24 Sep.

Bracke vs. Lukat – Der Vergleich

Am Sonntag ist Stichwahl im Kampf um das Oberbürgermeisteramt. Welche Ziele verfolgen die Kandidaten, um die Herausforderungen zu bewältigen, vor denen die Stadt steht? Hier der Vergleich.

Das Oberbürgermeisteramt ist die höchste Position in der Stadt. Der zukünftige Oberbürgermeister wird für 5 Jahre gewählt. In dieser Zeit bereiten er und seine Verwaltung die wichtigsten politischen Entscheidungen für die Stadt und den Stadtrat vor. Der Oberbürgermeister ist Chef der Verwaltung und Aufsichtsratsvorsitzender der wichtigsten städtischen Unternehmen. Er leitet die Stadt.

Herausforderungen, vor denen die Stadt steht

In der ersten Wahl erreichte Jörg Lukat, der für SPD und Grüne antritt, 43,1 %, Andreas Bracke, der von der CDU aufgestellt wurde, 22,9 %. Die Wähler und Wählerinnen fragen sich, wer ist der bessere Oberbürgermeister? Wer kann die Herausforderungen, vor denen die Stadt steht, besser bewältigen?

Herausforderungen, vor denen die Stadt Bochum steht

Die STADTGESTALTER haben die Positionen der beiden Kandidaten zu den wichtigsten 8 Herausforderungen (Die acht großen Herausforderungen, denen sich Bochum stellen muss) miteinander verglichen. Da die Programme der Kandidaten zu vielen Punkten nicht viel hergeben, wurden beide Kandidaten gebeten, zu den Punkten folgende Fragen zu beantworten: Welches Ziel verfolgen Sie in dem jeweiligen Bereich? Wie wichtig ist Ihnen der Bereich bzw. das Ziel? (Mail an Kandidaten) Von dieser Möglichkeit machten beide Kandidaten jedoch keinen Gebrauch.

Angemerkt sei, dass ein solcher Kandidatenvergleich eigentlich Aufgabe der lokalen Medien, also Radio Bochum und WAZ-Bochum, gewesen wäre. Diese wollten das aber anders als z.B. die WAZ-Essen nicht leisten (WAZ vom 19.09.2025). Was die Gründe sind, ob Desinteresse, Unwillen, Unvermögen oder alles zusammen, ist nicht bekannt.

Hier nun der Vergleich:

Stadtfinanzen – Beseitigung der bedrohlichen finanziellen Schieflage der Stadt – Mehr Investitionen und finanzielle Handlungsfreiheit

Aktuelle Situation: Im Haushalt 2025/26 gibt die Stadt 201 Mio. Euro insgesamt mehr aus als sie einnimmt. Die städtischen Schulden liegen bei 2 Mrd. Euro. Die Kämmerin rechnet 2029 mit 71 Mio. Euro Ausgaben allein für Schuldzinsen. Die städtischen Finanzrücklagen sind aufgebraucht.

Weder Jörg Lukat noch Andreas Bracke nehmen sich des Themas auf ihren Internetseiten an. Das vermittelt den Eindruck, für beide haben gesunde Stadtfinanzen keine Priorität. Beide geben weder an, das Ziel zu verfolgen, den Stadthaushalt im Blick halten zu wollen, noch bieten sie Lösungen an, wie städtische Ausgaben und Einnahmen wieder ins Gleichgewicht gebracht werden sollen, noch wie das Verschuldungsproblem gelöst werden soll.

Jörg Lukat: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Infrastruktur – Herstellung einer metropolengerechten und in europäischen Großstädten üblichen Infrastruktur – Eine Stadt, die Menschen und Unternehmen anzieht

Aktuelle Situation: Im Vergleich zu Großstädten und Metropolen europa- wie weltweit fehlt Bochum wie der Ruhrstadt eine metropolengerechte Infrastruktur. Diese ist nur beim Autoverkehr vorhanden. Werden in Metropolen 20% und mehr Wege mit dem ÖPNV zurückgelegt, sind es in Bochum nur 13,3 %. Wird in Metropolen wie Paris, London, Tokio oder Shanghai, mehr Rad als Auto gefahren, dominiert in der Ruhrstadt weiterhin der Kfz-Verkehr alles.

Jörg Lukat nennt auf seiner Seite als Ziel “Mehr Mobilität im Umweltverbund”. Auch will er eine digitale und vernetzte Mobilität weiter voranbringen. Wie und mit welchen Projekten er diese Ziele erreichen will, sagt er jedoch nicht. Angesichts der immensen Herausforderungen scheinen die gesetzten Ziele schwammig und wenig ambitioniert.

Andreas Bracke erklärt zu diesem Thema kurz und knapp: “Mobilität statt Bevormundung. Weil Alltag zählt – nicht Ideologie.” Offenbar hält er die Forderung, dass die Menschen in der Stadt, mit jedem Verkehrsmittel gut und sicher von A nach B zu kommen, für ideologisch und lehnt eine moderne Verkehrsorganisation, wie sie heute in erfolgreichen Großstädten und Metropolen üblich ist, ab.

Jörg Lukat: Zielsetzung: mangelhaft, Maßnahmen: ungenügend
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Stadtentwicklung – Wiederbelebung der Stadtteilzentren und Innenstädte – Höhere Lebensqualität und Attraktivität

Aktuelle Situation: Viele Bochumer Stadtteilzentren sowie die beiden Innenstädte (Bochum und Wattenscheid) befinden sich in einem bedenklichen Zustand. Viele Stadtteilzentren weisen schwere Defizite bei der Stadtgestaltung auf, das Nahversorgungsangebot ist unzureichend, ein Supermarkt fehlt, die Aufenthaltsqualität ist gering.

Jörg Lukat will mehr “öffentliche Bänke und geöffnete Räume schaffen” und die Stadtteilfeste aktiver unterstützen. Dazu will er “Bochum zur Gedankenschmiede für das Thema Wohnen machen – etablierte Pfade verlassen und neues Bauen und Wohnen wagen.” Konkreter wird er nicht. Wie er die strukturellen Probleme in den Innenstädten und Stadtteilen angehen will, sagt er nicht. Die entsprechenden Probleme werden weder benannt noch adressiert. Es ist nicht erkennbar, dass sie für ihn von Relevanz sind.

Andreas Bracke erklärt “Mehr Sicherheit und Verlässlichkeit im Alltag.
Strukturen, die man spürt – vor Ort.” zu seinem Ziel. Auch will er die Lebensqualität verbessern. Wie er diese vagen Ziele erreichen will, sagt er nicht. Ob er das Ziel verfolgt Stadtteile und Innstädte wiederzubeleben und der Attraktivität zu steigern, ist seiner Internetpräsenz nicht zu entnehmen.

