12 Jan.

Kunden zählen nicht – für Monate halten am Hauptbahnhof Bochum keine Fern- und Regionalzüge

Auch in diesem Jahr sperrt die Bahn für vier Monate den Bochumer Hauptbahnhof für den Regional- und Fernverkehr. Die Pendler haben das Nachsehen und empfinden die Sperrung als Frechheit. Die Politik schweigt. Was bei den Verkehrsunternehmen schief läuft und warum es in anderen Ländern besser funktioniert.

Vom 28.02. bis 25.04. sowie vom 05. 09. bis 31.10. sperrt die Deutsche Bahn den Bochumer Hauptbahnhof für den Regional- und Fernverkehr, nur die S-Bahn soll von Montag bis Freitag noch fahren. „Fahrplananpassungen” nennt die DB das zynisch (WAZ vom 08.01.25). Das Chaos ist vorprogrammiert, zumal die S1 nicht zuverlässig fährt. 8,5% der S-Bahn-Züge fielen 2024 aus und von den fahrenden Bahnen konnten über 15% ihr Ziel nicht pünktlich erreichen (SPNV- Qualitätsmonitor NRW).

Sperrungen werden zur Regel

Schon 2024 wurde der Hauptbahnhof Bochum für sieben Wochen (07.01. – 23.02.) nicht angefahren. Jetzt sollen im Bereich Bochum zusätzliche Signale aufgebaut und der Bochumer Hauptbahnhof umgebaut werden. Obwohl die Bahn selbst von “geringen Umbaumaßnahmen” im Bereich des Bochumer Hauptbahnhofs spricht, benötigt sie insgesamt vier Monate. Als Grund für die Sperrung wird angegeben, für die Einführung des RRX müssten Anpassungen an Weichen und Signaltechnik vorgenommen und der Bahnsteig für die Gleise 3 und 4 um rund 60 Meter in Richtung Dortmund verlängert werden (PFA 5b Bochum). Es fragt sich, warum diese Arbeiten so lange dauern und nicht zumindest teilweise hätten während der Sperrung 2024 durchgeführt werden können. Zumal das Eisenbahnbundesamt die Planungen bereits am 30.12.2019 bestätigt und damit die Baugenehmigung erteilt hat (PFA 5b Bochum).

Kunden werden immer noch als Beförderungswillige angesehen

Die erneute Sperrung zeigt, dass die Bahn wie öffentliche Verkehrsunternehmen leider viel zu oft, die Kunden weiterhin nur als Beförderungswillige sehen und sich an ihrer Einstellung zu den Fahrgästen seit der Bahnreform 1994 wenig verändert hat. Die Kunden werden als Verfügungsmasse und lästig angesehen.

Bei einer Baustelle stören Kunden, also wird der Bahnverkehr eingestellt und die Kunden sollen sehen, wo sie bleiben. Im Verständnis deutscher Verkehrsunternehmen dient der Kunde dem Firmengewinn – und nicht vorrangig das Unternehmen dem Kunden. Es geht darum, die Renditen zu maximieren sowie Investitionen und Kosten zu senken (Japan-Experte erklärt: Darum versagt die Deutsche Bahn so sehr).

Die Art, wie man mit Baumaßnahmen umgeht, zeigt diese Einstellung deutlich. Für die Bauingenieure der Bahn ist eine Baumaßnahme ohne Züge und Kunden am einfachsten, schnellsten und billigsten zu bewältigen. Die Bedürfnisse der Kunden, auch während Bauarbeiten weiterhin gut von A nach B zu kommen, spielen in der Gedankenwelt des Unternehmens keine Rolle, die haben sich anzupassen und den Vorstellungen der Bahn unterzuordnen. Die Zufriedenheit der Fahrgäste hat keinen Wert. Es zählt allein, dass es das Unternehmen und seine Beschäftigten möglichst einfach haben.

In Japan sieht man, es geht auch anders

In Ländern mit erfolgreichem Schienenverkehr wie der Schweiz und Japan ist das grundlegend anders. Beispiel Japan: Auch dort wollen die Unternehmen ihren Gewinn steigern. “Die Effizienz wird dabei jedoch vom Kunden her definiert. Die Aufgabe eines Unternehmens ist, die Zumutung für Kunden zu minimieren, auch wenn dafür – zum Beispiel durch mehr Personal – etwas Eigenkapitalrendite geopfert werden muss. Denn im japanischen Verständnis entspringt der Gewinn der Zufriedenheit der Kunden” (Darum ist die Bahn in Japan so pünktlich).

In Japan werden die größten Bahnhöfe der Welt mit mehreren Millionen Fahrgästen pro Tag (Shinjuku Station: 3,6 Mio./Tag, Bochum: 46.000 pro Tag) im laufenden Betrieb umgebaut, ohne dass es zu nennenswerten Sperrungen kommt. Die Verschiebung von Bahnsteigen wie etwa 2020 an der Shibuya Station (3 Mio. Fahrgäste/Tag) wurde im laufenden Verkehr erledigt. Für die Verbreiterung eines Bahnsteigs um etwa 5 Meter inklusive der dazu nötigen Verlegung der Gleise, sperrte man die betroffene Yanamote-Line 2023 für gerade mal zwei Tage (Part of Tokyo’s busy Yamanote loop line to be suspended for 2 days).

In Japan sieht man, solche Arbeiten im laufenden Betrieb bei maximal wenigen Tagen Sperrung durchzuführen, ist technisch möglich. Ob es so gemacht wird, wie es in Japan der Regelfall ist, liegt allein am Willen der bauplanenden Unternehmen und deren Wertschätzung von Kundenbedürfnissen. Würden japanische Bauingenieure öffentlich mehrwöchige Bahnhofssperrungen vorschlagen, wären sie ohne große Diskussion sofort ihren Job los, nachdem sie sich öffentlich mit tiefsten Verbeugungen für ihr Fehlverhalten vielmals entschuldigt hätten.

Die Missachtung von Kundenwünschen hat in Japan direkte Konsequenzen für die Verantwortlichen. In Deutschland passiert nichts. Selbst aberwitzige Verspätungsrekorde und offensichtliche Unfähigkeit Probleme in den Griff zu bekommen, haben für das Management keinerlei Konsequenzen.

Die Bochumer Politik interessieren die Belange der Bahnpendler nicht

Die Politik ignoriert bzw. toleriert solches Verhalten und heißt es damit indirekt gut. So auch in Bochum, die erneute Sperrung des Bahnhofs für vier Monate wird von der Lokalpolitik achselzuckend hingenommen. Auch hier interessiert man sich für die Bedürfnisse der Bahnkunden nicht. Gab es in Düsseldorf bei der Vorstellung ähnlicher Pläne 2024 zumindest klare Worte der Kommunalpolitiker und –politikerinnen (Politik kritisiert Bahn massiv für RRX-Planung), zeigt man sich in Bochum über alle Parteigrenzen an den Belangen der Bahnpendler desinteressiert. Deutliche Worte des Oberbürgermeisters blieben bisher aus. Genau darauf baut die Bahn und so kommt sie mit ihrer kundenfeindlichen Politik durch. Immerhin gibt die größte Bochumer Zeitung den Kunden eine Stimme (WAZ vom 08.01.2025). Die empfinden den Umgang der Bahn mit ihren Bedürfnissen als Frechheit.

Informationspolitik der Bahn ungenügend

Auch die Informationspolitik der Bahn ist ein Desaster. Viel zu spät rückt man mit dem wahren Ausmaß der Sperrungen raus. Auf der Internetseite der Bahn zu dem entsprechenden Bauprojekt findet man zu den damit verbundenen Sperrungen bis heute (11.01.25) kein Wort (PFA 5b Bochum). Von Entschuldigungen und dem Bitten um Verständnis ist in den Verlautbarungen nichts zu lesen. Die Mitteilungen der Bahn – wenn man sie denn findet – lesen sich im Bürokratiedeutsch der Bahn (“PFA 5b Bochum”) so, als gäbe es ein paar belanglose Fahrplanänderungen im Streckenbereich Bochum zu vermelden (Bauarbeiten zwischen Essen und Dortmund).

Lohnt sich der RRX-Umbau?

Schlussendlich stellt sich die Frage, lohnen sich all die beschriebenen Umbaumaßnahmen denn am Ende wenigstens für die Kunden? Seit 2011, voraussichtlich bis 2030 beabsichtigt die Bahn an dem Gesamtprojekt RRX zu planen und bauen. Über 1,3 Mrd. Euro sollen bis 2030 investiert werden. Das klingt viel, die Zahl relativiert sich allerdings angesichts des über Jahrzehnte aufgelaufenen Sanierungsstaus und der überaus langen Planungs- und Bauzeit von 19 Jahren (68 Mio./Jahr).

Auf der zentralen RRX-Achse von Köln nach Dortmund, an der rd. 4,1 Mio. Menschen wohnen, sollen ab 2030 die Züge im 15 Minuten Takt fahren. Das ist allerdings deutlich entfernt von dem, was in Metropolen und Metropolregionen weltweit auf ähnlichen Linien üblich ist. Auf vergleichbaren Strecken fahren die Züge mindestens aller 5 bis 10 Minuten, vielfach ist sogar ein Takt unter 5 Minuten die Regel. Ein metropolengerechter Nahverkehr wird also auch nach allen Umbauten nicht möglich sein.

Das RRX-Konzept basiert auf der Idee, dass sich weiterhin Fern-, Güter- und Regionalverkehr
dieselben Gleise (In Bochum 3-6) teilen. Das macht aber auch in Zukunft den Zugverkehr sehr komplex und ist wesentliche Ursache für die latente Unzuverlässigkeit im deutschen Schienenverkehr. Eine Streckenstörung wird auch in Zukunft massive Auswirkungen auf das ganze Netz haben. Die Erfahrungen weltweit zeigen, zuverlässiger Zugverkehr ist nur möglich, wenn Regional- und Fernverkehr auf eigenen Trassen fahren (Darum ist die Bahn in Japan so pünktlich).

Auch lässt die Nutzung der gleichen Gleise durch Regional- und Fernverkehr keine substanzielle Taktverdichtung zu. Bei einer Takterhöhung auf 5-10 Minuten könnten zwischen den RRX-Zügen keine Fernverkehrszüge mehr fahren. Für die in Metropolen üblichen Zugtaktungen bräuchte der RRX zwingend eigene vom Fernverkehr separierte Gleise. Die Lösung, die jetzt mit dem RRX geschaffen wird, ist also nicht zukunftsfähig.

Nach 2030 sind weitere umfassende Baumaßnahmen nötig

Ist man im Ruhrgebiet ernsthaft an einem metropolengerechten Nahverkehr interessiert, müssten ab 2030 die vorgenommenen Umbauten wieder über den Haufen geworfen werden, um neben den bestehenden Fernverkehrsgleisen eine eigene RRX-Trasse zu schaffen. Hinzu kommt, auch im Fernverkehr ist, sofern Deutschland es mit der Verkehrswende ernst meint, eine deutliche Taktverdichtung notwendig ist. Zum Vergleich, der Shinkansen fährt in Japan zwischen Tokyo und Osaka mit 280 km/h im 5-10 Minuten-Takt.

Im Endeffekt ist das RRX-Projekt somit sehr teuer, geht aber an den Bedarfen und Herausforderungen der Zukunft komplett vorbei. Schon jetzt ist absehbar, dass nach 2030, die gesamte Strecke von Köln bis Dortmund erneut umgebaut werden müsste, um den Herausforderungen von Nah- und Fernverkehr in Metropolen wirklich gerecht zu werden.

Im Ergebnis mutet die Bahn ihren Kunden also jetzt massive Einschränkungen für Umbaumaßnahmen zu, die nicht mal halbwegs geeignet sind, den Nah- und Fernverkehr auf den Stand zu bringen, der in modernen Metropolen weltweit üblich ist. Danke für nichts, wird es am Ende von den Kunden heißen.

Es ist fraglich, ob der VRR den RRX-Betrieb überhaupt stemmen kann

Denn fraglich ist zudem, ob der VRR es überhaupt schaffen wird, selbst den ohnehin unambitionierten 15-Minuten-Takt auf die Beine zu stellen. Denn eigentlich sollten heute bereits drei RRX-Linien (RE1, RE 6 und RE 11) die zentrale RRX-Achse von Köln nach Dortmund befahren. Der VRR ist aufgrund struktureller Unfähigkeit jedoch seit Ende 2023 nicht mehr in der Lage den RE 11 fahren zu lassen. Dieser fällt noch bis mindestens Mitte Juni 2025 von Düsseldorf bis Hamm aus (Fahrplan RE 11).

Wieder zeigt sich, dass die Verkehrsunternehmen es nicht als ihre Aufgabe ansehen, die Zumutungen für Kunden zu minimieren. Die Bedürfnisse der Kunden spielen bei den Unternehmensentscheidungen keine Rolle, wenn das Unternehmen keine Interesse hat, nach Lösungen für die Kunden zu suchen, fallen die Züge einfach aus. Das Problem wird vom Unternehmen auf den Kunden abgeschoben.

