Natürlich ist es wichtig, ein offenes Ohr für die Menschen zu haben, doch über die Zukunft der Stadt wird woanders entschieden. Die Bürger und Bürgerinnen erwarten zu Recht, dass die Politik dafür sorgt, dass die Stadt endlich den Strukturwandel hinbekommt und die drängenden Herausforderungen bewältigt. Da liegen die Hauptaufgaben der Stadtpolitik. Hier warten die Menschen auf Antworten. Bisher vergeblich.
Warum ist das Ruhrgebiet an vielen Ecken so vermüllt und japanische Städte blitzsauber? Liegt es daran, dass es in Japan keine öffentlichen Abfallbehälter gibt? Könnte das auch in Bochum funktionieren?
Wer aus Japan zurück ins Ruhrgebiet kommt, dem fällt besonders deutlich auf wie vermüllt und verdreckt die Städte hier sind (Sauber, ordentlich, gut gepflegt und ansehnlich: Vier Faktoren für ein attraktives Stadtbild). In japanischen Städten liegt so gut wie kein Müll auf den Straßen, in den Grünanlagen, Parks oder an Gleisanlagen, während er bei uns fast überall unschön ins Auge sticht. Auch Graffiti-Schmierereien gibt es in Japan keine. Dazu sind blitzsaubere öffentliche Toiletten an jeder Ecke in japanischen Städten eine Selbstverständlichkeit. Bei uns dagegen gibt es davon viel zu wenige (Fehlende Toiletten in Bochum – Lösung: autarke Trockentoiletten), die sich dann oft noch in einem kaum benutzbaren Zustand befinden. Damit stellt sich die Frage, was läuft in Japan warum besser und was können wir von dort lernen?
Südpark und Spielplatz Rosenfeld
Japan, das Land ohne öffentliche Mülleimer
Dazu gibt es noch einen weiteren erstaunlichen Unterschied zwischen japanischen Städten und denen des Ruhrgebiets: Im öffentlichen Raum findet man keine Abfallbehälter. Allenfalls bei öffentlichen Großveranstaltungen werden provisorische Mülleimer bereitgestellt. Sonst ist es für die Menschen selbstverständlich Müll, den sie machen, wieder mit nach Hause zu nehmen und dort zu entsorgen. Das gilt sogar für die Hinterlassenschaften der vierpfotigen Haushaltsbewohner.
Nach dem Giftgasanschlag der Aum-Sekte 1995 wurden in Japan alle öffentlichen Mülleimer abgeschafft. Mit dem überraschenden Ergebnis, dass es nicht dreckiger, sondern noch sauberer wurde (Das Verschwinden der Mülleimer). Die Erkenntnis in Japan: Mülleimer erzeugen Müll, je mehr Mülleimer aufgestellt werden, um so mehr Müll wird entsorgt. Die Kapazität reicht nie. Es gibt immer irgendwo Abfallbehälter, die überquellen. Fehlt ein Mülleimer da, wo er erwartet wird, entsteht ein Müllablageplatz. Phänomene, die auch in Bochum, besonders in städtischen Grünanlagen zu beobachten sind.
Warum ist es in Japan ohne Mülleimer sauberer?
Doch so einfach wie es auf den ersten Blick scheint, “Keine Mülleimer mehr, kein Müll mehr in der Stadt,” ist es dann doch nicht. Auch bei der Haltung zur Stadt und zur Sauberkeit gibt es deutliche Unterschiede zwischen Japan und Deutschland: Menschen in japanischen Großstädten fühlen sich für die Sauberkeit in der Stadt direkt selbst verantwortlich. Bei uns im Ruhrgebiet hat man das Sauberhalten der Städte an städtische Betriebe delegiert, die bezahlt man von seinen Steuern und Abgaben und die werden damit als verantwortlich für Sauberkeit angesehen. Bei uns gibt es jemanden, der für die Sauberkeit, die die Stadtbewohner und –bewohnerinnen erwarten, bezahlt wird, in japanischen Städten sehen sich die Menschen zunächst man selbst für die Sauberkeit der Stadt und öffentlicher Einrichtungen verantwortlich.
Es beginnt in den Schulen …
Das beginnt bereits in der Schule. Es sind die Schülerinnen und Schüler, die die Schule sauber halten. Sie übernehmen einen Großteil der Reinigungsarbeiten, an manchen Schulen sogar die Toilettendienste. Aufgrund der extremen Sauberkeit der Schulen, hält sich der Reinigungsdienst 20 Minuten viermal die Woche zeitlich in Grenzen (Sollten Kinder ihre eigenen Schulen putzen? Japan denkt ja.). Die Schulkinder lernen, dass es besser ist, alles sauber und ordentlich zu halten, wenn Sie diejenige sind, die das Chaos und den Schmutz, für den sie selbst gesorgt haben, wieder aufräumen und putzen müssen. Auch das Schulessen bereiten die Schülerinnen und Schüler selbst zu und verteilen es auch. Den Kindern wird von der ersten Klasse an vermittelt, dass sie selbst für eine saubere Schule und gutes Essen verantwortlich sind und nicht andere, die die Arbeit für sie machen, da man sie dafür bezahlt.
Selbst Verantwortung übernehmen
Auch sieht man in japanischen Städten regelmäßig Gruppen von ehrenamtlichen Saubermachern, die in ihren Nachbarschaften Müll aufsammeln. Ein Stadtputz, der in Bochum jedes Frühjahr durchgeführt wird (Frühjahrs-Stadtputz am 5. April 2025), wird oft monatlich oder sogar wöchentlich organisiert.
In japanischen Städten gilt der Grundsatz: “Wer in einer sauberen Stadt leben möchte, muss seinen Teil dazu beitragen.” Wie man besonders dem Ruhrgebiet und auch Bochum ansieht, ist dieses Verständnis bei uns nicht weit verbreitet. Man erwartet, dass die Stadt sich kümmert und sieht sich in keiner Verantwortung. Die Erwartungen und Forderungen an die Stadt sind groß, die Bereitschaft Gegenleistungen zu erbringen, oft kaum bis gar nicht vorhanden. Die Stadt wird als Dienstleister gesehen, die für einen alle Aufgaben erledigt. Man sieht sich nicht als Teil einer Stadtgesellschaft oder Gemeinschaft, in der jede und jeder seinen Beitrag leisten muss, damit Dinge wie Sauberkeit und Ordnung funktionieren.
Die Menschen, die in der Stadt leben, sind das Maß der Dinge
Aber noch ein weiterer Punkt ist entscheidend für die besondere Sauberkeit japanischer Städte. Die besondere Detailverliebtheit, Verantwortlichkeit und Kundenorientierung, die die japanische Gesellschaft auszeichnet. Auch in japanischen Städten werden Reinigungsarbeiten größtenteils von Unternehmen erledigt. Die Erwartungen der Einwohnerinnen und Einwohner als “Kunden” haben jedoch einen ganz anderen Stellenwert als bei uns. Eine Toilette, eine Straße oder eine öffentliche Einrichtung nur rudimentär zu reinigen, wäre undenkbar. Es wird immer die maximale Sauberkeit angestrebt, da diese von den Kunden, für die man arbeitet, erwartet wird.
Was die Menschen, die in der Stadt leben, wünschen und erwarten, hat bei uns dagegen nur bedingt mit dem zu tun, was die städtischen Betriebe bieten. Bei uns werden die Bedürfnisse der Kunden den Belangen der öffentlichen Betriebe und Beschäftigten untergeordnet. Es reicht, wenn die Toilette oder der Bahnhof nach einer Reinigung irgendwie sauberer ist als vorher. Dass die Menschen, die die Einrichtungen nutzen, sich im Hinblick auf den Sauberkeitsstandard oft deutlich mehr wünschen, als geleistet wird, interessiert nicht. Sie haben sich nach dem zu richten, was die öffentlichen Betriebe bereit sind zu leisten.
Entscheidend ist die Einstellung der Menschen
Abfallbehälter im öffentlichen Raum abschaffen und schon wird es in der Stadt sauberer, das wird also bei uns nicht funktionieren. Solange die Haltung, dass man als Teil der Stadtgesellschaft zunächst selbst für die Sauberkeit der Stadt verantwortlich ist und seinen Teil zur Müllfreiheit der Stadt beizutragen hat, nicht gesellschaftlich verankert ist, bleiben die öffentlichen Mülleimer unverzichtbar.
Das Beispiel Japan zeigt allerdings, wer eine saubere Stadt möchte, muss zunächst die Einstellung der Menschen zu ihrer Stadt ändern und das von klein auf. Der jährliche Bochumer Stadtputz ist dazu ein guter Anfang. Es sollte allerdings viel mehr Aktionen geben, die Menschen dazu zu bewegen, sich für die Sauberkeit ihrer Stadt aktiv zu engagieren. Wie in Japan müsste dazu die Bereitschaft, Verantwortung für die Sauberkeit der eigenen Stadt und Schule zu übernehmen, bereits in den Schulen intensiv gefördert werden. Erst wenn bei allen Bewohnern und Bewohnerinnen der Stadt die Einsicht vorhanden ist, dass zunächst mal die für die Beseitigung des Mülls verantwortlich sind, die ihn selbst machen, wird man die öffentlichen Mülleimer abschaffen können.
Was man langfristig tuen könnte
Zu überlegen wäre, dass die Stadt sich langfristig das Ziel setzt, Schritt für Schritt die Abfallbehälter in der Öffentlichkeit abzubauen und sie konsequent und immer wieder die Menschen dazu auffordert, jeden Müll selbst zu entsorgen, damit dieses Ziel erreicht werden kann. Bereits die Entscheidung, dass man als Stadt die öffentlichen Abfallbehälter auf lange Sicht abschaffen möchte, könnte ein erster Schritt sein die Einstellung der Menschen zu ändern und sie dazu anregen, über das Thema Sauberkeit in der Stadt nachzudenken und darüber zu diskutieren, was der Beitrag sein sollte, den sie selbst leisen könnten, um das Ziel zu erreichen.