Jörg Lukat: Zielsetzung: mangelhaft, Maßnahmen: mangelhaft
Andreas Bracke: Zielsetzung: mangelhaft, Maßnahmen: ungenügend

Klimakrise – Erreichung der Klimaneutralität – Die Stadt für zukünftige Generationen lebenswert erhalten

Aktuelle Situation: Rund 2.000 kt CO2eq/a wurden in Bochum pro Jahr 2021 erzeugt. Daran hat sich in den letzten 4 Jahren aufgrund nur weniger substanzieller Aktivitäten in Sachen Klimaschutz kaum etwas geändert.

Jörg Lukat erklärt recht ausführlich, dass er sich zumindest für Nachhaltigkeit und mehr Grün in allen Bereichen einsetzen will. Er gibt als Ziel an “Kindern und Enkeln ein gutes Leben in Sicherheit, Frieden und Wohlstand [zu] ermöglichen. Was sein konkretes Ziel hinsichtlich Klimaschutz sein soll, bleibt jedoch offen.

Er will „sein Bestes“ dafür geben, dass Klimaplan, die Nachhaltigkeitsstrategie und das Mobilitätskonzept auch weiter realisiert werden. Dass diese nicht ausreichen, um das städtische Ziel “Klimaneutralität bis 2035” zu erreichen, sagt er nicht, Welche Maßnahmen er ergreifen will, damit das Ziel doch noch erreicht wird, bleibt ebenfalls unbeantwortet.

Andreas Bracke spricht das Thema auf seiner Internetseite nicht an. Demnach erscheint es ihm nicht wichtig. Der wiederholte Verweis auf “Ideologie” deutet darauf hin, dass Maßnahmen zum Klimaschutz für ihn allein ideologisch motiviert sind.

Jörg Lukat: Zielsetzung: befriedigend, Maßnahmen: mangelhaft
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Bildung/ Schulen – Schaffung einer zukunftsfähigen Schul- und Bildungslandschaft – Mehr Zukunftsperspektiven und weniger Armut

Aktuelle Situation: In 6 von 30 Ortsteilen erhalten mehr als 50% der Grundschüler nur eine Hauptschul- oder eine eingeschränkte Realschulempfehlung. Immer noch gibt es in Bochum zwei Hauptschulen, obwohl klar ist, dass ein Hauptschulabschluss heute kaum mehr ausreicht, um einen Beruf zu erlangen, mit dem sich ein ausreichendes Einkommen erzielen lässt.

Jörg Lukat möchte, dass Bochum beste Bildungschancen, von der frühen Kindheit, über die Ausbildung bis zur Weiterbildung bietet. Dafür schlägt er ein Talent-Scouting für das Handwerk, ein Bochum-Stipendium und “Open Library” für jeden Stadtbezirk vor, Auch will er die Schulsozialarbeit ausbauen mehr Familien-Grundschulzentren einrichten, das Programm Bildung und Teilhabe ausdehnen und die Erweiterung der Kitas vorantreiben sowie Schulhöfe neugestalten.

Dass die Maßnahmen, um die Herausforderung zu bewältigen bzw. das selbst gesetzt Ziel zu bewältigen, erscheint fraglich.

Andreas Bracke erklärt “Moderne Klassenräume statt Container. Bildung braucht Raum – keine Ausreden.” Er reduziert Das Schul- und Bildungsthema auf die berechtigte Forderung nach ausreichenden und guten Schulräumlichkeiten. Dass von ihm zu dem Thema weitere Ziele verfolgt werden, ist nicht erkennbar.

Jörg Lukat: Zielsetzung: befriedigend, Maßnahmen: ausreichend
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Neuorientierung beim Politikstil – Mehr bürgerlicher Beteiligung und Mitbestimmung.

Aktuelle Situation: In Bochum bestimmt die Verwaltung die Politik und nicht die Politik, was die Verwaltung zu tun hat. Die Verwaltung schlägt vor, was zu tun ist, die Mehrheitskoalition nickt die Dinge ab, wenn die Verwaltung das erwartet. Einen eigenen Gestaltungswillen besitzt die Politik nicht. Man erarbeitet selbst so gut wie keine eigenen Vorschläge und Konzepte.

Jörg Lukat und Andreas Bracke machen zu diesem Bereich beide keine relevante Ausführungen. Es ergibt sich der Eindruck, dass beide nicht an mehr Beteiligung und Mitwirkung der Menschen interessiert sind und dass sie auch zukünftig der Verwaltung den bestimmenden Part in der Stadtpolitik überlassen wollen.

Jörg Lukat: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend
Andereas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Ruhrstadt – Transformation der Metropole Ruhr – Die weltweit sichtbare Ruhrstadt.

Aktuelle Situation: Die viertgrößte Metropole Europas, die Ruhrstadt, ist nicht sichtbar. Die Zusammenarbeit der 15 Städte, aus denen die Ruhrstadt besteht, liegt weit unter den Möglichkeiten. Ökonomische Synergieeffekte bleiben weitgehend unerschlossen. Jede Stadt ist gefangen in ihrem Kirchturmdenken. Ein Denken in Metropolstrukturen und auf der Ebene einer Metropole findet nicht statt. Der Horizont der Stadtpolitik endet an der Stadtgrenze.

Auch zu diesem Bereich äußern sich weder Jörg Lukat noch Andreas Bracke. Nicht mal die Überwindung des Kirchturmdenkens oder eine Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit werden erwähnt. Ob die Chancen, die die Ruhrstadt bietet, nicht verstanden werden, das Ziel als unrealistisch eingestuft wird oder schlicht kein Interesse an dem Thema besteht, darüber kann nur spekuliert werden.

Jörg Lukat: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Verwaltung – Reform der Verwaltung – Mehr Kundenfreundlichkeit und Effizienz bei den Abläufen

Aktuelle Situation: Die Zahl der Stellen in der Bochumer Verwaltung ist seit 2015 um 40 % angewachsen die städtischen Personalkosten um 60 % gestiegen. Der maßlose Personalzuwachs sprengt den Stadthaushalt und ist Hauptgrund dafür, dass die Stadt 2025/26 201 Mio. mehr ausgibt als sie einnimmt

Jörg Lukat will “durch neue Abläufe in der Verwaltung unser Bochum zur bürgerfreundlichsten Stadt gestalten.” Vorbild ist das Bochumer Bürgerbüro, dass laut Analyse eines Verbraucherschutzvereins das beste Bürgerbüro Deutschlands ist.