Keine Verbesserungen, solange sich Haltung zu Kunden nicht ändert

Auch für die Zukunft sind also trotz aller Umbaumaßnahmen keine wesentlichen Verbesserungen für die Kunden zu erwarten, so lange sich die Haltung gegenüber den Beförderungswilligen aka Kunden nicht grundsätzlich ändert und Verantwortliche, die nicht bereit sind, die Kundeninteressen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen, nicht konsequent von ihren Aufgaben entbunden werden.

22 Dez.

Finanznotlage bei Bochum-Marketing ist Symptom des Niedergangs der Innenstadt

Stadt Bochum, André Grabowski

Überstürzt musste die Stadt noch kurz vor Weihnachten die Tourismus-Gesellschaft retten. Es drohte Zahlungsunfähigkeit. Die privaten Gesellschafter fallen aus, der Geschäftsführer geht, die Stadt musste kurzfristig mit 1,77 Mio. Euro einspringen.

Konnte im Jahr 2021 die Bochum Marketing GmbH noch einen Gewinn von 236.000 Euro erwirtschaften wurden schon die Geschäftsjahre 2022 und 2023 mit Verlusten in Höhe von 157.000 bzw. 208.000 Euro abgeschlossen. Für 2024 droht insgesamt ein weiterer Verlust von knapp 500.000 Euro, das entspricht rund 20% des Umsatzes der Gesellschaft. Beim Weihnachtsmarkt werden rund 175.000 Euro weniger Einnahmen erwartet, beim Musiksommers 107.000 Euro, bei Dino-City sind es rund 62.000 Euro (WAZ vom 02.12.2024).

Wie kam es zu der finanziellen Notlage?

Wie konnte es zu dieser Schieflage kommen? Nach Aussage der Geschäftsführung sind insbesondere die gestiegenen Kosten für Sicherheitsmaßnahmen auf Großveranstaltungen die Ursache. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Während auf der einen Seite die Kosten sich stark erhöht haben, konnten auf der anderen die Einnahmen nicht gesteigert werden. Stadt und Innenstadt fehlt schlicht die Attraktivität, um die Kosten refinanzierende Stand- und Nutzungsgebühren durchzusetzen oder neue Sponsoren für die Stadtevents zu gewinnen. Im Ergebnis lassen sich die Veranstaltungen nicht mehr kostendeckend finanzieren. Es muss jemand das wachsende Defizit übernehmen und das soll zukünftig die Stadt sein.

Der Rettungsplan

Bisher halten 50-65 Bochumer Kaufleute und Unternehmen 50 % der Anteile von Bochum Marketing und die anderen 50 % die Stadt. Jetzt hat der Stadtrat beschlossen mittels Kapitalerhöhung seinen Anteil auf 75,1 % zu erhöhen. Auf diese Weise fließen der Gesellschaft auf schnellem Weg 1.657.500 Euro an Nebenleistungen (Vorauszahlung für 5 Jahre) und 110.500 Euro für die zusätzlichen Gesellschaftsanteilen zu. Mit dieser Summe kann die drohende Zahlungsunfähigkeit abgewandt werden.

Die erhebliche Finanzlücke wird also allein von der Stadt geschlossen. Die an der Gesellschaft ebenfalls beteiligten Bochumer Kaufleute und Unternehmen zahlen nichts. Die wesentlichen Gründe: Ihre wirtschaftliche Lage erlaubt keine zusätzlichen Zahlungen. Sie wollen nicht weiter in Tourismus und Innenstadt investieren, weil sie das nicht für lohnend halten. Es fehlt Bochum an Attraktivität, um neue Gesellschafter zu gewinnen.

Wenn die Kaufleute und Unternehmen, die von den Aktivitäten von Bochum Marketing am meisten profitieren, nicht mehr investieren können und wollen, dann sollten in der Stadt die Alarmglocken schrillen. Höchst fraglich ist zudem, ob die Stadt auf Dauer, aufgrund ihrer eigenen kritischen Finanzsituation (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0 – Die Ursachen) die Kraft haben wird, jedes Jahr 1,6 bis 2 Mio. Euro (Nebenleistungspflicht für 75% Anteile) in die Gesellschaft zu pumpen.

Überdies ist nicht hinzunehmen, dass die Kaufmannschaft die Krise der Gesellschaft wortlos verfolgt, als ginge sie das alles gar nichts an. Dass die privaten Gesellschafter in der Krise nicht klar und öffentlich Position beziehen, lässt tief blicken. Entweder kann man sich auf eine gemeinsame Position nicht einigen oder das Interesse an der Gesellschaft reicht dafür nicht. Beides ist gleichfalls beunruhigend. Das zusätzliche Geld der Stadt nimmt man offenbar gerne, zu mehr eigenem Engagement und einer deutlichen Positionierung und Klarstellung der eigenen Rolle scheint offenbar keine Bereitschaft zu bestehen.

Bis 2022 sehr erfolgreich

Dabei hat Bochum Marketing bis 2022 viel für Innenstadt und Tourismus in Bochum getan. Der ehemalige Geschäftsführer Mario Schiefelbein hatte es in den 10 Jahren, in denen er die Geschicke der Gesellschaft geleitet hat, mit kreativen Ideen und Veranstaltungen immer wieder geschafft, neue Akzente zu setzen. Als letzte Aktionen bleiben die 700-Jahr-Feier und der Aufbau des BOCHUM-Schriftzuges auf dem Rathaus-Platz in Erinnerung. Nach 2022 allerdings kam nicht mehr viel Innovatives von der Gesellschaft

Auch bei Mario Schiefelbein hatte man zuletzt den Eindruck, dass er zunehmend genervt war von den “Bochumer Verhältnissen”. Einer Verwaltung, die sich in ihrer gepflegten Langsamkeit durch nichts aus der Ruhe bringen lässt, siehe Husemannplatz (Husemannplatz – zwei Jahre zu spät fertig und 4 Mio. teurer als geplant), einer mutlosen Politik, die sich die Lage schön redet, sich mit konkretem Handeln aber schwer tut und einer wenig meinungsstarken und unterstützenden Kaufmannschaft, deren einer Teil Veränderungen will, deren anderer Teil aber immer wieder auf der Bremse steht. Am Ende gab es zu viele Ideen, die Mario Schiefelbein gerne umgesetzt hätte, die aber an den Bochumer Verhältnissen scheiterten, so dass er Ende 2022 die Stadt verließ.

Die Politik zeigt sich hilflos und naiv

Für die Zukunft von Bochum-Marketing lässt die Entwicklung leider nichts Gutes erahnen. Die Politik steht ratlos da. Der SPD-Fraktion zeigt sich ideenlos, wieder mal reicht es nur für viel heiße Luft (Bochum Marketing / SPD verbindet Forderung mit finanzieller Unterstützung): Man habe “klare Erwartungen in das Unternehmen,” sagt ihr Fraktionsvorsitzender. Welche das sind, dazu sagt er nichts. Gewohnheitsmäßig werden Hilfen von Bund und Land gefordert, „um unsere Marketinggesellschaft wieder auf den richtigen Kurs” zu bringen. Weiterhin erwartet die SPD, quasi als Gegenleistung für die geleisteten Finanzmittel, “eine noch stärker Belebung der Innenstadt.“ Auch wie das gehen soll, bleibt offen. Die Erwartungen klingen naiv, die übliche Forderung nach mehr Geld von Bund und Land hilflos.

Wie soll es weitergehen?

Doch wie soll es mit Bochum-Marketing weiter gehen? In jedem Fall benötigt die Gesellschaft einen kreativen Geschäftsführer bzw. eine innovative Geschäftsführerin. Jemand mit erstklassigen Expertisen im Stadtmarketing und Veranstaltungsmanagement und hohem Durchsetzungsvermögen ist gefragt. Um jemanden mit entsprechendem Kaliber zu gewinnen, wird man ihm/ihr große Handlungs- und Entscheidungsfreiheit einräumen müssen.

Politik und Verwaltung müssen ihre eigene Rolle gegenüber Bochum Marketing zukünftig also mehr als Ermöglicher, denn als Bedenkenträger sehen. Wichtig ist zudem, dass sich die Kaufmannschaft klar und hörbar hinter den Kurs von Bochum Marketing stellt und bereit ist auch finanziell einen deutlich größeren Beitrag zu leisten. Zudem sollten die Aufgaben von Bochum Marketing auf Innenstadt, Veranstaltungsmanagement und Tourismus konzentriert werden, Quartiersmanagement wie die Vermarktung des Musikforums, können und sollten andere übernehmen.

Eines muss jedoch klar sein, letztlich wird auch eine erstklassig aufgestellte Bochum-Marketing Gesellschaft die Innenstadt allein nicht retten. Die größte Herausforderung bleibt, die Um- und Neugestaltung der Innenstadt massiv zu beschleunigen. Die STADTGESTALTER haben das so formuliert: “Die Stadt muss ihr Arbeitstempo der Dringlichkeit der Probleme anpassen” (Für die Innenstadt läuft die Zeit ab).

Foto Beitragsbild: Stadt Bochum, André Grabowski

01 Dez.

Förderirrsinn von Bund und Land schadet der Stadt

Finanziell ruinierte Städte wie Bochum können aus eigener Kraft kaum mehr Investitionen stemmen. Ohne Fördermittel geht besonders im Städtebau kaum mehr was. So wird nicht gebaut, was wichtig ist, sondern nur das, was gefördert wird. Für den Bürokratieaufwand, um an die Mittel zu kommen, verschwendet die Stadt viel Zeit und Geld. Die Politik schaut tatenlos zu.

Statt die Städte mit ausreichenden Finanzmitteln für den Städtebau auszustatten, hat sich über die letzten Jahrzehnte ein stadtschädliches Fördermittelsystem etabliert (Bochum und der Förderirrsinn). Will die Stadt einen Platz neugestalten oder eine Straße sanieren oder eine neue Straßenbahnlinie bauen, muss sie dafür Fördermittel beantragen. Das eigene Geld reicht nicht.

Teure Fördermittelbürokratie

Um die Fördermittel zu bekommen, müssen ausufernde Anträge gestellt werden, bei größeren Projekten auch Gutachten beauftragt werden. Das Ganze kostet nicht nur viel Zeit, sondern führt zu einer absurd ineffizienten wie teuren Fördermittelbürokratie. Dabei ist nach einem Antrag nicht mal klar, ob die Stadt die gewünschten Mittel auch erhält. Mal ist der entsprechende Fördertopf schon ausgeschöpft, mal erhalten Projekte anderer Gemeinden den Vorzug, manchmal kommen Land und Bund zu dem Schluss, Projekte sein nicht förderfähig. Dann war die ganze Arbeit umsonst.

Auch ist ein gewisser Proporz zu beachten. Alle Städte und Gemeinden müssen gemessen an ihrer Größe und Einwohnerzahl etwa gleich viele Fördermittel erhaltenen. Es darf nicht die Stadt bevorzugt werden, die besonders fleißig Förderanträge stellt.

Die Stadt beschäftigt reihenweise Mitarbeitende, die im Wesentlichen damit beschäftigt sind, Förderprogramme zu finden, von denen die Stadt profitieren könnte, zu bewerten, ob sich Anträge lohnen, maßgeschneiderte Projekte für Fördermittelprogramme zu entwickeln und schließlich die entsprechenden Antragsverfahren durchzuführen. So ist ein regelrechtes Fördermittelbürokratiemonster entstanden.

Fördermittel sind das Maß der Dinge

Auch wird nicht mehr gebaut, was für die Stadt wichtig ist, sondern das, wofür es Fördermittel gibt (WAZ vom 24.08.2023). So wird etwa nicht die Innenstadt in Wattenscheid für 55 Mio. saniert, sondern für dieses Geld wird das Lohrheide-Stadion saniert. Dass das Geld viel besser für die Rettung der Innenstadt ausgegeben worden wäre, statt für ein Stadion, in dem, wenn alles gut läuft, 1-2x im Jahr ein großes Sportevent stattfindet, sollte außer Frage stehen.

Aber für die Stadt war es zu verlockend, selbst nur 18,6 Mio. in ein Stadion zu stecken und vom Land 36,4 Mio. Fördergelder dazu zu bekommen (WAZ vom 10.06.2023), statt das städtische Geld in die Sanierung der Innenstadt zu stecken, vom Land dafür aber keine Fördermittel zu erhalten. Bei diesen Summen setzt der ökonomische Verstand aus. Eine Bewertung von Kosten und Nutzen der eingesetzten Mittel und eine Abwägung, wo das Geld besser eingesetzt ist, erfolgt nicht mehr.