Wenn die Musikschule in die neuen Räumlichkeiten am Musikzentrum zieht, soll die Gesamtschule Mitte an den Standort der Musikschule verlegt werden, so der Vorschlag der STADTGESTALTER. Dazu sollte das alte Schulgebäude am Westring modernisiert und erweitert werden.
Nach den Vorstellungen der Bochumer Verwaltung soll die Gesamtschule Mitte den bisherigen Standort an Feldsieper und Gahlenscher Straße verlassen und einen neuen in Wattenscheid bekommen (Beschlussvorlage 20241388/1)). Der bisherige Standort ist wenig geeignet für die Schule, das haben neben der Verwaltung mittlerweile auch SPD, Grüne und CDU eingesehen.
Neuer Standort für Gesamtschule Bochum-Mitte gesucht
In der neuen Schulentwicklungsplanung soll jetzt festgelegt werden, dass die Gesamtschule nach Wattenscheid auf das Gelände des Beckmannshof umziehen und dort ein Neubau erfolgen soll (Beschlussvorlage 20241388/1). Den Umzug einer Schule in einen anderen Stadtbezirk nach Wattenscheid halten die STADTGESTALTER allerdings ebenfalls nicht für erfolgsversprechend. Eltern werden es vermeiden Kinder am Standort Bochum-Mitte anzumelden, wenn diese dann nach ein paar Jahren zum neuen Standort nach Wattenscheid fahren müssen, zumal die ÖPNV-Anbindung am Beckmannshof nicht die beste sein wird. Die Anmeldezahlen werden sich nicht verbessern, eher verschlechtern.
Hauptschulen haben keine Zukunft
Statt in Wattenscheid eine neue Gesamtschule zu bauen, schlagen die STADTGESTALTER vor, in Wattenscheid die Liselotte-Rauner-Schule Hauptschule in eine Gesamtschule umzuwandeln. Diese könnte in direkter Nähe an der Swidbertstraße oder im nördlichen Teil des August-Bebel-Platz einen Erweiterungsbau erhalten. Die in Bochum verbliebenen zwei Hauptschulen haben ohnehin keine Zukunft, schon heute reicht ein Hauptschulabschluss in vielen Fällen nicht mehr, um eine qualifizierte Arbeit mit ausreichendem Einkommen zu erhalten. Der Erhalt dieser Schulform ist daher nicht zielführend, die Umwandlung in eine Gesamtschule daher folgerichtig. Zudem ist der Standort am August-Bebel-Platz, direkt an der Wattenscheider Innenstadt für eine Gesamtschule ideal.
Schulstandort direkt in der Innenstadt
Die Gesamtschule Bochum-Mitte sollte nach Ansicht der STADTGESTALTER dagegen in der Mitte von Bochum verbleiben. Ein Schulstandort mit 800 bis 1.000 Schülern und Schülerinnen direkt im Bochumer Stadtzentrum würde auch der City guttun. Eine weiterführende Schule im Gebäude der Musikschule (der ehemaligen Jacob-Mayer-Realschule) am Westring, befände sich dazu in direkter Nähe zum Haus des Wissens. Das sehenswerte Gebäude-Ensemble der Jacob-Mayer-Realschule könnte erhalten bleiben und um einen Erweiterungsbau direkt gegenüber auf der Fläche des jetzigen Gesundheitsamtes ergänzt werden.
Plan, neue Gesamtschule Bochum-Mitte
Ein Schulstandort in der Innenstadt ist für Lehrkräfte wie Schülerinnen und Schüler mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus fast allen Teilen der Stadt bestens erreichbar. Dafür, den Standort am Westring nach Auszug der Musikschule weiter als Schule zu nutzen, spricht also vieles
Die ehemalige Jacob-Mayer-Realschule als neuen Schulstandort zu reaktivieren, trifft in der Politik auf positive Resonanz. Auch die CDU schlägt mittlerweile vor, am gleichen Standort ein elftes Gymnasium zu schaffen (CDU für elftes Gymnasium in der City). In der letzten Ratssitzung erklärte auch die SPD grundsätzlich für einen Schulstandort in der Innenstadt offen zu sein.
Grund- und Realschule an jetzigen Standorten der Gesamtschule
Für die beiden jetzigen Standorte der Gesamtschule Bochum-Mitte schlagen die STADTGESTALTER eine Nutzung als zusätzliche Grundschule (Gahlensche Straße) und Realschule (Feldsieper Straße) vor. Nach beidem besteht Bedarf. Am Standort Feldsieper Straße gab es bis 2015 bereits eine Realschule, die Helene-Lange-Schule, diese könnte wiederbelebt werden.
Unbrauchbare Schulentwicklungsplanung
Die damalige Realschule wurde ab 2016 durch eine Gemeinschaftsschule ersetzt, diese 5 Jahre später durch eine Gesamtschule und jetzt soll nach Meinung der Schulverwaltung ein neues Gymnasium entstehen. An einem Standort in nicht mal 10 Jahren vier verschiedene Schulformen etablieren zu wollen, dokumentiert die Kopf- und Erfolglosigkeit der Bochumer Schulentwicklungsplanung. Diese erweist sich immer wieder als unbrauchbar (Schulentwicklungspläne erweisen sich immer wieder als unbrauchbar).
Die Gesamtschule durch ein elftes Gymnasium zu ersetzen, ist nach den schlechten Erfahrungen mit den zwei Standorte (Feldsieper und Gahlensche Straße), die fast 20 Minuten Fußweg auseinander liegen, keine gute Idee. Was bei der Gesamtschule nicht funktioniert hat, wird mit einem Gymnasium nicht besser laufen. Schulen sollten, soweit irgend möglich, nicht auf mehrere, weit voneinander entfernt liegende Standorte aufgeteilt werden. Warum die Schulverwaltung, aus den Erfahrungen nichts gelernt hat, verwundert.
Da neben den STADTGESTALTERn auch andere politische Gruppierungen einen Schulstandort in der Innenstadt für eine gute Idee halten, sollte die Verwaltung im ersten Schritt mit Planungen beginnen, wie der bisherige Standort der Musikschule am Westring zukünftig für eine weiterführende Schule genutzt werden kann.
Während in den meisten deutschen Großstädten die Einwohnerzahl seit 1960 gestiegen ist, ist sie in Bochum um 86.000 Menschen gesunken. Das führt zu hohen Ausfällen bei Steuereinnahmen wie Zuweisungen. Bochum muss attraktiver werden, um mehr Menschen für die Stadt zu gewinnen.
Eine Stadt lebt von ihren Einwohnern und Einwohnerinnen, das gilt nicht nur im Hinblick auf Attraktivität, sondern auch in finanzieller Hinsicht. Mehr Menschen in der Stadt zahlen mehr Steuern, wegen ihnen bekommt die Stadt mehr Finanzmittel vom Land. Zwar kosten zusätzliche Einwohner*innen auch mehr Geld, denn die Stadt benötigt zum Beispiel größere Schulen oder mehr Wohnungen, aber viele städtischen Fixkosten steigen nicht. Es ist nur ein Stadtrat erforderlich und es ist fast die gleiche Infrastruktur an Straßen, Kanälen, Strom- Gas und sonstigen Versorgungsleitungen nötig, unabhängig davon, wie viel Menschen in der Stadt leben.
Einwohnerentwicklung Bochum
Einwohner und Einwohnerinnen gewinnen war lange kein Ziel
Doch lange hat sich Bochum wenig darum gekümmert, wie viele Menschen in der Stadt leben. So ist die Einwohnerzahl von 1960 bis 2022 um 86.000 Menschen (- gesunken. Zum Vergleich 81 Großstädte gibt es in Deutschland, In 55 Städten ist die Zahl der dort lebenden Menschen im gleichen Zeitraum gestiegen oder gleichgeblieben, nur in 27 gesunken, darunter alle 10 Stadtgemeinden der Ruhrstadt.
Einwohnerentwicklung deutscher Großstädte seit 1960/61
Auf einem Jahrzehnt des Wandels, in den 60er Jahren, in dem die Ruhr-Universität und Opel nach Bochum kamen, folgten vier Dekaden des Stillstands, in denen die Stadt versuchte den Strukturwandel zu verhindern bzw. zu ignorieren. Während die Großstädte außerhalb des Ruhrgebiets in die Zukunft investierten und den Strukturwandel aktiv vorantrieben, hoffte man in Bochum auf neue Industrie.
Entsprechend nahm die Zahl der wachsenden Großstädte im Laufe der Jahrzehnte deutschlandweit deutlich zu. Im Zeitraum 2000 bis 2022 verloren nur 14 Großstädte nennenswert Einwohner*innen, davon die fast die Hälfte Stadtgemeinden der Ruhrstadt, Bochum gehörte weiter dazu, die Einwohnerzahl nahm um 25.405 Menschen (6%) ab.
Einwohnerentwicklung deutscher Großstädte seit 2000
Die Folgen des Einwohnerverlustes
Menschen und Unternehmen machten weiterhin einen Bogen um Bochum und zogen andere Großstädte vor, um dort zu leben oder sich anzusiedeln. Stadtgestaltung, ein gutes Stadtbild und hohe Attraktivität waren bis Mitte der 2010er Jahre kein Thema in Bochum. Die in dieser Hinsicht immer größer werdenden Defizite und Mängel wurden mit “Woanders ist auch scheiße.” relativiert. Die Stadt träumte rückwärtsgewandt weiter von einer Re-Industrialisierung, der Strukturwandel kam nicht voran.
