Wärme aus Abwasser – Baustein der Bochumer Wärmewende
Um bis 2035 sämtliche Wärme klimaneutral zu erzeugen, sollte in Bochum jede Wärmequelle genutzt werden. Die STADTGESTALTER schlagen daher vor, das städtische Abwasser und das Flusswasser der Ruhr als Wärmequelle zu nutzen.
Nachdem die STADTGESTALTER bereits einige Vorschläge zur Wärmegewinnung mit Geothermie (Erdwärme – Bochums Energie der Zukunft) und aus Abfall (Strom und Wärme aus Biomüll für 4.800 Haushalte – Bochum braucht eine Biogasanlage) gemacht haben, folgt nun ein weiterer, Wärme aus Abwasser und Flusswasser zu gewinnen.
Besonders Abwasser eignet sich als Wärmequelle, da es selbst im Winter eine Temperatur von 12° – 15°C aufweist. Aber auch dem Ruhrwasser kann man mittels Großwärmepumpen Wärme entziehen. Nur an wenigen Tagen im Jahr liegt die Wassertemperatur der Ruhr unter 5°C (Jahresganglinie Wassertemperatur Ruhr). Zur Nutzung des Rheinwassers werden derzeit in Mannheim und Köln entsprechende Großwärmepumpenanlagen errichtet.
Möglichkeiten Abwasser zur Wärmeerzeugung zu nutzen
Bei der Wärmeerzeugung mittels Abwassers bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
Wärmetauscher in der Kanalisation – Lokal kann die Wärme im Schmutzwasserkanal dem Abwasser mittels eines Wärmetauschers entzogen werden und mit der Wärme dann die Gebäude der Umgebung beheizt werden. Nach diesem Prinzip wird zum Beispiel das Helling-Quartier in Hamburg mit Wärme versorgt (Helling-Quartier Wärme aus Abwasser).
Die STADTGESTALTER schlagen vor, dass zukünftig bei jedem Kanal, der saniert wird, geprüft wird, ob der Einbau von Wärmetauschern sinnvoll ist, um auf diese Weise Wärme für die Gebäude der Umgebung zu gewinnen. Andersherum sollte insbesondere bei Neubauten, grundlegenden Gebäudesanierungen und Neubaugebieten geprüft werden, ob für diese die benötigte Wärme nicht zumindesten teilweise aus den Abwasserkanälen bereitgestellt werden kann.
Großwärmepumpen an Klärwerken – An Orten, wo große Mengen Schmutzwasser zusammen, kommen, besonders an Kläranlagen, kann dem Abwasser zentral die Wärme mit Hilfe von Wärmepumpen entzogen werden. Nach diesem Prinzip wird zum Beispiel bereits in Schaffhausen Wärme erzeugt (Saubere Energie dank Abwasserreinigungsanlage)
Diesbezüglich kommen für Bochum besonders zwei Orte in Frage, die Kläranlage am Ölbachtal, in der die Abwässer von 320.000 Menschen gereinigt werden und die Anlage in Essen-Burgaltendorf, die für das Abwasser von 44.000 Menschen ausgelegt ist und in der unter anderem das Abwasser von Dahlhausen gereinigt wird.
Die Kläranlage am Ölbachtal reinigt 810 Liter Abwasser pro Sekunde (Trockenwetterzulauf). Das Potential für die Wärmeerzeugung ist also sehr hoch. Bei einer Wärmepumpenleistung von 150 Lizer pro kWh ließe sich bei dieser Abwassermenge theoretisch Wärme für 16.700 Bochumer Haushalte erzeugen (bei 250 l/kWh für knapp 10.000 Haushalte).
Mit der Abwasserwärme vom Klärwerk Ölbachtal ließen sich über ein Nahwärme- oder Fernwärmenetz Teile von Langendreer und Witten (Kaltehardt, Papenholz, Heven) versorgen. Ebenfalls sollte eine Wärmeversorgung des Technologiequartiers an der Hochschule Bochum in Betracht gezogen werden, zu dem es umfangreiche Erweiterungspläne gibt. Zu überlegen wäre zudem, inwieweit das Freizeitbad Heveney mit umweltfreundlicher Abwasserwärme versorgt werden kann.
Eine Wärmepumpenanlage an der Kläranlage Burgaltendorf hat aufgrund des geringeren Trockenwetterzulaufs (105 l/s) die Kapazität zur Wärmeversorgung von 1.300 bis 2.160 Haushalten. Neben dem Abwasser könnte in Burgaltendorf allerdings auch das Flusswasser als Wärmequelle genutzt werden, da sich die Kläranlage in direkter Nähe der Ruhr befindet.
