Unzählige Transporter verstopfen überall die Innenstädte und blockieren die Fußgängerzonen. Das muss nicht sein, in ganz vielen Fällen ließen sich die Lieferfahrzeuge auf der letzten Meile durch Lastenräder ersetzen, auch in Bochum.
Lastenräder boomen in vielen Städten Europas. In modernen, wirtschaftlich erfolgreichen Städten gehören sie längst zum alltäglichen Stadtbild. 50.000 soll es allein in Kopenhagen geben.
Zunehmend wird auch der Lieferverkehr auf der so genannten “letzten Meile” (letztes Wegstück beim Transport von Waren und Paketen zur Tür des Geschäfts/ Kunden) auf Lastenräder verlagert. Das bedeutet weniger Lärm in den Innenstädten, weniger lästige Transporter und mehr Aufenthaltsqualität, besonders in den Fußgängerzonen.
Lastenräder sind auf der letzten Meile deutlich kostengünstiger und schneller
Eine neue Studie zeigt, dass Lastenfahrräder bei der Warenauslieferung doppelt so effizient und bis zu zehnmal billiger sind als Lieferfahrzeuge. Durch den Einsatz von Lastenfahrrädern können zudem Staus und Umweltverschmutzung drastisch reduziert werden (Lastenradeinsatz in Brüssel: Schneller, sauberer und günstiger).
Der Versuch in Brüssel zeigt, mit Lastenfahrrädern konnten pro Stunde im Durchschnitt doppelt so viele Lieferungen ausgeliefert werden wie mit Lieferwagen (10,1 Pakete pro Stunde statt 4,9 Sendungen). Auch war die Lastenradlieferung erheblich günstiger: Jede Lieferung mit einem Lastenfahrrad kostete im Schnitt 0,10 €, mit einem kleinen Diesel-Lieferwagen fallen Kosten in Höhe von 1,10 Euro an, mit einem E-Transporter immer noch 1,05 Euro. Die Treibhausgasemissionen sanken im Vergleich zu Kleintransportern um 96% (Elektro) bzw. 98 % (Diesel) (Lastenradeinsatz in Brüssel: Schneller, sauberer und günstiger).
Bis zu 30%, manche Schätzungen gehen sogar von bis zu 50% der innerstädtischen Logistik aus, ließen sich schon heute mit Lastenrädern absolvieren (Die letzte Meile: Lastenräder für die City Logistik). Die Ausschöpfung dieses Potenzials würde die Stadt deutlich von innerstädtischem Autoverkehr entlasten.
Wie könnte eine Lösung für Bochum aussehen?
Doch wie könnte das Potenzial im Hinblick auf die Bochumer Innenstadt praktisch ausgeschöpft werden? Benötigt würde ein innenstadtnaher Umladehub, an dem die Waren, die mit Rädern in die Innenstadt transportiert werden können, von den LKW auf die Lastenräder umgeladen werden. Dafür könnten sich z.B. Teile des Geländes des Thyssenkrupp-Stahl-Elektroband-Werkes an der Castroper Straße oder des Kirmesplatzes eignen. Diese liegen in der Nähe der A40 und könnten sogar über Gleise erreicht werden. Denkbar wäre auch ein Hub auf dem Gelände des neuen Gewerbegebiets zwischen Essener Straße, A448 und dem BOGESTRA-Betriebshof.
Zu bedenken ist, ein Umladen der Waren vom LKW auf Lastenfahrräder wird zusätzlich Zeit und Kosten verursachen. Angesichts der bereits dargestellten immensen Zeit- und Kostenvorteile einer Lastenradanlieferung gegenüber einer Direktanlieferung durch die LKW, ließe sich eine Reduzierung der positiven Effekte aber verschmerzen und würde diese nicht zu Nichte Machen.
Schwieriger ist die Einpreisung der für den Betrieb des Umladehubs anfallenden Kosten. Aber auch hierfür gibt es eine mögliche Lösung. So könnte für alle in das Gleisdreieck einfahrenden Lieferfahrzeuge eine Liefer-Maut erhoben werden, mit der die Kosten des Hubs refinanziert werden. Diese Gebühr würde zugleich einen Anreiz bedeuten, die Waren bereits am Hub zu entladen, damit diese per Lastenrad angeliefert werden.
Die Vorteile
Auf diese Weise würde die Innenstadt von einem erheblichen Teil des Lieferverkehrs entlastet. Die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt würde steigen. Die Bochumer Innenstadt könnte sich als modern und fortschrittlich profilieren. Von mehr Fahrrädern im Stadtbild statt klobigen Transporten profitiert auch das Stadtbild. Auch die Zufahrtsstraßen zur Innenstadt würden von Verkehr entlastet. Eine signifikante Einsparung beim Ausstoß von Treibhausgasen ist ohnehin zu erwarten. Zudem würden zusätzliche Jobs entstehen, die keine großen Berufsqualifikationen erfordern, zum einen am Umladehub, zum anderen würden Fahrerinnen und Fahrer für die Lastenräder benötigt. Den Lieferverkehr auf der letzten Meile mit Lastenrädern effizienter abzuwickeln, hätte also viele Vorteile.
In die weitere Zukunft gedacht, wäre es auch denkbar, das ganze Stadtgebiet mit zentralen Umladehubs zu überziehen (z.B einen je Stadtbezirk), um den gesamten Verkehr der letzten Meile bei geeignetem Paketgut mittels Lastenfahrrädern abzuwickeln.
Viele fühlen sich von Verkehrslärm, Stau oder zugeparkten Geh- und Radwegen genervt. Zu viel Autoverkehr in der Stadt macht diese unattraktiv. Auf der anderen Seite ist Autoverkehr nützlich und unverzichtbar. Das Problem ist der übermäßige Verkehr. Doch bis zu welchem Maß ist Autoverkehr stadtverträglich?
Eine Stadt ist zum Wohnen und Leben da, Verkehr in der Stadt ist aber notwendig, um sich in der Stadt zu bewegen, sollte jedoch nicht zur Belastung der Einwohner*innen werden. Zu viel Autoverkehr schadet der Stadt.
Folgen von übermäßigem Verkehr
Die Folgen von übermäßigem Autoverkehr sind vielfältig und beeinträchtigen die Lebens- und Wohnqualität in einer Stadt in vielerlei Hinsicht. Anwohnerinnen von Hauptverkehrsstraßen sind Lärm und Luftverschmutzung ausgesetzt. Zu viel Verkehr verhindert direkte und schnelle Straßenquerungen. Der Verkehr führt zu Trading-Down-Effekten an Hauptverkehrsstraßen. Immobilien lassen sich schwer vermieten, die Mieteinnahmen reichen nicht aus, um die Gebäude Instand zu halten und zu sanieren. Es kommt zu sichtbarem Sanierungsstau bis Verfall. Für Vermieterinnen hat der Verkehr gravierende Mietpreisverluste zur Folge.
Aber auch Menschen, die andere Verkehrsmittel benutzen werden schwer beeinträchtigt. Geh- und Radwege werden zugeparkt, auch Kreuzungen, Grünflächen und anders mehr. Es fehlen Radwege, weil der Autoverkehr den nötigen Raum dafür beansprucht. Der ÖPNV wird behindert, Bus und Bahn stehen im Autostau oder werden durch Falschparkende an der Weiterfahrt gehindert. Auch behindert der Autoverkehr sich selbst. Notwendiger Verkehr zur Arbeit, zu Anlieferung oder Handwerkerverkehr bleibt im übermäßigen Verkehr stecken, weil manche auch für den Weg zum Fitnessstudio oder dem Kleingartenverein noch unbedingt das Auto nehmen müssen.
Der Verlust der BOGESTRA, des Nahverkehrsunternehmens von Gelsenkirchen und Bochum, liegt bei rund 90 Mio. Euro im Jahr. Die Subventionen des Autoverkehrs lägen rein rechnerisch also für beide Städte zusammen bei schätzungsweise 270 Mio., Umgerechnet auf Bochum, dass fast 73% der Anteile des Nahverkehrsunternehmens hält, ergeben sich somit 197 Mio. Euro pro Jahr. So kostet allein das kostenfreie Anwohnerparken die Stadt über 20 Mio. Im Jahr. Dazu kommt die Subvention der städtischen Parkhäuser (Parkhäuser verkaufen und Geld in die Innenstadt investieren). Ebenso steht den Kosten, die die Stadt für den Bau und die Erhaltung der Straßen sowie für Maßnahmen zur Lärmminderung und die Beseitigung von Umweltschäden ausgibt, kein ausreichender Finanzierungsbeitrag der Autofahrenden gegenüber.
Autoverkehr belastet also nicht nur die Bewohner*innen der Stadt, sondern auch massiv die Stadtkasse. Auf der anderen Seite ist Autoverkehr in der Stadt nötig, um die Menschen zu versorgen und sie von A nach B zu bringen, hat also auch einen erheblichen Nutzen.
Nutzen von Autoverkehr
Allerdings hat nicht jede Fahrt mit dem Auto den gleichen Nutzen. Viele Fahrten haben nur für den Fahrenden einen privaten Nutzen, für sonst aber niemanden. Handels- und Handwerks- wie öffentlicher Verkehr haben wiederum einen Nutzen für die Allgemeinheit und die Gesellschaft. Dazu gibt es Fahrten, für die könnten auch andere Verkehrsmittel verwendet werden, deren Benutzung fast ohne Belastungen für die Stadtbewohner*innen und mit kaum oder deutlich geringeren Kosten für die Stadtkasse verbunden wären, z.B. die Nutzung von Fahrrädern, den Füßen oder von Bus und Bahn.
Es gibt also einen Anteil Autoverkehr, der ist notwendig, nicht mit anderen Verkehrsmitteln sinnvoll durchführbar und nutzt der Allgemeinheit und einen anderen. der nutzt nur privat dem Fahrenden, bedeutet aber für die Stadt massive Belastungen sowohl hinsichtlich Lebensqualität wie für die Stadtfinanzen und wäre vermeidbar, weil andere Verkehrsmittel genutzt werden könnten.
Ziel einer Stadt sollte also sein, den Autoverkehr auf das notwendige stadtverträgliche Maß zu reduzieren. Aktuell werden 54% der Wege in Bochum mit dem Auto zurückgelegt. In wirtschaftlich erfolgreichen Städten sind es heute schon ein Drittel bis die Hälfte weniger. Es ist also auch in Bochum möglich den Autoverkehr deutlich zu reduzieren.
Eine Stadt sollte nicht mehr Autoverkehr zulassen, als sie verträgt. Der Platz für Straßen und Parkplätze in der Stadt ist begrenzt, er kann nicht beliebig erweitert werden. Andere Nutzungen, die mehr Menschen nutzen als z.B. ein Parkplatz, müssen Vorrang haben vor einer verkehrlichen Nutzung des öffentlichen Raums. Der öffentliche Raum gehört allen Stadtbewohner*innen und muss daher auch zum Vorteil von möglichst vielen nutzbar sein.
Doch bis zu welchem Maß ist Autoverkehr stadtverträglich und ab wann wird es zu viel? Um diese Grenze zu definieren, muss man die einzelnen Bereiche des Verkehrs betrachten:
Parken – Zahl der zugelassenen Autos In einer Stadt können nur so viele Autos zugelassen werden, wie auch Platz vorhanden ist, wo sie abgestellt werden können. Stellplätze im öffentlichen Raum sind nur da anzulegen, wo sie andere nicht behindern und die Fläche nicht besser und zum Nutzen von mehr Menschen genutzt werden kann. Auf Gehwegen sind also keine Abstellplätze auszuweisen, das Parken ist dort auch nicht zu dulden. Flächen für Wohnungen, gut gestaltete autofreie Stadtplätze oder Radwege zu nutzen ist einer Nutzung als Parkplatzfläche vorzuziehen.
Es ist also darauf zu achten, dass in einer Stadt nur so viele Autos zugelassen werden, wie Abstellplätze dafür vorhanden sind. Entsprechend muss man in asiatischen Großstädten und Metropolen die Voraussetzung, um ein Auto anschaffen und zulassen zu können, der Nachweis eines Stellplatzes. Um die Zahl der Stellplätze zu erhöhen, kann die Stadt Quartiersgaragen bauen (Quartiersparkhaus plus+ – viel mehr Nutzungen außer Parken).
Werden im mehr Autos angeschafft, ohne, dass in der Stadt die erforderlichen Abstellplätze dafür vorhanden sind, ist dies nicht stadtverträglich.