Das Ziel ist ambitioniert. Wege und Maßnahmen, die Lukat ergreifen will, um dieses zu erreichen, werden nicht genannt. Auch setzt er sich nicht mit dem Problem vom übermäßigem Personalzuwachs und explodierenden Personalkosten auseinander.

Andreas Bracke negiert das Thema vollständig. So entsteht der Eindruck, es habe für ihn keine Bedeutung.

Jörg Lukat: Zielsetzung: gut, Maßnahmen: mangelhaft
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Zusammenfassung und Wahlempfehlung

Das, was beide Kandidaten als Inhalte bieten, ist mehr als dürftig. Dass sich beide Kandidaten nicht die Mühe machen wollten, sich näher mit den genannten Themen zu beschäftigen, spricht für sich. Offenbar gehen beide Kandidaten davon aus, dass politische Inhalte für die Wahlentscheidung der Menschen ohnehin nicht relevant sind und die lokale Presse sich dafür ebenfalls nicht interessiert.

Nach den bekannten Ausführungen kann man nicht zu dem Eindruck kommen, dass einer von beiden Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters geeignet ist. Die ausgebliebene Reaktion auf die Bitte, sich zu den verschiedenen wichtigen Stadtthemen zu äußern, legt nahe, es fehlt bei beiden die grundlegende Bereitschaft sich mit den Herausforderungen, vor denen die Stadt steht, ernsthaft auseinander zu setzen.

Den STADTGESTALTERn ist daher eine Wahlempfehlung für die Stichwahl unmöglich.

Die STADTGESTALTER

Verwendete Quellen:
Jörg Lukat: https://www.lukat-bochum.de/
Andreas Bracke: https://andreasbracke.de/

24 Aug.

Am 14.09.2025 wird Rot-Grün in Bochum Geschichte sein

Ausgehend vom Trend der letzten Wahlen werden SPD und Grüne bei der Kommunalwahl im September so viele Stimmen verlieren, dass es für Rot-Grün im neuen Stadtrat aller Voraussicht nach nicht mehr reichen wird. Welche Koalitionen sind in der neuen Wahlperiode realistisch? Wo positionieren sich Die STADTGESTALTER?

Seit 25 Jahren regieren SPD und Grüne die Stadt. Die Finanzlage der Stadt kippt (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0 – Die Ursachen), bei Stadtentwicklung und Strukturwandel hinkt die Stadt weit hinterher (Die acht großen Herausforderungen, denen sich Bochum stellen muss), der progressive Oberbürgermeister geht (OB Eiskirch geht).

Rot-Grüne-Koalition wird voraussichtlich 2025 enden

Schon bei Europa- und Bundestagswahl verloren SPD und Grüne deutlich, die CDU gewinnt, AfD und Linke legen stark zu. Zu erwarten ist, dass sich dieses Ergebnis auch bei der Kommunalwahl fortsetzt.

Ausgehend von einer Ratsgröße wie in der Wahlperiode 2020 bis 2025 könnte die SPD 6-8 Sitze verlieren, die Grünen 5-7. Angesichts der abnehmenden Zustimmungswerte für die Bundes-CDU und der Bochumer Querelen bei der Oberbürgermeisteraufstellung (WAZ vom 02.06.2025) wird die CDU voraussichtlich eher wenige Sitze (0-2) gewinnen, die Linke dagegen 3-5, die AfD sogar 5-7. Die kleinen Parteien und Wählergemeinschaften (UWG, FDP, STADTGESTALTER, Volt, BSW u.ggf.a.) kämen in Summe auf 11-13 Sitze.

Die AfD wird größter Wahlgewinner

Die AfD wäre der größte Wahlgewinner, Ursache ist neben einigen anderen Faktoren insbesondere die wenig erfolgreiche Politik der letzten Jahrzehnte (Zunehmender Populismus – Rechtsruck auch in Bochum zu erwarten).

Auch die ausnehmend schlechte, unambitionierte wie zu vielen wichtigen Stadtthemen unzulängliche Wahl- und Politikberichterstattung von WAZ und Radio Bochum sind als Ursache dieser Entwicklung zu nennen (Wahlkampfberichterstattung in Bochum – Brauchen wir noch Redakteure oder kann das auch ChatGPT).

Welche Koalitionen sind theoretisch möglich?

Geht man von den genannten Wahlergebnissen und einer Größe des Stadtrates wie derzeit (87 Sitzen = 86 + OB)* aus, würden SPD und Grünen 6-10 Sitze zu einer Mehrheit von 44 Sitzen im Stadtrat fehlen. CDU und Grüne hätten 10-14 Sitze zu wenig. Nur für eine Mehrheit von SPD und CDU könnte es knapp reichen, eher aber werden auch hier 1-5 Sitze fehlen, zumal ein Rot-Grüner Oberbürgermeister bei dieser Koalition nicht 100 % der SPD zuzurechnen wäre.

Ausgangslage für mögliche Koalitionen nach der Kommunalwahl 2025

Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit wird also ein dritter Koalitionspartner für eine Mehrheitskoalition benötigt. Eine Schwarz-Grüne-Koalition wird es vermutlich nicht geben. Sie wäre nur mit drei weiteren kleinen Gruppierungen oder Linken und einer weiteren kleinen Gruppierung möglich. Dass sich eine solche Koalition findet, ist unrealistisch.

Bei der Kombination Rot-Grün könnte eine weitere Fraktion zur Mehrheit im Stadtrat reichen. Das könnte dann rein rechnerisch, die CDU, die Linken oder bei entsprechender Sitzzahl STADTGESTALTER/Volt sein.

Reicht es für CDU und SPD nicht zur Mehrheit, wären aufgrund ihrer politischen Ausrichtung Grüne, UWG oder FDP die naheliegenden Koalitionäre, theoretisch kämen auch STADTGESTALTER/Volt oder Linke in Frage.

Welche Koalition ist wahrscheinlich?

Damit sind folgende Koalitionen am wahrscheinlichsten:
1. SPD, CDU und Grüne
2. SPD, CDU und eine kleine politische Gruppierung
3. SPD, CDU
4. SPD, Grüne und Linke
5. SPD, Grüne und eine kleine politische Gruppierung

Wer nicht möchte, dass eine ganz große Koalition von SPD, CDU und Grünen die Stadt regiert, müsste also seine Stimme einer kleineren politischen Gruppierung geben.

Ein Stadtrat ohne feste Koalition

Auch möglich wäre, dass im neuen Stadtrat gar keine Koalition gebildet wird und sich wechselnde Mehrheiten im Rat jeweils entscheidungs- und themenbezogen zusammenschließen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass sich eine Koalition nur für den Stadthaushalt bildet (Haushaltskoalition), für alle anderen Themen die Mehrheiten im Stadtrat zukünftig wechselnd und sachbezogen zu Stande kommen.