Der Verlust von 86.000 Menschen ging einher mit dem Verlust von 86.000 Konsumenten, die in Innenstädten und Stadtteilzentren heute als Kunden fehlen und 86.000 potentiell Steuerzahlenden, die bei der Stadt als Einnahmequelle ausfielen. Legt man die Steuereinnahmekraft und die Zuweisungen des Landes pro Kopf zugrunde, nahm die Stadt 2021 2.725 Euro pro Kopf an Steuern und Zuweisungen ein. 86.000 Einwohner und Einwohnerinnen mehr würden für Bochum heute jedes Jahr als 237,8 Mio. mehr Einnahmen pro Jahr bedeuten.
Ausfall durch Einwohnerverlust, Stadt Bochum
Der Fehler, dass die Stadtpolitik über Jahrzehnte Stadtgestaltung, Stadtbild und Attraktivität vernachlässigt hat, kommt Bochum heute teuer zu stehen.
Weiteres Problem: Geringe Steuereinnahmekraft
Zwar kann Bochum in den letzten Jahren die Einwohnerzahl halten, jedoch ist der Grund nicht der Umzug von Menschen mit gutem Einkommen und hoher Steuerkraft, sondern insbesondere der Zuzug von Flüchtlingen. Die Steuereinnahmekraft liegt daher über 20,4% unter dem in Deutschland üblichen. 1.232 Euro Steuereinnahmen erwirtschaften die Menschen in Bochum pro Kopf für die Stadt, im deutschen Schnitt sind es 1,.547 Euro in Mainz, Frankfurt und München sogar über 3.000 Euro (Deutschlandatlas – Steuereinnahmekraft).
Steuereinnahmekraft deutscher Großstädte (31.12.2021)
Menschen mit hohem Anspruch an Stadtgestaltung, Stadtbild und Attraktivität und tendenziell hoher Steuerkraft ziehen eher nicht nach Bochum, es sind insbesondere die Menschen, für die es vorrangig ist, günstig zu leben und die sonst kaum Ansprüche stellen können.
Defizite bei Schulen und Bildung
Jedoch tut die Stadt viel zu wenig, um diesen Menschen mehr Chancen und gute Zukunftsperspektiven durch höhere Bildung und bessere Qualifizierung zu verschaffen. Das städtische Schul- und Bildungswesen ist unterentwickelt, die Schulentwicklungsplanung ist unbrauchbar (Schulentwicklungspläne erweisen sich immer wieder als unbrauchbar), der Zustand und Ausstattung der Schulen sind beklagenswert. Bildung und Qualifizierung der Menschen hat in der Bochumer Politik keine Priorität. Auch das ist ein wesentlicher Grund für die niedrige Steuereinnahmekraft.
Zwar hat sich die Hochschullandschaft in Bochum seit den 60er-Jahren massiv zum Positiven verändert – weit über 50.000 Studierende sind an Bochumer Hochschulen eingeschrieben – doch schaffte es die Stadt weiterhin nicht in ausreichendem Maße die Absolventen in Bochum zu halten. Zum einen fehlen weiterhin Beschäftigungsmöglichkeiten in Bochum, zum anderen ziehen auch die Studierenden andere Städte zum Leben vor. Liegen Jobangebote neben Bochum auch aus Städten wie Mainz, Freiburg oder Erlangen vor, ziehen die meisten weg (Warum wollen viele (Hochqualifizierte nicht im Ruhrgebiet leben und arbeiten?).
Weiterhin tut sich die Stadtpolitik in Bochum schwer, die Stadtstrukturen grundlegend zu verändern. Der Fokus der Politik liegt weiterhin auf der Versorgung der Menschen, insbesondere der sozial Benachteiligten. Wie diese Politik, bei schwindender Einwohnerzahl und abnehmender Steuereinnahmekraft im Vergleich zu den deutschen Großstädten sonst finanziert werden soll, darüber wird sich kaum Gedanken gemacht. Trotzdem die negativen Folgen der verfehlten Politik – insbesondere die Last der fehlenden Einwohner*innen – die Stadt heute hart trifft, ist die Bereitschaft einer grundsätzlichen Neuausrichtung weiter eher gering. Zwar sehen die Ziele der Bochum-Strategie die nötige Umorientierung mittlerweile vor (Präsentation Bochum-Strategie), doch geht die Umsetzung in der Realität nur zähflüssig voran.
Für grundlegende Veränderungen fehlt der Mut
Es fehlt weiterhin der Mut und die nötige Geschwindigkeit, die Stadt so zu verändern, wie dies in erfolgreichen Großstädten schon über Jahrzehnten zu beobachten ist. Bochum tut sich nach wie vor schwer von anderen Städten zu lernen und will den Blick, den Menschen von außen auf die Stadt haben, immer noch viel zu selten wahrhaben.
Um Einwohner und Einwohnerinnen sowie Unternehmen für die Stadt zu gewinnen und die Steuereinnahmekraft pro Kopf zu erhöhen, muss die Stadt deutlich attraktiver werden. Insbesondere müssen die gravierenden Mängel bei Stadtgestaltung und Stadtbild beseitigt werden. Zweitens sollte die Schaffung von besseren Zukunftsaussichten für die Menschen Priorität bekommen, die bisher in dieser Hinsicht benachteiligt sind. Dazu sind erhebliche Investitionen in die Verbesserung der städtischen Schul- und Bildungslandschaft nötig.
Eine Schulkonferenz entscheidet nicht so, wie Schulträger und Schulaufsicht das gerne hätten, also wird der Schulleitung gedroht und sie eingeschüchtert. Eine inakzeptable und rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise.
Das höchste Entscheidungsgremium jeder Schule ist die Schulkonferenz. Dieses Gremium trifft u.a. Beschlüsse über die Ziele der Schule, mit welchen Methoden unterrichtet wird, mit welchen Einrichtungen die Schule kooperiert, wer Träger des Offenen Ganztags wird oder wie die Schule zum Schulentwicklungsplan steht.
Eigenverantwortliche Schule und Rolle der Schulkonferenz
Das Gremium ist paritätisch mit Eltern und Lehrer*innen besetzt. An höheren Schulen kommen Vertreter*innen der Schüler*innen hinzu. In NRW gilt das Leitbild der Eigenverantwortlichen Schule. Diese soll selbst und eigenverantwortlich über ihre Belange entscheiden und sich eigenverantwortlich nach ihren Bedürfnissen und Belangen organisieren (Eigenverantwortliche Schule, Ministerium für Schule und Bildung NRW). Vorsitzendes Mitglied der Schulkonferenz ist der Schuleiter bzw. die Schulleiterin. Diese besitzen kein Stimmrecht, außer bei Stimmengleichheit.
Die Mitglieder der Schulkonferenz sind bei der Ausübung ihres Mandats an Aufträge und Weisungen nicht gebunden, so steht es ausdrücklich im Schulgesetz (§ 62 (5) SchulG-NRW). Daraus folgt, Schulträger (Stadt Bochum) wie Schulaufsicht können und dürfen den Mitgliedern der Konferenz keinerlei Vorgaben machen. Die Schulkonferenz ist ein in jeder Hinsicht unabhängiges Gremium, das alle Entscheidungen selbständig und eigenverantwortlich trifft. Die Mitglieder entscheiden dabei allein aufgrund ihrer persönlichen Ansicht.
Schulträger und Schulaufsicht sind also nicht berechtigt die Schulkonferenz zu Beschlüssen in ihrem Sinne anzuweisen. Beide dürfen jedoch an Konferenzen teilnehmen und dort ihre Ansichten äußern. Der Schulträger darf zudem in der Konferenz Anträge stellen. An Abstimmungen dürfen beide hingegen nicht teilnehmen.
Gesetzliche Aufgabe und Leitbild der Schulaufsichtsbehörden
Das Schulgesetz verpflichtet die Schulaufsichtsbehörden, die Schulen in ihrer Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu beraten und zu unterstützen (§3 (1) SchulG-NRW). Ihre Aufgabe ist nicht, Entscheidungen für die Schule zu treffen. In diesem Sinne hat sich die Schulaufsicht in NRW auch ein entsprechendes Leitbild gegeben (Selbstverständnis, Rolle und Verantwortung der Schulaufsicht in Nordrhein-Westfalen).
Vermitteln Leitbild und die Regelungen des Schulgesetzes den Anschein die Schulaufsicht würde sich in der Rolle sehen, Schule und Schulleitung in ihren eigenverantwortlichen Entscheidungen zu unterstützen, sieht die Realität doch ganz anders aus:
Rechtsmissbräuchliches Verhalten der Schulaufsicht
Treffen Lehrer*innen, Eltern und ggf. Schüler*innen in der Schulkonferenz eine Entscheidung im Sinne der Schule, die der Schulverwaltung nicht passt, etwa, weil sie dem Schulentwicklungsplan oder dem Verfahren zur Auswahl eines OGS-Trägers nicht zustimmt, tritt die Schulaufsicht auf den Plan und versucht ohne Rechtsgrundlage die Entscheidung der Schulkonferenz auszuhebeln. Auf die Schulleitung wird Druck ausgeübt. Diese habe dafür zu sorgen, dass die Schulkonferenz im Sinne des Schulträgers entscheide. Die Eltern seien auf Linie zu bringen. Der Vorwurf lautet, die Schulleitung habe die Eltern nicht im Griff.
Es wird mit dienstrechtlichen Konsequenzen gedroht, wenn die Schulleitung die Schulkonferenz nicht davon überzeugt im Sinne des Schulträgers abzustimmen. Schulleitungen werden mit permanenten Einbestellungen ins Amt und Telefonanrufen eingeschüchtert. Fordert die betroffene Schulleitung die Schulaufsicht auf, die mündlich gemachten Ausführungen schriftlich zu machen, geschieht in dieser Hinsicht allerdings nichts.