Autogröße Um so kleiner das Fahrzeug um so stadtverträglicher ist es. Die verbrauchte Fläche ist geringer. Der Verkehr fließt besser. Das Überholen von Fahrrädern mit ausreichendem Abstand ist. Z.B. einfacher. 1,4 Menschen fahren im Durchschnitt in deutschen Autos. In vielen sitzt also nur eine Person. In den meisten Fällen ist die Nutzung eines großen Autos also gar nicht nötig. Die verstärkte Nutzung übergroßer Autos hat für die Allgemeinheit keinen Nutzen und ist nicht stadtverträglich sie schafft nur Probleme. So nimmt auch die Schwere von Unfallverletzungen mit Zunahme der Autogröße zu.
Die Stadt sollte also die Anschaffung von Kleinstfahrzeugen fördern und die Anschaffung von unnötig großen Fahrzeugen sanktionieren.
Kosten des Autoverkehrs Die Nutzung des Autoverkehrs ist nicht stadtverträglich, wenn dadurch die Stadtkasse unnötig belastet wird. Es ist zudem nicht gerecht, wenn diejenigen, die kein oder kaum Auto fahren die Kosten des Autofahrens, die andere verursachen, durch ihre Steuern mittragen.
Die Stadt muss also dafür sorgen, dass die Nutzung des Autos so viel kostet, wie das Fahren an Kosten verursacht. Mögliche Instrumente dafür wären eine Zulassungs- und Parksteuer oder eine Citymaut. In jedem Fall sind die Kosten, die Parkplätze im öffentlichen Raum bei der Stadt verursachen, zu 100% allein von denen zu tragen, die sie nutzen.
Behinderung von Rad- und Fußverkehr Aus der Nutzung des Autos darf keine Behinderung des Rad- und Fußverkehrs folgen. Wird dieser durch übermäßigen Autoverkehr behindert, ist dieser nicht mehr stadtverträglich. aus dem Demokratieprinzip folgt, Menschen müssen mit allen Verkehrsmittel gut und sicher durch die Stadt kommen. Dass zu viele Menschen das Auto nutzen, darf nicht zu Lasten der Menschen gehen, die zu Fuß Gehen oder das Rad nutzen möchten.
Das bedeutet es muss ein flächendeckendes und komfortables Netz an Rad- und Gehwegen geben. Der dafür nötige Platz ist unabhängig vom Autoverkehr bereit zu stellen. Die von Autos auf Hauptverkehrsstraßen zu beanspruchende Fläche kann nur so bereit sein, wie nach Abzug von den nötigen Flächen von Rad- und Fußverkehr übrigbleibt. Gegebenenfalls können keine Abstellflächen ausgewiesen werden oder ist nur das Angebot einer Fahrspur möglich. Auch muss überall eine gute Querung von Straßen möglich sein, es darf nicht zu einer sich negativ auf die Wohn- und Lebensqualität auswirkende Barrierewirkung von Straßen kommen.
Den Komfort von Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen zu Gunsten des Autoverkehrs einzuschränken, widerspricht dem Grundsatz einer stadtverträglichen Autonutzung.
Belastung für Anwohnerinnen von Straßen Wohn- und Lebensqualität sind höher zu bewerten als der Wunsch überall durch die Stadt schnell mit dem Auto fahren zu können. Insofern die Folgen des Autoverkehr Wohn- und Lebensqualität von Menschen beeinträchtigt, die an Straßen wohnen, sind diese Belastungen so gering wie möglich zu halten. Somit bedeutet stadtverträglicher Autoverkehr auch, Wohngebiete konsequent von Durchgangsverkehr freizuhalten und Tempo 30 stadtweit dort einzuführen, wo Menschen wohnen. Auch sind in Wohngebieten, Straßen zum Nutzen und Leben der der Bewohnerinnen zu gestalten, das Bedürfnis einzelner auf der Straße direkt vor der Haustür parken zu können ist nachrangig zu behandeln.
Auch darf übermäßiger Verkehr nicht dazu führen, dass Immobilien sich nicht mehr kostendeckend vermieten lassen und Gebäude an Hauptverkehrsstraßen deswegen nicht mehr saniert und modernisiert werden können.
Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen Die Bedürfnisse gesellschaftlicher Gruppen, die aufgrund Alters oder einer Behinderung nicht mit dem Auto unterwegs sein können, bedürfen besonderer Beachtung. So muss es für Kinder ab 11 Jahren möglich sein sicher und selbständig durch die Stadt und zur Schule zu Fuß oder mit dem Rad zu fahren. Für mobilitätseingeschränkte und ältere Menschen müssen die Wege, die sie laufen müssen, um Straßen queren zu können möglichst kurz sein und die Querungszeiten an Ampeln ausreichend lang. Auch ist Menschen, die zu Fuße gehen, bei der Überquerung von Straßen grundsätzlich durch Zebrastreifen Vorrang zu gewähren. Solange übermäßiger Autoverkehr all diese Dinge nicht zulässt, ist er nicht stadtverträglich
Umgekehrt ist für Menschen mit nachgewiesenen Mobilitätseinschränkungen, die auf ein Auto angewiesen sind, zu ermöglichen, dass sie überall gut mit dem Auto hinkommen.
Behinderung von notwendigem Autoverkehr durch unnötigen Autoverkehr Letztlich ist es auch nicht stadtverträglich, wenn überflüssiger Autoverkehr, für den auch andere Verkehrsmittel genutzt werden könnten, den Verkehr, für den ein Auto notwendig ist, behindert und zum Beispiel Staus erzeugt, oder erforderliche Abstellflächen belegt. Will man größere Dinge transportieren oder fehlt es an einer alternativen bzw. zumutbaren ÖPNV-Verbindung, ist die Nutzung des Autos sinnvoll und muss stadtverträglich möglich sein.
Die Stadt muss also versuchen, den notwenigen Verkehr zu bevorzugen, z.B. durch Bereitstellung von Ladezonen und den übermäßigen und stadtunverträglichen Autoverkehr unattraktiv machen. Dazu ist zum einen der Ausbau von Alternativen erforderlich, insbesondere des ÖPNV- und Radwegenetzes, zum anderen ist unnötigem Verkehr entgegenzuwirken, zum Beispiel Straßen vor Schulen zu sperren, damit Eltern ihre Kinder nicht mit dem Auto zur Schule bringen.
Autoverkehr auf ein stadtverträgliches Maß reduzieren
Bisher verfolgt die Stadt Bochum nicht das Ziel, den Autoverkehr in der Stadt auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. So lässt sie es weiterhin zu, dass immer neue Autos angeschafft werden, auch wenn im Stadtgebiet dafür gar keine legalen Abstellplätze mehr vorhanden sind. Die Stadt hat die Kontrolle über den Autoverkehr verloren. Sie ergreift nicht aktiv Maßnahmen, um den übermäßigen Autoverkehr zu reduzieren, sie reagiert nur in dem sie z.B. zusätzliche Parkplätze auf Gehwegen ausweist oder das Parken auf Gehwegen duldet und damit anderen Verkehren Platz wegnimmt.. Ebenso werden mit übermäßigem Autoverkehr immer wieder Zustände gerechtfertigt, die zum Nachteil anderer Verkehrsträger gehen. So wird die Einrichtung von Radwegen oder die Anlage von Zebrastreifen gerne mit der Begründung abgelehnt, der Autoverkehr sei zu hoch.
Eine attraktive Stadt lässt nur so viel Autoverkehr zu wie nötig und stadtverträglich möglich ist. Zu viel Verkehr macht Städte unattraktiv, besonders für Manschen die aus anderen Städten die negativen Folgen übermäßigen Autoverkehrs nicht kennen. Den Autoverkehr auf ein stadtverträgliches Maß zu senken ist also nicht nur ein Gewinn für die Wohn- und Lebensqualität in der Stadt, sondern ist auch ein entscheidender Faktor bei der Ansiedlung von Menschen und Unternehmen sowie für den Eindruck ,den Menschen von der Stadt haben, die sie besuchen, z.B. als Touristen.
Die zwischen 2016 und 2021 in Bochum versiegelte Fläche ist so groß wie 70 % des Gleisdreiecks. Besonders zur Versiegelung haben beigetragen der Wohnungsbau (224 Fußballfelder) und der zunehmende Straßenverkehr (184 Fußballfelder), während die versiegelten Flächen für Industrie-, Gewerbeflächen (-143 Fußballfelder) und Bahnverkehr (-245 Fußballfelder) stark abgenommen haben. Die Grün- und Naturflächen haben sich um die Größe von 122 Fußballfeldern verkleinert.
Die Daten des Statistikatlas NRW zeigen, wie sich die Nutzung der Bochumer Stadtfläche zwischen 2016 und 2021 verändert hat. Siedlungs- plus Verkehrsfläche machten 2016 insgesamt 69,6 % der Stadtfläche aus. 5 Jahre später, 2021 waren es 70,4 % (+0,8 %P), während Natur- Grün und Gewässerflächen entsprechend abgenommen haben.
Änderungen bei den Flächennutzungen 2016 – 2021
Ein genauer Blick zeigt, dass bei den Siedlungsflächen insbesondere die Wohnfläche (160 ha) und die Erholungsflächen (204 ha) zugenommen haben, während Gewerbe- und Industrieflächen sowie sonstige Flächen (u.a. Brach- und Mischflächen) um jeweils 102 ha abgenommen haben.
Im Bereich Verkehr hat die Fläche für den Straßenverkehr um 131 ha zugenommen, insgesamt aber haben die Gesamtflächen im Verkehr um 44 ha abgenommen, da insbesondere große Bahnareale stillgelegt wurden. Die Zunahme der Straßenverkehrsfläche ist insbesondere Folge der Zunahme des Fahrzeugbestands in der Stadt im Zeitraum 2016 und 2021. Der Fahrzeugbestand wuchs in diesem Zeitraum um 32.109 Fahrzeuge. Allein bei den versiegelten Abstellflächen bedeutet diese Zunahme einen zusätzlichen Flächenverbrauch von 40 ha, also 56 Fußballfeldern, wenn man davon ausgeht, dass jedes Fahrzeug eine Abstellfläche von 12.5 qm benötigt.
Bei der Vegetationsfläche (Grün- und Naturfläche) ist der Rückgang um 87 ha insbesondere auf eine Reduzierung der landwirtschaftlichen Fläche um 495 ha zurückzuführen. Aber auch die Waldfläche ist um immerhin 73 ha zurück gegangen.
Versiegelte Stadtfläche
2016 waren insgesamt 37,92 % der gesamten Stadtfläche versiegelt (Versiegelungskarte Bochum). Ausgehend davon, dass sich 2021 der Anteil der versiegelten Fläche an der Siedlungs- und Verkehrsfläche gegenüber 2016 nicht verändert hat, wird die beschrieben Zunahme von Siedlungs- und Verkehrsfläche eine entsprechende Zunahme der versiegelten Fläche nach sich gezogen haben. Rein rechnerisch ergeben sich damit für das Jahr 2021 5.612 ha versiegelte Fläche. Das ist eine Zunahme von 89 ha (+1,6 %) in nur 5 Jahren. Diese Fläche entspricht der Größe von 125 Fußballfeldern oder 70 % der Fläche des Gleisdreiecks, das fast 125 ha groß ist.
Im Sinne von Klimaschutz und Nachhaltigkeit ist es erforderlich, dass die Nettoneuversiegelung auf null gesenkt wird, denn würde das jetzige Versiegelungstempo anhalten, wären 2051 breits 6.146 ha Stadtfläche versiegelt, das wären dann 42,2% der Gesamtfläche (+9,6 %P).
Stadt Bochum benötigt eine Flächenbilanzierung
Bereits 2017 (Antrag 20172961) und dann erneut 2019 (Antrag 20190136 haben die STADTGESTALTER eine Flächenbilanzierung vorgeschlagen, um eine weitere Versiegelung der Stadtfläche zu verhindern. In beiden Fällen sind die Anträge am Widerstand von Rot-Grün gescheitert. Ebenso erging es 2023 einem Antrag der Linken mit gleichem Ziel (Antrag 20231069).
Bei der Flächenbilanzierung wird die Größe der Stadtfläche festgelegt, die maximal versiegelt werden darf. Sollen Flächen z.B. für neuen Wohnungsbau neu versiegelt werden, müssen dieser in der Flächenbilanz Flächen in mindestens gleicher Größe entgegenstehen, die im gleichen Zeitraum entsiegelt werden (z.B. ungenutzte Industrieflächen). So lässt sich mit Hilfe der Flächenbilanzierung das Ziel der Nettonullversiegelung erreichen.
Zusätzlich kann man bei der Flächenbilanzierung weitere Flächengrenzwerte festlegen, z.B. dass die Straßenfläche einen festgelegten Wert nicht überschreiten und Wald- und Naturflächen gewisse Werte nicht unterschreiten dürfen.