Ein weiteres Beispiel: Über Jahrzehnte hat die Stadt kaum Geld in Schulen investiert. Es gab kein Geld von Land und Bund, also auch keine städtischen Investitionen. Erst als es Förderprogramme (Konjunkturprogramme, Gute Schule 2020) gab, hat die Stadt ein Investitionsprogramm aufgelegt. Aber klar ist auch, sobald die Förderprogramme ausgelaufen sind, wird auch die Stadt die Investitionen einstellen.

Verhängnisvollen „Förderkultur“

Es ist zu einer verhängnisvollen „Förderkultur“ gekommen. Diese führt bei den Städten zu einer ungesunden Erwartungshaltung. Die Stadt ist es gewohnt, dass sie nur dann aktiv werden sollte, wenn Fördermittel fließen. Gibt es keine Fördermittel, bleibt sie untätig und investiert nicht. Den schwarzen Peter für ihre Untätigkeit kann die Stadt dann auf fehlende Fördermittel von Land und Bund schieben. Aus eigenem Antrieb passiert nichts. Der Wille und die Fähigkeit die Dinge in der Stadt selbständig zu gestalten, geht verloren. Alles wird ausgerichtet nach der Verfügbarkeit von Fördermitteln.

Fördermittel, verhindern also, dass städtisches Geld da eingesetzt wird, wo es am dringendsten benötigt wird und den größten Nutzen erbringt. Stattdessen wird es da ausgegeben, wo die Stadt die höchsten Fördergelder abstauben kann. Gezielt suchen städtische Beschäftigte die Förderprogramme von Land und Bund danach ab, wo die Stadt sie anzapfen könnte. Die Projekte werden dann auf die Förderprogramme zurechtgeschneidert. Sieht das Land vor, das Sporthallen für Sportschulen gefördert werden, wird, um das Geld aus dem Programm abzugreifen, eine Halle mit entsprechender Sportausstattung gebaut, auch wenn das bedeutet, dass die Schule, auf deren Gelände die Halle steht, bei der Vergabe der Nutzungszeiten wegen andererer Nutzer dann das Nachsehen hat (WAZ vom 29.11.2024).

Förderbedingungen verhindern sinnvolle Nutzungen

Ganz skurril wird es, wenn die Förderbedingungen, unter denen Gelder von Bund und Land gezahlt werden, verhindern, dass ein gefördertes Objekt so genutzt wird, wie es eigentlich vorgesehen und sinnvoll wäre. So sind im Bochumer Musikforum aufgrund der in Anspruch genommenen Fördergelder keine kommerziellen Konzertveranstaltungen erlaubt und darf die “Eventbühne” Lohrheide-Stadion nicht für Events und Konzerte von Veranstaltern mit Gewinnerzielungsabsicht genutzt werden. Beide Orte stehen bzw. werden daher die meiste Zeit ungenutzt leer stehen.

Politik sieht weg

Trotzdem weithin sicht- und spürbar ist, dass der beschriebene Förderirrsinn der Stadt schwer schadet, wundert es, dass sich dagegen in der Stadt dagegen kaum Widerstand regt. Der Einzige, der immer wieder deutlich und öffentlich die schädliche „Förderkultur“ kritisiert, ist der Stadtbaurat  Markus Bradtke, dagegen gefällt sich die Politik darin Fördermittelbescheide zu übergeben und in Empfang zu nehmen (siehe Beitragsbild). So täuscht man eigene Aktivität vor und kann so tun, als habe man höchste selbst die Millionen eingeworben. Die Stadt wiederum kann den Eindruck erwecken, als würde sie selbst große Millionbeträge – zum Beispiel in Schulen – investieren, die eigentlich zum großen Teil von Land oder Bund bereitgestellt werden.

Die Stadt ist auf Droge

Fördermittel wirken wie eine Droge. Die Stadt fordert immer mehr und erklärt ohne ginge es nicht mehr. Politiker und Politikerinnen gefallen sich darin für alles und jedes pressewirksam neue Fördermittel zu fordern, um die Sucht der Städte nach weiteren Fördermitteln zu befriedigen. Städte und Gemeinden wurden von Fördermitteln regelrecht abhängig gemacht. Ohne Fördermittel läuft fast nichts mehr. Läuft zum Beispiel jetzt das Förderprogramm KOMM-AN NRW zur Förderung der Integration und Teilhabe von Flüchtlingen und Neuzugewanderten in den Kommunen aus, dann werden diverse Integrationsprojekte in den Städten und Gemeinden ersatzlos eingestellt werden müssen.

Förderprogramme sind nicht verlässlich

Förderprogrammen fehlt eine dauerhafte Verlässlichkeit. Um sich erneut in Szene zu setzen, wird die Politik zwar neue Förderprogramme erfinden und diese pressewirksam vermarkten, das bedeutet für die Stadt jedoch, sie muss Bewährtes einstellen und neue Angebote für die neuen Förderbedingungen und Förderschwerpunkte entwickeln. Das bedeutet eine unnötige Ressourcenverschwendung in erheblichem Ausmaß. Zudem zeigt sich erneut, Städte und Gemeinden machen nicht das, was aus ihrer Sicht erfolgreich und richtig ist, sondern werden gezwungen zu tun, was gefördert wird.

Fördermittel machen die Stadt unmündig

Die Städte werden von Land und Bund über die Fördermittel bewusst unmündig gehalten. Man billigt ihnen nicht zu, selbst über ihre Angelegenheiten zu entscheiden, sondern gängelt sie über die Förderbürokratie und bevormundet sie.

Forderungen und Initiativen, den Förderirrsinn zu beenden und stattdessen die Städte und Gemeinden flächendeckend besser finanziell auszustatten und diesen zu ermöglichen selbstständig über die Ausgaben zu entscheiden, gibt es jedoch nicht. Die Politiker und Politikerinnen, die Bochum im Land- und Bundestag vertreten, scheint das Thema nicht zu interessieren. Mit mehr als die Hand zu heben, wenn die eigene Fraktion das im Parlament erwartet, scheint man bereits überfordert zu sein.

So lange aber die Politik das Problem ignoriert, wird der Förderirrsinn weiter gehen und der Stadt schaden.

14 Juli

Ruhrstadt – Die Metropole, die keine sein will, aber trotzdem eine ist

Wer in das Stadtgebiet von Duisburg bis Dortmund kommt, geht davon aus, er befinde sich in einer Metropole. Aber warum ist diese viertgrößte Metropole Europas auf keiner Karte verzeichnet, so schlecht organisiert und scheint man in Sachen Stadtentwicklung noch in den 80ern festzustecken?

Die Ruhrstadt ist mit 3,43 Mio. Menschen die viertgrößte Metropole Europas (ohne Türkei und Russland), nur in Paris (10,1 Mio.), London (8,86 Mio.) und Berlin (3,77 Mio.) leben mehr Menschen.

Ruhrstadt – viertgrößte Metropole Europas

Der urbane Raum (zusammenhängendes Stadtgebiet) in der Mitte des Ruhrgebiets besteht aus 15 Städten, deren Siedlungsstruktur nahtlos ineinander übergeht. Es handelt sich um eine polyzentrische Metropole mit 15 Stadtzentren aber einheitlichem Stadtgebiet. Die gleiche Struktur zeichnet u.a. auch London, Berlin und Tokio aus. Anders als Paris oder Madrid verfügen polyzentrische Metropolen nicht über ein dominierendes zentrales Stadtzentrum, sondern über mehrere etwa gleichrangige Zentren. So besteht Tokio (9,6 Mio.) aus 23 Städten, die sich auch als solche bezeichnen, London besteht aus 33 Zentren, davon bezeichnen sich zwei explizit als Städte (City of London und City of Westminster). Auch die Metropole Berlin stellt einen Zusammenschluss von Land- und Stadtgemeinden (Berlin, Neukölln, Spandau, Wedding, Reinickendorf usw,) mit jeweils eigenem Zentrum dar.

Ruhrstadt im Vergleich zu anderen Metropolen

Funktional besitzen Metropolen sehr unterschiedliche Verwaltungsstrukturen. Während in London die zentrale Verwaltung der Metropole sehr stark ist und die ehemaligen Land- und Stadtgemeinden nur noch in relativ wenigen Bereichen eigenständige Entscheidungen treffen, haben diese in Berlin größere Freiräume (z.B. eigene Gerichte und Kompetenzen bei der Verkehrsplanung). In der Metropole Tokio wiederum agieren die Städte weitgehend unabhängig, die Metropolverwaltung (Präfektur) hat nur sehr begrenzte zentrale Zuständigkeiten. Dagegen verfügen die Unité urbaine Paris wie die Ruhrstadt über keine zentrale metropolitane Verwaltungseinheit.

In der geografischen Ordnung wäre das Ruhrgebiet, mit dem “Großraum Ruhrstadt” gleichzusetzen. Die Metropolregion Ruhrgebiet verfügt mit dem RVR in Teilbereichen über eine zentrale, aber sehr schwache Verwaltungsstruktur. Der “Großraum Ruhrstadt” ist gemessen an der Bevölkerungszahl mit 5,15 Mio. Einwohner*innen gegenüber der Île-de-France (12,5 Mio.), der Metropolregion London (14.4 Mio.), der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg (6,2 Mio.) oder gar der Metropolregion Tokio (37,2 mio.) jedoch vergleichsweise klein.

Die positiven Effekte einer Metropole

Metropolen verfügen besonders in drei Bereichen über große Vorteile gegenüber Großstädten:

  • Möglichkeit der Nutzung von Skaleneffekten zur Steigerung der Kosteneffizienz (z.B. bei Verwaltung und städtischen Unternehmen)
  • Schaffung einer einheitlichen, hoch effizienten Infrastruktur aus einem Guss (z.B. ÖPNV, Ver- und Entsorgung)
  • Steigerung der Konkurrenzfähigkeit durch höhere Sichtbarkeit aufgrund der Größe und Vielfältigkeit (Marke, Image)

Nutzt man diese drei Effekte, bedeutet das für die Metropole gegenüber herkömmlichen Großstädten sowohl erhebliche Mehreinnahmen wie deutliche Kostensenkungen.

Ruhrstadt kann Metropoleneffekte nicht nutzen

Die Ruhrstadt ist bisher jedoch nicht in der Lage sich so zu organisieren, um die entsprechenden Metropoleneffekte auszunutzen:

Auf der europäischen Landkarte findet die Ruhrstadt nicht statt. Wer nicht vorhanden und sichtbar ist, wird als Standort für Wirtschaftsansiedlungen und als Tourismusziel eher selten in Betracht gezogen.

Eine dysfunktionale Infrastruktur, wie sie die Ruhrstadt insbesondere im ÖPNV vorzuweisen hat, schreckt Investoren ab, während sonst die hocheffiziente Organisation z.B. beim ÖPNV Metropolen attraktiv macht und Menschen wie Unternehmen anlockt. Den Vorteil von Metropolen, alle erdenklichen urbanen Angebote auf dichtem Raum schnell erreichbar anzubieten, kann die Ruhrstadt nicht bieten. 

Der nicht im Ansatz metropolengerechte ÖPNV sorgt in der Ruhrstadt dagegen dafür, dass die Wege in der Ruhrstadt weiterhin lang sind. So braucht man für eine Rundtour zu den 11 Highlights der Ruhrstadt mit Bus und Bahn 8,5 Stunden. So schreckt man Städtereisende ab. (Mieser Nahverkehr schreckt Touristen ab).

Auch in Sachen Kosteneffizienz dient die Ruhrstadt nur als Negativbeispiel, Fast alle Stadtgemeinden erfüllen ihre Aufgaben durch eigene, autarke Verwaltungen und Unternehmen. Zusammenarbeit mit anderen Städten der Ruhrstadt ist weiterhin die Ausnahme. Lobenswerte Initiativen in diese Richtung scheitern immer wieder kläglich am Kirchturmdenken von Politik, Gewerkschaften und anderen (Fusion von Bogestra und Ruhrbahn quasi gescheitert). Das kostet die Stadtgemeinden der Ruhrstadt völlig unnötig Milliarden.

Niemand fühlt sich zuständig und verantwortlich

Die Verwaltungs- und Infrastruktur der Ruhrstadt effizient und kostengünstig zu gestalten, ist bisher kein Ziel der Politik in der Ruhrstadt. Diese fokussiert sich darauf Geld von Bund und Land zu fordern, um ihre finanziellen Defizite auszugleichen (Benachteiligt die Ampel das Ruhrgebiet?). Statt selbst die Initiative zu ergreifen und die Ruhrstadt zu einer effizient funktionierenden Metropole umzubauen, hat man jeden Stolz verloren und ist sich nicht zu schade auf Betteltour zu gehen, um die finanziellen Folgen seiner eignen Unfähigkeit von anderen bezahlen zu lassen. (Lässt der Bund das Ruhrgebiet im Stich? Neue Vorwürfe).