Damit käme Leben in den Stadtrat, zu jeder Entscheidung müsste sich eine Mehrheit neu zusammenfinden und einen gemeinsamen Beschluss aushandeln. Das täte der Stadtpolitik und dem Politikstil sicher gut. Stadtpolitik würde transparenter und sachbezogener. Diese beiden Möglichkeiten würden Die STADTGESTALTER daher präferieren. Sie wäre allerdings nur realistisch, wenn alle kleineren Parteien und Wählergemeinschaften eine Koalition mit den Großen ablehnen.

STADTGESTALTER bei Erfüllung von vier Bedingungen für eine Koalition bereit

Gleichwohl haben Die STADTGESTALTER festgelegt, dass Sie nur bei Erfüllung von vier Bedingungen bereit wären über eine (Haushalts-)Koalition zu verhandeln oder bei der Stichwahl einen OB-Kandidaten zu unterstützen:

1. Veränderung Politikstil: Die Politik vereinbart, sich zukünftig mit allen Vorschlägen von demokratischen Wählergruppen und Parteien, die in die politische Diskussion eingebracht werden, ernsthaft und unvoreingenommen zu beschäftigen. Wer Ideen einbringt, spielt dabei in Zukunft keine Rolle mehr.

2. Eine Koalition unter Beteiligung der STADTGESTALTER entwickelt, erarbeitet und vereinbart ein Konzept zur zukünftigen Struktur-, Stadt- und Wirtschaftsentwicklung. Dieses legt Ziele fest und einen Katalog von wichtigen Maßnahmen, die anschließen konsequent umgesetzt werden.

3. Eine Koalition unter Beteiligung der STADTGESTALTER erarbeitet und vereinbart ein Konzept, wie ein Haushaltsausgleich erreicht und die Verschuldung bis 2040 auf annähernd Null zurückgeführt werden kann.

4. Eine Koalition unter Beteiligung der STADTGESTALTER erarbeitet und vereinbart ein Konzept zur Eröffnung und Einführung neuer, substanziell relevanter Möglichkeiten zu einer verstärkten Bürgerbeteiligung.

Machtverhältnisse im neuen Stadtrat noch völlig offen

Ziemlich sicher ist derzeit nur, dass die Ära der Rot-Grünen-Koalition nach 25 Jahren enden wird. Alles andere wäre eine dicke Überraschung. Sonst aber sind die Machtverhältnisse im neuen Stadtrat noch völlig offen, sowohl dahin gehend wer rechnerisch überhaupt für Koalitionen in Frage kommt, noch, ob die möglichen Partner überhaupt Koalitionen bilden wollen und wenn ja mit welchen anderen Parteien oder Wählergemeinschaften.

Die STADTGESTALTER

* Die Größe des Bochumer Stadtrats kann zwischen 67 (66 + OB) und über 100 Sitzen schwanken, je nachdem wie hoch die Zahl der Ausgleichsmandate ist.

03 Okt.

Opposition sucht junge, kluge, zukunftsorientierte OB-Kandidatin

SPD und Grüne wollen den pensionierten, ehemaligen Bochumer Polizeipräsidenten Jörg Lukat als Oberbürgermeister vorschlagen. Was bedeutet das für die Stadt und die Opposition im Stadtrat?

Jörg Lukat (62), ehemaliger Chef der Bochumer Polizei, ist als freundlich, verlässlich und sympathisch bekannt. Doch ist er deswegen bereits der richtige für das Amt des Oberbürgermeisters? Auch Erfahrungen mit der Leitung einer Behörde mit fast 2.000 Beschäftigten hat er. Er sollte also auch die Stadtverwaltung leiten können.

Jörg Lukat, designierter OB-Kandidat SPD und Grüne, Foto: IM NRW

Polizei- und Stadtverwaltung sind verschiedene Welten

Jedoch unterscheiden sich Polizei- und Stadtverwaltung in vielen Bereichen sehr grundsätzlich. Die Polizei ist streng hierarchisch organisiert, alle wesentlichen Abläufe gibt das Land per Verordnung oder Gesetz vor. Lukats Aufgabe war es nie die Behörde zu reformieren oder wesentlich weiterzuentwickeln. In Bochum wäre eine seiner wichtigsten Aufgaben die Verwaltung zu reorganisieren, schneller und schlanker zu machen sowie diese zu modernisieren. Diese Aufgabe hatte er bei der Polizei nicht, diesen Job hat er noch nie gemacht

Stadtverwaltung und städtische Unternehmen werden unter Beachtung gesetzlicher Vorgaben im Wesentlichen von der Stadt selbst organisiert. Für Bochum sieht die Bochum-Strategie vor, die Stadt zur Vorreiterin modernen Stadtmanagements zu machen. Die reine Behördenleitung wird also nicht die primäre Aufgabe des neuen OBs sein, sondern die Stadtbehörden und –unternehmen fit für die Zukunft zu machen und sie entsprechend neu zu aufzustellen. Nötig ist zudem eine erhebliche Reduzierung des Personalaufwands zu erreichen und die sich in finanzieller Schieflage befindlichen städtischer Unternehmen (SBO und BOGESTRA) zu sanieren.

Die Strukturen bei der Polizei sind dagegen fest vorgegeben, ebenso das Finanzbudget, daran konnte der Polizeipräsident nie maßgeblich etwas ändern. In der Stadtverwaltung ist beides flexibel. Es hängt wesentlich vom Geschick und vom politischen Kurs des OB und der Politik ab, ob der städtische Haushalt am Ende mit einem Minus oder einem Plus dasteht. Das alles wäre für den ehemaligen Polizeipräsidenten völliges Neuland.

Wesentliche Aufgaben des OB sind zukünftige Stadtentwicklung und -gestaltung

Ebenso ist der Oberbürgermeister entscheidend für die zukünftige Entwicklung und Gestaltung der Stadt. Faktoren wie Stadtbild, Stadtgestaltung, Lebensqualität und Verkehrsorganisation entscheiden darüber, ob die Stadt wächst, also Menschen und Unternehmen gewinnt, oder sie weiter verliert. Auch damit hat Jörg Lukat keine Erfahrungen.