Flächenbilanzierung mit Flächenbewertung
Das Instrument ließe sich zudem erweitern um eine Komponente, die auch den Wert der Flächen erfasst. Auch dazu haben die STADTGESTALTER einen Vorschlag gemacht (Bochum braucht eine Flächenentwicklungsplanung). Flächen haben unterschiedliche soziale, ökologische und ökonomische Nutzenwerte. Wird zum Beispiel eine Waldfläche zur Wohnfläche umgenutzt, sinkt der ökologische Wert, steigt aber der soziale und ökonomische Wert der Fläche.
Jedem Quadratmeter Stadtfläche kann ein sozialer, ökologischer und ökonomischer Nutzwert zugeordnet werden. Auf dieser Basis können für die gesamte Stadtfläche die Quadratmeter-Nutzwerte aggregiert werden. Es ergibt sich für alle drei Nutzwerte jeweils ein Summenwert für die gesamte Stadtfläche. Das ermöglich der Politik für alle drei Bereiche Zielwerte festzulegen, die durch die städtische Flächenpolitik erreicht werden sollen. Um die gesetzten Ziele zu erfüllen, kann die Stadt dann gezielte Maßnahmen (z.B. Entsiegelung, Pflanzung von Bäumen, Wohnbebauung und andere Umnutzungen) auf den Weg bringen.
Eine Flächenbilanzierung besteht somit aus zwei Komponenten, quantitativen Flächenvorgaben für maximale Versiegelung und bestimmte Nutzungsarten und den qualitativen Zielwerten für die ökologische, soziale und ökonomische Nutzung der Flächen.
Das Zusammenspiel von Nettonullversiegelung, Flächenentwicklungsplan und Handlungskonzept Wohnen
Damit die fortschreitende Versiegelung der Stadtfläche gestoppt wird, bedarf es aber zunächst eines Umdenkens in der Politik. SPD und Grüne müssen ihren Widerstand gegen entsprechende Instrumente aufgeben, mit denen das Ziel einer Nettonullversieglung erreicht werden kann.
Die STADTGESTALTER schlagen vor Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck für Lebensmittel mit einer städtischen Steuer zu belegen und den Verleihunternehmen von E-Scootern für die Nutzung öffentlicher Flächen Sondernutzungsgebühren abzuverlangen. Die eingenommenen Gelder sollen für die Anschaffung von Mehrwegsystemen und Scooter-Abstellplätze eingesetzt werden.
Rund um die Filialen von Starbucks, Mc Donalds und ähnlichen Gastrounternehmen quillen die Mülleimer über mit Kaffeebechern und Fastfood-Müll. Das, was nicht in die Abfallbehälter passt oder die Kunden nicht bereit waren in die Mülleimer zu werfen, findet sich auf den umliegenden Straßen, Gehwegen und Grünanlagen wieder, muss also teuer von der Stadt aufgesammelt und entsorgt werden.
Das Problem: Einwegverpackungen
In Deutschland werden jedes Jahr 2,8 Milliarden Einwegbecher verbraucht (Süddeutsche vom 21.05.19). Die Herstellung der Becher verbraucht Ressourcen wie z.B. Trinkwasser in besonders erheblichen Mengen. Die Nutzung allein von Einwegbechern für Heißgetränke in Deutschland entspricht umgerechnet den Umweltbelastungen von 5.000 Haushalten in Deutschland pro Jahr (Verbraucherzentrale vom 10.02.2021). Wohlgemerkt für eine Verpackung, die nach zirka 10 Minuten keinen Nutzen mehr hat und im Müll landet. Sorglos weggeworfene Einwegverpackungen verrotten nicht, sondern tragen über sehr lange Zeit Mikroplastik in den Boden ein.
In der Stadt Tübingen wurde Anfang 2022 eine Verpackungssteuer eingeführt Mc Donalds, Starbucks und Co müssen dort je 50 Cent für Einweggeschirr und Einwegverpackungen sowie 20 Cent für Einwegbesteck zahlen, höchstens aber 1,50 Euro pro ausgegebenes Essen. Mc Donalds wollte die Verpackungssteuer nicht hinnehmen, scheiterte aber in allen Instanzen zuletzt vorm Bundesverwaltungsgericht (BVerwG: Tübingen darf Verpackungssteuer erheben).
Förderung von Mehrweg
Die Einnahmen, die durch die Einwegverpackungssteuer erzielt werden, sollen nach den Vorstellungen der STADTGESTALTER genutzt werden, um Bochumer Unternehmen aus der Gastronomie bei der Anschaffung von Mehrweg-Behältnissen und Mehrweg-Geschirr oder einer Gewerbespülmaschine bzw. bei der Teilnahme an einem Pfand-Poolsystem zu unterstützen.
Bisher zeigt sich Bochum beim Vorgehen gegen Einwegverpackungen wie in Umweltfragen generell wenig ambitioniert. Lediglich bei Großveranstaltungen soll es bisher kein Plastikgeschirr mehr geben. Ernsthaft durchgesetzt wird der Beschluss jedoch kaum, wie zuletzt auf dem Weihnachtsmarkt 2022 zu beobachten war.
Weiters Problem: Einwegverpackungen bei der Lieferung von Essen
Auch die Einwegverpackungen, die bei Lieferungen von Essen nach Hause anfallen, stellen ein großes Problem dar. Zwar müssen alle Gastronomen zu lieferndes Essen seit Anfang 2023 ebenfalls in Mehrweg- oder Nicht-Plastikverpackungen anbieten, Hinweise auf dieses Angebot, sucht man bei Lieferdiensten bisher aber oft vergeblich. Viele Gastronomen haben die Verpflichtung zu diesem Angebot bisher offenbar noch gar nicht umgesetzt (Greenpeace 29.03.23). Darüber hinaus nehmen bisher nur wenige Kunden das Angebot wahr.
Auch im Fall von Lieferungen ist nicht anzunehmen, dass der ausschließliche Einsatz von Mehrwegsystemen freiwillig erfolgen wird. In einem nächsten Schritt wäre daher zu überlegen, wie die Verpackungssteuer auf den Einwegmüll, der bei Lieferungen anfällt, ausgeweitet werden kann.
Sondernutzungsgebühr für Verleihroller
Auch bei den E-Scootern schlagen die STADTGESTALTER vor, die Verleihunternehmen zukünftig zur Kasse zu bitten, und zwar für die Nutzung des öffentlichen Raums zum Abstellen der Fahrzeuge (Antrag Sondernutzungsgebühr E-Scooter)). Für jeden E-Scooter soll dafür eine Gebühr zur Nutzung öffentlichen Raums erhoben werden. Die Stadt Köln erhebt 85 bis 130 pro E-Scooter. Das Oberverwaltungsgericht Münster entschied im Mai dieses Jahres, für das Abstellen von E-Scootern im öffentlichen Straßenraum darf die Stadt Köln von den Betreibern gewerblicher Verleihsysteme solche Sondernutzungsgebühren erheben. (StGB NRW-Mitteilung vom 22.05.2023)
Die Erhebung der Nutzungsgebühr ist nur konsequent. Wer eine öffentliche Fläche für private Zwecke nutzt bzw. mit Gewinnerzielungsabsicht, ohne dass dabei ein nennenswerter Nutzen für die Allgemeinheit entsteht, der sollte die Kosten tragen, die er dafür verursacht. Das sollte für E-Scooter wie für Autos gleichermaßen gelten (Bewohnerparken). Wie sich die STADTGESTALTER dafür einsetzen, dass für Autos, die im öffentlichen Straßenraum geparkt werden, eine kostendeckende jährliche Bewohnerparkgebühr von 250 Euro gezahlt werden sollte (Antrag Gebühren für Bewohnerparken), sollte das Abstellen von Leihrollern auf öffentlichen Gehwegen in gleicher Weise behandelt werden.
Durch den gewerblichen Verleih von E-Scootern kommt es zu einer zum Teil erheblichen Einschränkung des Gemeingebrauchs des öffentlichen Raums bei einem gleichzeitig realisierten wirtschaftlichen Vorteil für die Betreiber (VG Köln, Urteil 21 K 4874/22 vom 11.01.2023) Die zu entrichtende Gebühr ist die Gegenleistung für die erlaubte Sondernutzung der Straße als Privileg des Erlaubnisnehmers unter gleichzeitiger Inkaufnahme, dass die anderen Verkehrsteilnehmer dadurch in ihrem Gemeingebrauch der Straße beeinträchtigt werden können.
Weitere Maßnahmen gegen das E-Scooter-Chaos
Auch bei den E-Scootern, sollte die Stadt die eingenommenen Gebühren in Maßnahmen zur besseren Ordnung des E-Scooter Verkehrs investieren, z.B. in die Markierung spezieller Abstellflächen für die Leihroller. Bereits 2019 hatten die STADTGESTALTER noch 11 weitere Maßnahmen gegen das E-Scooter-Chaos vorgeschlagen (12 Maßnahmen gegen das E-Roller Chaos). Leider blieb die Stadt auch in diesem Bereich bisher weitgehend untätig.
Verpackungssteuer wie Sondernutzungsgebühr für E-Scooter würden dazu beitragen, etwas mehr Ordnung und Sauberkeit auf den Bochumer Straßen zu schaffen. Dazu muss es Ziel der Stadt sein, die in der Stadt erzeugte Müllmenge drastisch zu reduzieren, um Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen. Man darf gespannt sein, ob die Bochumer Politik sich diesmal durchringt in dieser Hinsicht das erforderliche zu tun.
2019 ruft Bochum den Klimanotstand aus. 2035 will die Stadt klimaneutral sein. Reichen die bisherigen Anstrengungen aus, um das Ziel zu erreichen? Die STADTGESTALTER haben untersucht, wie weit die Stadt bei den wichtigsten Maßnahmen ist. Das Ergebnis ist ernüchternd.
Auf den Seiten der Stadtist zu lesen, Bochum will 2035 klimaneutral sein. Doch seit Ausrufung des Klimanotstandes durch den Stadtrat am 6 Juni 2019 hat sich in der Stadt wenig beim Klimaschutz getan. Die Stadt hat es in vier Jahren nicht mal hinbekommen ein aktualisiertes Klimaschutzkonzept aufzustellen, das eine Strategie festlegt, wie sie in den nächsten 13 Jahren bis 2035 den Ausstoß, von klimaschädlichen Treibhausgasen auf Null reduzieren will. Die Stadt handelt weiter planlos.
Doch auf welchem Stand ist sie vier Jahre nach Ausrufung des Klimanotstandes tatsächlich. Das haben die STADTGETALTER untersucht.
Was ist für Klimaneutralität nötig?
Um das Ziel Klimaneutralität zu erreichen, muss der Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen in der Stadt beendet werden. In Bochum entsteht klimaschädliches CO2 fast ausschließlich durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen: für die Stromerzeugung (30%), die Wärmeerzeugung (36%) und im Verkehr (Mobilität 34%). In allen drei Bereichen, muss also die Erzeugung der benötigten Energie auf erneuerbare Quellen umgestellt werden. Das kann nur gelingen, wenn die fossilen Brennstoffe durch erneuerbar erzeugte elektrische Energie ersetzt werden. Klimaneutralität ist also in Bochum dann erreicht, wenn der Strom, der in der Stadt verbraucht wird, zu 100% aus erneuerbaren Quellen kommt und die Energie zur Erzeugung von Wärme und Mobilität fast ausschließlich elektrischer Natur ist.
Für alle drei Bereiche haben die STADTGESTALTER also untersucht, wie weit zum heutigen Zeitpunkt in Bochum bereits erneuerbare Energie zum Einsatz kommt und wie weit die Stadt vom selbst gesetzten Ziel davon 100% erneuerbare Energieträger einzusetzen entfernt ist. Grundlage der Untersuchung war zum einen der Energieatlas NRW, dem bis zum Jahr 2021 entnommen werden kann, welche Potenziale für die Nutzung erneuerbarer Energien in Bochum bestehen und wie diese in der Stadt bereits ausgenutzt werden, zum anderen eine Sondierungsstudie des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, wie die Stadt Wuppertal bis 2035 klimaneutral werden kann (Wuppertal klimaneutral 2035, Sondierungsstudie aus dem Jahr 2021).
In der Studie des Wuppertaler Instituts wird dargestellt, welche realen Möglichkeiten bestehen die theoretisch bestehenden Potenziale auszunutzen, um stadtweit fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen. Die Ergebnisse zur Stadt Wuppertal lassen sich gut auf Bochum übertragen, da beide Städte etwa die gleiche Einwohnerzahl wie Größe aufweisen und sich hinsichtlich Klimaneutralität im Jahr 2021 auf annähernd gleichen Stand befanden und etwa die gleichen Potenziale aufweisen, die genutzt werden müssten, um das Ziel bis 2035 klimaneutral zu werden, zu erreichen.