Für Stadtgestaltung und –entwicklung, also auch für den Aufbau einer metropolengerechten Verwaltungs- und Infrastruktur, sieht sich die Politik im Ruhrgebiet parteiübergreifend seit jeher nicht zuständig (Kommunen der Ruhrstadt verlieren Anschluss). Alles, was Stadtentwicklung betrifft, überlässt man den Verwaltungen, die gemäß ihrem rechtlichen Auftrag nur die eigene Stadtgemeinde im Fokus haben und zu deren gesetzlichen Aufgaben nicht die Schaffung von Metropol-Strukturen zählt.

Die Aufgabe, eine metropolengerechte Verwaltungs- und Infrastruktur zu Schafen obliegt allein der Politik, die sich aber bisher als unfähig erweis, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Die Politik nennt die Schaffung entsprechender Strukturen zwar immer wieder als Ziel, Initiativen diese aufzubauen haben dagegen Seltenheitswert.

Dabei hindert kein Gesetz die Stadtgemeinden der Ruhrstadt, die städtischen Unternehmen zu verschmelzen oder Infrastrukturplanungen wie zum Nahverkehrsplan oder Wärmeplan Ruhrstadt übergehend in entsprechenden Gesellschaften durchzuführen, um dann daraus abgeleitete Pläne gemäß der gesetzlichen Vorschriften auf Stadtgemeindeebene einzureichen. Selbst die Übernahme von Aufgaben für mehrere Städte durch das Amt einer Stadt wäre rechtlich in vielen Fällen möglich und wird im Ausnahmefall auch bereits praktiziert. So ist das Umweltamt in Hagen auch für Bochum und Dortmund zuständig.

Politik tut so, als gäbe es die Ruhrstadt nicht

Vieles wäre möglich, scheitert aber an der fehlenden Bereitschaft der Politik, entsprechende Strukturen zu schaffen, bzw. daran, dass man die Zuständig- und Verantwortlichkeit dafür ablehnt. Das Narrativ der Politik, es wäre Aufgabe des Landes rechtlich das Gebilde einer Metropole Ruhrstadt mit entsprechenden Verwaltungsstrukturen zu schaffen, ist falsch, dies ist Aufgabe der Politik in den Stadtgemeinden der Ruhrstadt. Das Land kann mit der Anpassung von gesetzlichen Regelungen die Stadtgemeinden maßgeblich unterstützen und ihnen helfen, die nötigen Veränderungen müssen aber die Stadtgemeinden selbst anschieben.

Die Metropole Ruhrstadt gibt es de facto bereits, sie muss nicht erst vom Land geschaffen werden, ehe die Stadtgemeinden meinen tätig werden zu müssen. Es ist schon heute ihre Aufgabe, die für ein Funktionieren der Ruhrstadt nötige Verwaltungs- und Infrastruktur zu schaffen. Die Verantwortlichkeit für die überall in der Ruhrstadt sichtbaren Versäumnisse auf andere zu schieben, ist nicht gerechtfertigt.

Den Politikern und Politikerinnen der Ruhrstadt muss klar werden, dass sie bereits heute verantwortlich für eine Ruhrstadt mit metropolengerechten Strukturen sind, denn die Metropole ist faktisch bereits vorhanden und muss effizient im Sinne der Bürger*innen funktionieren. Weiterhin so zu tun, als gäbe es die Metropole Ruhrstadt, nicht, um sich den daraus resultierenden Aufgaben und Verantwortungen zu entziehen, ist keine Option.

Die Ruhrstadt ist in Sachen Stadtentwicklung an den anderen Metropolen Europas zu messen. Die Messlatte liegt also sehr viel höher als die Politik meint.

Stadtplanung und -gestaltung muss in der Hand der Stadtgemeinden bleiben

Bei der Gestaltung der Ruhrstadt ist jedoch zu beachten, dass polyzentrische Metropolen sich regelmäßig dadurch auszeichnen, dass sich ihre Zentren voneinander stark unterscheiden. Das bedeutet eine große Attraktivität und Vielfalt innerhalb der Metropole. Dagegen sehen die Zentren der Ruhrstadt beliebig und fast alle gleichförmig trostlos und öd aus. Das Desinteresse der Politik an Stadtentwicklung im Ruhgebiet hat dazu geführt, dass auf eine individuelle Stadtgestaltung in den letzten 70 Jahren wenig bis gar kein Wert gelegt wurde, man hat einfach ohne groß nachzudenken das nachgemacht, was alle Nachbarstädte auch getan haben.

Aufgabenverteilung Ruhrstadt – Stadtgemeinden

In einer Metropole sollten nicht wahllos sämtliche Aufgaben einer zentralen Metropolenverwaltung übertragen werden, sondern nur so viele wie eben nötig und sinnvoll. Gerade die Aufgaben, die es den Stadtgemeinden ermöglichen ihre Stadt individuell zu gestalten, müssen bei den einzelnen Stadtgemeinden verbleiben. Es sollte sogar ausdrückliches Ziel der Ruhrstadt sein, dass jede Stadtgemeinde ihren eigenen Charakter weiterentwickelt, der auf die Faktoren Lebensqualität Vielfalt und Attraktivität der Metropole Ruhrstadt einzahlt.

Der Weg zur Ruhrstadt

Bisher ist nicht absehbar, dass alle 15 Stadtgemeinden der Ruhrstadt gewillt sind, Aufgaben an gemeinsame, metropolenübergreifende Einrichtung zu übertragen. Daher haben die STADTGESTALTER bereits vorgeschlagen, dass Stadtgemeinden, die dazu bereit sind, zunächst eine Kern-Ruhrstadt bilden, der sich in der Zukunft andere Stadtgemeinden anschließen können (Vom Ruhrgebiet zur Ruhrstadt – ein neuer Lösungsvorschlag).

26 Mai

10 Jahre STADTGESTALTER – Ein Grund zum Feiern

Dachpark-Innenstadt, SeilbahnRegiotram und Hochschulcampus Wattenscheid, Tiny-House Quartier GoldhammeAugust-Bebel- und Propstei-Park, seit 2014 entwickeln die STADTGESTALTER solche und viele andere Ideen für die Stadt und bringen sie in die Stadtpolitik ein.

Seitdem sich die STADTGESTALTER im Jahr 2014 gegründet haben, ist “Stadt gestalten” in der Bochumer Politik zu einem zentralen Thema geworden. Die weit über 100 Ideen und Vorschläge der STADTGESTALTER haben immer wieder Diskussionen zu den verschiedensten Themen in der Stadt angeregt: Wie sollte die Innenstadt gestaltet werden, wie der Verkehr, wie die verschiedenen Stadtteilzentren? Was muss getan werden, um mehr Menschen und Unternehmen für die Stadt zu gewinnen? Denken und Sichtweisen in Politik und Stadtgesellschaft haben sich in dieser Hinsicht in den letzten 10 Jahren stark verändert, Die STADTGESTALTER haben daran einen nicht unerheblichen Anteil.

Wer sind die STADTGESTALTER?

Die STADTGESTALTER, das sind engagierte Einwohner und Einwohnerinnen aus Bochum und Wattenscheid, die nicht nur kritisieren, was in der Stadt schlecht läuft, sondern konkrete Ideen und Vorschläge machen, wie es besser gehen kann. Die Initiative, die man auch wählen kann, unterscheidet sich in wichtigen Punkten grundlegend von allen anderen Parteien und Wählergemeinschaften der Stadt. Hier die 5 auffälligsten Unterschiede:

Gestalten statt versorgen – Die STADTGESTALTER wollen die Stadt gestalten, es geht nicht nur darum, die Menschen nur zu versorgen oder das abzunicken, was die Verwaltung vorschlägt. Im Politikverständnis der STADTGESTALTER ist es die Politik, die über die Gestaltung der Stadt und die Stadtentwicklung durch eigene Vorschläge bestimmt.

So geht es beispielsweise nicht darum Armut und Benachteiligung möglichst gut zu verwalten und die in dem Bereich tätigen Sozialeinrichtungen mit ausreichend Finanzmitteln zu versorgen, die STADTGESTALTER wollen wirksame Maßnahmen ergreifen, die die Ursachen von Armut und Benachteiligung bekämpfen, um sie so zu beenden. Bei sich negativ entwickelnden Stadtteilen, sollte nach Ansicht der STADTGESTALTER nicht nur das Ziel verfolgt werden, die Menschen möglichst gut mit Sozialleistungen zu versorgen, sondern grundlegende Maßnahmen zur Stadtteilentwicklung zu unternehmen, damit sich die Lage ändert und sich Stadtteile aus eigener Kraft wieder positiv entwickeln.

Lernen von erfolgreichen Städten – Die STADTGESTALTER sehen die Stadt in einem positiven Wettbewerb mit anderen Großstädten. Wichtig ist also, was macht andere Großstädte erfolgreich und was kann Bochum von ihnen lernen. Ebenso stellen die STADTGESTALTER immer wieder die Frage, warum kommen Menschen und Unternehmen nicht nach Bochum? Was kann die Stadt tun, damit sich das ändert? Der Blick von außen auf die Stadt ist aus Sicht der STADGESTALTER genauso wichtig wie die Sichtweisen der Menschen, die in der Stadt leben.

Zukunft für Kinder, Enkel und Urenkel – Ebenso sehen sich die STADTGESTALTER als Vertreter und Vertreterinnen der Menschen, die zukünftig in der Stadt leben werden. Das Ziel ist, für Kinder, Enkel und Urenkel eine lebenswerte und attraktive Stadt zu schaffen, in der sie auch in der Zukunft gute Perspektiven haben. Leben auf Kosten zukünftiger Generationen ist für die STADTGESTALTER keine Option. Dies gilt besonders bei den Themen Stadtverschuldung, Klima- und Umweltschutz.

Bürgerbeteiligung – Die STADTGESTALTER sind nicht der Ansicht, dass das Entscheidungsrecht über Angelegenheiten der Stadt allein den gewählten Mitgliedern des Stadtrates vorbehalten sein sollte. Sie möchten, dass die Menschen sukzessive mehr an den Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligt werden und bei der Stadtentwicklungen mitentscheiden.

Ruhrstadt – Für die STADTGESTALTER ist Bochum das Herz der Ruhrstadt. Sie sind davon überzeugt, dass die 15 Städte der Ruhrstadt nur erfolgreich sein und ihre Chancen nutzen können, wenn sie gemeinsam wie eine Metropole handeln. Besonders Nahverkehr, Wirtschaft, Tourismus, Flächennutzung und Verwaltung müssen nach Meinung der STADTGESTALTER ruhrstadtweit aus einer Hand organisiert werden. Das Kirchturmdenken in der Politik muss überwunden werden, die Bildung der Ruhrstadt ist erklärtes Ziel der STADTGESTALTER.

Schulen und Bildung – Für die STADTGESTALTER entscheidet die Qualität der städtischen Schul- und Bildungslandschaft über die Zukunft der Stadt Schul- und Bildungspolitik haben für die STADTGESTALTER in der Stadt Priorität und können nicht dem Land überlassen werden. Finanzierungen, die das Land nicht leistet, muss die Stadt übernehmen. Erstklassige städtische Schulen, sowohl hinsichtlich Personal- wie Sachausstattung, baulichem Zustand und pädagogischem Konzept, sind für die STADTGESTALLTER die zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Stadtentwicklung.

Zu den genannten Überzeugungen stehen die STADTGESTALTER, sie sind ihre DNA.

STADTGESTALTER feiern 10 Jahre Bestehen

10 Jahre STADTGESTALTER – Einladung

Am Samstag (25.05.2024) feierten die STADTGESTALTER mit einigen Gästen, einem Malwettbewerb für die Jüngsten und vielen Besuchern und Besucherinnen, die sich die Ausstellung von ausgewählten Ideen und Vorschlägen der STADTGESTALTER ansahen, ihr zehnjähriges Bestehen. Besonders gefreut haben sich die STADTGESTALTER über die vielen positiven Rückmeldungen zu ihren Stadtgestaltungsideen.

10 Jahre STADTGESTALTER – Bilder

Mitmachen

Wer sich für die Stadtentwicklung von Bochum und Wattenscheid interessiert, ist eingeladen bei den STADTGESTALTERn mitzuplanen, mitzureden und mitzugestalten. Seit 2014 ist die Zahl der STADTGESTALTER langsam, aber stetig gewachsen, auch darüber freut sich die Bürger- und Wählerinitiative.

Hier die regelmäßigen Termine der STADTGESTALTER:

Jeden Montag, 18 Uhr – Vorbereitung Rat und Ausschüsse
Historisches Rathaus, Räume 058/059

Jeden Donnerstag, 18 Uhr – Denkfabrik für neue Ideen
Historisches Rathaus, Räume 058/059

Jeden 1. Dienstag im Monat, 19 Uhr – Zusammensein, Absinth, Rottstraße 24

Die STADTGESTALTERmail@die-stadtgestalter.de

22 Okt.

Zunehmender Populismus – Rechtsruck auch in Bochum zu erwarten

Dass es auch in Bochum bei den nächsten Wahlen voraussichtlich einen Rechtsruck geben wird bzw. vermehrt populistische Parteien gewählt werden, hat viele Ursachen. Entscheidend ist auch, wie in der Stadt seit Jahrzehnten Politik gemacht wird.

