10 Mai

Schauspielhaus und BoSy bekommen Geld ohne Ende, bei der Freien Kulturszene wird geknausert

Während die Ausgaben für Bochumer Symphoniker und Schauspielhaus zwischen 2015 und 2026 um 55% (+7,7 Mio./Jahr) bzw. 41% (+4,5 Mio./Jahr) stiegen, reichten die Erhöhungen bei der Freien Kulturszene nicht mal zum Ausgleich der Inflationsrate (29%). Die extreme Schieflage bei der Kulturförderung wird der Vielfältigkeit der Bochumer Kulturlandschaft nicht gerecht.

46,2 Mio. Euro gibt die Stadt für die Schaffung von Kultur 2026 aus. 12 Jahre zuvor, 2015 waren es 32,4 Mio. Während die Preise in dieser Zeit um 29 % anstiegen, wuchsen die Kulturausgaben um 42,5 %. Real (nach Abzug der Inflation) gibt die Stadt also 2026 13,5 % mehr für Kulturschaffende aus als 2015.

Ausgaben für Kultur, Bildung und Wissen

Extreme Schieflage bei den Ausgaben der Stadt für Kulturschaffende

Doch schaut man sich genauer an, wie das Geld ausgegeben wird, stellt man eine deutliche Schieflage fest. Während die Ausgaben für das Schauspielhaus um 41,1 %, für die Bochumer Symphoniker um 55,1 % und für das Kunstmuseum um 46,4 % stiegen, wurden die Fördergelder für die Freie Kulturszene und die Wissenschaft nur um 16,3 % erhöht, also deutlich unterhalb der Inflationsrate (29 %). Während der Etat der großen städtischen Kultureinrichtungen um Millionen Euro gestiegen ist (Schauspielhaus: +7,7 Mio., BoSy: +4,5 Mio.), sind die Ausgaben für die kleinen Freien Kultureinrichtungen real sogar gesunken.

Veränderung Kulturausgaben/ Kulturförderung

Bei den institutionellen Förderungen erhalten die Einrichtungen der Freien Kulturszene in 12 Jahren nur zwischen 9,4 % bzw. 18,1 % mehr Geld (Beispiele siehe Tabelle). Wenn man die Steigerung der Kosten im gleichen Zeitraum (29 %) einkalkuliert, verlieren sie also real 19,6 % bzw. 10,9 % Fördergelder.

Beispiele, Veränderung Zuschüsse 2015 zu 2026

Einseitige Förderung von Schauspielhaus und Bochumer Symphoniker

Entsprechend verschieben sich auch die Anteile an den Kulturausgaben. Während 2015 auf Schauspielhaus, BoSy und Kunstmuseum knapp 90 % der Ausgaben für die Schaffung von Kultur entfielen, sind es 2026 fast 92 %. Der Anteil, den die Stadt für die Förderung der Einrichtungen der freien Kulturszene und der Wissenschaft ausgibt, schrumpft dagegen, er fällt in 12 Jahren um fast 2 %P, auf nur noch 8,3 % (siehe Diagramm).

Anteile an den Kulturausgaben für Kulturschaffende

Die Kulturförderung in Bochum ist einseitig ausgerichtet auf Schauspielhaus und Bochumer Symphoniker. Diese beiden Einrichtungen bekommen zusammen weit über 80 % der gesamten Förderung für Kulturschaffende (84,5 %), das sind 39 Mio. Euro, während die Einrichtungen der Freien Kulturszene gerade mal 1,63 Mio. Euro erhalten. Die Bochumer Kulturpolitikerinnen und -politiker reden zwar viel von der vielfältigen Kulturlandschaft in Bochum, die Kulturausgaben und deren Entwicklung zeigen jedoch, tatsächlich interessiert man sich primär für die zwei kulturellen Leuchttürme Schauspielhaus und Symphoniker.

Systematisch wird in diese beiden Einrichtungen immer mehr Geld gepumpt (+12,2 Mio. Euro/ Jahr), während auf der anderen Seite die Bereitschaft fehlt, bei der Freien Kulturszene auch nur die Inflation auszugleichen. Entsprechend lehnte der Stadtrat immer wieder die Anträge der STADTGESTALTER ab, die Erhöhung der Fördergelder wenigstens an die Kostensteigerung (Inflation) anzupassen (2023: Vorgang 20233367, 2024: Vorgang 20243226). In der Folge schwimmen Schauspielhaus und BoSy im Geld, während die Künstler und Künstlerinnen der Freien Kulturszene jeden Monat ums Überleben kämpfen.

Wirksame Beteiligung der Kulturschaffenden an der Kulturpolitik wird abgelehnt

Bei dieser einseitigen Kulturpolitik wundert es nicht, dass die Politik die Kulturinstitutionen im Kulturausschuss nicht am Tisch sitzen haben will. Über die extreme Schieflage bei der Kulturförderung soll nicht geredet werden.