Der Missbrauch des Beanstandungsrechts
Schließlich gipfelt die Einflussnahme auf Beschlüsse der Schulkonferenz darin, dass die Schulaufsicht mit allen Mitteln versucht, die Schulleitung zu zwingen, unliebsame Beschlüsse der Konferenz zu beanstanden, auch wenn Rechtsgründe dafür nicht ersichtlich sind und Rechtsprechung einer solchen Beanstandung offensichtlich entgegensteht (§ 59 (10) SchulG-NRW). Mit dieser Vorgehensweise umgeht die Schulaufsicht die Gesetzeslage, denn sie selbst besitzt kein Recht Beschlüsse der Schulkonferenz zu beanstanden. Dieses Recht steht allein der Schulleitung für den Fall zu, dass Beschlüsse tatsächlich gegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verstoßen. Also weist die Schulaufsicht die Schulleitung an, den unliebsamen Beschluss zu beanstanden, denn hält die Konferenz trotz Beanstandung an dem Beschluss fest, darf die Schulaufsicht selbst an Stelle der Konferenz entscheiden.
Bereits das Ansinnen der Schulaufsicht die Schulleitung anzuweisen zu können, einen Beschluss der Schulkonferenz zu beanstanden, obwohl auch die Schulleitung als Mitglied der Schulkonferenz an Aufträge und Weisungen nicht gebunden ist (§ 62 SchulG-NRW) erscheint rechtsmissbräuchlich. Wenn die Schulleitung keinen Grund zur Beanstandung sieht, diese trotzdem anweisen zu wollen, dass diese auch ohne Grund den Beschluss beanstanden soll, ist rechtsmissbräuchlich.
Auch das Mittel der Dienstanweisungen zu nutzen, um sich indirekt das nicht vorhandene Recht zu verschaffen, Beschlüsse der unabhängigen Schulkonferenz zu beanstanden und damit durch eigene Entscheidungen ersetzen zu können, zeugt von einem Selbstverständnis der Schulaufsicht, das in jeder Hinsicht der Gesetzeslage wie dem Leitbild des Schulministeriums widerspricht.
Falsches Selbstverständnis der Schulaufsicht
Die Schulaufsichtsbehörden sehen offensichtlich nicht in der Unterstützung und Beratung der Schulen ihre Aufgabe, sondern meinen, sie müssten die Schulkonferenzen bevormunden. Nach Ansicht der Schulaufsicht hat die Konferenz nur zu tun, was sie selbst oder der Schulträger vorgeben bzw. vorschreiben. Der Mitwirkung von Eltern, Lehrer*innen und Schüler*innen bei schulorganisatorischen Angelegenheiten wird allein symbolische Bedeutung zugebilligt. Die Schulkonferenz darf die Entscheidungen des Schulträgers huldvoll abnicken, Widerspruch ist nicht erwünscht und hat daher zu unterbleiben. Der Schulleitung wird vermittelt, es sei ihre Aufgabe, sicher zu stellen, dass sich die Schulkonferenz mit dieser rein symbolischen Rolle abfindet und bitte eigenständige Entscheidung unterlässt.
Damit hängt die Schulaufsicht einer Auffassung von Mitwirkung aus dem 19. Jahrhundert nach. So hält sie es sogar für gerechtfertigt, um die Schulkonferenz auf Linie zu bringen, der Schulleitung zu drohen und diese einzuschüchtern. Dabei sollte die Anwendung solcher Methoden nach Zusammenbruch der DDR in Deutschland eigentlich Geschichte sein.
Dem Schulträger steht der Rechtsweg offen
Sind Beschlüsse der Schulkonferenz tatsächlich rechtwidrig, steht dem Schulträger der Rechtsweg offen. Die Aufhebung eines Beschlusses kann vor dem Verwaltungsgericht eingeklagt werden. Dann entscheidet das Gericht, ob der entsprechende Beschluss wirksam ist oder aufgehoben werden muss.
Statt den Rechtsweg zu bestreiten die Schulaufsicht zu bemühen, damit sie über Drohungen und Einschüchterung die Schulleitung zwingt, entgegen ihrer Ansicht, Beschlüsse zu beanstanden, um diese selbst treffen zu können, zeigt, dass man sich wenig Chancen ausrechnet, dass das Gericht entsprechende Beschlüsse der Schulkonferenz für rechtswidrig erklärt und aufhebt.
Die Schulaufsicht zu missbrauchen, um unliebsame Beschlüsse der Schulkonferenz auf die beschriebene Weise aus der Welt zu schaffen, ist nicht nur der falsche Weg, sondern auch erkennbar rechtswidrig. Die Schulkonferenz ist ein unabhängiges Gremium, dass an Anweisungen nicht gebunden ist. Das gilt für alle Mitglieder, auch für den vorsitzenden Schulleiter bzw. die vorsitzende Schulleiterin. Die Unabhängigkeit der Schulkonferenz ist von Schulaufsicht und Schulträger zu respektieren.
Die STADTGESTALTER haben die Methoden der Schulaufsicht mit großem Erstaunen und Bestürzung zur Kenntnis genommen. Bei der obersten Schulaufsichtsbehörde, dem Ministerium für Schule und Bildung NRW, wurde angefragt, ob dieses Vorgehensweise toleriert wird und gebeten die Schulaufsicht auf die bestehende Rechtslage und das bestehende Leitbild hinzuweisen.
Die STADTGESTALTER gehen davon aus, dass die Schulaufsicht zukünftig jeden Versuch Schulleitungen zu drohen oder diese einzuschüchtern unterlässt, um unliebsame Beschlüsse der Schulkonferenz aufheben zu lassen. Sollte ein Beschluss tatsächlich rechtswidrig sein, kann dieser über den Rechtsweg angefochten werden. Ein anderer Weg ist nicht zulässig.
In Bochum soll ein neues Gymnasium entstehen und für die Gesamtschule Bochum-Mitte ein neues Schulgebäude gebaut werden. Die STADTGESTALTER schlagen vor, für diese Schulen visionäre Schul- und Lernkonzepte zu erarbeiten, die sie zu Vorbildschulen für ganz Deutschland machen.
2011/12 eröffnete die Stadt eine Gemeinschaftsgrundschule und zwei Sekundarschulen. Beide Schulformen sind mangels Nachfrage gescheitert Die Gemeinschaftsgrundschule schloss schon zum Schuljahr 2018/19, beide Sekundarschulen sollen jetzt folgen.
Die ganze Problematik der chaotischen Schulentwicklungsplanung zeigt sich am Schulstandort an der Feldsieper Straße. Dort wurde 2011/12 die Realschule geschlossen, es folgte für nur sechs Jahre die Gemeinschaftsschule, 2018/19 dann die Gesamtschule, die jetzt, nach weiteren fünf Jahren, in ein Gymnasium umgewandelt werden, soll. Kompetente und verlässliche Schulentwicklungsplanung sieht anders aus.
Vorhersehbar konnte die Gesamtschule Mitte, nur 800 Meter entfernt von einer weiteren Gesamtschule nicht funktionieren. Doch die Einwände, auch der STADTGESTLATER (Gesamtschulstandort ist ungeeignet), wollten die Politiker*innen von SPD, CDU und Grünen partout nicht hören, sie meinten es besser zu wissen und wurden eines Besseren belehrt. Nach nur 53 Anmeldungen zum letzten Schuljahr für vier Eingangsklassen (WAZ vom 23.02.23), erkannten auch Schulverwaltung und Politik, dass die Gesamtschule am Standort Feldsieper Straße keine Zukunft hat.
Also soll aus der Gesamtschule jetzt ein Gymnasium werden und die Gesamtschule an einen anderen, noch nicht bekannten Standort in ein neues Schulgebäude umziehen.
In 6 von 30 Stadtbezirken erreichen mehr als 50% der Kinder nur maximal eine eingeschränkte Realschulempfehlung
Während in Ländern mit erfolgreichem Schulsystem (z.B. Norwegen oder Finnland) in der Regel nur noch eine Schulform besteht, benötigt man in Deutschland weiterhin drei. Am Ende der Grundschule ist das Lernniveau der Schulkinder auch in Bochum bisher zu unterschiedlich. In Bochum erreichen in 6 von 30 statistischen Stadtbezirken (Westenfeld, Kruppwerke, Werne, Hamme, Wattenscheid-Mitte und Günnigfeld) mehr als 50% der Kinder nur maximal eine eingeschränkte Realschulempfehlung (Interaktiver Sozialbericht). Die Entwicklung ist zudem negativ, die Zahl der Bezirke mit entsprechenden Schulempfehlungen hat sich seit dem Schuljahr 2021/22 sogar um einen erhöht.
Besonders Kindern aus Ortsteilen mit großen Problemen, fehlt es also bereits nach ihrer Grundschulzeit an wesentlichen Voraussetzungen, um in der folgenden Schulzeit mindestens einen Realschulabschluss erwerben zu können. Grundschulen mit schwierigen sozialen Umfeldbedingungen haben große Probleme den Anforderungen individueller Förderung und Inklusion gerecht zu werden und diese zu leben. Um dieses Problem zu lösen hatten die STADTGESTALTER bereits 2019 einen Vorschlag für ein Modellprojekt an fünf Grundschulen gemacht (Modellprojekt für bessere Grundschulen, Antrag 20222948). Grüne, SPD und CDU zeigten sich aber an einer Lösung des Problems desinteressiert und lehnten den Vorschlag ab.