Charakteristisch für Menschen, die Populisten ihre Stimme geben, dass sie einfache Lösungen suchen, sich gegen Veränderungen wehren, sich selbst abgehängt fühlen und Schuldige suchen, die sie für falsche Entwicklungen verantwortlich machen können. Ihr Politikverständnis beschränkt sich darauf, dass sie Forderungen an die Politik stellen und erwarten, dass diese erfüllt werden. Dabei spielt keine Rolle, ob die Forderungen realistisch erfüllbar sind, ob sie wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen oder ihre Erfüllung der (Stadt-)Gesellschaft insgesamt nutzt. Der eigene egoistische Nutzen steht im Vordergrund. Es besteht der Anspruch, dass man sich selbst gesellschaftlichen Veränderungen nicht anpassen muss, sondern die Politik dafür Sorge trägt, dass alles bleibt wie es ist, aber trotzdem für einen selbst besser wird.

Viele der in dieser Weise gestellten Forderungen sind von der Politik so eigentlich nicht erfüllbar. Wirtschaftlich wie technologischer Fortschritt, Klimaschutz und sich verändernde globale Anforderungen erfordern eine beständige Fortentwicklung und Veränderung von Stadt und Stadtgesellschaft. Den Eindruck zu erwecken, Wohlstand zu erhalten, ohne dieser Faktoren beachten zu müssen und Veränderungen voran zu trieben, sei möglich, ist wesentliches Kennzeichen populistischer Politik.

Auch in Bochum ist ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung von der aktuellen Politik enttäuscht, fühlt sich nicht wahrgenommen bzw. kann die komplexen politischen Zusammenhänge nicht nachvollziehen. Dieser Teil der Bevölkerung ist für Populisten am einfachsten erreichbar. Zu befürchten ist also, dass bei den nächsten Wahlen populistische Parteien, besonders die des rechten Spektrums, deutlich an Stimmen gewinnen.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig und haben auch viel mit der lokalen Politik und dem Politikstil der letzten Jahrzehnte zu tun.

Versäumnisse bei Schulen und Bildung

Die Zusammenhänge in der Politik werden immer komplexer, viele Menschen sind nicht damit vertraut wie etwa das Rentensystem, die Wirkungsmechanismen von Treibhausgasen auf das Klima oder das Prinzip von gesellschaftlichem Nutzen und externen Kosten funktionieren. Die Rechtfertigung von politischen Aktivitäten aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und Statistiken gewinnt an Bedeutung. Dass Meinungen durch Belege zu stützen sind, ebenso wie die Notwendigkeit von politischen Forderungen, ist vielen Menschen fremd. Mangelnder Bildungsgrad und nicht ausreichende Schulbildung sind die wesentliche Ursache.

Schule und Bildung haben in Bochum seit jeher wenig Wert, der soziale Aufstieg durch Bildung ist kein Ziel der Stadtpolitik. Zum Narrativ der Politik gehörte immer, dass die Politik, auch für die Arbeitsplätze und Wohlstand schafft, die auf Jobs angewiesen sind, die nur geringe bis keine Qualifikationen erfordern. Die Verbesserung von Schul- und Bildungsgrad, um die Menschen für bessere Jobs zu qualifizieren, war dagegen nicht das Ziel. Dass die Zahl von Anlern-Jobs in der Industrie immer weiter zurück gehen würde und Schul- und Ausbildungsqualifikationen bei der Jobsuche immer wichtiger werden würden, verschwieg de Politik den Menschen.

Bei Wahlen zeigt sich immer wieder, Populisten sind besonders bei Menschen mit niedrigem Schulabschluss erfolgreich. So wählten in Hessen 36% der Menschen mit Hauptschulabschluss die AfD (Datenanalyse zur Landtagswahl in Hessen), in Bayern 21%. (Datenanalyse zur Landtagswahl in Bayern). Bei Menschen mit Hochschulabschluss wählten hingegen nur 9 bzw. 8% rechtspopulistisch.

Das Versäumnis der Bochumer Stadtpolitik, die Voraussetzungen zu schaffen, den Menschen einen möglichst hohen Schulabschluss und Bildungsgrad zu ermöglichen, spielt den Populisten also heute die Wähler*innen zu.

Wenig erfolgreiche Stadtpolitik

Ein weiteres Problem ist, dass die Stadtpolitik wenig erfolgreich ist. Die Entwicklung von Stadtteilen wie Wattenscheid oder Werne stellt sich seit Jahren negativ dar, ebenso wie die der Innenstadt. Fehlender Erfolg führt zu Enttäuschung über das, was die Politik leistet. Erschwerend kommt hinzu, dass Fehlentwicklungen, die nicht gestoppt werden, der Verbreitung von Ressentiments und Hetze durch Populisten, in die Hände spielt. Kommen z.B. Stadtteile in eine soziale Schieflage, weil die Stadt nicht rechtzeitig gegensteuert, ist damit ein Anstieg der Zahl von jenen verbunden, die billig wohnen und leben möchten und an Wohn- und Lebensqualität aufgrund ihrer Lebenssituation keine hohen Ansprüche stellen, das sind auch viele Migranten. Von Populisten wird diesen dann die Schuld für den Niedergang des Stadtviertels zugeschoben, obwohl ihr Zuzug die Folge des Niedergangs ist, sie für die Ursachen dagegen nicht verantwortlich sind.

Aufgrund der geschilderten Entwicklungen wird der Politik nicht mehr zugetraut, die bestehenden Probleme zu lösen und Negativtrends zu stoppen. Schon bei der Wahl 2020 bekam die AfD in Stadtteilen, die in Bochum als abgehängt gelten, besonders viele Stimmen. So bekamen die Populisten in einigen Stimmbezirken von Wattenscheid-Mitte und Werne über 15% der Stimmen, während es stadtweit nur für halb so viel reichte (Wahlergebnisse Kommunalwahl 2020).

Versprechen, dass mehr Parkhäuser sowie neue Einkaufszentren die Innenstadt retten, Integrierte Stadtentwicklungskonzepte die Wende in Stadtteilen bewirken oder städtische Investition in Kohlekraftwerke die Schulden der Stadt gegenfinanzieren, erweisen sich immer wieder als falsch und nagen an dem Vertrauen der Menschen zu Politik und die dort vorhandene Kompetenz.

Überforderte Politik betreibt Symbolpolitik, erreicht selbst gesetzte Ziele aber nicht

Auch handelt die Politik wenig vorausschauend. Sie setzt sich zwar pressewirksam Ziele wie “Klimaneutralität bis 2035” oder den Anteil des Radverkehrsanteil auf 25% zu steigern, stellt endlose Listen von Maßnahmen auf, um diese zu erreichen, scheitert aber dann an deren Umsetzung. Die Ziele werden krachend verfehlt, die Politik muss diese korrigieren oder gerät, um die Ziele doch noch zu erreichen, in einen Handlungsnotstand, der den Menschen kaum zuzumuten ist.

Statt Ziele konsequent zu verfolgen, beschränkt sich die Politik zunehmend auf Aktionismus. So sollen Werbemaßnahmen wie “Stadtradeln” und die Teilnahme an Klimaawards wirksame Maßnahmen, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. ersetzen oder wird in Wattescheid für 55 Mio. Euro das Stadion saniert statt die herunter gekommene Innenstadt. Die Politik versucht sich durch Symbolpolitik zu profilieren, statt Maßnahmen zu verfolgen, die geeignet sind, die realen Probleme lösen.

Die Menschen bleibt nicht verborgen, dass die Stadtpolitik oft nicht in der Lage ist, Politik so zu betreiben, dass selbst gesetzte Ziele sicher erreicht werden. Es entsteht der Eindruck, Politik ist mit ihren Aufgaben systematisch überfordert, was sich wiederum negativ auf ihre Wählbarkeit niederschlägt, und Menschen bewegt sich nach vermeintlichen Alternativen umzuschauen.

Politik bestimmt nicht, was die Verwaltung tut, sondern umgekehrt

Verwaltung und städtische Betriebe verfolgen durchweg das Ziel, dass die Beschäftigten dort gut versorgt sind und gute Arbeitsverhältnisse vorfinden, der Service für die Einwohner*innen der Stadt scheint dagegen keine Priorität zu besitzen. So ist der öffentliche Nahverkehr unzureichend, Bearbeitungszeiten bei Behörden wie bei der Einbürgerung, Wohngeld oder Mitteln zu Bildung und Teilhabe unzumutbar, ebenso wie die Reinigung von Parks- und Grünanlagen, der Instandhaltungszustand von Schulen, Straßen, Geh- oder Radwegen zu wünschen übriglässt oder die Verkehrsüberwachung mit ihren Aufgaben überfordert zu sein scheint. Städtische Bauprojekte werden aufgrund mangelhaften Projektmanagements durchweg zu teuer und dauern zu lange. Es wird nicht das geleistet, was die Menschen von der Stadt erwarten.

Darüber hinaus werden Bürger und Bürgerinnen von der Verwaltung nicht angemessen, an den sie betreffenden Verfahren beteiligt, wie dies z.B. bei der OGS-Vergabe an den Grundschulen passiert ist oder diese finden nur alibimäßig statt, wie bei der Trassensuchshow zum Radschnellweg. In anderen Bereichen erweist sich die Verwaltung als inkompetent, so schafft sie es seit Jahren nicht Fahrradständer an den Schulen aufzustellen oder Mobilstationen in der Stadt zu errichten.

Eigentlich ist es primäre Aufgabe der Politik für eine effiziente, schnelle und bürgerorientierte Verwaltung zu sorgen. Doch sie schaut nur zu und traut sich nicht, die Verwaltung so zu organisieren, dass diese so arbeitet, wie die Menschen das zu Recht von ihr erwarten dürften. Menschen fragen sich, ob ihre Belange im Fokus der von ihnen gewählten Politik stehen oder die Interessen der Beschäftigten der Stadt.

In Bochum kontrolliert und bestimmt die Politik nicht, was die Verwaltung tut, sondern drängt sich der Eindruck auf, dass die Politik sich als verlängerten Arm der Verwaltung versteht und eigentlich die Verwaltung bestimmt, was die Politik tut. Ein Wille die Entwicklung der Stadt aktiv zu gestalten, ist insbesondere bei der Mehrheitskoalition im Stadtrat nicht zu erkennen, man hält es nicht für nötig die Stadtpolitik mit eigenen Vorschlägen und Ideen zu lenken. Das überlässt man der Verwaltung. Diese macht die Beschlussvorschläge im Stadtrat, über die sie die Stadtpolitik in ihrem Sinne steuert und die von Rot-Grün erwartet, dass diese den Vorlagen im Stadtrat die erforderliche Mehrheit verschafft.

Für die Wähler*innen stellt sich die Frage, warum sie Politiker*innen wählen sollen, die jeden eigenen Gestaltungswillen vermissen lassen, selbst nicht mit Vorschlägen und Ideen aufwarten, sondern dieses Feld der Verwaltung überlassen und alles ohne kritische Beschäftigung abnicken, was ihnen vorgelegt wird.

Politikstil – Politik wird diskreditiert

Ein weiterer Punkt ist, dass der in Bochum gepflegte Politikstil, Politik über die Jahre systematisch diskreditiert hat. Ob im Stadtrat für oder gegen einen Vorschlag gestimmt wird, entscheidet sich in Bochum danach, wer den Vorschlag macht und nicht danach, ob der Vorschlag inhaltlich gut oder schlecht ist.

Entsprechend gibt sich die Rot-Grüne-Mehrheit im Rat regelmäßig nicht mal die Mühe ihre Ablehnung von Vorschlägen anderer Fraktionen zu begründen. Mit diesem überheblichen Verhalten demonstriert Rot-Grün, dass man es als Mehrheitskoalition nicht nötig habe, sich mit Vorschlägen anderer zu beschäftigen oder sich für Entscheidungen gegenüber den Bürger*innen zu rechtfertigen. Die dadurch sichtbar werdende Hochnäsigkeit der Macht wirkt auf die Menschen abstoßend und lässt sie daran zweifeln, ob die Stadtpolitiker*innen wirklich das Wohl der Stadt im Auge haben oder vielmehr bevorzugt eigene Machtinteressen verfolgen.

Wer Politik durch solches Verhalten diskreditiert, schadet ihr und schafft selbst die Ursache dafür, dass Menschen nicht mehr gewillt sind bei Wahlen etablierten politischen Kräften ihre Stimme zu geben.

