Bochum muss deutlich mehr tun fürs Klima
Wissenschaftler aus aller Welt fordern, dass alles unternommen werden muss, damit sich das Klima der Erde nicht um 2°C, besser noch um weniger als 1,5° C, erwärmt. Tut die Stadt Bochum genug um ihren Beitrag zu leisten, dieses Ziel zu erreichen? Die Antwort ist: Leider nein, die Stadt tut viel zu wenig.
Das 1,5-Grad-Ziel, vereinbart im Pariser Klimaschutzabkommen
Im Pariser Klimaschutzabkommen wurde vereinbart, die durch Treibhausgase verursachte Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit zu beschränken. Zusätzlich sollen Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen.
Die Zwei-Grad-Grenze ist ein Wert, bei dem angenommen wird, dass globale Schäden für Ökosysteme und die Nahrungsmittelproduktion noch reduziert werden können. Einigkeit herrscht darüber, dass grundsätzlich die Risiken und Auswirkungen bei 1,5 °C Klimaerwärmung erheblich geringer ausfallen als bei 2 °C. Erwärmt sich die Erde durchschnittlich stärker als diese zwei Grad, kommt es nach Meinung der Forscher zu drastischen und unumkehrbaren Umweltveränderungen (1,5 Grad-Ziel, Max-Planck-Institut für Meteorologie).
Die Forderung der Wissenschaftler – Scientists4Future
Um mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Erwärmung von 1,5 °C nicht zu überschreiten, müssen die Nettoemissionen von Treibhausgasen (insbesondere CO2) sehr rasch sinken und in den nächsten 20 bis 30 Jahren weltweit auf null reduziert werden.
Stattdessen steigen die CO2-Emissionen weiter. Mit den Vorschlägen, die weltweit derzeit auf dem Tisch liegen, wird die Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts wahrscheinlich bei über 3 °C liegen und anschließend aufgrund anhaltender Emissionen und Rückkoppelungseffekte weiter zunehmen.
Bei zunehmender Erwärmung der Erde werden gefährliche klimatische Kipp-Punkte des Erdsystems, d. h. sich selbst verstärkende Prozesse, immer wahrscheinlicher. Dies würde dazu führen, dass eine Rückkehr zu heutigen globalen Temperaturen für kommende Generationen nicht mehr realistisch ist (Fakten Scientists4Future).
Was hat Bochum bisher getan und zu wozu hat sich die Stadt verpflichtet?
Die Stadt Bochum strebt gemäß des aktuellen Energie- und Klimaschutzkonzepts Bochum 2030 einen CO2-Reduktionsswert von 65 % bis 2030 und eine Minderung von 85 % bis 2050 an (auf Basis der Emissionen von 1990).
Die angestrebte Reduktion wird nicht annähernd ausreichen um den zu Erreichung des 1,5-Grad-Ziel notwendigen Beitrag zu leisten. Dazu müsste der städtische CO2-Ausstoß spätestens bis zum Jahr 2040 auf Null gesunken sein. Die Schülerbewegung Fridays4Future fordert eine Reduzierung auf Null bereits bis 2035 (Forderungen Fridays4Future).
Die Stadt kann in drei Sektoren den CO2-Ausstoß maßgeblich beeinflussen (Reduktionsziele der Budesregierung ggü. 1990 in Klammern):
– Energiewirtschaft (62–61 %)
– Gebäude (67–66 %)
– Verkehr (42–40 %)
Nicht nennenswert beeinflussen kann die Stadt die beiden weiteren Sektoren Landwirtschaft und Industrie.
Betrachten wir nun die einzelnen Sektoren (Grafik: CO2–Minderung Stadt Bochum – Stand und Ziele):
Energiewirtschaft – Laut städtischem Energie- und Klimaschutzkonzept 2030 lag die regenerative Stromproduktion auf dem Stadtgebiet im Jahr 2014 nur bei einem Anteil von zwei Prozent. Die regenerative Wärmeerzeugung mittels Holz, Solarthermie und Umweltwärme erreicht einen Anteil von knapp 5 Prozent am Brennstoffverbrauch der Stadt Bochum. Damit liegt der Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch weit unter dem Bundesschnitt von 27,8 Prozent. Auch der Anteil am Brennstoffverbrauch liegt unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von knapp 10 Prozent (Energie- und Klimaschutzkonzept 2030, Seite 49).