Als Polizeipräsident ist er nicht dadurch aufgefallen, von der Stadt die beschleunigte Schaffung einer modernen Verkehrsinfrastruktur einzufordern, um Unfälle zu verhindern und die Sicherheit der alternativen Verkehrsmittel zu stärken. Es blieb bei der polizeilichen Verkehrsüberwachung und öffentlichkeitswirksamem Aktionismus. Statt z.B. der Stadt einen fachgerechten Ausbau der Springorumtrasse mit getrenntem Rad- und Gehweg vorzuschlagen, damit die Trasse gleichermaßen gut und ohne Konflikte von Menschen zu Fuß und auf dem Rad zu nutzen ist, stellte in einer Aktion mit der Stadt öffentlichkeitswirksam Schilder für mehr Rücksichtnahme auf (Vorfahrt für Rücksicht: Schilder werben auf Geh- und Radwegen für faires Miteinander), deren Wirksamkeit bezweifelt werden darf, denn es gab noch nie eine Kampagne für mehr Verkehrssicherheit, von der im Nachgang nachgewiesen wurde, dass sie irgendwas gebracht hat (Fachleute halten nichts von Verkehrskampagnen).

Jörg Lukat, rechts – Foto: Stadt Bochum

Dass Verkehrssicherheit und Vision Zero besonders durch bauliche Maßnahmen zu erreichen sind, zu denen auch die Polizei im Rahmen ihrer Aufgaben die Stadt auch öffentlichkeitswirksam drängen müsste, hat Lukat als Polizeipräsident nicht als seine Aufgabe gesehen (Polizei Bochum muss mehr für Vision Zero tun). Er blieb bei klassischen Polizeimaßnahmen, Bußgelder verteilen und öffentlichkeitswirksam mit Kampagnen aufklären.

Offen ist, ob Lukat in seiner Rolle als Oberbürgermeister komplett umdenken könnte und es ihm gelänge, statt der Verwaltung des Istzustandes, die Gestaltung und Entwicklung von Stadt und Zukunft in den Mittelpunkt seiner Politik zu stellen.

Innovationsfähigkeit und Bereitschaft neue Wege zu gehen

Auch sein vergleichsweise hohes Alter steht eher für Erfahrung, aber nicht für Innovation, Kreativität  und die Bereitschaft neue Wege zu gehen. Eigentlich ist Lukat mit 62 bereits in Pension gegangen. Es ist davon auszugehen, dass er nur ein Übergangs-OB für eine Amtszeit wäre, denn am Ende einer zweiten Amtszeit wäre er schon 72 Jahre alt.

Das von ihm zum Abschluss seiner Zeit als Polizeipräsident erfolgreich umgesetzte Projekt, in Bochum einen Ort für ein neues Polizeipräsidiums zu finden, kommt ebenfalls nicht besonders innovativ daher. Optisch kann das geplante Gebäudeensemble als zweckmäßig, aber recht einfallslos bezeichnet werden. Bau- und Klimatechnisch bleibt der Neubau hinter den Baustandards der Stadt zurück. Das ist im Wesentlichen allerdings nicht Lukat geschuldet, sondern den Vorgaben des Innenministeriums.

Neues Polizeipräsidium – Foto: Polizei NRW

Zwar hat Lukat hier gezeigt, dass er auch besondere Aufgaben und Projekte erfolgreich abwickeln kann, doch einen besonderen persönlichen Stempel konnte er dem Projekt nicht aufdrücken. Aus städtebaulicher Sicht hätte man sich eine andere, deutlich zukunftsweisendere Gestaltung, an einem zentraleren Ort gewünscht. Optimal und zeitgemäß wäre eine Fortentwicklung des Gebäudebestands am bestehenden Standort gewesen. Würde Lukat OB, wäre es einer seiner Aufgaben, seinen ehemaligen Arbeitgeber in vielerlei Hinsicht noch zu Verbesserungen des Projekts zu bewegen.

Ideal für die SPD, Niederlage für die Grünen

Im Juni wurde Lukat SPD-Mitglied. Für die Bochumer Genossen ein wichtiges Kriterium, um ihn aufstellen zu können. Er kommt nicht aus Bochum, sondern lebt in Herten, sollte Bochum aber aufgrund seiner Arbeit ausreichend gut kennen.

Für die SPD ist er insoweit also der ideale Kandidat, liegt doch der Fokus der SPD-Politik ohnehin primär auf der Versorgung der in Bochum wohnenden Menschen (mit Sozialwohnungen, Parkplätzen usw. sowie der bei Stadt und städtischen Betrieben Beschäftigten), und wird die Entwicklung und Gestaltung von Bochum zu einer modernen Großstadt, die mit den anderen deutschen Großstädten mithalten und Menschen wie Unternehmen für die Stadt gewinnen kann, als nachrangig angesehen.

Für die Grünen dagegen wäre die Nominierung eine schwere Niederlage. Zeigt sie doch, dass die Partei erneut niemanden Geeigneten finden konnte, der oder die für die Bochumer Grünen kandidieren wollte.

Dass man erneut einen SPD-Kandidaten unterstützen will, belegt zudem, dass die Bochumer Politik von der SPD dominiert und deren Politik seit 25 Jahren willig von den Grünen mitgetragen wird. Die Chance auf ein eigenes politisches Profil scheinen die Grünen ein weiteres Mal zu verspielen. Dass sie jetzt einen Kandidaten mittragen wollen, dessen Lebenslauf so gar nicht für eine moderne, innovative und zukunftsgerichtete Stadtentwicklung im Sinne der Grünen steht, zeigt auch, dass in dieser Hinsicht große Ansprüche bei den Grünen in Bochum nicht vorhanden sind.

Im Vordergrund steht, über den jetzt unterstützten OB-Kandidaten behalten die Grünen den Zugriff auf die von ihnen bisher gehaltenen Posten im Verwaltungsvorstand (Kämmerin und Sozialdezernentin), auch für den Fall, dass es nach der Wahl zu einer Koalition ohne grüne Beteiligung (Schwarz-Rot) oder mit einer grünen Minderheitsbeteiligung (Schwarz-Rot-Grün) kommt.

Opposition sucht eine unabhängige Kandidatin

Was bedeutet ein OB-Kandidat Jörg Lukat für die Opposition? Da Lukat von Grünen und SPD unterstützt wird, ist fast sicher, dass er mindestens in die Stichwahl kommt. SPD und Grüne werden aus heutiger Sicht bei der Kommunalwahl zusammen auf 40 bis 48% der Stimmen kommen. Das bedeutet, ein reiner CDU-Kandidat hätte wie schon 2020 keine Chance. Würde die CDU doch einen Partei-Kandidaten aufstellen, wäre sogar zu befürchten, dass Lukat die Wahl schon im ersten Wahlgang gewinnt.