Somit wird es in Bochum neben Gesamtschulen zukünftig weiterhin Hauptschulen und Gymnasien geben. Von dem Ziel der STADTGESTALTER, dass alle Schulkinder mit wenigen Ausnahmen die Grundschule mindestens mit einer Realschulempfehlung verlassen, ist die Stadt weit entfernt. Von Grünen, SPD und CDU wird dieses Ziel auch gar nicht verfolgt.
Eine einmalige Chance – Bochumer Schulen mit visionären Lern- und Schulkonzepten
Der Lern- und Schulerfolg hängt nicht nur in den Grundschulen im Wesentlichen von den verfolgten Schul- und Lernkonzepten ab. Einige Schulen in Deutschland zeigen schon heute, wie das gelingt und modernes Lernen in Zukunft funktionieren wird (Schulen der Zukunft – Gelebte Utopien). Was für Bochum vielleicht noch nach Utopie klingt, ist in diesen Schulen längst gelebte Realität. In einigen der 15 für den Schulpreis nominierten Schulen kann man erleben, was heute schon an Schulen möglich ist und damit auch in Bochum möglich wäre (Deutscher Schulpreis – Das sind die 15 nominierten Schulen).
Wenn sich Bochum als Vorreiter in Sachen Schulen und Bildung versteht, dann, so der Vorschlag der STADTGESTALTER, sollte sowohl im neu zu gründenden Gymnasium wie in der neu zu bauenden Gesamtschule ein vorbildliches, visionäres Schul- und Lernsystem umgesetzt werden. Dabei sollte zum Beispiel auf dem Gymnasium, das bisher für diese Schulform typische “Abschulen” in Zukunft abgestellt werden. Sitzenbleiben oder Verweis auf eine untergeordnete Schulform, sollten durch entsprechende frühzeitige und individuelle Förderung vermieden werden.
Lernen sollte einen anderen Fokus erhalten. Es geht nicht mehr darum bestimmte Abschlüsse zu erreichen, sondern den Schülern und Schülerinnen eine bestmögliche Entfaltung ihrer persönlichen Potentiale zu ermöglichen und sie in die Lage zu versetzen sich auch nach der Schule jedes erforderliche Wissen selbst drauf zu schaffen.
So sehen visionäre Schulkonzepte beispielsweise vor, dass die Schülerschaft weitestgehend selbst entscheidet, wie, wo und womit sie lernt. Die Lehrekräfte haben eine andere Rolle. Sie sind Lernbegleiter und Coaches, die die Schüler, die Lernpartner, beim eigenständigen Lernen ?anleiten und unterstützen (Schulen der Zukunft – Gelebte Utopien).
Wie lassen sich visionäre Schulkonzepte erarbeiten?
Idealerweise beschäftigt sich die Ruhr-Universität bereits seit langem mit visionären Lern- und Schulkonzepten von morgen (Re-thinking Education- Unterwegs zur Schule von morgen). Zusammen mit Lehrern und Lehrerinnen sowie anderen Pädagogen, die an Bochumer Schulen unterrichten und sich für neue, visionäre Konzepte interessieren, könnte eine Expertenrunde gebildet werden, in der die entsprechenden Konzepte für beide Schulen entwickelt und erarbeitet werden.
Da die Gesamtschule neu errichtet werden soll, bietet es sich an, die Planung und Gestaltung der erforderlichen Schulräumlichkeiten in die Entwicklung des neuen visionäre Schulkonzepts mit einzubeziehen. Denn Schulen sehen in Zukunft auch ganz anders aus, als wir es bisher von klassischen Schulen kennen. Statt Klassenzimmern gibt es Inputräume oder Lernateliers, die eher ausgestattet sind wie Wohnzimmer, weil das Lernen auch Spaß machen soll und die Schulräumlichkeiten selbst eine Wohlfühlatmosphäre ausstrahlen sollen.
Auf diese Weise könnte Bochum zu zwei weiterführenden Schulen kommen, die Vorbild für weitere Schulen in Bochum aber auch für Schulen weit über die Stadtgrenzen hinweg sein können. Darüber hinaus könnte die Stadt mit diesem Vorgehen ihren Ruf als Wissens- und Bildungsstadt stärken. Neben dem Haus des Wissens könnte die Entwicklung der Vorbildschulen ein weiterer überregional beachteter Baustein der Bochum Strategie sein, mit der die Stadt ihren Ruf als “Talentschmiede im Ruhrgebiet” untermauert. (Die Kompetenzen der Bochum Strategie – Talentschmiede im Ruhrgebiet).
Durch den Aufbau zweier neuer weiterführender Schulen mit vorbildlichen Schul- und Lernkonzepten ergibt sich für die Stadt die einmalige Chance, sich als Vorreiter in Sachen moderner Schulentwicklung für die Bildung von morgen zu profilieren. Sie kann Vorbildschulen für ganz Deutschland schaffen und die Schullandschaft in Bochum einen entscheidenden Schritt in Richtung Zukunft voranbringen. Nach Ansicht der STADTGESTALTER dürfen Politik und Verwaltung diese Chance unter keinen Umständen verspielen.
Nach der Fehlentscheidung zahlreiche Grundschulen zu schließen, hat es die Stadt versäumt rechtzeitig neue Klassenräume und Schulen zu bauen. So müssen viele Grundschulkinder jetzt in Containern unterrichtet werden, wobei selbst die an sechs Schulen fehlen. Wieder einmal zeigt sich das Desinteresse von Stadt und Stadtpolitik an Bildung und guten Schulen.
Wie viel Wert eine Stadt und die Stadtpolitik Bildung und Schulen beimessen, zeigt sich am Zustand und der Ausstattung der städtischen Schulen. Eine Stadt die Schulkinder in Containern unterbringt, weil sie es fahrlässig versäumt hat, entsprechend der prognostizierten Entwicklung der Schülerzahlen rechtzeitig die benötigten Klassenräume zu bauen, bringt deutlich zum Ausdruck, was von sie von Schulen und Bildung hält, nämlich wenig.
2012 – Der Auslöser des Problems: Schließung der Grundschulen
Das Problem von zu wenig Klassenräumen hat die Stadt selbst geschaffen. 2012 beschloss die Politik die Zahl der Grundschulen von 51 auf 43 zu reduzieren. Vorhersehbar falsche Annahmen über die Entwicklung der Schülerzahlen führten zu dieser folgenschweren Fehlentscheidung, Bei der Berechnung des Raumbedarfs war die Schulverwaltung im damaligen Schulentwicklungsplan von einer Schülerzahl von 28-30 Kindern für jede Klasse ausgegangen, obwohl vom Land längst eine Herabsetzung auf 22-23 Kinder pro Klasse beschlossen worden war (Das Märchen von Schulschließungen aufgrund abnehmender Schülerzahlen).
Obwohl sie es besser hätte wissen müssen, schloss die Bochumer Politik vier Grundschulen ganz, dazu drei Teilstandorte. Vier weitere Grundschulen wurden zu Teilstandorten anderer Schulen degradiert. In Summe fielen 76 Klassenräume für über 1.700 Schüler und Schülerinnen weg.
2018 – Die große Zahl fehlender Klassenräume wird erkannt
Im Verfahren zur Aufstellung des folgenden Schulentwicklungsplans bis zum Jahr 2018 stellt die Stadt wenig überraschend fest, dass die Zahl der benötigten Klassenräume in Folge der geschlossenen Schulen dramatisch zu niedrig lag. Auf einmal stellt man fest, dass in den nächsten 5 Jahren die Zahl der Grundschüler um 1.220 steigen würde und im Schuljahr 2022/23 in den städtischen Schulen insgesamt 12.025 Kinder unterrichtet werden müssten. Bei der angestrebten durchschnittlichen Klassengröße von 22,5 Schülern würden Räume für 534 Klassen benötigt. Übriggeblieben waren aber nur Räumlichkeiten für 447 Klassen (Entwicklungsplan für die Grundschulen ist unbrauchbar)
In der Stadt stellte also bereits 2018 fest, dass ein zusätzlicher Bedarf an Räumlichkeiten für 80 bis 90 Klassen bestehen würde. Wobei nur ein Teil des Bedarfs durch die Reaktivierung von Räumlichkeiten in bestehenden Grundschulen, besonders Teilstandorten befriedigt werden könne, Um die verbleibenden Räumlichkeiten bereitstellen zu können, müssten trotzdem vier bis fünf Grundschulen (= 48 bis 54 zusätzliche Klassenräume) neu gebaut werden oder die bestehenden Grundschulstandorte um entsprechend viele neue Klassenräume erweitert werden (Falsche Grundschulschließungen kosten die Stadt 50 Mio. Euro).
Der Neubau von zusätzlich vier 4-zügigen Grundschulen kostet bei derzeitigen Baukosten mindestens 90 Mio. Euro., denn die Kosten für den Ersatzneubau der Feldsieper Grundschule liegen aktuell bei 23 Mio. Euro (WAZ vom 06.09.21). Werden statt Schulneubau die bestehenden Schulen um neu zu bauende Klassenräume erweitert, wird das aufgrund der zusätzlichen Kosten für das Bauen im Bestand und der höheren Fixkosten aufgrund der höheren Zahl an Baustellen in Summe voraussichtlich nicht viel günstiger. Schon 2018 wurde also erkennbar, die politische Fehlentscheidung von 2012 würde für die Stadt ein sehr teures Nachspiel haben.
Bis 2023 – Die Schulverwaltung sitzt das Problem aus
Obwohl schon der Schulentwicklungsplan 2018 den umgehenden Neubau von mindestens 48 neuen Klassenräumen hätte zur Folge haben müssen, geschah in dieser Hinsicht in den folgenden 5 Jahren nichts. In der Stadt der gepflegten Langsamkeit blieb die Schulverwaltung untätig und hoffte, das Problem würde sich von selbst lösen.