War zunächst im Rahmen des Kulturentwicklungsprozesses vereinbart worden, einen Beirat zu schaffen, indem alle Kultureinrichtungen, städtische wie freie und jene von Land/ Stiftungen mit Politik und Verwaltung an einem Tisch sitzen, rückten SPD und Grüne letztlich von diesem Vorhaben ab. Gesichtswahrend wurde eine zahnlose Kulturkommission gebildet, in der sich die Kultureinrichtungen wenige Male im Jahr ohne die Politik unverbindlich mit der Verwaltung austauschen sollen. Entsprechend wurde der Antrag der STADTGESTALTER, den Kultureinrichtungen zu gestatten in den Kulturausschuss beratende Vertreter bzw. Vertreterinnen zu entsenden, im Stadtrat abgelehnt (Vorgang 20250828). Wieder wurde deutlich, es ist nicht erwünscht, dass die einseitige städtische Kulturpolitik von den Kulturschaffenden der Stadt hinterfragt und mit diesen diskutiert wird.

Honoraruntergrenzen – Typische Bochumer Symbolpolitik

Statt Substanzielles für die Freie Kulturszene zu tun, erschöpft sich die Bochumer Kulturpolitik in Symbolpolitik. Jetzt fragen SPD und Grüne an, wie viel es kosten würde, wenn die Stadt, wie das Land, die Zahlung von Fördergeldern an Kultureinrichtungen davon abhängig machen würde, dass von diesen Honoraruntergrenzen eingehalten werden (Pressemitteilung). Auf den ersten Blick ein sinnvoller, nachvollziehbarer Ansatz. Statt wie bisher durchschnittlich 27,50 Euro pro 45 Minuten, müssten von den Kultureinrichtungen dann allerdings 55 Euro pro Stunde plus Spesen gezahlt werden (NRW führt Honoraruntergrenzen ein).

Auf dieser Basis lassen sich die ungefähren Mehrkosten leicht ausrechnen. Erkennbar ist, die von SPD und Grünen gestellte Nachfrage zu den Kosten also rein rhetorischer Natur. Dass die Kulturausgaben bei Einführung von Honoraruntergrenzen um rund 30 % steigen werden, ist längst bekannt (Ein Minus mit Folgen?!), ebenso wie die Folgen der Einführung: In Städten, wie Bochum, in denen nicht mal die Bereitschaft besteht, bei der Kulturförderung den Kaufkraftverlust auszugleichen, müssten die Kultureinrichtungen bei seit Jahren real sinkenden städtischen Zuschüssen erheblich mehr für die Künstler und Künstlerinnen ausgeben. Bei gleichem Budget und höheren Personalkosten könnten sich die Theater und Initiativen, die Inszenierung von immer weniger Aufführungen, Ausstellungen und anderen Kulturprojekten leisten. Kulturinstitutionen, die sich eine Entlohnung oberhalb der Untergrenzen nicht leisten können, müssten auf städtische Zuschüsse ganz verzichten. Das Kulturangebot würde stark schrumpfen.

Wer Honoraruntergrenzen will, muss bereit sein, die Fördergelder so zu erhöhen, dass die Künstler und Künstlerinnen zu den gewünschten Konditionen auch bezahlt werden können. Der schon jetzt über die Maße defizitäre Stadthaushalt (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0), wird die erforderlich Erhöhung der Fördergelder allerdings kaum hergeben. Die zusätzlich benötigten Mittel, müssten also durch eine Umverteilung im Kulturhaushalt generiert werden. Das wiederum würde bedeuten, etwas weniger Geld für die Kulturleuchttürme, mehr Geld für die Freie Kulturszene und eine gerechte Entlohnung der Künstler und Künstlerinnen. Die bis dato verfolgte extrem einseitige Verteilung der Kulturausgaben deutet jedoch nicht darauf hin, dass die Kulturpolitik dazu wirklich bereit ist. Dass der Vorstoß von Rot-Grün ernsthaft verfolgt wird, darf daher bezweifelt werden.

Im Interesse der Freien Kulturszene wäre eine Bochumer Kulturpolitik, in deren Mittelpunkt die Förderung der Vielfalt der städtischen Kulturlandschaft steht. Dazu wäre eine Neuausrichtung erforderlich und ein Ende der unangemessen einseitigen Fixierung auf Schauspielhaus und Bochumer Symphoniker.

01 Dez.

Förderirrsinn von Bund und Land schadet der Stadt

Finanziell ruinierte Städte wie Bochum können aus eigener Kraft kaum mehr Investitionen stemmen. Ohne Fördermittel geht besonders im Städtebau kaum mehr was. So wird nicht gebaut, was wichtig ist, sondern nur das, was gefördert wird. Für den Bürokratieaufwand, um an die Mittel zu kommen, verschwendet die Stadt viel Zeit und Geld. Die Politik schaut tatenlos zu.