Darüber hinaus rechnen die städtischen Stadtwerke den Anteil an erneuerbar erzeugten Strom, der eingekauft wird, schön. Laut Stadtwerken Bochum wurden 2017 41,5 % des eingekauften Stroms mit Hilfe erneuerbarer Energiequellen erzeugt, tatsächlich waren es nur 11,5 % (Deutschlands dreckige Stromanbieter: 50 große Versorger im Klima-Check). Der CO2-Ausstoß lag damit tatsächlich bei 584 g/kWh und nicht bei den angegebenen 386 g/kWh. Die Stadtwerke betreiben Greenwashing, das ist zwar legal, aber trotzdem unredlich, fossil bzw. mit Atomkraft erzeugter Strom wird wider besseren Wissens als Ökostrom umetikettiert („Greenwashing“ – Wie auf legalem Weg Atom- und Kohlestrom als Ökostrom etikettiert wird).
Die Schüler von Fridays4Future fordern eine 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035. Ein Ziel, wie viel Prozent der Energieversorgung bis zu welchem Jahr auf dem Stadtgebiet erneuerbar erzeugt bzw. wie viel erneuerbarer Strom von den Stadtwerken eingekauft werden soll, sucht man im städtischen Energie- und Klimaschutzkonzept 2030 vergeblich. Dort liest man lediglich unkonkrete Allgemeinplatze zu Wind-, Sonnenenergie, Geothermie, und Biomasse (Energie- und Klimaschutzkonzept 2030, Seiten 112-114).
Im Maßnahmenkatalog des Energie- und Klimaschutzkonzept 2030 finden sich keine Maßnahmen, die geeignet sein könnten, den Anteile der erneuerbaren Energieversorgung auf dem Stadtgebiet in den nächsten 2-3 Jahrzehnten signifikant zu steigern, schon gar nicht auf die geforderten 100%.
Gebäude – Im Gebäudesektor soll laut Zielsetzungen der Bundesregierung der CO2-Ausstoß im Zeitraum 1990 bis 2030 um rd. zwei Drittel (67–66 %) sinken. Das Energie- und Klimaschutzkonzept 2030 geht bei einer jährlichen Sanierungsquote des Gebäudebestandes von zwei Prozent davon aus, dass durch Einsparungen im Endenergiebedarf, eine CO2-Minderung von 15 % bis 2030 und 36 % bis 2050 bezogen auf das Jahr 2014 möglich ist.
Im Bereich Gebäude und Infrastruktur sind die städtischen CO2-Emissionen im Zeitraum 1990 bis 2014 von über 4 Mio. bereits auf 1,57 Mio. Tonnen CO2 zurückgegangen (rd. -57%. Energie- und Klimaschutzkonzept 2030, Seite 47).
Sinken die CO2-Emissionen in diesem Sektor um weitere 15% wie im Energie- und Klimaschutzkonzept 2030 vorgegeben, verfehlt die Stadt das vorgegebene Reduktionsziel der Bundesregierung. Die Reduktion bezogen auf 1990 läge bei 64,1%, gefordert werden 66-67 %.
Damit eine Minderung von 64 % erreicht wird, muss die Sanierungsquote des Gebäudebestands im Stadtgebiet allerdings bei 2% liegen. Liegt diese bei nur 1% wird das Ziel bereits deutlich verfehlt, Die Reduktion bezogen auf 1990 liegt dann nur noch bei 61%.
Leider wird die Gebäudesanierung zudem nicht wie im Energie- und Klimaschutzkonzept 2030 vorgesehen vorangetrieben. So wurde etwa die Maßnahme “Erstellung eines integrierten energetischen Quartierskonzeptes – Energetische Stadtsanierung” (Energie- und Klimaschutzkonzept 2030, Seite 80) bisher gar nicht angegangen, obwohl die Umsetzung bereits für 2017 mit hoher Priorität vorgesehen war.
Die von der Fraktion “FDP und Die STADTGESTALTER” in der Ratssitzung vom 11.04. beantragt umgehende Umsetzung der Maßnahme lehnten SPD, Grüne und CDU ab (Antrag 20190968). Der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion zweifelte überdies an, dass die Maßnahme erforderlich sei und das obwohl es sich bei der Maßnahme um ein Pilotprojekt handeln sollte, “um dort Umsetzungsstrategien für eine energieeffiziente Stadtentwicklung und Ansätze z.B. zur Gebäudesanierung zu erproben, die später auf Ebene der Gesamtstadt angewendet werden können”.
Dass die angestrebte Sanierungsquote von 2% erreicht wird, darf also bezweifelt werden. es fehlt in Bochum dazu bereits am erforderlichen politischen Willen.
Die von Wissenschaftlern und den Schülern von Fridays4Future geforderte CO2-Minderung auf Null kann bis spätestens 2040 mit dem bescheidenen Reduktionsziel auf 66-67% in diesem Bereich ohnehin nicht mehr erreicht werden.