Strom – Wärme – Verkehr (Mobilität)
Der Energieatlas NRW gibt für Strom und Wärme folgende Potenziale für die erneuerbare Erzeugung in Bochum an:
Die ausgewiesenen Potenziale wurden in einer Reihe von Potenzialstudien ermittelt, die das Land NRW in den letzten Jahren in Auftrag gegeben hat.
Für die drei Bereiche Strom, Wärme und Mobilität (Verkehr) stellt sich damit der Sachstand für Bochum wie folgt dar:
Strom – 2021 lag der Gesamtverbrauch an Strom in Bochum bei 2.733 GWh. Um klimaneutral zu werden, geht das Wuppertal Institut davon aus, dass der Verbrauch ohne Wärme- und Verkehrsanwendung um 45% bis 2035 gesenkt werden muss. Durch den zunehmenden Einsatz von Strom zur Erzeugung von Wärme und im Verkehr wird in Summe bis 2035 eine Zunahme auf 110% gegenüber dem heutigen Verbrauch erwartet. Auf Bochum übertragen würde der Stromverbrauch 2035 somit bei 3.006 GWh liegen.
Um dieses Ziel zu erreichen, müsste der Stromverbrauch (ohne Verkehr und Wärmeerzeugung) in Bochum von 2021 bis 2035, also in 14 Jahren, im Schnitt pro Jahr um 88 GWh abnehmen. Dies ist bisher nicht der Fall. Nennenswerte Bemühungen den Stromverbrauch in Bochum zu senken, gab es im Rahmen von Klimaschutzmaßnahmen bisher nicht. Erst durch die Energiekrise in Folge des Ukrainekriegs, wurde die Stadt genötigt, sich Maßnahmen zu überlegen, wie der Energieverbrauch der Stadt gesenkt werden kann.
Neben der Senkung des Verbrauchs ist die Umstellung der Stromerzeugung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energieträger für die Erreichung des Ziels Klimaneutralität entscheidend. 2014 wurde nur 11,5 % des Stroms, den die Stadtwerke Bochum an ihre Kunden verkauft haben, klimaneutral, auf Basis erneuerbaren Quellen erzeugt, 88,5 des Stroms wurden mit Gas, Kohle oder Atomkraft hergestellt. Der Anteil des erneuerbar erzeugten Stroms dürfte bis 2021 auf etwa 16% angewachsen sein. In Bochum selbst werden nur 2% des Stroms erneuerbar erzeugt.
Durch den Einkauf von norwegischen Ökostromzertifikaten geben die Stadtwerke zwar selbst an, 48,8% des Stroms stamme aus erneuerbaren Quellen (Strommix Stadtwerke Bochum) . Dies ist allerdings eine falsche Darstellung, die zwar legal ist, aber an den realen Daten nichts ändert. Die Stadtwerke kaufen in Norwegen Zertifikate für mit Wasserkraft erzeugten Strom ein, um damit tatsächlich fossil erzeugten Strom als erneuerbar ausweisen zu können (Bochum muss deutlich mehr tun fürs Klima). Das ist Etikettenschwindel und wird als Greenwashing bezeichnet.
Der Energieatlas NRW weist für Bochum aus, dass auf den Dächern und Freiflächen der Stadt insgesamt 1.255 GWh Strom pro Jahr solar erzeugt werden könnten (Photovoltaik: PV). Das wären 45,9% des Gesamtstromverbrauchs von 2021. Mit anderen erneuerbaren Energieträgen (u.a. Biomasse, Wasserkraft) ließen sich weitere 3.2% des Verbrauchs erneuerbar herstellen. Für Windkraft besteht kein Potenzial in Bochum. Somit liegt das Hauptpotenzial zur Stromerzeugung in Bochum selbst bei PV-Anlagen. Im Jahr 2021 wurden nur 74,4 GWh Strom in Bochum erneuerbar erzeugt, davon 40 GWh solar. Vom bestehenden Gesamtpotenzial für erneuerbare Energieerzeugung wurden bisher nur 2,7% ausgenutzt.
Das Wuppertalinstitut geht davon aus, dass von dem ausgewiesenen PV-Potenzial bis 2035 80% nutzbar gemacht werden könnten, also 1.004 GWh pro Jahr. Um dieses Potenzial voll ausnutzen, müsste der mittels Photovoltaik auf Bochumer Dach- und Freiflächen erzeugte Strom im Jahr um 69 GWh steigen, 2022 konnte aber nur ein Ausbau um 8 GWh erreicht werden. Der Ausbau geschieht also viel zu langsam. Zwar werden auf öffentlichen Gebäuden mittlerweile PV-Anlagen aufgebaut doch werden teilweise immer noch, wie beispielsweise bei der Sporthalle in Linden, die Potenziale nicht voll ausgenutzt und nur ein Teil der Dachfläche mit PV-Modulen bestückt (Neue Zweifach-Sporthalle in Linden).
Auch fehlt der politische Wille den Ausbau von PV zu fördern. So lehnten SPD und Grüne sowohl eine Förderung von Balkonsolaranlagen ab (Vorlage 20211923) , ebenso wie eine Erhöhung der Vergütung von in das Bochumer Stromnetz einzuspeisenden Solarstrom (Vorlage 20222985/1). Beides wurde von den STADTGESTALTERn vorgeschlagen.
Stand heute ist somit als gänzlich unrealistisch anzusehen, dass Bochum bis 2035 den Stromverbrauch in der erforderlichen Weise wird senken können, noch, dass der nötige Zubau an PV-Anlagen in den verbleibenden 13 Jahren gelingen wird.
Wärme – Für die Erzeugung von Wärme werden in Bochum derzeit jedes Jahr 3.200 GWh Energie aufgewendet (Vorlage 20221538).
Das Wuppertalinstitut geht davon aus, dass der Wärmeverbrauch bis 2035 um 30% gesenkt werden sollte. Für Bochum würde das einen verbleibenden Wärmebedarf von 2.240 GWh im Jahr 2035 bedeuten. Damit der Wärmebedarf sinkt, müssten viele der in Bochum vorhandenen Gebäude energetische saniert werden. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar, denn die in Bochum vorhandenen Gebäude wurden zu einem großen Teil zu Zeiten gebaut, in denen eine Dämmung der Häuser nicht üblich war und insgesamt sehr kostengünstig. materialsparend und wenig energieeffizient gebaut wurde. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssten laut Wuppertal Institut pro Jahr 4% der Bestandsgebäude energetisch saniert werden. Bisher liegt die energetische Gebäudesanierungsrate in Bochum jedoch bei unter 1%.
Das Potenzial zur Erzeugung von Wärme liegt dagegen in Bochum bei 3.265 GWh pro Jahr. Die benötigte Wärme kann also in Bochum zu 100% erneuerbar erzeugt werden. Der größte Teil des Potenzials liegt bei der Geothermie (2.865 GWh). Eine nennenswerte Ausnutzung der erneuerbaren Quellen zur Wärmeerzeugung geschieht in Bochum jedoch bisher nicht, Im Klimaschutzkonzeot 2030 wird angegeben, dass der Wärmebedarf der privaten Haushalte zu 3% mit Holz gedeckt wird. Andere erneuerbare Quellen werden in keinem nennenswerten Umfang genutzt.
Das Wuppertal Institut geht davon aus, dass 50% des rechnerisch vorhandenen Potenzials für Geothermie bis 2035 auch tatsächlich genutzt werden könnte (1.427 GWh), das entspricht einem Anteil von 62% des Wärmebedarfs im Jahr 2035. Dieser teilt sich wiederum auf in Tiefen- und oberflächennahe Geothermie. Weitere Potenziale zur Deckung der verbleibenden 38% Wärmebedarf bestehen in der Nutzung von Solarthermie, Bio- und Syngas, Biomasse und Fernwärme.
Allerdings wird Fernwärme im Ruhrgebiet bisher nur zu 5% aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt (Fernwärme Ruhrgebiet). Dieser Anteil muss bis 2035 auf 100% steigen. Dies stellt eine weitere Herausforderung im Wärmebereich dar.
Im Bereich Geothermie sind in Bochum in letzter Zeit zwar einige vielversprechende Projekte auf den Weg gebracht worden (Erdwärme – Bochums Energie der Zukunft). Allerdings findet der erforderliche Ausbau bisher nicht halbwegs in dem Maße statt wie dies in den Jahren bis 2035 erforderlich wäre. Das gilt in gleicher Weise für die Energieträger Solarthermie, Bio- und Syngas, sowie Biomasse.
Die Politik blockiert auch hier mehr die Entwicklung, als dass sie diese fördert. In Bebauungsplänen für Neubaugebiete wird immer noch keine Verpflichtung zur Wärmeerzeugung mit erneuerbaren Energieträgern vorgeschrieben. Auch lehnten SPD und Grüne sowohl einen Masterplan Geothermie ab (Vorlage 20223026) wie auch den Ausbau von Agrothermie (Vorlage 20223067). Beide Anträge wurden von den STADTGESTALTERn gestellt.
Stand heute ist somit als gänzlich unrealistisch anzusehen, dass Bochum bis 2035 den Wärmeverbrauch in der erforderlichen Weise wird senken können, noch, dass der nötige Zubau an insbesondere Geothermie bis 2035 gelingen wird.
Verkehr (Mobilität) – Der Energieverbrauch des Verkehrs liegt in Bochum bei knapp über 3.000 GWh. Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, sollte laut Wuppertal Institut der Personenverkehr in der Stadt um 20% und der Güterverkehr um 10% sinken.
Darüber hinaus sollte die Zahl der Wege, die mit dem Auto gefahren werden, um 29%P abnehmen. Im Gegenzug müssten die Anteile des Radverkehrs auf 25% (´+18%P) steigen, der Anteil des ÖPNV auf 26% (+11%P).
Für die verbleibenden Wege, die motorisiert zurückgelegt werden, sollten ganz überwiegend E-Fahrzeugen eingesetzt werden. Bei PKW wird eine Quote von 97% angestrebt bei leichten Nutzfahrzeugen von 80%, bei schweren von 70% und bei Bussen von 100%.
Um diese Ziele zu erreichen, tut Bochum jedoch fast nichts. Wirksame Maßnahmen, gezielt den Personen- und Güterverkehr zu senken, gibt es keine, ebenso wenig nennenswerte Projekte um den ÖPNV auszubauen, insbesondere um das Netz zu erweitern und zu verbessern. Das Ziel, den Radverkehr auf einen Anteil von 25% bis 2030 auszubauen, wurde im Rahmen des neuen Radverkehrskonzeptes erst kürzlich kassiert. Jetzt wird nur noch ein Zielwert von 15% verfolgt. Auch beim ÖPNV-Ausbau zeigen sich SPD und Grüne desinteressiert. Wie von den STADTGESTALLTERn vorgeschlagen, Vorplanungen zur Ausweitung des ÖPNV-Netzes (Vorgang 20213912) aufzunehmen, wurde von der Koalition abgelehnt.
Die Zahl der Fahrzeuge mit E-Antrieb nimmt ebenfalls nicht im erforderlichen Maß zu. In jedem Jahr müsste die Zahl der Elektrofahrzeuge bei den PKW um 11.623 zunehmen, bei den LKW um 938. 2022 wurden jedoch nur 4.062 neue E-PKW zugelassen. Die Zahl der E-LKW nahm sogar ab.
Stand heute ist somit als gänzlich unrealistisch anzusehen, dass Bochum bis 2035 den Energieverbrauch im Verkehr in der erforderlichen Weise wird senken können, noch, dass die erforderliche Verlagerung eines Großteils der Mobilität auf klimaneutrale Verkehrsmittel gelingen wird.
Insgesamt ist zu konstatieren, in den drei wichtigsten Bereichen Strom, Wärme und Verkehr (Mobilität) sind keine ausreichenden Anstrengungen der Stadt festzustellen, um das Ziel zu erreichen, dass die Stadt bis 2035 klimaneutral wird.
Weitere wichtige Bereiche zur Erreichung von Klimaneutralität
Aber auch in weiteren Bereichen, die zur Erreichung des Ziels Klimaneutralität wichtig sind, bleiben Anstrengungen in Richtung Klimaschutz aus.
Flächen und Versiegelung – So kann sich die Stadt weiterhin nicht durchringen die weitere Flächenversiegelung und den Neubau auf Frei- und Grünflächen zu stoppen. Auch durch den Abriss alter Gebäude und den Neubau werden große Mengen CO2 verbraucht (Darum brauchen wir eine Bauwende).
Bereits 2019 hatten die STADTGESTALTER die Einführung einer Flächenbilanzierung mit dem Ziel einer Nettonullneuversiegelung beantragt (Vorlage 2019016). Dieser Antrag scheiterte ebenso wie der 2023 von den Linken beantragte Flächenverbrauch-Stopp bis 2030 (Vorlage 20231069). Immer wieder stimmten SPD und Grüne dagegen.