Statt die Städte mit ausreichenden Finanzmitteln für den Städtebau auszustatten, hat sich über die letzten Jahrzehnte ein stadtschädliches Fördermittelsystem etabliert (Bochum und der Förderirrsinn). Will die Stadt einen Platz neugestalten oder eine Straße sanieren oder eine neue Straßenbahnlinie bauen, muss sie dafür Fördermittel beantragen. Das eigene Geld reicht nicht.

Teure Fördermittelbürokratie

Um die Fördermittel zu bekommen, müssen ausufernde Anträge gestellt werden, bei größeren Projekten auch Gutachten beauftragt werden. Das Ganze kostet nicht nur viel Zeit, sondern führt zu einer absurd ineffizienten wie teuren Fördermittelbürokratie. Dabei ist nach einem Antrag nicht mal klar, ob die Stadt die gewünschten Mittel auch erhält. Mal ist der entsprechende Fördertopf schon ausgeschöpft, mal erhalten Projekte anderer Gemeinden den Vorzug, manchmal kommen Land und Bund zu dem Schluss, Projekte sein nicht förderfähig. Dann war die ganze Arbeit umsonst.

Auch ist ein gewisser Proporz zu beachten. Alle Städte und Gemeinden müssen gemessen an ihrer Größe und Einwohnerzahl etwa gleich viele Fördermittel erhaltenen. Es darf nicht die Stadt bevorzugt werden, die besonders fleißig Förderanträge stellt.

Die Stadt beschäftigt reihenweise Mitarbeitende, die im Wesentlichen damit beschäftigt sind, Förderprogramme zu finden, von denen die Stadt profitieren könnte, zu bewerten, ob sich Anträge lohnen, maßgeschneiderte Projekte für Fördermittelprogramme zu entwickeln und schließlich die entsprechenden Antragsverfahren durchzuführen. So ist ein regelrechtes Fördermittelbürokratiemonster entstanden.

Fördermittel sind das Maß der Dinge

Auch wird nicht mehr gebaut, was für die Stadt wichtig ist, sondern das, wofür es Fördermittel gibt (WAZ vom 24.08.2023). So wird etwa nicht die Innenstadt in Wattenscheid für 55 Mio. saniert, sondern für dieses Geld wird das Lohrheide-Stadion saniert. Dass das Geld viel besser für die Rettung der Innenstadt ausgegeben worden wäre, statt für ein Stadion, in dem, wenn alles gut läuft, 1-2x im Jahr ein großes Sportevent stattfindet, sollte außer Frage stehen.

Aber für die Stadt war es zu verlockend, selbst nur 18,6 Mio. in ein Stadion zu stecken und vom Land 36,4 Mio. Fördergelder dazu zu bekommen (WAZ vom 10.06.2023), statt das städtische Geld in die Sanierung der Innenstadt zu stecken, vom Land dafür aber keine Fördermittel zu erhalten. Bei diesen Summen setzt der ökonomische Verstand aus. Eine Bewertung von Kosten und Nutzen der eingesetzten Mittel und eine Abwägung, wo das Geld besser eingesetzt ist, erfolgt nicht mehr.

Ein weiteres Beispiel: Über Jahrzehnte hat die Stadt kaum Geld in Schulen investiert. Es gab kein Geld von Land und Bund, also auch keine städtischen Investitionen. Erst als es Förderprogramme (Konjunkturprogramme, Gute Schule 2020) gab, hat die Stadt ein Investitionsprogramm aufgelegt. Aber klar ist auch, sobald die Förderprogramme ausgelaufen sind, wird auch die Stadt die Investitionen einstellen.

Verhängnisvollen „Förderkultur“

Es ist zu einer verhängnisvollen „Förderkultur“ gekommen. Diese führt bei den Städten zu einer ungesunden Erwartungshaltung. Die Stadt ist es gewohnt, dass sie nur dann aktiv werden sollte, wenn Fördermittel fließen. Gibt es keine Fördermittel, bleibt sie untätig und investiert nicht. Den schwarzen Peter für ihre Untätigkeit kann die Stadt dann auf fehlende Fördermittel von Land und Bund schieben. Aus eigenem Antrieb passiert nichts. Der Wille und die Fähigkeit die Dinge in der Stadt selbständig zu gestalten, geht verloren. Alles wird ausgerichtet nach der Verfügbarkeit von Fördermitteln.