Darüber hinaus weigerte sich die Politik von sich aus die erforderlichen Maßnahmen zu beschließen und das nötige Geld bereit zu stellen. Entsprechende Anträge von STATGESTALTERn, CDU und FFB um Planung und Bau der benötigten Grundschulen endlich auf den Weg zu bringen, lehnte die Rot-Grüne-Koalition zuletzt 2022 in den Beratungen für den Stadthaushalt 2023/24 ab (Anträge 3a, 3b und 15).
Gleichzeitig musste die Stadtverwaltung aufgrund der Prognosen zu den Schülerzahlen für den neuen Schulentwicklungsplan 2022 erkennen, dass sich das Raumproblem an den Schulen nicht in Luft auflösen würde. Gemäß letzter Prognose soll die Zahl der Schulkinder bis zum Schuljahr 2025/26 auf fast 12.500 steigen und auch 10 Jahre später (2035/36) noch bei 11.200 liegen.
Notlösung Container
Da die Schulverwaltung es jedoch über 5 Jahre verpasst hatte vorausschauend zu handeln und rechtzeitig für eine ausreichende Zahl neuer Klassenräume zu sorgen, blieb nur Zeit für eine eilig zusammengeschusterte Notlösung. Bis zum Schuljahr 2022/23 brachte man 20 Klassen in Containern unter, bis 2023/24 sollten weitere 24 folgen und dann noch zwei weitere bis zum Ende des gleichen Schuljahrs (WAZ vom 25.04.23).
Allerdings gelang auch dieser Plan nicht. Zu Beginn dieses Schuljahrs blieben an sechs Grundschulstandorten die geplanten Containeraufstellplätze auf den Schulhöfen leer. Die Stadt hatte eine rechtzeitige Bestellung versäumt (WDR vom 09.08.23). Mangels Klassenräumen müssen die Schulen jetzt improvisieren.
Nachdem Grüne und SPD das Problem selbst verursacht haben, indem sie zunächst die Grundschulen geschlossen und dann die rechtzeitige Errichtung der erforderlichen Klassenräume verhindert hatten, zeigten sie sich jetzt scheinheilig verärgert darüber, dass die Kinder in Containern untergebracht werden müssen, bzw. gar die Container dafür fehlen. Zudem werden fehlende Sanitäreinrichtungen an den Container bemängelt (WAZ vom 23.05.23).
Nur mit guten Schulen lassen sich Lehrkräfte und Familien für die Stadt gewinnen
Die grundsätzliche Einsicht, dass man nur mit gut ausgestatteten Schulen im besten baulichen Zustand Familien und Lehrkräfte für die Stadt gewinnen kann und nicht mit im Hauruck-Verfahren auf dem Schulhof aufgebauten Containerklassen (Lehrkräftemangel in Bochum hat auch lokalpolitische Gründe), scheint bei den Verantwortlichen indes weiterhin zu fehlen. Auch das gerade für eine gute Integration und geringe Arbeitslosigkeit optimal ausgestattete Schulen die Voraussetzung sind (Alarmierende Zahlen – Höchste Zeit sich ernsthaft um Integration zu bemühen), scheint in der Stadtpolitik bisher nicht angekommen zu sein.
So wird die schlechte Schulpolitik der letzten Jahrzehnte auch in der Bochumer Sozialstatistik bei den Schulempfehlungen sichtbar. Bis zum Schuljahr 2019/20 erreichte in fünf Stadtbezirken (Westenfeld, Hamme, Werne, Kruppwerke, Wattenscheid-Mitte) die Mehrheit der Bochumer Grundschüler und -schülerinnen im Durchschnitt keine uneingeschränkte Empfehlung für die Realschule. Zum Schuljahr 2021/22 hat sich die Zahl um einen weiteren Bezirk (Günnigfeld) erhöht (Interaktive Sozialbericht Bochum). Anstatt sich zu verbessern, verschlechtert sich die Lage an den Grundschulen.
In Bochum ist die Stadtpolitik bisher nur bereit in Schulen zu investieren, wenn die Kosten dafür zu einem wesentlichen Teil von Land oder Bund übernommen werden.
Man gibt große Teile der Investitionen in Schulgebäude zudem für wenige Prestigeprojekte aus, die sich auch aufgrund von schlechtem Projektmanagement unfassbar verteuern. Allein das Schulzentrum Gehrte wird nach derzeitigem Stand um 69 Mio. Euro, teurer als ursprünglich geplant, das Projekt Gesamtschule Mitte/ Feldsieper Schule um 40,5 Mio. Euro (Kosten für Gesamtschule explodieren). Das Geld, das nur diesen beiden Bauprojekte zusätzlich kosten, hätte also locker ausgereicht, um die 48 zusätzlich erforderlichen Klassenräume an den Grundschulen im Zeitraum 2018-2023 zu errichten.
Zusammenfassung: 5 Ursachen für das Container-Desaster
Die Ursachen für das Container-Desaster lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Für Stadt und Stadtpolitik haben die Bedürfnisse von Schulkindern und Schulen keine Priorität. 2. Man ist nicht bereit, die nötigen Gelder für baulich gute und gut ausgestattete Schulen bereit zu stellen. 3. Vorhandene Gelder werden in außer Kostenkontrolle geratenen Bauprojekten verschwendet. 4. Die Stadt gefällt sich in gepflegter Langsamkeit. Man ist nicht bereit und in der Lage drängende Probleme wie die Unterbringung von Kindern in geeigneten Klassenräumen, rechtzeitig und vorausschauend zu organisieren. 5. Es fehlt die Bereitschaft, das Schulverwaltungsamt effizient zu organisieren, und Schulen und Bildung in den Mittelpunkt der Stadtpolitik zu stellen
Somit ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Schulverwaltung durch den nächsten Skandal auffällig wird.
Böse Überraschung bei einigen Bochumer Grundschulen: Ab dem nächsten Schuljahr sollen die Kinder nicht mehr von dem Träger im offenen Ganztag betreut werden, mit dem die Eltern, Kinder und Lehrkräfte seit Jahren hochzufrieden sind. Ab dem 01.08.23 soll ein anderer übernehmen. Obwohl die Schulen die Betroffenen sind, wurde die Neuvergabe an ihnen vorbei organisiert. Eltern, Schulleitungen und Lehrkräfte sind aufgebracht. Um die Vorgänge aufzuklären haben die STADTGESTALTER Akteneinsicht genommen.
Beispiel Frauenlobschule, Bochum-Hiltrop: Seit Jahren organisiert der gemeinnützige Träger Outlaw gGmbH mit großem Einsatz und enger Einbindung in die Schulgemeinschaft den offenen Ganztag. Jetzt teilt das Schulverwaltungsamt mit, ab August 2023 wird die SPD-nahe AWO, die Organisation des offenen Ganztagstags (OGS) übernehmen. Ausgerechnet der Träger soll zukünftig wieder die Kinder im offenen Ganztag betreuen, dessen Vertrag die Schulkonferenz vor Jahren gekündigt hatte, weil dieser den Anforderungen der Schule an die OGS nicht gerecht wurde.
Schulen. Eltern und Lehrkräfte beklagen Intransparenz und fehlende Beteiligung
Eltern, Lehrkräfte und Schulleitung der Frauenlobschule wie weiterer Grundschulen sind erzürnt, dass die Neuvergabe über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde und sie als Betroffene nicht wirklich in das Vergabeverfahren eingebunden wurden (WAZ vom 17.03.23).
Die STADTGESTALTER nahmen Akteneinsicht, um zu prüfen wie die Vergabefahren gelaufen sind. Es bestätigt sich, die Beteiligung der Schulen bzw. der Schulkonferenzen, dem höchsten Gremium jeder Schule, dass bei Grundschulen paritätisch durch Eltern wie Lehrkräfte besetzt ist, war in jeder Hinsicht unzureichend. Darüber fiel auf, dass bei den Verfahren in einem Punkt die Vorgaben des Schulgesetztes missachtet wurden.
Eigentlich sollte man erwarten, dass eine solch wichtige Entscheidung, wie wer die Schulkinder auf welche Weise im offenen Ganztag (OGS) betreut, nur in enger Abstimmung mit den betroffenen Schulen erfolgt. Denn die Eltern und Lehrkräfte vor Ort wissen naturgemäß am besten, wie der Ganztag an der Schule organisiert werden sollte und von wem. Doch die Akteneinsicht ergab, die Schulen wurden außen vorgelassen.
Die Ergebnisse der Akteneinsicht
Eine Beteiligung der Schulen fand eigentlich nur am Anfang der Vergabeverfahren statt. Alle Schulen sollten der Schulverwaltung ein von der Schulkonferenz beschlossenes OGS-Konzept zusenden.
Bewertungsgremium wurde nicht eingerichtet – Gemäß den Beschlüssen des Stadtrates vom 28.09.2017 (Vorgänge 20172075 und 20172076) sollte im nächsten Schritt des Verfahrens zu jeder Schule ein Bewertungsgremium gebildet werden, das die im Vergabeverfahren eingehenden Bewerbungen von möglichen OGS-Trägern bewerten sollte. Dieses Bewertungsgremium sollte aus fachkundigen Vertreterinnen und Vertretern des Schulverwaltungsamtes der Stadt Bochum sowie der jeweiligen Schule bestehen.
Entgegen den Vorgaben der entsprechenden Ratsbeschlüsse, bildete das Schulverwaltungsamt jedoch keine entsprechenden Bewertungsgremien. Stattdessen stellte die Verwaltung eine Bewertungsmatrix mit 3 Hauptkriterien auf, die sich in insgesamt 10 Unterkriterien untergliedern. 9 der 10 Kriterien wurden durch den Stadtrat vorgegeben (Vorgang 20172075), ein weiteres Unterkriterium fügte die Verwaltung hinzu.