Förderung der Mentalität, Politik als Konsumgut zu betrachten

Auch hat die Stadtpolitik in Bochum seit jeher die Mentalität gefördert, dass Politik quasi ein konsumierbares Gut ist. Man wählt jemanden und erhält dafür die versprochene Leistung. Das Bewusstsein, dass alle Menschen Teil der Stadtgesellschaft sind und zu deren Entwicklung beitragen, wurde nie gefördert. Die Menschen erwarten u.a., dass die Stadtpolitik für billige Mieten, günstige Preise, tolle Läden in der Innenstadt, kostenfreie Parkplätze vor der Haustür und eine ruhige Wohngegend mit Autobahnanschluss um die Ecke sorgt. Dass die Menschen selbst auch eine Eigenverantwortung tragen, welches Einkommen sie erzielen, ob sie Miete zahlen müssen, oder eigenes Wohneigentum erwerben, wo sie wohnen und wie die Stadt und ihre Wohnumgebung gestaltet ist, ist vielen gar nicht mehr bewusst. Bürgerliches Engagement ist in Bochum im Sportverein oder für den Kleingartenverein sehr verbreitet, für die Entwicklung der Stadt und des Wohnquartiers wird das nicht erwartet, da sieht man die Stadt oder die Wohnungsbaugesellschaft in der Verantwortung.

Wird Politik als konsumierbares Gut verstanden, haben es Populisten leicht. Verfolgen Bürger*innen diese Haltung wird der gewählt, der das beste Angebot macht und den Menschen die meisten Vergünstigungen verspricht. Wenn bei der Wahlentscheidung der persönliche, häufig pekuniäre Vorteil im Mittelpunkt steht, der gesellschaftliche Nutzen aber keine echte Rolle spielt, haben bei diesem Wettbewerb die etablierten Parteien das Nachsehen.

Politik ohne Überzeugungswillen

Es stellt sich zudem die Frage, warum Menschen in Bochum Politik machen? Welche Überzeugungen treiben sie an? Betrachtet man die Politiker*innen, die Bochum im Land- und Bundestag vertreten, fragt man sich, für welche Projekte und Überzeugungen stehen sie? Welche politischen Initiativen treiben sie voran und welche haben sie für die Stadt durchgesetzt? Gibt es da Nennenswertes?

Es entsteht der Eindruck, wichtig ist ihre Anwesenheit in den Parlamenten, um im richtigen Moment für die eigene Fraktion die Hand zu heben. Politik lebt vom Gestaltungswillen, Dinge zu zum Besseren zu verändern, sich dafür zu engagieren und dem unbedingte Willen andere davon zu überzeugen. Doch wo sieht man das in der Bochumer Politik?

Eine öffentliche Auseinandersetzung über politische Themen wird nicht nur gegenüber Populisten vermieden. Es hat den Anschein, als bestünde der Anspruch, Menschen zu überzeugen, dass man bessere Politik macht als Populisten und diese zu entlarven, gar nicht. Wenn es gegen Populisten und Extremisten geht, dann geschieht das fast ausschließlich auf Demonstrationen, mit denen man pressewirksam sichtbar macht, man steht auf der richtigen Seite. So schafft man sich ein gutes Gefühl. Überzeugen kann man damit aber niemanden. Eine Demonstration zeigt nicht, dass man die bessere Politik macht und Populisten keine Alternativen oder gar Lösungen bieten, sondern jeden Unsinn versprechen, nur um gewählt zu werden. Überzeugen gelingt nur über die direkte Ansprache und Diskussionen mit denen, die geneigt sind, Populisten ihre Stimme zu geben.

Besonders die SPD wird voraussichtlich Wähler*innen an Populisten verlieren

In den genannten Bereichen verliert die etablierte Politik aus den genannten Gründen gegenüber den Populisten zunehmend an Boden. Zu erwarten ist, dass besonders Menschen, die sich abgehängt fühlen, in Stadtteilen wohnen, die sich seit Jahren negativ entwickeln und die mit der Komplexität von politischen Zusammenhängen überfordert sind, ihre Stimme bei den nächsten Wahlen populistischen, tendenziell rechten Parteien geben. Das wird besonders zu Lasten der SPD gehen, die im Ruhrgebiet bisher von vielen Menschen aus den entsprechenden Milieus weniger aus Überzeugung denn aus alter Verbundenheit wegen ihrer Verdienste für die Arbeiterklasse gewählt wurden.

Im nächsten Jahr, 2024, steht in Bochum die Europawahl an, es folgen 2025 Bundestags- und Kommunalwahlen. Bei diesen Wahlen wird sich zeigen, wie stark Populisten auch im Ruhrgebiet an Stimmen gewinnen können. Landesweit wird aufgrund der letzten Umfragen mit fast einer Verdreifachung des Stimmenanteils der AfD (15%) ggü. den Landtagswahlen 2022 gerechnet (5,4%) (Sonntagsfrage Nordrhein-Westfalen). Die SPD dagegen verliert 5%.

Will man der genannten Entwicklung wirksam entgegensteuern muss sich wohl insbesondere die SPD überlegen, wie sie ihre (Stadt-)Politik und ihren Politikstil ändert. Die Zeit für Überheblichkeit ist definitiv abgelaufen.

11 Dez.

Der erhoffte nachhaltige Aufschwung bleibt aus

Nach dem Ende der Ära Ottilie Scholz wollte Bochum sich aufmachen, um den Rückstand zu anderen deutschen und europäischen Großstädten wett zu machen. Doch die Erwartungen werden enttäuscht. Für grundlegende Veränderungen fehlt es an Mut, die Verwaltung ist zu langsam, dem Oberbürgermeister fehlt die Souveränität nötige Entscheidungen durchzusetzen.

Sieben Jahre nach Amtsantritt von Thomas Eiskirch als Oberbürgermeister steht kein einziges großes Infrastrukturprojekt in Bochum vor der Fertigstellung. Eine grundlegende Reform der Verwaltung ist nicht in Sicht. In Sachen Mobilitäts- und Energiewende sowie Klimaschutz wurden viele schöne Sonntagsreden gehalten, real passiert ist aber kaum Nennenswertes. Der Oberbürgermeister und seine rot-grüne Koalition sind weder in der Lage die erforderlichen grundlegenden Veränderungen für die Stadt auf den Weg zu bringen noch sie umzusetzen.

Dürftige Bilanz

In wichtigen Bereichen der Stadtentwicklung wird der nötige Richtungswechsel weiter ausgesessen. Es gibt keine nennenswerten Projekte zum Ausbau des Nahverkehrsnetzes. Beim Ausbau des Radverkehrsnetzes tut sich nichts Grundlegendes, dafür werden Nichtigkeiten hemmungslos aufgeblasen, die in anderen Städten nicht mal eine Erwähnung in der Presse wert wären. So ist sich der Stadtbaurat nicht zu schade mit großem Pressetermin 500 Meter Fahrradstraße, als großen Schritt bei der Verlängerung des Radschnellweges abzufeiern (Radschnellweg Ruhr RS1: Stadt eröffnet weiteren Abschnitt an der Unteren Stahlindustrie).

Auch bei der Stadtentwicklung ist nichts Greifbares in Sicht. Kein Gebäude und kein städtischer Platz von Format wird bis zum Ende der Wahlperiode 2025 fertiggestellt sein. Auch mit neuer Vonovia-Hauptverwaltung, City-Tower, Sparkassengebäude am Dr.-Ruer-Platz kann die Stadt keine neuen Impulse setzen (City-Tower – Vom architektonischen Highlight zum trostlosen Klotz). Wichtige Chancen werden vertan. Belanglosigkeit statt Unverwechselbarkeit scheint weiterhin das Leitbild Bochumer Architektur zu sein.

Bei den Stadtentwicklungsprojekten (ISEK) in Wattenscheid, Hamme, Langendreer/Werne und Innenstadt tut sich neben Fassadenprogramm, der Finanzierung der Stadtteilbüros und der Neugestaltung nicht mal einer Hand voll Schulhöfe und Spielplätze kaum mehr was. Die Stadt ist nicht bereit eigene Projekte voll zu finanzieren. Die Fördergelder vom Land fließen nur noch tröpfchenweise. So können die Ziele des sozialen Stadtumbaus in den entsprechenden Stadtteilen sowie die dringend erforderliche Verbesserung des Stadtbildes nicht erreicht werden.

Nicht ein einziger bedeutender Stadtplatz konnte in den sieben Jahren der Ära Eiskirch zeitgemäß umgestaltet werden. Husemannplatz und August-Bebel-Platz werden erst nach 2025 fertig. Aber auch zwei dann hoffentlich ansprechend gestaltete Plätze, gegenüber über hundert weiterhin trostlosen, fallen kaum ins Gewicht (Ranking der Stadtplätze).

Ein paar wenige neue Pocketparks und das Urban Green am Hausacker sowie die Pflanzung von mehr Bäumen reichen lange nicht aus, um Bochum endlich ein zeitgemäßes, modernes und grünes Stadtbild zu geben.

Die Projekte des Handlungskonzepts Wohnen scheitern immer öfter am Widerstand der Menschen, die den Zubau von noch mehr Grün- und Naturflächen ablehnen und dafür eine Zunahme des Wohnungsbaus im Bestand fordern. Womit sich aber die Verwaltung mit ihrer trägen Organisationsstruktur überaus schwertut.

Das SmartCity-Projekt hört sich gut an, bildet aber in weiten Bereichen nur das ab, was in Sachen Digitalisierung ohnehin schon lange üblich sein sollte. Das Bochum Gigabit-City wird war ein schnell verpuffter Werbegag. Wie desaströs es wirklich um die Digitalisierung der Stadt steht, zeigte sich in der Corana-Krise (Corona-Krise legt digitale Defizite der Stadt offen). Auch 2022 verfügen immer noch nicht alle Schulen über einen Glasfaseranschluss und schnelles Internet.

Statt die Ursachen der strukturell sich verfestigenden Armut in der Stadt anzugehen, beschränkt sich die Stadt weiterhin darauf die Armut zu verwalten. Im Wahlkampf wollte der OB noch den Stock in die Speiche bekommen und das Armutsproblem von der Wurzel her angehen. In der Realität wurde dazu jedoch bisher keine wirksame Maßnahme auf den Weg gebracht.

In Schule und Bildung investiert die Stadt weiterhin nur dann, wenn entsprechende Maßnahmen zum Großteil aus Fördermitteln von Land und Bund finanziert werden. Die Bereitschaft, als Stadt aus eigenen Mitteln die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Schülerinnen und Schüler ihre Potentiale voll ausschöpfen und den maximalen Bildungserfolg erreichen können, besteht nicht.

Die Bochum-Strategie, eigentlich eine gute Idee des Oberbürgermeisters, kann einige kleine Erfolge vorweisen, zum Beispiel den Aufbau der Ehrenamtsagentur, die über den Bochum-Fonds finanzierten Projekte oder das Rathausclubbing Doch das ist viel zu wenig. Die erhofften Leitprojekte, mit der die Stadt in den nächsten 10-20 Jahren den Rückstand zur Entwicklung moderner Großstädte aufholen soll, bietet die Bochum-Strategie nicht. Sie verliert sich in Kleinstprojekten mit sehr begrenzter Wirkung auf die Gesamtsituation.

Einziges echtes Vorreiterprojekt der Stadt ist das Haus des Wissens (Haus des Wissens – Viele Ideen der STADTGESTALTER werden Realität), das zwar nicht auf einer Idee des Oberbürgermeisters basiert, dass er aber mit großem Engagement voran treibt. Schade nur, dass die Verwaltung mit Planung und Bau überfordert scheint. Statt 90 Mio. Euro soll das Projekt jetzt 164 Mio. verschlingen und 3 Jahre später fertig werden als geplant. Die Kosten- und Zeitplanung ist völlig aus dem Ruder gelaufen.

Die aktuell größten in der Umsetzung befindlichen städtebaulichen Entwicklungsprojekte der Stadt, die Wohnbebauung Ostpark und Mark 51°7 sind beide erfolgreich, wurden aber schon unter Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz auf den Weg gebracht. Mit Fördergeldern von jenseits der 90 Mio. ist es allerdings nicht schwer für die alten Opelflächen neue attraktive Unternehmen und Einrichtungen zu gewinnen. Statt der von Ruhr-Universität und Unternehmen gewünschten Seilbahnanbindung, will die Verwaltung vom BUR-Campus zum neuen Innovationsquartier auf Mark 51°7 ein Anrufsammeltaxi einrichten. Auch bei diesem Projekt vergibt die Stadt die Chance sich als innovativ und zukunftsgewandt zu präsentieren, sondern kommt provinziell, unambitioniert daher.