Fördermittel, verhindern also, dass städtisches Geld da eingesetzt wird, wo es am dringendsten benötigt wird und den größten Nutzen erbringt. Stattdessen wird es da ausgegeben, wo die Stadt die höchsten Fördergelder abstauben kann. Gezielt suchen städtische Beschäftigte die Förderprogramme von Land und Bund danach ab, wo die Stadt sie anzapfen könnte. Die Projekte werden dann auf die Förderprogramme zurechtgeschneidert. Sieht das Land vor, das Sporthallen für Sportschulen gefördert werden, wird, um das Geld aus dem Programm abzugreifen, eine Halle mit entsprechender Sportausstattung gebaut, auch wenn das bedeutet, dass die Schule, auf deren Gelände die Halle steht, bei der Vergabe der Nutzungszeiten wegen andererer Nutzer dann das Nachsehen hat (WAZ vom 29.11.2024).

Förderbedingungen verhindern sinnvolle Nutzungen

Ganz skurril wird es, wenn die Förderbedingungen, unter denen Gelder von Bund und Land gezahlt werden, verhindern, dass ein gefördertes Objekt so genutzt wird, wie es eigentlich vorgesehen und sinnvoll wäre. So sind im Bochumer Musikforum aufgrund der in Anspruch genommenen Fördergelder keine kommerziellen Konzertveranstaltungen erlaubt und darf die “Eventbühne” Lohrheide-Stadion nicht für Events und Konzerte von Veranstaltern mit Gewinnerzielungsabsicht genutzt werden. Beide Orte stehen bzw. werden daher die meiste Zeit ungenutzt leer stehen.

Politik sieht weg

Trotzdem weithin sicht- und spürbar ist, dass der beschriebene Förderirrsinn der Stadt schwer schadet, wundert es, dass sich dagegen in der Stadt dagegen kaum Widerstand regt. Der Einzige, der immer wieder deutlich und öffentlich die schädliche „Förderkultur“ kritisiert, ist der Stadtbaurat  Markus Bradtke, dagegen gefällt sich die Politik darin Fördermittelbescheide zu übergeben und in Empfang zu nehmen (siehe Beitragsbild). So täuscht man eigene Aktivität vor und kann so tun, als habe man höchste selbst die Millionen eingeworben. Die Stadt wiederum kann den Eindruck erwecken, als würde sie selbst große Millionbeträge – zum Beispiel in Schulen – investieren, die eigentlich zum großen Teil von Land oder Bund bereitgestellt werden.

Die Stadt ist auf Droge

Fördermittel wirken wie eine Droge. Die Stadt fordert immer mehr und erklärt ohne ginge es nicht mehr. Politiker und Politikerinnen gefallen sich darin für alles und jedes pressewirksam neue Fördermittel zu fordern, um die Sucht der Städte nach weiteren Fördermitteln zu befriedigen. Städte und Gemeinden wurden von Fördermitteln regelrecht abhängig gemacht. Ohne Fördermittel läuft fast nichts mehr. Läuft zum Beispiel jetzt das Förderprogramm KOMM-AN NRW zur Förderung der Integration und Teilhabe von Flüchtlingen und Neuzugewanderten in den Kommunen aus, dann werden diverse Integrationsprojekte in den Städten und Gemeinden ersatzlos eingestellt werden müssen.

Förderprogramme sind nicht verlässlich

Förderprogrammen fehlt eine dauerhafte Verlässlichkeit. Um sich erneut in Szene zu setzen, wird die Politik zwar neue Förderprogramme erfinden und diese pressewirksam vermarkten, das bedeutet für die Stadt jedoch, sie muss Bewährtes einstellen und neue Angebote für die neuen Förderbedingungen und Förderschwerpunkte entwickeln. Das bedeutet eine unnötige Ressourcenverschwendung in erheblichem Ausmaß. Zudem zeigt sich erneut, Städte und Gemeinden machen nicht das, was aus ihrer Sicht erfolgreich und richtig ist, sondern werden gezwungen zu tun, was gefördert wird.

Fördermittel machen die Stadt unmündig

Die Städte werden von Land und Bund über die Fördermittel bewusst unmündig gehalten. Man billigt ihnen nicht zu, selbst über ihre Angelegenheiten zu entscheiden, sondern gängelt sie über die Förderbürokratie und bevormundet sie.

Forderungen und Initiativen, den Förderirrsinn zu beenden und stattdessen die Städte und Gemeinden flächendeckend besser finanziell auszustatten und diesen zu ermöglichen selbstständig über die Ausgaben zu entscheiden, gibt es jedoch nicht. Die Politiker und Politikerinnen, die Bochum im Land- und Bundestag vertreten, scheint das Thema nicht zu interessieren. Mit mehr als die Hand zu heben, wenn die eigene Fraktion das im Parlament erwartet, scheint man bereits überfordert zu sein.

So lange aber die Politik das Problem ignoriert, wird der Förderirrsinn weiter gehen und der Stadt schaden.