Bewertungskriterien und Gewichtung unzureichend – Dazu nahm die Verwaltung eine Gewichtung der Kriterien vor. Auch diese wurde weder vom Stadtrat vorgegeben, noch mit den Schulen abgesprochen. Ebenfalls wurde den Schulen nicht die Möglichkeit gegeben den Kriterienkatalog um eigene Wertungskriterien zu erweitern, mit denen bei der Bewertung schulspezifische Besonderheiten hätten berücksichtigt werden können. Im vorgesehenen Bewertungsgremien hätten die Bewertungskriterien und deren Gewichtung zwischen Schulverwaltung und Schulen besprochen und abgestimmt werden müssen. Das konnte mangels entsprechender Gremien nicht geschehen.
Zudem erscheint die Gewichtung einiger Kriterien fragwürdig. So wurde die laufende Fortbildung der OGS-Kräfte höher gewichtet als deren Quantität und Qualität.
OGS-Konzepte nicht ausreichend berücksichtigt – Das von den Schulen ausgearbeitete OGS-Konzept floss so gut wie gar nicht in die Bewertung ein. Die Mühe eigene Bewertungskriterien in die Bewertungsmatrix aufzunehmen, um bei der Bewertung die besonderen Merkmale des OGS-Konzeptes der jeweiligen Schule berücksichtigen zu können, sparte man sich. Es wurde lediglich ein allgemeines Unterkriterium “Berücksichtigung schulspezifischer Besonderheiten” aufgenommen und mit nachrangiger Gewichtung versehen, so dass das eingereichte OGS-Konzept letztlich für die Bewertung der Angebote der möglichen OGS-Träger quasi bedeutungslos wurde.
Punktevergabe fragwürdig – Auch die Bewertung der Angebote der möglichen Träger nach den einzelnen Kriterien erfolgte auf fragwürdige Weise. Für jedes Unterkriterien konnte die Erfüllung des jeweiligen Kriteriums prinzipiell mit 10, 8, 6, 4 oder 2 Punkte bewertet werden. Jedoch wurde die Vergabe von 8 Punkten bei acht von zehn Kriterien unmöglich gemacht. Das führt im Ergebnis zu einer unangemessen hohen Punkteabwertung für den Fall, in dem ein Angebot in einer Bewertungskategorie nur knapp besser war als das andere, also eigentlich die Bewertung 10 zu 8 Punkten angemessen gewesen wäre, jetzt aber die nur leicht schlechtere Erfüllung des Kriteriums automatisch zu einer Abwertung um 4 (auf 6 Punkte) statt nur um 2 Punkte (auf 8 Punkte) führte, was sich letztlich unangemessen stark auf die Gesamtbewertungszahl auswirkt.
Ohnehin fraglich erscheint wie eine Bewertung der Kriterien nach Punkten möglich war, da die Vorgaben des Rates eigentlich nur eine Bewertung, Erfüllung des jeweiligen Kriteriums oder Nicht-Erfüllung des Kriteriums möglich macht. (Vorgang 20172076).
Fehlender Realitätscheck bei Konzepten der Träger – Weiterhin erscheint bedenklich, dass in die Bewertung nur eingeflossen ist, was die möglichen OGS-Träger in ihren Konzepten vollmundig versprochen haben bzw. als prinzipiell möglich angekündigt haben. So versprechen die Träger beispielsweise eine bestimmte personelle Ausstattung. Angesichts des aktuellen Personalmangels im sozialen Bereich ist aber fraglich, ob das zugesicherte Personal dann real auch bereitgestellt werden kann. Denn das Personal, das gemäß Angebot an den offenen Ganztagsschulen eingesetzt werden soll, haben die möglichen Träger nicht etwa schon angestellt, nein, sie müssen es erst einstellen, wenn ihnen die Trägerschaft der OGS tatsächlich übertragen wird. So sucht die AWO-Ruhr-Mitte aktuell händeringend Personal für dutzende Stellen (Stellenangebote AWO).
Entscheidung allein auf Basis der Bewertung der Verwaltung – Die Bewertung der Konzepte der möglichen Träger erfolgte letztlich durch die Verwaltung, die Schule wurde, anders als der Stadtrat es vorgesehen hatte, nicht beteiligt. Zwar wurde der Schulleitung die Bewertungsmatrix vorgelegt, damit sie zu 9 von 10 Unterkriterien eine eigene Bewertung abgeben konnte. Jedoch wurde anschließend diese Bewertung ohne Rücksprache mit Schule und Schulleitung verworfen und durch eine eigene Bewertung der Verwaltung ersetzt. Die Auswahl des zukünftigen OGS-Trägers erfolgte damit ausschließlich auf Grundlage der Bewertung durch die Verwaltung..
Eigentlich hätte in dem Bewertungsgremium Einvernehmen über die Bewertung zwischen Schulverwaltungsamt und Schulen bzw. Schulkonferenz und hinsichtlich der Auswahl des zukünftigen OGS-Trägers hergestellt werden müssen. Dazu konnte es jedoch nicht kommen, da solche Gremien gar nicht geschaffen wurden. Die Verwaltung entschied über die Köpfe der Schule hinweg.
Zustimmung von Schulkonferenzen wurde nicht eingeholt – Es folgte am 21.12.2022 eine Mail an die Schulleitungen, dass diese dringend den entsprechenden Vergabeentscheidungen des Schulverwaltungsamtes zustimmen müssten, also im Fall von mindestens drei Grundschulen auch einem völlig unerwarteten Wechsel des Trägers der OGS zum neuen Schuljahr 2023/24 (WAZ vom 01.03.23).
Allerdings bedarf es gemäß §65 (2) 3. i.V.m. § 9 (3) SchulG-NRW nicht der Zustimmung der Schulleitung, sondern der Schulkonferenz, wenn im Anschluss an eine Vergabe eine Kooperationsvereinbarung zwischen Schulträger und dem zukünftigen Träger der OGS geschlossen werden soll. Das Schulverwaltungsamt versuchte jedoch die Kooperationsvereinbarungen ohne Beteiligung der Schulkonferenzen zu schließen. Dies ist ausweislich des Wortlauts des Schulgesetzes rechtswidrig.
Gemäß den Vorgaben des Schulgesetzes müssen an allen betroffenen Grundschulen die Schulkonferenzen einberufen werden, um ihnen die beabsichtigten Kooperationsvereinbarungen vorzulegen und über diese abstimmen zu lassen. Wird in einer Schulkonferenz einer Vereinbarung nicht zugestimmt, wird diese nichts rechtwirksam. Der ausgewählte Träger kann ohne Zustimmung der Schulkonferenz nicht mit der Übernahme der OGS beauftragt werden. Eine Zustimmung allein der Schulleitung ohne zustimmenden Beschluss der Schulkonferenz ist rechtswidrig und hat keine Rechtskraft.
Nach aktuellem Kenntnisstand hat sich nur an einer der betroffenen über 50 Grund- und Förderschulen die Schulkonferenz mit der Kooperationsvereinbarung beschäftigt und darüber abgestimmt. An der Frauenlobschule hat die Schulkonferenz am 28.03.23 einstimmig beschlossen der Kooperationsvereinbarung aufgrund der ungenügenden Beteiligung der Schule und der mannigfachen Verfahrensmängel im Vergabeverfahren nicht zuzustimmen.
Dringend sind Beschlüsse der Schulkonferenzen gemäß §65 (3) i.V.m. §9 (3) SchulG-NRW an allen anderen Schulen nachzuholen. Die Schulleitungen sind gesetzlich verpflichtet die Schulkonferenzen einzuberufen und die Mitglieder und Mitgliederinnen des Gremiums über den Ablauf der Vergabeverfahren zu informieren, über die Mängel der Beteiligung zu beraten und die beabsichtigten Kooperationsvereinbarungen zur Abstimmung vorzulegen. Sollten Kooperationsvereinbarungen ohne Zustimmung der Schulkonferenz von Schulleitungen unterschrieben worden sein, sind diese Unterschriften zur “Zustimmung” umgehend zurück zu ziehen.
Fazit
Zusammenfassend ist festzustellen, die Einschätzung der Schulen, Eltern und Lehrkräfte der betroffenen Schulen ist richtig. Eine echte Beteiligung der Schulen gab es nicht. Das Vergabeverfahren war für die Schulen intransparent. Die Vorgaben des Stadtrates (Bewertungsgremium) wie des Schulgesetzes (Zustimmung Schulkonferenz), in welcher Weise die Schulen bzw. Schulkonferenzen hätten an dem Verfahren beteiligen werden müssen, wurden missachtet.
Darüber hinaus fand zudem keine Beteiligung statt wie sie in der Sache angemessen gewesen wäre. Die Organisation der OGS ist ein wesentlicher Bestandteil des Schullalltags und des Lebens der Kinder an den Schulen. Eine gut geführte und in den Unterrichtstag eingebundene OGS hat einen entscheidenden Einfluss auf den Schulerfolg. Es hätte also von Seiten der Verwaltung alles dafür getan werden müssen, die Schulen an den OGS-Vergabeverfahren zu beteiligen und ihre Ein- und Vorgaben zu berücksichtigen. Das Ziel hätte sein müssen, die Entscheidung, wer zukünftig die OGS trägt, gemeinsam mit den Schulen zu treffen. Die Verwaltung hatte sicher zu stellen, dass das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wird und alle Belange der Schulen in den Verfahren berücksichtigt werden. Es war und ist aber nicht ihre Aufgabe – ohne die Schulen zu kennen – über die Köpfe von Eltern, Schulleitung und Lehrkräften hinweg für diese Entscheidungen zu treffen. Das Selbstverständnis der Verwaltung bedarf in dieser Hinsicht dringend einer Korrektur.