Abfall – Auch die Reduzierung des Restmüllvolumens und die optimale energetische Verwertung des Biomülls kommt in Bochum nicht voran. Die Restmüllmenge in Bochum müsste von 256 kg 2021 auf 50 kg 2035 pro Person sinken (Bochum macht zu viel Müll), tatsächlich erhöht sich die Menge von Jahr zu Jahr.
Auch zur effizienten Nutzung des Biomülls zur Wärme- und Stromerzeugung ist Bochum nicht gewillt. Der von den STADTGESTALTERn diesbezügliche Antrag (Vorgang 2023ß136) wird mit der fadenscheinigen Begründung hinausgezögert, man warte noch auf eine technische Möglichkeit den Biomüll vom Restmüll zu trennen, um eine Biotonnenpflicht zu vermeiden. Dass eine solche technische Möglichkeit bis 2035 entwickelt wird, die auch ökonomisch tragfähig ist, wird von Fachleuten allerdings nicht erwartet.
Städtische Gebäude und Infrastruktur – Auch die Stadt selbst tut immer noch zu wenig in Sachen Klimaschutz. Immerhin führte der Ukrainiekrieg dazu, dass die Stadt aufgrund von Vorgaben des Bundes Maßnahmen ergreifen musste, um den Energieverbrauch städtischer Gebäude um 12% zu senken. Darauf war man mit dem Ziel des Klimaschutzes bisher nicht gekommen. Eine weitere Senkung des Energieverbrauchs ist bisher nicht beabsichtigt, obwohl das Wuppertal Institut insgesamt 40% im Zeitraum 2021 bis 2035 für nötig hält.
Um Klimaneutralität zu erreichen, müsste der gesamte Gebäudebestand der Stadt bis 2035 energetisch saniert werden. Hinzu kommt, dass der gesamte Strom- und Wärmebedarf für die städtischen Liegenschaften bis 2035 zu 100% mit erneuerbaren Energien bereitgestellt werden müsste. Ebenfalls müssten alle städtischen Fahrzeuge durch solche mit E-Antrieb ersetzt werden, inklusive der Busse der BOGESTRA. Wie weit die Stadt in diesen Punkten ist, dazu liegen derzeit allerdings keine Daten vor. Diese werden die STADTGESTLATER in der nächsten Ratssitzung erfragen.
Bei der Senkung des Stromverbrauchs der Straßenbeleuchtung durch die Umrüstung auf LEDs lässt sich bei derzeitigem Tempo das Ziel 2035 alle Leuchten umgerüstet zu haben, nicht erreichen. 400 Laternen werden derzeit pro Jahr umgerüstet, 1.857 müssten es sein. Auch hier tut die Stadt somit zu wenig.
Fazit: Anstrengungen reichen niemals aus, um Klimaneutralität 2035 zu erreichen
In fast allen Bereichen reichen die Anstrengungen nicht ansatzweise aus, um das Ziel, Klimaneutralität bis 2035, zu erreichen. Während die wichtigen Maßnahmen liegen bleiben, ist die städtische Stabsstelle Klima und Nachhaltigkeit vorwiegend mit Klimamarketing beschäftigt. Worte ersetzen Taten: 200 obdachlose Menschen erhalten ÖPNV-Tickets, der Oberbürgermeister unterschreibt Resolutionen, Studien werden verfasst. Sonst passiert wenig bis gar nichts (Stabsstelle Klima und Nachhaltigkeit).
Die Grünen haben unterdessen festgestellt, dass für den Klimaschutz zu wenig Stellen in der Verwaltung vorhanden sind. Im November haben sie noch den Haushalt für 2023 und 2024 sowie den dazu gehörigen Stellenplan gemeinsam mit der SPD beschlossen und alle Anträge der Opposition, die Mittel für den Klimaschutz zu erhöhen, abgelehnt, jetzt fordern sie selbst mehr Personal (Personalnotstand: Wir fordern mehr Arbeitskräfte in der Stabsstelle Klima und Nachhaltigkeit).
Eigentlich legt man zunächst fest, welche Maßnahmen zur Erreichung den Klimaneutralität 2035 erforderlich sind. Leitet daraus ab, wie viele Beschäftigte man in der Verwaltung für die Umsetzung benötigt und schafft diese Stellen dann und setzt danach die beschlossenen Maßnahmen konsequent um.
In Bochum läuft das anders. Erst setzt man sich ohne groß nachzudenken, wie man es realisieren will, ein Ziel. Dann passiert vier Jahre nichts Nennenswertes. Über vier Jahre braucht man allein dafür ein Konzept zu erarbeiten, obwohl man auch ohne aufgeblasenes Konzept lange weiß, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Stadt klimaneutral zu machen. Noch ehe das Konzept fertig ist, beschließt man wie viel Personal man benötigt, um das noch nicht vorhandene Konzept umzusetzen, um dann sechs Monate später zu der Erkenntnis zu kommen, das Personal reiche nicht ansatzweise aus, obwohl immer noch weder ein Konzept vorliegt, noch Bereitschaft erkennbar ist, wirklich zu tun, was erforderlich ist, um das gesetzte Ziel zu erreichen.
Kein Wunder, dass es schwierig ist die Stellen in der Stabstelle Klima und Nachhaltigkeit überhaupt zu besetzen bzw. viele Beschäftige es dort nicht lange aushalten und sich nach kurzer Zeit wieder wegbewerben. Wer will schon unter solch chaotisch anmutenden Rahmenbedingungen arbeiten und sich für ein Ziel einsetzen, das offenbar weder von Oberbürgermeister, Stadtbaurat, noch von SPD und auch nicht von den Grünen mit der notwenigen Entschlossenheit verfolgt wird?
Wilde Müllkippen, hässliche Graffiti, abgesifftes Pflaster, kaputte, zugeparkte Gehwege und abgegammelte, verbaute Gebäude. Bochum und das Ruhrgebiet sind an vielen Stellen schäbig. Es gibt viele Mängel beim städtischen Erscheinungsbild. Was ist zu tun, um das zu ändern?
Dem Ruhrgebiet sagt man keinen besonderen Sinn für Ordnung und Sauberkeit nach. Die Städte, wie Bochum, sehen an vielen Orten entsprechend aus. Zunehmend nervt das die Einwohner*innen und stößt auch Besucher*innen negativ auf. Der Anspruch auf Sauberkeit steigt
Immer mehr wird ein ansehnliches Stadtbild zu einem Markenzeichen moderner Großstädte. Auch im Wettbewerb um Arbeitskräfte ist das Erscheinungsbild der Städte ein wichtiger Faktor. Die Lebensqualität in ordentlichen, gepflegten, sauberen Städten wird höher bewertet als die in jenen, in denen man, wie im Ruhrgebiet, auf diese Dinge sichtbar bisher nur wenig Wert legt.
Wandel des Erscheinungsbildes langwierig und schwierig
Doch ein Wandel ist im Ruhrgebiet schwierig, denn es reicht nicht, dass mehr darauf geachtet wird, dass hässliche Graffiti umgehend übermalt werden und achtlos weggeworfener Müll schnell wieder aufgesammelt wird. Der Anblick vieler verbauter Ecken im Ruhrgebiet verbessert sich nur unwesentlich, wenn Schmierereien und Abfall fehlen, man denke an Friedrich-Ebert-Straße, August-Bebel-Platz oder Buddenbergplatz (Sauber, ordentlich, gut gepflegt und ansehnlich: Vier Faktoren für ein attraktives Stadtbild).
Stadtgestaltung und –planung – Es muss grundlegender angesetzt werden. Schon bei der Stadtplanung muss auf eine hohe Qualität von Stadtgestaltung und Stadtbild geachtet werden. Menschen sind viel eher bereit schick und schön gestaltete Straßenzüge, Plätze und öffentliche Gebäude sauber zu halten als baulich verunstaltete, abgeranzte bis verwahrloste städtische Orte. Die Stadt setzt städtebaulich die Rahmenbedingungen für ein gelungenes, sauberes Stadtbild.
Städtische Instandhaltung, Pflege, Reinigung und Ordnung – Auch für Pflege, Instandhaltung und Stadtreinigung sowie die Ordnung im städtischen Raum ist die Stadt zuständig. In diesem Bereich hapert es ganz grundlegend in den Ruhrgebietsstädten. Über Jahrzehnte wurde die Instandhaltung von Straßen, Gehwegen und städtischen Gebäuden unübersehbar schwer vernachlässigt.
Auch mit der Reinigung und Pflege von Parks, öffentlichen Plätzen und Grünflächen tut man sich schwer. Wege wachsen zu, weggeschwemmte Wegebeläge werden nicht ersetzt, die Mülltüten werden lieblos über die öffentlichen Abfallbehälter gestülpt, quillen teilweise über, achtlos weggeworfener Müll wird mancherorts nur sporadisch eingesammelt.
Häufig werden zudem bauliche Mängel nicht grundsätzlich beseitigt, man behilft sich stattdessen mit Provisorien. So werden kaputte Straßenbeläge nicht sachgerecht repariert oder erneuert, die sondern die Schlaglöcher jedes Jahr aufs Neue mehr schlecht als recht notdürftig mit Asphalt verfüllt.
Auch beim überbordenden Parkchaos zeigen sich die Städte hilflos. Statt Parkplätze und Quartiersparkhäuser zu bauen, wird flächendeckend das rechtswidrige Parken auf Gehwegen geduldet.
Hinsichtlich der Standards bei Sauberkeit, Ordnung und Pflege besteht noch deutlich Luft nach oben. Im Wesentlichen wird getan, was nötig ist, mehr nicht. Besonderer Wert wird auf das Erscheinungsbild der Stadt offensichtlich nicht gelegt. Das Bestehen eines funktionierenden Instandhaltungskonzeptes ist weder bei städtischen Gebäuden noch bei Brücken, Straßen und Plätzen festzustellen. Im Bereich des ruhenden Verkehrs ist in vielen Straßen keine Organisation oder Ordnung zu erkennen, es wird gleichgültig und ohne jede Beachtung der Verkehrsregeln überall da geparkt, wo Platz ist, die Städte scheinen jede Kontrolle verloren zu haben.
Verhalten der Stadtbewohner*innen – Vor diesem Hintergrund fehlt vielen Menschen der Antrieb selbst auf die Sauberkeit ihrer Stadt zu achten. Von einigen wird Abfall illegal in die Natur gekippt oder ohne Nachdenken neben die Müllcontainer des USB gestellt. Andere schnippen ihre Kippen achtlos in die Landschaft, lassen ihren Grillabfall auf den Wiesen im Park zurück oder lassen lästigen Verpackungsmüll einfach da fallen, wo sie gerade langlaufen. Dass fremder Abfall von Menschen vom Pflaster aufgehoben und mal eben in den benachbarten Müllbehälter entsorgt wird, ist nur selten zu beobachten. Das überlässt man den dafür zuständigen städtischen Betrieben und Unternehmen. Es fehlt eine durchgehende Bereitschaft und Haltung, dass man selbst alles dafür tut, die Stadt gepflegt, sauber und ordentlich zu halten. Einige sehen den Wert solchen Verhaltens angesichts des ohnehin an vielen Stellen vernachlässigten Stadtbildes nicht, andere haben entsprechendes Verhalten nie gelernt. Einen besonderen Schwerpunkt insbesondere in den Schulen setzt die Stadt dazu bisher nicht.
Um die Menschen in der Stadt mehr auf das Thema aufmerksam zu machen, findet seit wenigen Jahren allerdings der sogenannte Stadtputz statt, bei dem engagierte Einwohner*innen Teile der Stadt mit Mülltüte und Sammelgerät Teile der Stadt vom Müll befreien. Am 25.03.23 findet die nächste Putzaktion statt (Stadtputz 2023). Eine Maßnahme, die von vielen Menschen dankbar aufgenommen wird, über die die Presse ausführlich und oft berichtet und die so einiges an Aufmerksamkeit auf das Thema lenkt. Doch ausreichen, um das Erscheinungsbild von Bochum und den anderen Städten des Ruhrgebiets dauerhaft aufzuwerten, werden solche Aktionen lange nicht.
Ein neues Leitbild ist nötig
Dafür ist ein Umdenken auf allen Ebenen erforderlich, beginnend bei der Stadtgestaltung, über die Instandhaltung und Pflege von Gebäuden, Straßen, Plätzen und Stadtgrün sowie bei der Ordnung des Stadtraums bis hin zum Verhalten der Stadtbewohner und –bewohnerinnen.