Verkehr – Im Verkehrssektor wurde in Bochum zwischen 1990 und 2014 erst eine CO2 Minderung von 16,1 % erreicht. Eine zusätzlich Minderung um rd. 25 % bis 2030 ist erforderlich, um das Reduktionsziel der Bundesregierung für diesen Sektor einzuhalten.
Das dürfte jedoch unmöglich sein, da die Stadt Bochum im Energie- und Klimaschutzkonzept 2030 keine nennenswerten Maßnahmen vorschlägt, mit denen das vorgegebene Ziel erreicht werden könnte (Energie- und Klimaschutzkonzept 2030, Seite 111).
Weder ein signifikanter Ausbau des Nahverkehrs- noch des Radwegenetzes ist vorgesehen. Die Stadt verfügt immer noch nicht über ein aktuelles Radverkehrskonzept, während das in den 90er Jahren entwickelte Konzept allenfalls in Ansätzen umgesetzt wurde. Neue leistungsfähige ÖPNV-Linien befinden sich derzeit keine in Planung. Mit dem zuletzt fortgeschriebenen Nahverkehrsplan lassen sich keine signifikanten Verbesserungen beim Klimaschutz erreichen. Die Fahrgastzahlen der Bogestra gehen zurück, obwohl der Anteil der Wege, die mit dem ÖPNV in Bochum zurückgelegt werden mit 15,7% im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten gering ist. Maßnahmen, die geeignet wären, diesen Anteil deutlich zu erhöhen, gibt es keine.
Auch die Maßnahmen des Klimaschutzteilkonzepts – Klimafreundlicher Verkehr Bochum von 2013 sind wenig ambitioniert. In den letzten 5 Jahren wurden zudem so wenige Maßnahmen dieses Konzeptes realisiert, dass sich der Eindruck aufdrängt, dass das Konzept von der Stadt nicht ernsthaft verfolgt wird.
Im Ergebnis wird sich kaum etwas daran ändern, dass in Bochum fast 57 % der Wege mit dem Auto zurückgelegt werden, während es sonst in deutschen Großstädten nur 30-40 % sind, in fortschrittlichen, wirtschaftlich erfolgreichen Städten sogar 30 % und weniger.
Politik und Verwaltung zeigen bisher keine ernsthaften Bemühung im Verkehrssektor die auf dem Papier stehenden Reduktionswerte zu erreichen. Das Ziel einer Verkehrswende wird in Bochum nicht verfolgt. Entsprechend kann in Bochum im Verkehrssektor weder das Reduktionsziel der Bundesregierung bis 2030 erreicht werden, schon gar nicht das Null-Emissions-Ziel der Fridays4future-Bewegung.
Fazit – Betrachtet man alle alle drei Sektoren, die von der Stadt maßgeblich beeinflußt werden können, verfehlt Bochum also die CO2-Minderungsziele in dreifacher Weise:
– Es fehlt an geeigneten und zielführenden Maßnahmen, die selbst gesetzten Reduktionsziele zu erreichen.
– Auch die für die einzelnen Sektoren von der Bundesregierung vorgegebenen Minderungsziele werden nicht erreicht.
– Die gesetzten Ziele reichen nicht aus, den erforderlichen Beitrag zu leisten, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.
Was müsste Bochum tun, um ihren Beitrag zu leisten, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen?
Bochum braucht dringend ein neues bzw. eine ambitionierte Fortschreibung des aktuellen Energie- und Klimaschutzkonzepts. Ziel dieses Konzept muss es sein, dass die Stadt ihren Beitrag dazu leistet, dass das 1,5-Grad-Ziel zu erreicht wird. Das heißt, dass auch in Bochum angestrebt wird die CO2-Emissionen bis 2030, spätestens 2040 auf Null zu senken.
Damit dieses Ziel erreicht werden kann, sind in den Sektoren Energiewirtschaft, Gebäude und Verkehr Maßnahmen vorzugeben, mit denen das Ziel real erreicht werden kann. Weiterhin ist ein Maßnahmenmanagement zu installieren, das sicherstellt, dass festgelegte Maßnahmen auch zum vorgesehenen Zeitpunkt umgesetzt werden oder falls dies nicht möglich ist oder sich im Laufe der Jahre durch den technischen Fortschritt bessere Maßnahmen ergeben, diese angepasst oder ersetzt werden.
Unter anderem bedeutet das,, die Stadtwerke sollten bis spätestens 2030 nur noch erneuerbar erzeugte Energie anbieten, die Stadt muss endlich die Verkehrswende auf den Weg bringen, im Gebäudesektor muss die Stadt die energetische Sanierung des Gebäudebestands deutlich forcieren, bis spätestens 2030 sollten die Gebäude des städtischen Wohnungsunternehmens VBW nicht mehr nennenswert zum CO2-Ausstoß beitragen.
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