Neue Vergabeverfahren
Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Stimmen Schulkonferenzen den Kooperationsvereinbarungen mit zukünftigen OGS-Trägern aufgrund der Mängel im Vergabeverfahren und ihrer ungenügenden Beteiligung nicht zu, ist das Vergabeverfahren nach Ansicht der STADTGESTALTER zu wiederholen, auch wenn das Schadenersatzforderungen, der von der Verwaltung ohne Rücksprache mit den Schulen ausgewählten Träger nach sich zieht.
Selbst an einfachsten Aufgaben, wie der Anschaffung von Radabstellanlagen für die Bochumer Schulen, scheitert die Bochumer Verwaltung. Selbstverliebt beschäftigt sie sich seit Jahren mit sich selbst, statt endlich die benötigten Fahrradständer zu kaufen und auf den Schulhöfen aufzustellen.
Bildung und Verkehrswende sind zwei wichtige Bausteine für eine erfolgreiche und lebenswerte Stadt. Nicht nur darum werden diese beiden Punkte in vielen Verlautbarungen und Reden von Oberbürgermeister, Politik und Stadt als Schmuck ins eigene Schaufenster gestellt. Dass Bochum aber gerade in diesen Schnittpunkten recht blank dasteht, kann nicht mit Nachsicht betrachtet werden.
Sichere Radwege und Abstellanlagen kennen viele Schüler*innen in Bochum gar nicht
Für Schüler*innen stellt das Fahrrad das einzige individuelle Verkehrsmittel dar. Es verschafft Menschen die erste Freiheit, sich selbstbestimmt in ihrem Umfeld zu bewegen. Doch die Stadt beschneidet diese Möglichkeiten fahrlässig und lässt die individuelle Mobilität der Jüngsten, Jüngeren und Kleinen brach liegen. Weder finden sich ausreichend Radwege, um sicher zur Schule zu kommen, noch gibt es an den Schulen selbst sichere Radabstellanlagen. Der Schulweg endet bereits an der Bordsteinkante im Nirvana.
Das abgewetzte und oftmals fragwürdige Sprichwort von dem vielbemühten Hänschen, dem Hans und dem Lernen passt in diesem Falle leider wie die Faust aufs Auge. Und hat die gleichen schmerzhaften Auswirkungen. Lernen Kinder nicht frühzeitig, sich verantwortungsvoll und sicher im Straßenverkehr zu bewegen, dann fällt es ihnen später deutlich schwerer. Es geht also nicht nur um Komfort und Bewegungsfreiheit, sondern auch um Gefahrenprävention.
Gefährlich sind aber nicht nur die pädagogischen Konsequenzen, sondern auch die einfache Tatsache, dass irgendwie der Weg vom Kinder- ins Klassenzimmer physisch überwunden werden muss. Gibt es keine sicheren Radwege und keine Radabstellanlagen, dann fährt häufig das Elterntaxi vor. Nicht nur, dass dieser Chauffeurdienst zusätzlich Gift auf den zarten Keimling der Selbstständigkeit schüttet – Die Staffeln an Elterntaxen, die anfahren, halten, abbiegen, einparken, rausziehen und manchmal hupen und fluchen, stellen zwei Tonnen an kinetische Gefahr für die Kleinen dar, die zwischen Blech und Alu zu Fuß oder doch mit dem Rad zur Schule wuseln müssen.
Zur Karikatur wird dieser Zustand spätestens dann, wenn der Polizist zur Verkehrserziehung in die Klassen kommt und niemand weiß, wo man sein Rad an der Schule überhaupt hinstellen soll oder das Fahrrad des Sprösslings gleich aus dem Kofferraum des SUV gewuchtet wird. Es könnte auch ein Astronaut den Schülern von seiner Reise ins All berichten – die Inhalte wären kaum weniger lebensnah und realistisch für die Kinder.
Verwaltung scheitert bereits daran an den Schulen ausreichend Radabstellplätze zu schaffen
Dabei geht es gar nicht um Raketenphysik. Die Verwaltung wird viel mehr durch eine ganz bodenständige Allerweltsaufgabe an den Rand ihrer Belastungsgrenze gebracht. Radabstellanlagen baut diese schließlich zwar seltener als notwendig, aber dennoch immerhin mit gewisser Regelmäßigkeit seit Jahren im öffentlichen Straßenraum ein. Das Prinzip eines im Boden installierten Bügels, an den man sein Fahrrad mit einem Schloss anbinden kann oder einer Abstellanlage für gleich mehrere Räder funktioniert überall in Bochum und sogar in anderen Städten gleich. Auch auf unseren Schulhöfen.
Es bedarf nur weniger Anrufe, um die auf dem Markt verfügbaren Abstellanlagen zu bestellen. Ausgefuchste Planungen und Prioritätenlisten, die teure Arbeitszeit von teuren Bediensteten binden, kann man sich sparen, weil der Status aller Schulen beinahe gleich schlecht ist. Die traurige Realität, welche die Verwaltung auf Anfrage der STADTGESTALTER offenbaren musste: Bereits im Juni 2020 stellte die Verwaltung mittels einer Abfrage an den Schulen fest (Anlage zu Vorlage 20212223), an ausnahmslos allen(!) Bochumer Schulen fehlen brauchbare Ständer für Fahrräder. Ja, an allen. An keinem(!) Standort sind auch nur annähernd(!) ausreichend Radabstellanlagen vorhanden. Und wo doch ein paar Abstellanlagen eingesprenkelt sind, dann sind es überwiegend felgenfressende Vorderradhalter, die jedem Fahrraddieb die Freudentränen in die Augen schießen lassen. Auf 41.757 Schüler*innen kommen in Bochum sage und schreibe 153 Anlehnbügel, das sind 306 Radabstellplätze, die den Namen verdienen. Beschämend, nur 0,73% der Schüler und Schülerinnen können ihr Rad sicher an ihrer Schule abstellen oder anders herum, für 99,27% der Schüler*innen gibt es auf den Schulhöfen keine brauchbaren Fahrradständer.
Ein Vorschlag zur Rettung: In einem Sofortprogramm kann man an jeder Schule Abstellanlagen aufstellen. An jeder Grundschule Anlagen für die sichere Abstellung von 60 Fahrrädern, bei weiterführenden Schulen für 200 Räder. Einen Fehler kann man gar nicht machen. An keinem Standort wären nach dem Sofortprogramm zu viele Radständer vorhanden.
Was macht die Stadt? Die verweist auf das bereits jahrelang verschleppte Radverkehrskonzept. In diesem sollen dann in jedem Stadtbezirk zunächst eine(!) weiterführende Schule von einem externen Büro u.a. auf Radabstellanlagen untersucht werden (Vorlage 20212223). In dem Tempo brauchen die ältesten Kinder, denen heute Radabstellanlagen fehlen, wohl schon Rollatorabstellplätze.
Die Verwaltung beschäftigt sich mit sich selbst, statt die eklatanten Missstände zu beseitigen
Der vorliegende Fall zeigt exemplarisch wie ineffizient und lustlos teilweise in der Verwaltung gearbeitet wird. Statt die Beseitigung von Missständen zeitnah und zielorientiert anzugehen, werden Mitarbeiter*innen über Jahre mit der Erstellung von sinnfreien Abfragen und Konzepten beschäftigt (Stadtplanung: Ausufernde Konzeptflut sorgt für Zeit- und Geldverschwendung). Oft geht es in der Verwaltung nicht darum für die Menschen in der Stadt sinnvolle Verbesserungen zu schaffen, vielmehr geht es um die Selbstbeschäftigung der Mitarbeiter*innen, also allein darum mit sinnfreier Arbeit deren Anstellung und Bezahlung zu rechtfertigen.
Seit Jahrzehnten wissen alle, dass an keiner einzigen Bochumer Schule auch nur ansatzweise so viele Radständer vorhanden sind, wie gebraucht werden. Für diese Erkenntnis war keine aufwendige Abfrage erforderlich. Die Schulen benötigen keine Gutachten und Konzepte, in denen Verfahren und Prioritätenlisten entwickelt werden, welche Schulen als erstes die begehrten Abstellanlagen erhalten sollen. Das ist nichts weiter als Zeit- und Geldverschwendung. Alle Schulen benötigen dringend nur eins: Fahrradständer, jetzt und sofort.
Auch helfen den Schulen keine Pilotprojekte, in denen untersucht wird, welche Radabstellanlagen, am besten geeigneten sind. In tausenden Schulen in Deutschland werden jeden Tag hunderte Räder abgestellt. Welche Ständer taugen und welche nicht, ist bekannt, das kann die Verwaltung in einer Fahrradstadt auf dem kurzen Dienstweg erfragen.
Für die rund 100 Bochumer Schulen könnte die Stadt auf einen Schlag pauschal Abstellanlagen für 14.000 Räder anschaffen und diese auf alle Schulen verteilen. Sind die aufgestellt, sieht man nach kurzer Zeit, an welchen Schulen noch Abstellplätze fehlen. In einer zweiten Runde können die dann nachbestellt und ergänzt werden. Das Vorgehen ist denkbar einfach und mit dem nötigen Willen ohne Probleme binnen eines Jahres umsetzbar.
Doch in Bochum sind seit Zählung der Abstellanlagen durch die Verwaltung im Jahr 2020 schon wieder fast 3 Jahre vergangen, in denen an den Schulen immer noch nichts passiert ist. Die mangelhafte Arbeitsleistung der Verwaltung ist unerträglich, es fehlt offensichtlich an der Kompetenz selbst einfachste Aufgaben schnell und effizient zu erledigen. Den Willen, Missstände zeitnah und ergebnisorientiert zu beseitigen, sucht man ohnehin vergeblich.
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