Zur Einleitung dieses Umdenkens bedarf es zunächst einer Änderung des Anspruchs daran, welches Erscheinungsbild im Ruhrgebiet in Zukunft angestrebt wird. Der Anspruch ist bisher eher von Gleichgültigkeit und wenig Veränderungsbereitschaft hinsichtlich des Ist-Zustandes geprägt. “Woanders ist auch scheiße”, sagt man im Ruhrgebiet und findet sich damit ab, wie es ist, auch mit dem an vielen Stellen wenig schmeichelhaften Stadtbild. Der Anspruch sollte also deutlich steigen. Ein neues Leitbild zum gewünschten Erscheinungsbild von Bochum und dem Ruhrgebiet wäre nötig. Es könnte folgende Selbstverpflichtung sein: “Wir im Ruhrgebiet, legen zukünftig besonderen Wert auf das Erscheinungsbild unserer Städte. Bei Stadtgestaltung, Instandhaltung, Pflege, Ordnung wie Sauberkeit.”
Um ein solches Leitbild zu verinnerlichen, müsste es in den Städten des Ruhrgebietes immer wieder thematisiert, überall präsent und öffentlich sichtbar gemacht werden. In den für Stadtgestaltung, Instandhaltung, Pflege, Ordnung und Sauberkeit zuständigen Ämtern, Betrieben und Unternehmen der Städte müsste das Leitbild in den Zielsetzungen verankert werden. Diese wären aufgefordert Strategien und Konzepte zu entwickeln, so dass ihre Arbeit dem neuen Leitbild gerecht wird und die gesetzten Ziele Schritt für Schritt erreicht werden. Dazu müssen sie entsprechend organisiert und ausgestattet werden.
Auch bei Kindern und Heranwachsenden sollte das Thema fest verankert werden. Wird das Leitbild beständig und intensiv in den Schulen behandelt, wachsen zukünftige Generationen heran, für die das Thema eine viel höhere Bedeutung hat. Das so vermittelte Bewusstsein bestimmt wiederum das Verhalten.
Im Bereich Ordnung sollten nach einer Vorlauf- und Hinweiszeit, die entsprechenden Regeln konsequent durchgesetzt werden. Dazu wären auch empfindliche Bußgelder hilfreich, um deutlich zu machen, wie wichtig es den Städten ist, dass die Regeln eingehalten werden. Der Wandel des Erscheinungsbilds wird einige Zeit dauern
Ein Wandel im Erscheinungsbild wird nicht von heute auf Morgen möglich sein. Wie dargestellt bedarf es vieler unterschiedlichster Maßnahmen auf den verschiedensten Ebenen. Ohne entsprechende Überzeugung und den Willen der Politik, dass genannte Leitbild konsequent zu verfolgen, kann der Wandel nicht gelingen. Die Politik muss den Menschen erklären, warum es dauern wird, bis Erfolge sichtbar werden.
Im ersten Schritt aber muss die Politik in Bochum wie dem Ruhrgebiet erkennen, wie wichtig den Bewohner*innen das Erscheinungsbild ihrer Stadt ist und welch große Bedeutung das Thema im Wettbewerb der Städte um Menschen und Arbeitskräfte hat, um den nötigen grundlegenden Wandel zielgerichtet wie entschlossen anzugehen.
Ümminger See, Kirchviertel, Monte Schlacko, Schmechtingwiese. Dort und nicht nur da fehlen öffentliche Toiletten. Die sind allerdings teuer, wenn sie an das Wasser- und Abwassernetz angeschlossen werden müssen. Viel günstiger sind Trockentoiletten. Die lassen sich fast überall schnell und flexibel aufstellen. Die STADTGESTALTER erläutern Funktionsweise und Vorteile.
In Bochum fehlen an vielen Orten Toiletten. Das haben Stadt und Politik erkannt und wollen in den nächsten Jahren die vorhandenen “Versorgungslücken” schließen. Teil der Bochum-Strategie ist daher die Kernaktivität “Bochums stille Örtchen”.
Herkömmliche Wassertoiletten sind teuer und es ist schwer passende Aufstellorte zu finden
Jedoch ist es an vielen Standorten, an denen Toiletten benötigt werden, schwierig dort die bei herkömmlichen Toiletten erforderlichen Wasser- und Abwasseranschlüsse herzustellen. Diese sind zum Beispiel am Ümminger See oder der Ruhr-Badestelle nicht vorhanden. Die Anschlüsse zu schaffen, macht die Errichtung der Toiletten sehr teuer und schränkt die Zahl der Standorte, an denen die Toiletten aufgestellt werden können, stark ein.
Die genannten Probleme bestehen bei autarken Trockentoiletten nicht. Trockentoiletten arbeiten, wie der Name schon sagt, nicht mit Wasser. Bei den meisten Systemen werden Urin und Feststoffe getrennt und mit Separatoren und Einstreu eine Geruchsbelästigung verhindert. Dafür ist kein Chemieeinsatz erforderlich. Durch die Trennung wird der typisch unangenehme Toilettengeruch verhindert. Trockentoiletten funktionieren also ohne Gestank, Wasser und Chemie. Die anfallenden Fäkalien können in einer Biogasanlage vergoren und kompostiert werden und können auf diese Weise für die Energieerzeugung und als Rohstoff für hochwertigen Dünger genutzt werden (Bochum braucht eine Biogasanlage).
Vorteile von Trockentoiletten
Das führt zu einer Reihe von Vorteilen von Trockentoiletten:
Kein Wasser- oder Abwasseranschluss erforderlich
Kreislaufverwertung der Fäkalien als Kompost und Nutzung zur Energieerzeugung
Geruchlos, kein Chemieeinsatz
Barrierefreie Ausführung problemlos möglich
Betrieb von Handwaschbecken mit Regenwasser oder Grauwasser
Stromversorgung über Solarpanele
Individuelle Außengestaltung passend zum Standort möglich
Aufstellung, wenn ausreichend Platz vorhanden ist, fast überall möglich
Keine Bodenversiegelung für Aufstellung erforderlich
Aufbauzeit in ein bis zwei Tagen
Kleinere Toiletten-Module können im Winter abgebaut und eingelagert werden
Wartung und Service mit dem Einsatz von Fahrrädern möglich
Geringe Investitions-, Betriebs- und Unterhaltungskosten
Vorteilhaft für den Einsatz im öffentlichen Raum ist insbesondere, dass Trockentoiletten autark betrieben werden können. Für die Aufstellung wird prinzipiell nicht mehr benötigt als eine ausreichend große ebene Fläche. Es müssen keine Anschlüsse vorhanden sein oder gelegt werden. Es ist kein Fundament erforderlich, mit dem Fläche versiegelt wird. Die Toiletten können auch saisonal aufgestellt werden. Für Zeiten, wo die Toiletten nicht benötigt werden, zum Beispiel in Parks im Winter oder an der Ruhr-Badestelle, wenn keine Bade-Saison ist, können die Toilettenmodule im Ganzen abgebaut und zentral eingelagert werden.
Trockentoiletten sind kostengünstig und können nachhaltig betrieben werden
Wartung, Betrieb und Unterhaltung der Trockentoiletten übernehmen spezialisierte Unternehmen, die täglich für Sauberkeit sorgen, die Fäkalienbehälter tauschen und Reparaturen vornehmen. Diese Dienste können mit dem Fahrrad abgewickelt werden. Volle Fäkalienbehälter werden geruchsdicht verschlossen im Serviceraum der Toilette zwischengelagert und dann gesammelt mit einem größeren Fahrzeug abgeholt und zur fachgerechten Kompostierung in Biogasanlagen gebracht.
Da für Anschlüsse, Fundament, Wasser und Abwasser keine Kosten anfallen, sind Trockentoiletten sowohl hinsichtlich Investition, Unterhaltung und Betrieb deutlich günstiger als herkömmliche Toiletten.
Selbstverständlich lassen sich Trockentoiletten auch barrierefrei bauen und ausstatten. Die Außengestaltung kann den Bedürfnissen des Aufstellortes individuell angepasst werden. Die Toiletten können als bunter Hingucker für einen belebten Platz gestaltet werden, ebenso wie mit natürlichen Holzfassaden für Parks und Grünflächen (Beispiele für öffentliche Trockentoilettenanlagen).
Mögliche Aufstellorte von Trockentoiletten in Bochum
Für Bochum könnten sich die STADTGESTALTER folgende Aufstellorte vorstellen:
Ümminger See – Immer wieder werden am See fehlende Toiletten bemängelt (WAZ 26.05.22). An diesem Standort bietet sich eine saisonale Aufstellung an.
Ruhr-Badestelle – Die aktuell aufgestellten mobilen Chemietoiletten passen sich weder in das Landschaftsbild ein, noch sind sie komfortabel, umweltfreundlich oder behindertengerecht. Die Aufstellung einer Trockentoilette während der Badesaison böte eine ideale Lösung
Schmechtingwiese – Das vormals feste Toilettenhaus wurde vor ein paar Jahren abgerissen. Bisher gibt es keinen Ersatz. Der Einsatz mobiler Toiletten scheiterte, diese wurden als ekelig empfunden und angezündet. Auch an diesem Standort bietet sich eine saisonale Aufstellung an.
Eine Toilettenanlage an der Schmechtingwiese sollte zudem vom Europaplatz gut erreichbar sein und ausgeschildert werden. Denn auch die Wiese vor dem Bergbaumuseum ist bei gutem Wetter sehr gut besucht und bisher gibt es auch dort keine Toiletten..
Monte Schlacko – Auch hier war der Einsatz mobiler Chemietoiletten nicht erfolgreich, eine Alternative fehlt aber. Eine saisonale Bereitstellung der Toiletten wäre am Monte Schlack ebenfalls ausreichend.
Stadtgarten Wattenscheid – Die bestehende Toilettenanlage befindet sich seit Jahren in einem unakzeptablen Zustand. Diese zu sanieren und zu modernisieren würde Unsummen kosten. Die Aufstellung einer Toilettenanlage mit Trockentoiletten könnte eine schnell zu realisierende, saubere und kostensparende Lösung darstellen.
Kirchviertel – Immer wieder fordern die Bewohner*innen des Kirchviertels eine Toilettenanlage auf dem zentralen Platz des Stadtteils (WAZ vom 21.01.21). Bisher scheitert eine Aufstellung insbesondere an den nicht vorhandenen Anschlüssen für Wasser und Abwasser. Diese Anschlüsse benötigt eine Trockentoilette nicht. Mit einer Trockentoilette könnten die Wünsche der Bürger*innen endlich erfüllt werden.
Friedhof Grumme – Die Toilettenanlage auf dem Friedhof ist aufgrund unterlassener Instandhaltung aktuell nicht mehr nutzbar (WAZ vom 03.08.22). Die alternativ aufgestellten Dixie-Klos empfinden die Friedhofsbesucher*innen als Zumutung. Die Aufstellung eines ansprechenden Trockentoilettenmoduls böte einen guten Ersatz.
Auch auf anderen Friedhöfen, auf denen der bauliche Zustand der bestehenden Toilettenanlage ein Problemfall darstellt, sollte über den Ersatz durch Trockentoiletten nachgedacht werden.
Friemannplatz – Auf diesem Platz in Altenbochum, der auch als Marktplatz genutzt wird, wünschen sich die Menschen ebenfalls eine Toilettenanlage. Mit einer Trockentoiletten-Anlage könnte dem Wunsch unkompliziert bei vergleichsweise geringen Kosten nachgekommen werden. Fläche für eine solche Anlage ist auf dem Platz genug vorhanden. Spätestens im Rahmen der geplanten Umgestaltung sollte die Einrichtung erfolgen (Neugestaltung Friemannplatz, Vorschlag STADTGESTALTER)
Grundsätzlich sollte es an jedem Marktplatz in Bochum eine Toilettenanlage geben. Wo solche Anlagen bisher fehlen, ließe sich mit Trockentoiletten eine günstige und attraktive Lösung realisieren.
Westpark – Zwar bieten Pumpenhaus und Jahrhunderthalle Toilettenanlagen an, doch sind diese nicht immer geöffnet. Die Besucher*innen des Parks beklagen insbesondere das Fehlen von barrierefreien Toiletten (WAZ vom 11.10.21). Eine entsprechend barrierefrei ausgebaute Trockentoilettenanlage könnte im Westpark Abhilfe schaffen.
Waldbühne Höntrop – Im Rahmen der Sanierung der Waldbühne beabsichtigt die Stadt auch den Neubau einer Toilettenanlage (Vorlage 20222004). Bei einer Anlage, die naturnah im Wald liegt, sollte den Belangen Nachhaltigkeit und Naturschutz besondere Beachtung geschenkt werden. Entsprechend wäre es sinnvoll, wenn die Planungen die Ausführung der entsprechenden Anlage mit Trockentoiletten vorsehen würden.