Es fehlt an Mut

Dieses Beispiel zeigt, dass der Stadt immer wieder der Mut fehlt, um Vorreiter in Sachen Stadtentwicklung zu werden. Der Oberbürgermeister traut sich weder der Stadt ein modernes Verkehrskonzept zu verordnen noch Stadtentwicklungsprojekte mit überregionaler Ausstrahlungskraft anzugehen oder die Stadtverwaltung grundlegend zu reformieren. Auch dafür, den Parteifreuenden in Land und Bund öffentlich klar und deutlich die Meinung zu sagen, dort wo sie die Stadt bei den Finanzen, den Schulen oder der sonstigen öffentlichen Infrastruktur im Stich lassen, ist er nicht bekannt.

Vorreiterstädte zeichnet aus, dass sie heute schon tun, was andere Städte erst in 10 Jahren nachmachen. Das geht nicht ohne den Mut, auch mal etwas zu tun, was nicht schon hunderte Städte erfolgreich jahrelang erprobt haben. Auf der einen Seite hätte die Stadt schon gerne vorzeigbare Landmarken, andererseits findet man sich mit belangloser, allenfalls mittelmäßiger Architektur ab. Man will die Energiewende, aber statt sich mit Agrothermie, schwimmenden PV-Anlagen oder Solartrackern vor Ort in Bochum zu beschäftigen, sollen sich die Stadtwerke lieber an PV- und Windkraftanlagen irgendwo anders in Deutschland beteiligen. Während über Jahre erfolgreiche Bürgermeister wie Boris Palmer, Daniel Zimmermann oder Anne Hidalgo für grundlegende zukunftsweisende Stadtprojekte stehen, diese umsetzen und dann mit den sichtbaren Erfolgen punkten, steht Eiskirch 2025 mit leeren Händen da. Das ständige Posten von Bildern seiner Person, auf denen er einen Baum pflanzt, ein Band durchschneidet oder einen Spaten in die Kamera hält, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihm bisher der Mut fehlt grundlegende Stadtentwicklungsprojekte durchzusetzen und anzugehen.

Zu langsame Verwaltung

Anspruchsvolle zukunftsweisende Projekte lassen sich allerdings nur mit einer effizient arbeitenden Verwaltung umsetzen. Davon ist die Bochumer Verwaltung weit entfernt. Stattdessen fällt sie immer wieder durch gepflegte Langsamkeit und provokante Behäbigkeit auf (Stadtverwaltung – viel zu oft viel zu langsam). Brauchen andere Städte für die Erstellung von Konzepten Monate, sind es in Bochum Jahre, siehe z.B. Klimaschutz- oder Radverkehrskonzept. Das gleiche gilt für Planungen wie z.B. August-Bebel-Platz oder Radschnellweg Ruhr. Die Summe der Terminüberschreitungen bei den aktuellen Bauprojekten der Stadt beträgt sagenhafte 125 Jahre. In Bochum werden städtische Bauprojekte im Durchschnitt 1 Jahr und 3 Monate später fertig als geplant (Städtische Bauprojekte im Schnitt 0,8 Mio. teurer sowie 1 Jahr und 3 Monate später fertig als geplant). Zwar wird der Etat für das städtische Personal von 2014 bis 2024 um fast 100 Mio. steigen, schneller und effektiver wird die Verwaltung dadurch aber nicht.

In kurzer Frist den Anforderungen des Klimanotstands gerecht zu werden und die eklatanten Rückstand auf moderne Städte bei der Stadtentwicklung aufholen kann nur mit hohem Tempo bei Planung und Realisierung der entsprechenden Projekte gelingen, das sollte auch Politik und OB bewusst sein. Trotz der unübersehbaren Dringlichkeit die Versäumnisse der Vergangenheit schnell aufzuarbeiten, ist seitens der Verwaltung keine Bereitschaft zu erkennen die Arbeitsgeschwindigkeit auf das nötige Maß zu erhöhen. Dem Oberbürgermeister fehlt auch hier der Mut die schon lange überfällige Reform der Verwaltung durchzusetzen, um die notwendige Beschleunigung der Verwaltungsabläufe zu bewirken.

Fehlende Souveränität

Die Umsetzung vieler zukunftsweisender Projekte und Ideen scheitert zudem daran, dass es dem OB neben Mut an Souveränität mangelt. Überall sieht er bei Projekten die Risiken des Scheiterns, ist zutiefst misstrauisch wie Projekte aufgenommen und wie diese bei den städtischen Beschäftigten, Politik und Bürger*innen ankommen könnten. Zu oft fehlt das Selbstvertrauen, Dinge, die er für nötig hält und von denen er überzeugt ist, mit seiner Person zu verknüpfen, diese auch gegen Widerstände offensiv durchzusetzen, um schließlich mit ihrem Erfolg persönlich punkten zu können.

Scheinbar wird der OB beständig von der Angst verfolgt, Vorschläge und Ideen, die nicht aus den beiden Parteien kommen, die ihn aufgestellt haben, könnten bei erfolgreicher Umsetzung SPD und Grüne Wählerstimmen kosten. Also werden diese samt und sonders aus rein wahltaktischen Gründen abgelehnt und jede Diskussion darüber aktiv vermieden. Diese irrationale Unsicherheit führt sogar soweit, dass Stadt und OB versuchen auf private Akteure Einfluss zu nehmen, indem sie die Teilnahme von Vertreter*innen der Stadt an Veranstaltungen oder Projekten davon abhängig machen, dass z.B. Vertreter*innen der STADTGESTALTER zuvor wieder ausgeladen werden.

Die mangelnde Souveränität in der Art und Weise mit Vorschlägen anderer umzugehen, zeigt sich auch in den Ratssitzungen, in denen man beobachten kann wie der OB versucht, immer dann, wenn Argumente gegen die Annahme eines Antrags der Opposition fehlen, die Diskussionen abzuwürgen, oder erst gar nicht erst entstehen zu lassen. Der Versuch vortragende Personen wenig souverän lächerlich zu machen, ist eine weitere Unart, die den Eindruck erweckt, es ginge ihm nicht um die Stadt, sondern allein um den Wahlerfolg im Wahljahr 2025.

Souveränen Bürgermeister*innen gelingt es Ideen und Vorschläge, unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit der Ideengeber aufzunehmen und sich mit dem Vorantreiben der Realisierung selbst zu profilieren. Sie machen den Erfolg von umgesetzten Vorschlägen zu ihrem Erfolg und präsentieren sich als unabhängige/r nur am Wohl der Stadt interessierte/r erste/r Bürger*in der Stadt.

Trotzdem Thomas Eiskirch diese Souveränität fehlt, ist anzuerkennen, dass er derjenige ist, der in der Rot-Grünen Koalition immer wieder das Ziel vorgibt, die Stadt für die Zukunft modern aufzustellen.

Rot-Grüne Ratsmitglieder verstehen sich als verlängerten Arm der Verwaltung

Denn sonst ist ein politischer Gestaltungswille weder bei SPD noch Grünen zu erkennen. Diesen Part überlassen beide Fraktionen  ganz dem Oberbürgermeister. Die Ratsmitglieder beider Parteien heben dann im Rat die Hand, wenn OB und Verwaltung dies von ihnen erwarten. Die Wortmeldungen im Rat wirken oft wie von der Verwaltung vorformuliert. Die meisten rot-grünen Ratsmitglieder verstehen sich als verlängerter, politischer Arm der Verwaltung.

Entsprechend waren nennenswerte strategische Initiativen der Rot-Grünen-Koalition bei den grünen Zukunftsthemen Mobilitäts-, Energiewende, Klima- und Umweltschutz in Bochum in den letzten über 20 Jahren nicht festzustellen und sind es auch während der laufenden Wahlperiode nicht Die Politik beider Ratsfraktionen zeichnet sich im Wesentlichen durch aufgesetzte Lobhudelei hinsichtlich der Arbeit der Verwaltung aus und die durchgehende und systematische Abweisung fast sämtlicher Initiativen und Anträge anderer Fraktionen. Folgerichtig brachte die Rot-Grüne Koalition zu den Haushaltsberatungen 2022 selbst nicht einen einzigen eigenen Vorschlag zustande, lehnte aber alle 72 Anträge anderer Fraktionen im Sinne der Verwaltung ab. Diese nur auf den eignen Vorteil bedachte  Politik ist destruktiv und schadet der Stadt.

Nach 7 Jahren Rot-Grün unter OB Eiskirch ist festzustellen, zu einem nachhaltigen und dauerhaften Aufschwung der Stadt wird es nicht kommen, so lange weiterhin der Mut fehlt, die dafür erforderlichen Veränderungen auf den Weg zu bringen, die Offenheit und Souveränität nicht vorhanden ist Ideen und Vorschläge unabhängig davon zu verfolgen, wer die Ideengeber sind und die Verwaltung nicht in der Lage ist die entsprechenden Veränderungen unbürokratisch, schnell und konsequent umzusetzen.

28 März

Stadtrat lehnt Beiräte für Jugend, Menschen mit Behinderung und Senioren ab.

Zur Kommunalwahl versprachen eigentlich alle Parteien und Gruppierungen mehr Bürgerbeteiligung, bei der Ratssitzung am Donnerstag zeigte sich, richtig ernst nehmen SPD, Grüne und CDU diese Zusage allerdings offenbar nicht.

Politik für Bürger*Innen heißt Politik mit Bürger*Innen. Insbesondere die von politischen Entscheidungen betroffenen Menschen müssen möglichst gut über die laufenden politischen Vorhaben informiert werden. Darüber hinaus müssen sie viel mehr Gelegenheiten bekommen sich mit diesen zu beschäftigen, ihre Einschätzungen dazu abzugeben sowie Anregungen dazu einzubringen. In letzter Konsequenz müssen auch mehr Möglichkeiten geschaffen werden, dass die Betroffenen, wo es möglich und sinnvoll ist, mitentscheiden können. Das alles zusammen macht echte politische Teilhabe und Bürgerbeteiligung aus.

Echte Interessenvertretungen von Jugendlichen, Senioren und behinderten Menschen

Für eine bessere Beteiligung von Menschen mit speziellen Bedürfnissen sieht die Gemeindeordnung NRW eine besondere Möglichkeit vor (§ 27a GO-NRW) vor, die Einrichtung von Beiräten für besondere gesellschaftliche Interessengruppen.

Die Idee solcher Interessenvertretungen ist, dass gesellschaftliche Gruppen wie Senioren, Jugendliche oder Menschen mit Behinderung, aus Ihrer Mitte eigene Vertreter*innen in einen Beirat der Stadt wählen können, der sich dann mit den Vorlagen des Stadtrates beschäftigt, die die entsprechenden Gruppen besonders betreffen. Zum Beispiel würde sich der Beirat für behinderte Menschen besonders mit dem Ausbau von Straßen befassen und darauf hinwirken, dass dieser auch wirklich barrierefrei erfolgt. Jugendliche würden in ihrem Beirat darauf achten, dass der Ausbau von Plätzen und Angebote für Jugendliche auch in ihrem Sinne erfolgen. Senioren hätten ein besonderes Augenmerk darauf wie die Pflegeplanung der Stadt erfolgt und dass es in diesem Bereich ein attraktives Angebot gibt, das auch der Nachfrage gerecht wird.

Derartige Beiräte hätten gleichzeitig das Recht eigene Anregungen und Vorschläge zu entwickeln und diese dem Rat direkt zur Entscheidung vorzulegen. Auch sind solche Beiräte der Ort, wo alle Vorlagen der Verwaltung mit Ratsmitgliedern diskutiert werden können. Denn einem funktionierenden Beirat sollten neben den Interessenvertreter*innen der entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen auch Ratsmitglieder aller Fraktionen angehören.

In Bochum fehlt Jugendlichen, Senioren und Menschen mit Behinderung eine echte politische Interessenvertretung

Derartige Beiräte gibt es in Bochum bisher leider nicht. Die “Beiräte” genannten Gremien des Rates sind rechtlich keine Interessenvertretungen gesellschaftlicher Gruppen, sondern Ausschüsse mit lediglich beratender Funktion, deren Mitglieder von den Fraktionen regelmäßig mit Parteifreunden besetzt werden. Die Beiratsmitglieder werden also nicht von den betroffenen gesellschaftlichen Gruppen gewählt oder bestimmt.

Auch gibt es solche unechten “Beiräte” nur für Senioren (“Leben im Alter”) und für Frauen (“Frauen, Geschlechtergerechtigkeit und Emanzipation”). Jugendliche verfügen über gar keine Interessenvertretung in der Politik, Menschen mit Behinderung ebenso wenig. Immerhin gibt es aber die von engagierten Menschen mit Behinderung organisierte Arbeitsgemeinschaft für Behinderte, die von der Verwaltung über viele Planungen informiert und um eine Einschätzung gebeten wird. Eine offizielle und echte Interessenvertretung für Menschen mit Behinderung, die mit den entsprechenden Rechten eines Beirats ausgestattet ist, stellt die Arbeitsgemeinschaft jedoch nicht dar, auch wenn die AG immer wieder durch ihre gewissenhafte Arbeit und nachdrückliche Interessenvertretung auffällt.