Mit der Wärmeerzeugungsanlage könnten Teile von Dahlhausen auf der gegenüber liegenden Ruhrseite mit Wärme versorgt werden. Es gibt bereits umfangreiche Überlegungen Linden und Dahlhausen über eine Wärmenetz mit der Abwärme des Grubenwassers, das von der RAG auf dem Gelände der ehemaligen Zechen Friedlicher Nachbar an die Oberfläche gepumpt wird, mit Wärme zu versorgen (Potenzialstudie warmes Grubenwasser, S. 86). Eine Anlage in Burgaltendorf könnte als zweite Wärmequelle für dieses Wärmenetz dienen. Die vorliegende Potenzialstudie errechnet für das Grubenwasser ein Potenzial von 94.600 MWh Wärmeenergie. Durch die Nutzung des Abwassers als Wärmequelle könnten 13.250 – 22.000 MWh dazukommen. Zusätzliche Energiemengen können durch Nutzung des Ruhrwassers als Wärmequelle erzeugt werden.
Auch das Hallenfreibad Linden sollte über das Wärmenetz mitversorgt werden (Neue Bäder in Linden und Höntrop müssen klimaneutral sein).
Die Entnahme von Wärme aus dem Abwasser ist aus Umweltsicht unproblematisch. Das Klärwasser wird tendenziell etwas kälter als heute in die Ruhr eingeleitet. Dieser Effekt wäre sogar positiv, denn die künstliche Erwärmung des Ruhrwassers, durch warmes Klärwasser würde reduziert. Der Entzug von Wärme aus dem Flusswasser fällt nicht ins Gewicht, da nur sehr geringen Anteil des Wassers Wärme entzogen würde, so dass insgesamt kein signifikanter Effekt auf die Gesamttemperatur der Ruhr zu erwarten ist.
Gemeinschaftsaufgabe mehrerer Städte und des Ruhrverbands
Sowohl am Ölbachtal wie in Burgaltendorf wäre die Abwassernutzung zur Wärmeerzeugung nicht nur eine Aufgabe der Stadt Bochum. Der Ruhrverband betreibt beide Kläranlagen, eine Anlage liegt in Essen-Burgaltendorf, mit beiden Anlagen könnten nicht nur Gebiete in Bochum, sondern auch Stadtteile in Witten, Essen und Hattingen mit Wärme versorgt werden. Die Nutzung von Abwasser als Wärmequelle mittels Großwärmepumpen ist also eine Gemeinschaftsaufgabe der genannten Ruhrgebietsstädte.
Ein Projekt zur Nutzung von Abwasserwärme gibt es in Bochum bereits. Seit 2010 wird auf Initiative der Emschergenossenschaft gemeinsam mit den Bochumer Stadtwerken im Norden der Stadt ein Abwasserkanal als Wärmequelle für das Hallenfreibad Hofstede genutzt (WAZ vom 20.11.2010). Über 70% des Wärmebedarfs des Bades kann so gedeckt werden.
Schnelles Umdenken bei Politik und Stadt nötig
Seit 2010 hat sich in Sachen erneuerbar erzeugte Wärme in Bochum leider wenig getan. Die Wärmewende wurde, wie in vielen Kommunen, auch in Bochum verschlafen. SPD, Grüne und Stadtwerke haben konsequent auf die Erzeugung von Wärme mit fossilen Brennstoffen, insbesondere Gas, gesetzt. So wird das Fernwärmenetz der Stadt überwiegend durch die Gaskraftwerke in Hiltrop und an der RUB gespeist. Statt in erneuerbare Energie zu investieren hat Rot-Grün in den letzten zwei Jahrzehnten einen dreistelligen Millionenbetrag in Energieerzeugung mit Gas- und Kohlekraftwerken investiert (STEAG, Trianel, KW Hamm-Uentrop, TKW, Lünen).
Jetzt ist schnelles Umdenken erforderlich. 2035 will die Stadt klimaneutral sein. Dazu muss jede verfügbare erneuerbare Wärmequelle genutzt werden. Die STADTGESTALTER dringen daher darauf, dass Stadt und Stadtwerke umgehend Anstrengungen unternehmen, konsequent auch das Wärmepotenzial der Ruhr und des städtischen Abwassers zu nutzen.
Pingback: Bochum: Vor 11 Jahren bei der Energiewende weiter als heute - Die STADTGESTALTER