Hans-Schalla-Platz – Die Jugend der Stadt versammelt sich an Sommerabenden besonders gerne auf dem Platz vor dem Schauspielhaus und dem auf der anderen Seite der Oskar-Hoffmann-Straße befindlichen Tana-Schanzara-Platz, Doch auch hier fehlen Toiletten. Die Anwohner*innen beschweren sich, dass manche Platzbesucher*innen ihre Notdurft in den wenigen Grünbereichen verrichten und über die daraus resultierenden unzumutbaren Geruchsbelästigungen. Dieses Problem ließe sich ebenfalls mit einer Trockentoilette lösen.
Gustav-Heinemann-Platz – Die in die Jahre gekommene, zum Himmel stinkende Toilettenanlage am “Schmuddel-Durchgang” vom Willy-Brandt-Platz zum Platz neben der Christuskirche soll eigentlich geschlossen werden um die Passage aufzuwerten (WAZ vom 10.05.22). Für die Toiletten sollte dann an einer besser einsehbaren Stelle Ersatz geschaffen werden. Eine attraktiv gestaltete Trockentoilettenanlage könnte direkt hinter dem Rathaus auf den Gustav-Heinemann-Platz gestellt werden. Für diese Anlage wäre eine belebte Stelle mit guter sozialer Kontrolle wichtig,
Wird in ein paar Jahren wie geplant das BVZ (Gebäude der Stadtbücherei und VHS) abgerissen, könnte diese Anlage in die neue Platz- und Parkgestaltung integriert und ohne Probleme an einen neuen Standort umgestellt werden.
Neben den zwölf in diesem Beitrag beispielhaft vorgeschlagenen Standorten gibt es sicher noch weitere Orte im Stadtgebiet, an denen sich der Einsatz von öffentlichen Trockentoiletten lohnen würde.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz
Angesichts des 2019 vom Bochumer Stadtrat festgestellten Klimanotstands und dem von der Stadt verfolgten Ziels besonders nachhaltig zu sein, sollte der Bau herkömmlicher Wassertoiletten aufgrund des Wasserverbrauchs, der ungenutzt abgespülten Fäkalien, wo immer es möglich ist, vermieden werden. Gleiches gilt für die Aufstellung von mobilen Chemieklos. Der durchgehende Einsatz von öffentlichen Trockentoiletten ist letztlich ein klares Statement der Stadt, dass Bochum das Thema Nachhaltigkeit ernsthaft verfolgt.
Würde der gesamte Biomüll in Bochum gesammelt und vergoren, könnten mit einer modernen Biogasanlage rund 4.800 Haushalte mit Strom und Wärme versorgt werden. Der Ennepe-Ruht-Kreis zeigt seit 9 Jahren wie es geht. Bochum kann es sich nicht leisten den wertvollen Biomüll weiterhin zu verbrennen.
In Bochum gelangen pro Einwohner und Einwohnerin und Jahr 106 kg (+42%) mehr Müll in die Restmülltonne als im Ennepe-Ruhr-Kreis (EN-Kreis). Ein großer Teil davon ist Biomüll. Während im EN-Kreis nur 146.78 kg Restmüll pro Person weggeworfen werden (Abfallgebührenkalkulation 2022 – EN-Kreis), sind es in Bochum 256,13 kg (Bochum macht zu viel Müll).
Wie kommt es zu dem eklatanten Unterschied? Im Ennepe-Ruhr-Kreis ist die Biotonne verpflichtend. Jede/r Einwohner*in sammelt pro Jahr im Durchschnitt 82,8 kg Biomüll, In Bochum kommen nur 6,5 kg pro Person zusammen, denn nur 2,6% der Haushalte sammeln Müll in einer Biotonne. In Bochum ist diese nicht verpflichtend.
Eine Biogasanlage ermöglicht es, aus Biomüll durch Vergären des Mülls sehr viel effizienter Strom und Wärme oder Bio(erd)gas zu gewinnen, als wenn der Biomüll mit dem Restmüll verbrannt wird. Darüber hinaus wird in einer Biogasanlage Kompost und Dünger erzeugt, der an landwirtschaftlich Betriebe verkauft und in der Stadt eingesetzt werden kann.
Eine Biogasanlage lohnt sich
In Bochum wird fast der gesamte anfallende Biomüll derzeit ineffizient verbrannt. Bisher gingen Stadtwerke und USB davon aus, die Verwertung des Biomülls mittels einer Biogasanlage sei nicht wirtschaftlich (Antwort der Verwaltung 20221538). Eine Fehleinschätzung, wie die Anlage in Witten, die bereits seit 2013 in Betrieb ist, zeigt.
Auch aufgrund der Biogasanlage zahlen die Einwohner*innen in Witten, der größten Stadt im EN-Kreis, pro Jahr rund ein Drittel weniger Müllgebühren als die in Bochum. Kostet die Verbrennung des Abfalls in den Müllerbrennungsanlagen von EKOCity, die sowohl Bochum wie der EN-Kreis nutzen, pro Tonne 140,32 Euro, fallen für die Verwertung in der Biogasanlage im EN-Kreis nur 113,28 Euro an. Besäße Bochum schon eine Biogasanlage und würde die Stadt diese wie der EN-Kreis nutzen, wäre die thermische und biologische Verwertung des Mülls um 1,65 Mio. Euro pro Jahr günstiger (-13%).
In Anbetracht der aktuell explodierenden Energiepreise ist zu erwarten, dass sich die Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen in nächster Zeit noch in erheblichem Maß weiter verbessert.
Für das Jahr 2022 plant der EN-Kreis die Verbrennung von 48.572 t Restmüll und die Verwertung von 28.856 t Biomüll in der kreiseigenen Biogasanlage (Abfallgebührenkalkulation 2022 – EN-Kreis). Bochum will 2022 93.162 t Restmüll verbrennen, aber nur 2.380 t Biomüll verwerten (Abfallgebührenkalkulation 2022 – Bochum). Dabei leben in Bochum nur knapp 40.000 Menschen mehr als im Ennepe-Ruhr-Kreis (+11%).
Energie für fast 4.800 Haushalte
Würde Bochum – am besten zusammen mit anderen Ruhrgebietsstädten -eine Biogasanlage bauen, dann könnten dort, wenn man die Zahlen aus dem EN-Kreis auf Bochum hochrechnet, 33.177 t Biomüll jedes Jahr verwertet werden. In einer hocheffizienten, hochmodernen Biogasanlage, können bei hoher Qualität des biologischen Mülls heute aus einer Tonne Biomüll 314 kWh Strom und 344 kWh Wärme gewonnen werden (Warum den Bioabfall trennen statt mit dem restlichen Abfall entsorgen?). Eine alternative Möglichkeit wäre, das Biogas mittels einer Biogasaufbereitung aufzubereiten, so dass das aufbereitete Gas in das Gasnetz der Stadt eingespeist werden kann.
Bei einer Gewinnung von insgesamt 658 kWh Energie (Strom und Wärme) pro Tonne Biomüll könnten aus dem in der Stadt anfallenden Biomüll somit insgesamt bis zu 21,9 Mio. kWh Energie erzeugt werden. Diese Energiemenge deckt den Energiebedarf (Strom und Wärme) von knapp 4.800 Bochumer Haushalten. Das sind immerhin 2,43% aller Haushalte in Bochum. Zudem leistet die Biogasanlage einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz, mit ihrem Betrieb würden rund 6.300 t CO2 pro Jahr eingespart.
Eine Biogasanlage löst somit zwar nicht alle Probleme der Stadt in den Bereichen Energie und Klimaschutz, sollte aber beim Angehen dieser Herausforderungen ein wichtiger Baustein sein. Wenig schmeichelhaft für Politik und Stadt, dass trotz dem 2019 ausgerufenen Klimanotstand in Sachen nachhaltiger, energetischer Verwertung von Biomüll bisher in Bochum nichts Nennenswertes passiert ist. Auch zu diesem Thema wurde bisher in der Bochumer Politik nur viel geredet, aber ernsthaft zu handeln bereit war die Mehrheit im Stadtrat nicht.
Es muss möglichst viel Biomüll gesammelt werden
Neben dem Bau der Biogasanlage ist die zweite wichtige Voraussetzung zur Verwertung des in der Stadt anfallenden Biomülls, die verpflichtende Einführung der braunen Biotonne. Nur so kann ausreichend Biomüll für einen effizienten Betrieb einer Biogasanlage gesammelt werden. Zudem müssen die Einwohner*innen dazu angeregt werden die braunen Tonnen auch zu nutzen und den Biomüll möglichst sauber getrennt zu sammeln. Das wird nur gelingen, wenn man auf die Vorbehalte der Menschen bei der Sammlung von Biomüll eingeht:
Es sollte eine regelmäßige Reinigung der braunen Tonnen mit einem Spülfahrzeug erfolgen.
Je nach Bedarf sollte eine wöchentliche Leerung möglich sein.
Zur Vorsortierung des Biomülls in der Küche sollten kostenfrei geeignete Vorsortiergefäße oder schnellkompostierbare Tüten zur Verfügung gestellt werden. Gefäße werden in Bochum bereits kostenlos angeboten, wenn eine Biotonne bestellt wird.
Es sollte eine Ausnahmeregelung von der Verpflichtung zur Biotonne geben, wenn tatsächlich kein Platz für die Aufstellung einer braunen Tonne auf einem Grundstück vorhanden ist.
Wird der Biomüll im Garten kompostiert, sollte keine braune Tonne aufgestellt werden müssen und eine angemessene Reduzierung der Müllgebühren gewährt werden.
Die Menschen sollten durch entsprechende Informationskampagnen überzeugt werden, dass sie mit der Sammlung des Biomülls einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Energieerzeugung und zum Klimaschutz leisten.
Wie sich in anderen Städten und Kreisen (EN-Kreis, Freiburg u.v.a.m.) zeigt, wird ein Großteil der Einwohner*innen bereit sein den Biomüll getrennt zu sammeln und damit einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Energieerzeugung und zum Klimaschutz zu leisten, wenn den genannten Anforderungen nachgekommen wird.
Zeit endlich zu handeln
Nachdem über mehr als ein Jahrzehnt die energetische Verwertung des Biomülls verschlafen wurde, macht die aktuelle Energiekrise deutlich, dass die Energiewende auch in Bochum endlich mit hoher Priorität und Geschwindigkeit umgesetzt werden muss. Mit der Einleitung der erforderlichen Maßnahmen auf das Klimaschutzkonzept zu warten, das bei der Verwaltung seit Jahren im Schneckentempo erarbeitet wird, ist keine Option mehr. Jetzt ist Zeit zu handeln und umgehend den Weg für den schnellen Bau einer städtischen Biogasanlage frei zu machen.
Bis 2035 sollen die Stadtwerke Bochum nur noch Strom aus erneuerbaren Energiequellen liefern. Doch wo soll der Strom herkommen? Die STADTGESTALTER schlagen jetzt vor schwimmende Solaranlagen auf dem Kemnader, dem Ümminger See und den Ölbachteichen zu errichten. Auf diese Weise könnte der Strombedarf von bis zu 11% der Bochumer Haushalte gedeckt werden.
Gemäß des Energie- und Klimaschutzkonzeptes 2030 erzeugen die Stadtwerke Bochum nur 2% des verkauften Stroms aus eigenen erneuerbaren Energiequellen. Vom eingekauften Strom stammte 2018 11.3 % aus regenerativen Quellen (Stadtwerke müssen auf Klimakurs gebracht werden). Diese Anteile versuchen die Stadtwerke in den letzten Jahren durch Beteiligung an Windparks in der Nordsee (WAZ vom 10.09.2020) und Solarparks auf Agrarflächen (WAZ vom 25.08.2021) massiv auszubauen. Denn 2035 will die Stadt Bochum klimaneutral sein und sollen die Stadtwerke nur noch klimaneutral erzeugten Strom verkaufen.
Schwimmende Solaranlagen auf dem Kemnader, dem Ümminger See und den Ölbachteichen
Somit stellt sich in Bochum die Frage, wie können die Stadtwerke mehr regenerativen Strom in Bochum selbst erzeugen?
Als Antwort schlagen Die STADTGESTALTER jetzt vor, für diesen Zweck die Wasserflächen der Stadt zu nutzen: Auf dem Wasser, insbesondere auf dem Kemnader, dem Ümminger See und den Ölbachteichen, könnten schwimmende Solaranlagen (Floating PV – Solaranlagen) errichtet werden.
Auf den genannten Gewässern könnten nach den Berechnungen der STADTGESTALTER bis zu 38 ha Fläche für die Erzeugung von Sonnenstrom genutzt werden. Auf einer Fläche dieser Größe könnten pro Jahr 52.700 MWh Strom generiert werden. Der erzeugte Strom würde den Bedarf von 21.800 Haushalten decken, das entspräche 11% aller Bochumer Haushalte. Die CO2-Einsparung pro Jahr läge bei beeindruckenden 25.500 t.