Dabei wäre es für die CDU von entscheidender Bedeutung die OB-Wahl zu gewinnen und einen von den Grünen mit getragenen SPD-OB unbedingt zu vermeiden. Gewinnt die CDU nicht den OB, wäre man bei einer Koalition mit der SPD nur Juniorpartner, selbst dann, wenn man stärkste Fraktion würde.

Nur ein breit von vielen politischen Gruppierungen der Opposition auch schon im ersten Wahlgang getragener unabhängiger Kandidat (Zeit für einen unabhängigen Oberbürgermeister?) kann gegen Lukat gewinnen. Die besten Chancen hätte eine junge, dynamische, kluge und kompetente Kandidatin ohne Parteibuch, mit validen Erfahrungen in Sachen moderner und zukunftsgerichteter Stadtentwicklung, die sich auch schon in leitender Position in einer Verwaltung oder einem Unternehmen profilieren konnte. Ideal wäre eine Kandidatin, die auch für Menschen, die eigentlich dem grünen Wählerspektrum zuzurechnen sind, wählbar wäre. Eine solche Kandidatin wäre der Gegenentwurf zu Jörg Lukat und verspräche eine spannende OB-Wahl.

Die STADTGESTALTER suchen noch bis zum 17.10.2024 einen unabhängigen Kandidaten oder eine unabhängige Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl (Stellenanzeige Oberbürgermeister*in). Bisher gibt es nur männliche Bewerber, die STADTGESTALTER würden sich sehr freuen, wenn sich auch weibliche Kandidaten fänden, die sich das Amt der Oberbürgermeisterin zutrauen.

07 Juli

Wie SPD, Grüne und CDU den kleinen Parteien 2025 die Sitze stehlen wollen

CDU, SPD und Grüne haben in dieser Woche ein neues Kommunalwahlgesetz verabschiedet. Es legt fest, dass die großen Parteien schon für eine Stimme einen zusätzlichen Sitz im Stadtrat erhalten, der den kleinen Parteien trotz hunderter überzähliger Stimmen abgenommen wird. In diesem Beitrag wird am Beispiel von Bochum erklärt, wie der Stimmenraub funktioniert.

Schon immer sind den großen Parteien die kleinen ein Dorn im Auge. Jetzt haben SPD, Grüne und CDU ein neues Wahlgesetz verabschiedet, um der unliebsamen Konkurrenz bei der nächsten Kommunalwahl in skandalöser Weise die Sitze zu stehlen. Die Sitzzuteilung von überzähligen Sitzen soll zukünftig nicht mehr nach der Zahl der Reststimmen erfolgen, sondern, danach wie groß bzw. stark eine Partei im Kommunalparlament vertreten ist.

Wäre das geänderte Gesetz schon bei der letzten Kommunalwahl angewendet worden, hätte die CDU landesweit 184 Kommunalsitze mehr erreicht. die SPD 84 Sitze und die Grünen 51 Sitze. Die kleinen hätten diese insgesamt 319 Sitze an die großen abgeben müssen (Landtag ändert Kommunalwahlrecht – FDP will klagen).

Wie funktioniert der Stimmenraub?

Doch wie funktioniert der Stimmenklau (Drucksache 18/9806)? Das lässt sich am Beispiel des Stadtrats der Stadt Bochum anschaulich erklären. Dazu wird im Folgenden auf das marginal abgeänderte Wahlergebnis aus 2020 zurückgegriffen. Aus Anschaulichkeitsgründen wird davon ausgegangen, dass die CDU 156 Stimmen mehr erzielt hätte, als das real der Fall war, dafür Grüne und kleine politische Gruppierungen156 Stimmen weniger. Zudem wird angenommen, dass eine der kleinen Parteien, sich in zwei Parteien aufgespalten hat, was in der Realität 2023 auch so geschehen ist.

Das Sitzzuteilungsverfahren bis 2020

Nach dem bisherigen Sitzzuteilungsverfahren, wären die 86 Sitze, des Bochumer Stadtrates, die sich aufgrund von Überhangmandaten ergeben*, im Prinzip in folgender Weise** aufgeteilt worden: 

Für jede politische Gruppierung ergibt sich, wenn man die bei der Wahl erreichte Stimmenzahl durch die Zahl der gültigen abgegebenen Stimmen (138.334) teilt und den Wert dann mit der Gesamtzahl der Ratssitze (86) multipliziert ein Idealanspruch auf die erreichten Sitze. So erreicht die Partei D 2.808 Sitze (4.517 erzielte Stimmen / 138.334 x 86). Das Problem, 2 Sitze kann man an die Partei D direkt vergeben, ein 0,808 Sitz kann aber nicht zugeteilt werden. Entweder die Partei bekommt einen vollen Sitz oder keinen.

Stimmenzuteilung 2020 auf Basis des Wahlergebnis in Bochum 2020 (marginal verändert)

Also wurden die 86 Bochumer Ratssitze zunächst nach dem ganzzahligen Teil des Idealanspruchs (bei 2,808 also z.B. 2) vergeben. Auf diese Weise können 81 der 86 Site auf die Partien verteilt werden. 5 weitere Sitze blieben übrig.

Teilt man die Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen (138.334) durch die Gesamtzahl der Ratssitze (86), waren für einen Sitz 1.609 Stimmen nötig. Nach Verteilung der 81 Sitze ergeben sich für jede Partei Reststimmen, für die kein Sitz zugeteilt wurde. Das wären im Beispiel für CDU und Grüne je eine Stimme, für Partei A 1.538 Stimmen für Partei E 1.486. Also wurden bisher die verbleibenden 5 Sitze nach den höchsten der verbleibenden Reststimmenwerte an die Parteien A, C, D, E und F verteilt

So brauchte die Partei F für einen zusätzlichen Sitz nur 778 Stimmen, während für die ersten 81 Sitze noch je 1.609 Stimmen nötig waren. Dies führt zu einer höheren Stimmengewichtung, die aber rein praktisch unvermeidbar ist, da nur ganze, aber keine halben, Dreiviertel- oder Viertel-Sitze vergeben werden können

Das neue Verfahren der Sitzzuteilung

Das neue Verfahren (Drucksache 18/9806) stellt aber nicht etwa diese Ungleichgewichtung ab, sondern verschärft sie und führt zudem zu einer nicht zu rechtfertigenden Umverteilung der überzähligen 5 Sitze an die großen Parteien.