PARTEI und STADTGESTALTER haben die Schaffung echter Beiräte vorgeschlagen

Aufgrund der dargestellten Defizite bei der Bürgerbeteiligung der genannten gesellschaftlichen Gruppen im Stadtrat hatte die Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” in der letzten Ratssitzung beantragt entsprechende echte Interessenvertretungen für Senioren, Jugendliche und Menschen mit Behinderungen mit vollen Mitwirkungsrechten von Beiräten gemäß § 27a GO-NRW zu schaffen:

Jugendbeirat – “Jugendparlament”: Dieses Gremium sollte die jungen Menschen unter 16 repräsentieren, die bei der Kommunalwahl keine Stimme haben. In den Schulen sollten die Vertreter*innen für dieses Gremium gewählt werden.

Seniorenbeirat: Die Interessenverteter*innen dieses Beirats sollten sich bereits im Rentenalter befinden. Diese könnten von den Senioren im Rahmen der Kommunal- oder einer anderen stadtweiten stattfindenden Wahl mit gewählt werden.

Beirat für Menschen mit Behinderungen: Die Mitglieder dieses Beirats sollten von den Interessengruppen der behinderten Menschen benannt werden. Wobei darauf zu achten ist, dass die unterschiedlichsten Behinderungen im Beirat durch entsprechende Vertreter repräsentiert werden, also u.a. Blinde und Sehbehinderte, Gehörlose, Sprachbehinderte, Körperbehinderte.

Neben den Interessenvertreter*innen der gesellschaftlichen Gruppen sollten den Beiräten nach dem Vorschlag von PARTEI und STADTGESTALTERn Vertreter*innen aller Fraktionen des Rates angehören, jedoch ohne Antrags- und Stimmrecht. Jeweils ein/e Vertreter*in der Beiräte sollte zudem berechtigt sein, an allen Ausschusssitzungen des Rates, mit beratender Stimme teilzunehmen.

SPD, Grüne und CDU lehnen die Beteiligung von echten Interessenvertretungen ab

Leider waren insbesondere SPD, Grüne und CDU nicht bereit den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen mit ihren besonderen Bedürfnissen mehr politische Teilhabe einzuräumen. So erklärte der Fraktionsvorsitzende der SPD, es reiche aus, dass die Bedürfnisse der Jugendlichen in Bochum im Rahmen der Jugendforen abgefragt würden, eine weitergehende Beteiligung, insbesondere sich bei den aktuellen politischen Entscheidungen, die Jugendliche betreffen, direkt einzubringen, lehnten sowohl er wie seine Fraktion ab. Grüne und CDU stimmten ebenfalls gegen den Antrag von PARTEI und STADTGESTALTERn. Auch sie sahen keinen Anlass den Menschen mehr Beteiligung zu ermöglichen.

Dabei waren die Anregungen und Impulse aus den beiden bestehenden Beiräten für Frauen und Senioren in der Vergangenheit doch eher spärlich gesät. Als echte Interessenvertretungen der entsprechenden Gruppen fielen die “Beiräte” nur sehr vereinzelt auf. Hier besteht also weiter Handlungsbedarf. Das Ziel aller Fraktionen sollte es sein Jugendliche, Senioren und Menschen mit Behinderung aktiv an den politischen Entscheidungen zu beteiligen. Dafür muss die Politik aber auch bereit sein den Beiräten die erforderlichen Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten einzuräumen. Beiräte sollten nicht als Alibi eingerichtet werden. Ziel sollte es nicht sein, die Beiräte mit Parteifreunden zu besetzen, damit diese möglichst wenig den politischen Alltag des Stadtrates stören.

Die Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” wird weiter an der Forderung festhalten, dass die Stadt Bochum echte Interessenvertretungen für Jugendliche, Senioren und Menschen mit Behinderungen schafft. Die Fraktion ist zuversichtlich, dass auch SPD, Grüne und CDU in nicht allzu ferner Zukunft ihren Widerstand gegen echte Interessenvertretungen der entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen aufgeben werden.

22 Nov.

Gesucht: Podcast & Blog zur Bochumer Stadtpolitik

Der Bochumer Stadtrat hat beschlossen, dass Ratssitzungen zukünftig ins Internet übertragen werden sollen. Rats-TV kann aber nur der erste Schritt sein, die Bochumer besser über die Stadtpolitik zu informieren, ein weiterer könnte die Schaffung eines unabhängigen Stadtkanals sein, der sich journalistisch mit den wichtigen Themen der Stadt beschäftigt.

Über 8 Jahre hat es gedauert, bis die Politik jetzt einhellig für eine Übertragung der Ratssitzungen gestimmt hat.

Rats-TV, eine langjährige Forderung von FDP, STADTGESTALTERn und Linken, wird endlich umgesetzt

In der letzten Wahlperiode noch hatten sich SPD, CDU, sowie große Teile der Grüne gegen eine Online-Übertragung von Ratssitzungen ausgesprochen. Die entsprechenden Anträge von, FDP, STADTGESTALTERn, Linken und Piratenpartei waren immer wieder gescheitert. Am Ende der Wahlperiode hatte bereits die CDU ihren Widerstand aufgegeben. So scheiterte der letzte Antrag in der alten Ratsperiode nur knapp an SPD, Teilen der Grünen sowie der UWG.

Gleich in der ersten Ratssitzung der neuen Wahlperiode stimmte der Rat einstimmig dafür, dass die Verwaltung bereits für die Dezembersitzung ein Konzept vorlegt, wie die Übertragung in der Geschäftsordnung des Rates verankert werden kann und die Übertragung technisch umgesetzt werden soll. Linke, Die PARTEI und die STADTGESTALTER hatten in der Ratssitzung mit einem eigenen Antrag erneut Druck gemacht. Letztlich wurde das Rats-TV mit einem gemeinsamen Antrag  fast aller Fraktionen und Gruppen des Rates auf den Weg gebracht.

Informationen über die Stadtpolitik sind auch mit Rats-TV noch schwer zu bekommen

Doch reicht Rat-TV, um den Einwohner der Stadt die Politik des Rates näher zu bringen? Das ist leider nicht der Fall. Die Berichterstattung in den Bochumer Medien ist weiterhin zu dünn. Eigentlich berichtet nur die WAZ-Bochum kontinuierlich über die Ratspolitik. Doch auch die ist personell regelmäßig nicht in der Lage die Ratssitzungen in voller Länge zu verfolgen, zu Ausschusssitzungen kommen nur sporadisch Pressevertreter, entsprechend werden viele Themen gar nicht oder nur oberflächlich behandelt. Investigative Beiträge bleiben die Ausnahme. Die Berichterstattung von Radio Bochum über die Lokalpolitik beschränkt sich auf eine überblicksartige Darstellung der wichtigsten Themen. Eine Berichterstattung, die aufzeigt, welche politische Gruppierung bei welchem Thema warum, welche Position vertritt, findet regelmäßig nicht statt. Unabhängige Blogs oder Podcasts, die regelmäßig aus den Ratssitzungen berichten, gibt es bisher leider nicht. Lediglich der Pottblog von Jens Matheuszik, gleichzeitig Vorsitzender der SPD Bochum-Ehrenfeld, berichtet regelmäßig live via Twitter und in seinem Blog über die Ratssitzungen.

Sich schnell und einfach über das zu informieren, was in der Politik läuft und wie in der Politik diskutiert wird, ist den Einwohnern von Bochum und Wattenscheid also trotz Rats-TV weiterhin kaum möglich. Auch fehlt weiter eine regelmäßigen Berichterstattung aus den Bezirksvertretungen und den Ausschüssen des Rates. Eine intensive Beschäftigung mit der Bochumer Lokalpolitik bleibt Menschen vorbehalten, die viel Zeit dafür investieren können und bereits über ein umfassendes Wissen verfügen, wo sie welche Informationen finden können. Im Ergebnis erklärt sich so, warum viele Menschen über die Lokalpolitik relativ wenig informiert sind und zum Beispiel erst mitbekommen, dass ein neues Baugebiet in ihrer Nachbarschaft entsteht, bei dem umfangreiche Fällungen von Bäumen geplant sind, wenn die Bagger anrollen.

In Bochum fehlt ein unabhängiges Medium, das umfassend über die Stadtpolitik berichtet

Es fehlen in Bochum also unabhängige Medien, die mit journalistischem Sachverstand kontinuierlich über die stadtpolitischen Themen und Diskussionen berichten. Dem steht entgegen, dass Menschen mit den notwendigen journalistischen Qualifikationen um solche Medien zu bespielen, das nicht ehrenamtlich tun können, sondern ordentlich bezahlt werden müssen, auf der anderen Seite aber viele Menschen nicht bereit sind für gute Berichterstattung Geld zu bezahlen.

Eine Finanzierung durch Nutzer und Werbung wird also ein solches unabhängiges politisches Stadtmedium nicht tragen können. Alternativ denkbar wäre eine Finanzierung über eine Stiftung, die sich eine unabhängige Berichterstattung mit journalistischem Anspruch zum Ziel setzt. Für diese Stiftung müssten wiederum potente Geldgeber aus der Stadtgesellschaft gewonnen werden, die bereit sind, das genannte Ziel finanziell zu unterstützen, ohne selbst Einfluss auf die Berichterstattung nehmen zu wollen. Auch die Stadt selbst sollte ein Interesse haben eine solche Stiftung finanziell zu unterstützen.

Im Idealfall kann auf diese Weise ein Onlinekanal zur Stadtpolitik geschaffen werden, über den mittels Blogberichten und Podcasts direkt von Ratssitzungen berichtet wird und Reportagen zu wichtigen stadtpolitischen Ereignissen und Themen aufgerufen werden können. Ebenso kann solch ein Kanal eine Plattform für Interviews mit an staatspolitischen Entscheidungen beteiligten oder davon betroffenen Akteuren sein. Auch für Kommentare zu kontroversen Themen, die die Menschen in der Stadt bewegen, sollte der Kanal Raum geben. Dazu sind auch unterhaltende Formate, wie satirische Beiträge oder eine “Late-Night-Show”, die sich mit Stadt und Stadtgesellschaft beschäftigt, denkbar.

Für einen stadtpolitischen Kanal ist Unterstützung aus der Stadtgesellschaft nötig 

Letztlich ist für die Umsetzung eines solchen Projekts die Stadtgesellschaft gefragt. Wie gut sollen die Einwohner Stadt über die Themen der Stadtpolitik informiert sein? Was ist der Stadtgesellschaft eine unabhängige und umfassende Berichterstattung über die Stadtpolitik wert? Gibt es in der Stadtgesellschaft Akteure, die sich vorstellen können ein solches Projekt finanziell zu tragen? Woran es voraussichtlich nicht mangelt, sind engagierte Bochumer mit journalistischem Background, die bereit wären die Inhalte für den Kanal zu produzieren.

14 Juli

Konkrete Politik statt Resolutionen

Welche Resolution wird der Rates der Stadt als Nächstes verkünden? Wird der Bochumer Stadtrat in seiner nächsten Sitzung die Anlage von Steingärten im Stadtgebiet verurteilen? Oder erklärt sich die Stadt mit den Eisbären in der Arktis solidarisch, denen bald das Wasser bis zum Hals steht? Dazu könnte die Stadtpolitik sich noch gegen die Armut in der Welt, für weniger Plastik in den Weltmeeren und bewusste Ernährung in den Schulen aussprechen. Eine Resolution zur friedlichen Besiedlung des Mars wäre ebenfalls eine Option.

Auch könnte der Stadtrat nach dem Klima- jetzt den Bildungsnotstand erklären. Alarmismus ersetzt reale Politik. Auch die Presse lässt sich darauf ein. Soll ein Notstand ausgerufen werden, folgt ein Beitrag auf den nächsten, wird im Rat über konkrete Vorschläge der Parteien zum Klimaschutz diskutiert, glänzen die Printmedien durch Abwesenheit.

Rat verabschiedet immer mehr Resolutionen – Symbolpolitik ersetzt reales Handeln

In jeder Ratssitzung werden mehr Resolutionen zur Abstimmung gestellt. In der letzten Ratssitzung waren es fünf, so viel wie nie zuvor. Der Rat scheint unter fortschreitender Resolutionitis zu leiden.

Symbolpolitik ersetzt reale Politik, die die eigentlichen Probleme angeht. Fast alle können sich auf die Resolutionen einigen und sich auf die Schultern klopfen, das sie zumindest ihre gute Absicht bekundet haben. Damit kann man sich auch in den Medien brüsten. Der Initiator der Resolution kann einen politischen Erfolg feiern, hat man doch fast alle Ratsmitglieder dazu gebracht einer möglichst allgemein und selbstverständlich formulierten Forderung zuzustimmen. Weiterlesen