Höherer Ertrag durch die Kühlung der PV Module durch das Wasser
Hohe Flächennutzungseffizienz
Keine Flächennutzungskonflikte bei Baggerseen, Tagebauseen oder Klärteichen
Verschattung des Gewässers und damit weniger Verdunstung
Risiko von Algenbildung verringert sich durch niedrigere Wassertemperatur
Kostengünstiger Aufbau
Rückstandsfreier Rückbau möglich
Keine Einzäunung zum Schutz vor Diebstahl notwendig
Ein weiterer Vorteil der Nutzung der Bochumer Seeflächen besteht darin, dass der Strom in direkter Nähe der Verbraucher in der Stadt erzeugt würde, also kein Stromtransport über lange Strecken erforderlich ist und so die sonst unvermeidlichen Übertragungsverluste vermieden würden.
Aber es sind auch Nachteile zu bedenken:
Stromgestehungskosten 10 bis 15 Prozent höher als bei Freiflächen Solar-Kraftwerken an Land
Erhöhter Aufwand für Montage und Wartung
Flächennutzungskonflikt bei Seen mit Freizeitnutzung
Es ist also zu überlegen, wie viel Fläche des Kemnader Sees lässt sich für schwimmende Solaranlagen nutzen, ohne dass dadurch die Freizeitnutzung und die Fahrwege der MS Kemnade spürbar eingeschränkt werden. Die STADTGESTALTER sehen auf dem Kemnader See grundsätzlich Möglichkeiten für zwei Solarfelder, das eine 13, das andere 16 ha groß. Zusammen würden beide rund 23% des Sees bedecken. Ebenso wäre denkbar, nur eines der beiden Felder zu realisieren oder diese wie andere Felder in abweichender Form und Größe zu errichten. Die Nutzung des Sees als Solarfläche müsste also mit der Freizeitnutzung abgewogen werden, so dass eine für beide Seiten optimale Lösung gefunden wird.
Auch wäre zumindest bei einem Solarfeld eine Absprache bzw. Kooperation mit der Stadt Witten anzustreben, da auch Seeflächen genutzt würden, die auf dem Stadtgebiet von Witten liegen.
Umweltverträglichkeit
Untersuchungen zur Umweltverträglichkeit von schwimmenden Solaranlagen belegen die Annahme, dass durch solche Anlagen keine Umweltschäden verursacht werden. Die ersten Ergebnisse einer aktuellen Studie der Hanze University of Aplied Science im niederländischen Groningen bestätigen, dass keinerlei Schäden an Flora, Fauna und Wasserqualität bewirkt werden (Keine Umweltschäden durch schwimmende Solaranlagen). Am Kemnader See wäre im Gegenteil zu erwarten, dass durch die Verhinderung von direkter Sonneneinstrahlung und die damit verbundene Reduzierung der Wassertemperatur die schwimmenden Anlagen helfen würden die Ausbreitung der Wasserpest einzudämmen.
Ein großer Schritt für Bochum in Richtung Klimaneutralität
Die Nutzung der Seeflächen für die Stromerzeugung würde Bochum dem Ziel Klimaneutralität also einen großen Schritt näherbringen ohne dass dadurch große Nachteile für die Stadt zu erwarten wären. Eine Umsetzung ist schnell und vergleichsweise unkompliziert möglich. Nachdem die rechtlichen Fragen geklärt und eine Baugenehmigung erteilt ist (Rechtliche Rahmenbedingungen für schwimmende Solaranlagen), dauert der Aufbau der Anlagen nur wenige Wochen (Aufbau einer schwimmenden PV-Anlage).
Die Kosten für den Bau von schwimmenden Solaranlagen mit einer Flächen von 38 ha kann derzeit mit 40 – 65 Mio. Euro kalkuliert werden (0,7 bis 1,05 Euro/Wpeak). Das entspricht dem Verlust, den die Bochumer Stadtwerke derzeit in 2 bis 4 Jahren mit dem Kohlekraftwerk Lünen erwirtschaften. Die Investitionssumme ist für den Kraftwerksbereich also vergleichsweise gering.
Grundsätzlich sollten die Stadtwerke Bochum nach Ansicht der STADTGESTALTER eine Energieerzeugung aus regenerativen Quellen soweit möglich in Bochum selbst anstreben. Schwimmende Solaranlagen bieten dazu eine ideale Möglichkeit. Zu einer weiteren Möglichkeit werden die STADTGESTALTER in Kürze einen zweiten Vorschlag präsentieren. Wichtig ist, dass Stadt und Stadtwerke, die entsprechenden Potentiale nunmehr gezielt suchen und eine Nutzung ohne weitere Verzögerungen auf den Weg bringen.
Die Stadt will jedes Jahr 800 neue Wohnungen schaffen und erschließt deshalb immer neue Wohngebiete auf Grün- und Naturflächen, auf der anderen Seite hat die Stadt den Klimanotstand ausgerufen. Das passt nicht zusammen. Im Handlungskonzept Wohnen müssen die Ziele des Klimaschutzes berücksichtigt werden.
Zwangsläufig werden mit Neubaugebieten auf Grün- und Naturflächen für den Klimaschutz wertvolle Flächen zugebaut und versiegelt.
Beispiel Bebauung “Am Ruhrort”
Die geplante Bebauung “Am Ruhrort” in Dahlhausen zeigt das Dilemma. Auf einer 2,7 ha großen Fläche, die heute noch Grabeland ist, sollen 26 Doppel- und 38 Reihenhäusern entstehen. Gemäß den Vorgaben des Klimaschutzanpassungskonzeptes verbietet sich eigentlich eine Bebauung. Geht man nach den Zielsetzungen Wohnbauflächenprogramm und Handlungskonzepts Wohnen soll das Gebiet bebaut werden um neuen Wohnraum zu schaffen. Die Verwaltung schreibt entsprechend im Umweltbericht zum Bebauungsplan (Anlage 5, S. 34 ff.), dass das Klimaschutzkonzept sich in einem “unmittelbaren inhaltlichen Dissens” zum Handlungskonzept Wohnen befindet. Die mit dem Bebauungsplan “Am Ruhrort” geplante Siedlungsflächenentwicklung stehe im Widerspruch mit der Handlungskarte Klimaanpassung und somit potenziell auch im Widerspruch mit den Klimaschutzbelangen (Umweltbericht, Anlage 5).
Um das Dilemma im konkreten Fall aufzulösen, kommt die Verwaltung zu der fragwürdigen Abwägung, das Klimaschutzanpassungskonzept sei nur im Fachausschuss des Rates beschlossen worden, das Handlungskonzept Wohnen jedoch im Rat selbst, daher sei letztgenanntes höher zu bewerten. Der vom Rat ausgerufene Klimanotstand habe nur symbolischen Wert und sei bei der Abwägung nicht einzubeziehen.
Handlungskonzept Wohnen kennt bisher keinen Klimaschutz
Im Handlungskonzept Wohnen kommen die Worte “Klimaschutz” und “Umweltschutz” gar nicht vor. Das Konzept nennt lediglich das Ziel “Nachhaltigkeit ermöglichen”. Aber selbst diese Zielsetzung bleibt vage. “Die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Ansprüche an den Raum sollen miteinander in Einklang” gebracht werden, heißt es im Handlungskonzept. Was darunter konkret zu verstehen ist, bleibt offen.
Die bisherige Zielformulierung im Handlungskonzept Wohnen führt im Ergebnis dazu, dass die Verwaltung immer wieder die Belange des Klima- und Umweltschutzes beiseite schiebt und diese dem Ziel mehr Wohnraum zu schaffen unterordnet. Angesichts dessen, dass die Stadt den Klimanotstand verkündet hat, ist dieses Vorgehen nicht nachvollziehbar. Wenn sich die Stadt in der festgestellten Notlage befindet, dann ist in jeder Hinsicht unmittelbares Handeln zugunsten des Klimaschutzes erforderlich und Handeln, das den Notstand verschärfen kann, unter allen Umständen zu unterlassen
Handlungskonzept Wohnen 2.0
Also ist dringend eine Überarbeitung des “Handlungskonzeptes Wohnen” erforderlich, die den Anforderungen des verkündeten Klimanotstand gerecht wird. In das neue Handlungskonzept 2.0 wäre aufzunehmen, dass alle aus dem Konzept abgeleiteten Handlungen um mehr Wohnraum zu schaffen mit den Klimaschutzzielen vereinbar seien müssen.
Konkret bedeutet das, die Schaffung von Wohnraum im Bestand ist dem Neubau von Wohnraum auf Grün- oder Naturflächen vorzuziehen. Neubau sollte sich zukünftig also im Wesentlichen auf den Ersatz von nicht sanierbarem Altbestand, zur Arrondierung bestehender Wohnbebauungen (u.a Schließen von Baulücken) oder auf eine ökologisch verträgliche Verdichtung bestehender Bebauung, beschränken.
Eine Bebauung bisher nicht bebauter Flächen sollte nur noch dann möglich sein, wenn sich durch eine entsprechend umweltfreundliche Bebauung der ökologische Wert der Fläche insgesamt erhöht.
Generell sollten mit dem neuen Handlungskonzept Wohnen 2.0 neben der Dachbegrünung weitere Vorgaben für Neubauten eingeführt werden, die der Erreichung der Klimaschutzziele dienen. Neue Wohngebiete sollten zum Beispiel grundsätzlich autoreduziert bis autofrei geplant werden. Zudem sollte mit jeder Schaffung von neuen Wohngebieten verpflichtend eine Verbesserung des Angebotes im öffentlichen Nahverkehr und ein Anschluss an das Radverkehrsnetz verbunden sein.
Fokus auf die Sanierung und Modernisierung bzw. die Schaffung von neuem Wohnraum im Bestand
Im neuen “Handlungskonzept Wohnen 2.0” sollte zudem ein klarer Fokus auf die Sanierung und Modernisierung sowie die Schaffung von Wohnraum im Bestand gelegt werden. Dabei kann das bereits beschlossene Kommunale Modernisierungsprogramm für Wohnraum entlang der Cityradialen nur ein erster Anfang sein. Eine nachhaltige Modernisierung und Schaffung von Wohnraum lohnt sich regelmäßig nur dann, wenn der neue bzw. modernisierte Wohnraum an Straßen liegt, an der Menschen gerne wohnen.
Straßenumgestaltung mit Modernisierungsförderung verknüpfen
Das Modernisierungsprogramm sollte daher mit einer entsprechenden Umgestaltung der Straßen verknüpft werden. In Schweden soll bis 2030 jede(!) Straße des Landes gesund, nachhaltig und lebendig umgestaltet werden (Make Way for the ‘One-Minute City’, vom 05.01.21). Vergleichbares wäre in Bochum anzustreben. In den nächsten 20 Jahren sollte jedes Viertel der Stadt, jede Straße im Hinblick auf eine grünere Gestaltung mit weniger Verkehr und mehr Aufenthalts- und Wohnqualität überplant werden. Erst im Rahmen der Überplanung sollte den Gebäudeeigentümer dann angeboten werden eigene Maßnahmen mit kommunalen Finanzmitteln zu unterstützen. Durch die Verknüpfung beider Maßnahmen erhöhen sich für die Immobilieneigentümer die Anreize, bestehenden Wohnraum nachhaltig zu sanieren und zu modernisieren sowie neuen Wohnraum im Bestand zu schaffen, deutlich. Bei den Überplanungen sollten sowohl hinsichtlich der Straßengestaltung wie der Wohnraummodernisierung und -schaffung Maßnahmen, die der Erreichung der Klimaschutzziele dienen, bevorzugt umgesetzt und gefördert werden.
Ausdrücklicher Leitgedanke des “Handlungskonzeptes Wohnen 2.0” sollte die Schaffung und Modernisierung von Wohnraum unter Beachtung und Verfolgung der Klimaschutzziele sein. In letzter Konsequenz sollte das geänderte Konzept letztlich ein Teilkonzept des ebenfalls neu zu erarbeitenden Klimaschutzkonzepts der Stadt Bochum sein (Was muss Bochum tun, damit die Stadt bis 2040 klimaneutral ist, vom 28.06.20).
Zwar haben SPD und Grüne im Koalitionsvertrag (Vertrag, Seite18) die Evaluierung des Handlungskonzepts bis spätestens 2022 vereinbart, dabei ist allerdings nur “die Berücksichtigung von aktuellen Studien zur Bevölkerungsentwicklung und zum Wohnungsbau” vorgesehen. Eine Überarbeitung des Konzeptes hinsichtlich der Anforderungen des Klimaschutzes wurde dagegen nicht vereinbart. Das ist erkennbar zu wenig. Es werden ein weiteres Mal die Handlunsgsnotwendigkeiten, die sich aus der Ausrufung des Klimanotstandes ergeben, ignoriert.
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