Stimmenzuteilung 2025 auf Basis des Wahlergebnis in Bochum 2020 (marginal verändert)

Die ersten 81 Sitze werden wie nach dem bisherigen Wahlverfahren zugeteilt. Die weiteren 5 Sitze werden dann aber nicht mehr nach den bei der Sitzverteilung nicht berücksichtigen Stimmen (Reststimmen) verteilt, sondern nach einem “gewichteten Idealanspruch”. Dazu wird der Idealanspruch durch den ganzzahligen Idealanspruch addiert mit 1 geteilt. Beispiel Partei D: 2,808 / 3 = 0,936.

Die 5 noch zu verteilenden Sitze erhalten jetzt die Parteien mit den 5 höchsten gewichteten Idealansprüchen, also CDU und Grüne sowie die Parteien A, C und E.

Das perfide bei dieser Sitzzuteilung, obwohl CDU und Grüne nach Zuteilung der 81 Sitze jeweils nur eine einzige überzählige Reststimme haben, bekommen sie einen der 5 zusätzlichen Sitze, während Partei D mit 1.300 Reststimmen keinen zusätzlichen Sitz erhält.

Das liegt daran, dass die 5 zusätzlichen Sitze nach neuem Kommunalwahlgesetz primär nach der Größe des insgesamt bei der Wahl erzielten Stimmenanteils verteilt werden und die überzähligen Stimmen, auf die kein Sitz entfallen ist, praktisch keine Rolle mehr spielen. Der Anteil von 19 an 20 Sitzen (0,95) oder gar 29 von 30 (0,98) ist per se höher als der von 1 an 2 Sitzen (0,5) oder 2 von 3 Sitzen (0,66). Der nicht berücksichtigte Reststimmenanteil geht in den “gewichteten Idealanspruch” nicht relevant ein.

Das Kriterium “gewichteter Idealanspruch”, nach dem die 5 Sitze verteilt werden, wurde willkürlich gewählt, man hätte auch gleich den 5 stärksten Parteien jeweils einen Bonussitz zuteilen können. Das Verfahren zeigt, Ziel von SPD, Grünen und CDU war es, sich bei der Sitzzuteilung schamlos auf Kosten der kleinen Partien zu bereichern.

Bewusst wurde das Wahlverfahren so geändert, dass wie im Beispiel eine zusätzliche Stimme für eine große Partei mehr Wert erhalten sollte wie 1.300 Stimmen für eine kleine Partei. Das neue Sitzzuteilungsverfahren macht 1.300 Stimmen für eine kleine Partei wertlos, verschafft den großen Parteien aber schon zusätzliche Sitze, ohne dafür irgendwie nennenswert Stimmen erzielt zu haben. Eine einzige Stimme, wie im Beispiel, kann bereits ausreichen. Demokratisch ist das sicher nicht.

Skrupellose und arrogante Machtbesessenheit

Diese massenweise Entwertung von Wählerstimmen ist Ausdruck einer skrupellosen und arroganten politischen Machtbesessenheit, die letztlich die wesentliche Ursache von der immer wieder beklagten Politikverdrossenheit ist (Zunehmender Populismus – Rechtsruck auch in Bochum zu erwarten). Diese Haltung macht Demokratie und Politik verächtlich.

Würde ein Viktor Orban oder ein Jarosław Kaczyński solche Methoden anwenden, um seine Macht zu erhalten, würden Vertreter und Vertreterinnen von SPD, Grünen und CDU das zu Recht als undemokratisch verurteilen. Tatsächlich hat man selbst aber keine Hemmungen in gleicher Weise vorzugehen. Bei der nächsten Demo gegen Populismus und Rechtsextremismus kann man sich dann wieder ein gutes Gefühl geben, auf der richtigen Seite zu stehen.

Doch den Verfall der politischen Sitten und Kultur haben die großen Parteien selbst zu verantworten, und ein Stimmenraub, wie der beschriebene, zerstört nachhaltig das Vertrauen in die Politik und bestätigen das Vorurteil, dass Politiker und Politikerinnen nicht an der Sache interessiert, sind, sondern allein am persönlichen Machterhalt.

Das Verfassungsgericht muss es richten

FDP und Linke haben angekündigt gegen das neue Wahlgesetz beim Verfassungsgericht klagen zu wollen. Zu erwarten ist, dass das Gericht erneut, wie bereits bei den Versuchen, die kleinen Parteien über Sperrklauseln auszuschalten, die demokratischen Grundrechte wahrt und das neue Wahlverfahren als verfassungswidrig verwirft.

SPD, Grüne und CDU sind gut beraten endlich das Bildungssystem in NRW zu reformieren, das Altschuldenproblem der Kommunen anzugehen und diese finanziell auskömmlich auszustatten. Hier besteht schon seit Jahren dringender Handlungsbedarf, doch in diesen Bereichen glänzt die Politik durch Nichtstun.

Geht es dagegen um den Machterhalt und die gezielte Benachteiligung der politischen Konkurrenten, kann man zuverlässig mit entsprechenden politischen Vorhaben rechtzeitig zur nächsten Kommunalwahl rechnen.

* Da die SPD bei der Wahl 2020 mit 33,71% 29 Direktmandate erzielt hat, mussten diese 29 Sitze im neuen Rat 33,71% der Gesamtsitzzahl der Sitze im Stadtrat ausmachen, es ergaben sich also insgesamt 86 Sitze.

** Genauer werden die Sitze nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) verteilt, das eine Sitzverteilung nach dem dargestellten Prinzip vornimmt.

22 Okt.

Zunehmender Populismus – Rechtsruck auch in Bochum zu erwarten

Dass es auch in Bochum bei den nächsten Wahlen voraussichtlich einen Rechtsruck geben wird bzw. vermehrt populistische Parteien gewählt werden, hat viele Ursachen. Entscheidend ist auch, wie in der Stadt seit Jahrzehnten Politik gemacht wird.

Charakteristisch für Menschen, die Populisten ihre Stimme geben, dass sie einfache Lösungen suchen, sich gegen Veränderungen wehren, sich selbst abgehängt fühlen und Schuldige suchen, die sie für falsche Entwicklungen verantwortlich machen können. Ihr Politikverständnis beschränkt sich darauf, dass sie Forderungen an die Politik stellen und erwarten, dass diese erfüllt werden. Dabei spielt keine Rolle, ob die Forderungen realistisch erfüllbar sind, ob sie wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen oder ihre Erfüllung der (Stadt-)Gesellschaft insgesamt nutzt. Der eigene egoistische Nutzen steht im Vordergrund. Es besteht der Anspruch, dass man sich selbst gesellschaftlichen Veränderungen nicht anpassen muss, sondern die Politik dafür Sorge trägt, dass alles bleibt wie es ist, aber trotzdem für einen selbst besser wird.

Viele der in dieser Weise gestellten Forderungen sind von der Politik so eigentlich nicht erfüllbar. Wirtschaftlich wie technologischer Fortschritt, Klimaschutz und sich verändernde globale Anforderungen erfordern eine beständige Fortentwicklung und Veränderung von Stadt und Stadtgesellschaft. Den Eindruck zu erwecken, Wohlstand zu erhalten, ohne dieser Faktoren beachten zu müssen und Veränderungen voran zu trieben, sei möglich, ist wesentliches Kennzeichen populistischer Politik.

Auch in Bochum ist ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung von der aktuellen Politik enttäuscht, fühlt sich nicht wahrgenommen bzw. kann die komplexen politischen Zusammenhänge nicht nachvollziehen. Dieser Teil der Bevölkerung ist für Populisten am einfachsten erreichbar. Zu befürchten ist also, dass bei den nächsten Wahlen populistische Parteien, besonders die des rechten Spektrums, deutlich an Stimmen gewinnen.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig und haben auch viel mit der lokalen Politik und dem Politikstil der letzten Jahrzehnte zu tun.

Versäumnisse bei Schulen und Bildung

Die Zusammenhänge in der Politik werden immer komplexer, viele Menschen sind nicht damit vertraut wie etwa das Rentensystem, die Wirkungsmechanismen von Treibhausgasen auf das Klima oder das Prinzip von gesellschaftlichem Nutzen und externen Kosten funktionieren. Die Rechtfertigung von politischen Aktivitäten aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und Statistiken gewinnt an Bedeutung. Dass Meinungen durch Belege zu stützen sind, ebenso wie die Notwendigkeit von politischen Forderungen, ist vielen Menschen fremd. Mangelnder Bildungsgrad und nicht ausreichende Schulbildung sind die wesentliche Ursache.

Schule und Bildung haben in Bochum seit jeher wenig Wert, der soziale Aufstieg durch Bildung ist kein Ziel der Stadtpolitik. Zum Narrativ der Politik gehörte immer, dass die Politik, auch für die Arbeitsplätze und Wohlstand schafft, die auf Jobs angewiesen sind, die nur geringe bis keine Qualifikationen erfordern. Die Verbesserung von Schul- und Bildungsgrad, um die Menschen für bessere Jobs zu qualifizieren, war dagegen nicht das Ziel. Dass die Zahl von Anlern-Jobs in der Industrie immer weiter zurück gehen würde und Schul- und Ausbildungsqualifikationen bei der Jobsuche immer wichtiger werden würden, verschwieg de Politik den Menschen.

Bei Wahlen zeigt sich immer wieder, Populisten sind besonders bei Menschen mit niedrigem Schulabschluss erfolgreich. So wählten in Hessen 36% der Menschen mit Hauptschulabschluss die AfD (Datenanalyse zur Landtagswahl in Hessen), in Bayern 21%. (Datenanalyse zur Landtagswahl in Bayern). Bei Menschen mit Hochschulabschluss wählten hingegen nur 9 bzw. 8% rechtspopulistisch.

Das Versäumnis der Bochumer Stadtpolitik, die Voraussetzungen zu schaffen, den Menschen einen möglichst hohen Schulabschluss und Bildungsgrad zu ermöglichen, spielt den Populisten also heute die Wähler*innen zu.

Wenig erfolgreiche Stadtpolitik

Ein weiteres Problem ist, dass die Stadtpolitik wenig erfolgreich ist. Die Entwicklung von Stadtteilen wie Wattenscheid oder Werne stellt sich seit Jahren negativ dar, ebenso wie die der Innenstadt. Fehlender Erfolg führt zu Enttäuschung über das, was die Politik leistet. Erschwerend kommt hinzu, dass Fehlentwicklungen, die nicht gestoppt werden, der Verbreitung von Ressentiments und Hetze durch Populisten, in die Hände spielt. Kommen z.B. Stadtteile in eine soziale Schieflage, weil die Stadt nicht rechtzeitig gegensteuert, ist damit ein Anstieg der Zahl von jenen verbunden, die billig wohnen und leben möchten und an Wohn- und Lebensqualität aufgrund ihrer Lebenssituation keine hohen Ansprüche stellen, das sind auch viele Migranten. Von Populisten wird diesen dann die Schuld für den Niedergang des Stadtviertels zugeschoben, obwohl ihr Zuzug die Folge des Niedergangs ist, sie für die Ursachen dagegen nicht verantwortlich sind.

Aufgrund der geschilderten Entwicklungen wird der Politik nicht mehr zugetraut, die bestehenden Probleme zu lösen und Negativtrends zu stoppen. Schon bei der Wahl 2020 bekam die AfD in Stadtteilen, die in Bochum als abgehängt gelten, besonders viele Stimmen. So bekamen die Populisten in einigen Stimmbezirken von Wattenscheid-Mitte und Werne über 15% der Stimmen, während es stadtweit nur für halb so viel reichte (Wahlergebnisse Kommunalwahl 2020).

Versprechen, dass mehr Parkhäuser sowie neue Einkaufszentren die Innenstadt retten, Integrierte Stadtentwicklungskonzepte die Wende in Stadtteilen bewirken oder städtische Investition in Kohlekraftwerke die Schulden der Stadt gegenfinanzieren, erweisen sich immer wieder als falsch und nagen an dem Vertrauen der Menschen zu Politik und die dort vorhandene Kompetenz.

Überforderte Politik betreibt Symbolpolitik, erreicht selbst gesetzte Ziele aber nicht

Auch handelt die Politik wenig vorausschauend. Sie setzt sich zwar pressewirksam Ziele wie “Klimaneutralität bis 2035” oder den Anteil des Radverkehrsanteil auf 25% zu steigern, stellt endlose Listen von Maßnahmen auf, um diese zu erreichen, scheitert aber dann an deren Umsetzung. Die Ziele werden krachend verfehlt, die Politik muss diese korrigieren oder gerät, um die Ziele doch noch zu erreichen, in einen Handlungsnotstand, der den Menschen kaum zuzumuten ist.

Statt Ziele konsequent zu verfolgen, beschränkt sich die Politik zunehmend auf Aktionismus. So sollen Werbemaßnahmen wie “Stadtradeln” und die Teilnahme an Klimaawards wirksame Maßnahmen, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. ersetzen oder wird in Wattescheid für 55 Mio. Euro das Stadion saniert statt die herunter gekommene Innenstadt. Die Politik versucht sich durch Symbolpolitik zu profilieren, statt Maßnahmen zu verfolgen, die geeignet sind, die realen Probleme lösen.

Die Menschen bleibt nicht verborgen, dass die Stadtpolitik oft nicht in der Lage ist, Politik so zu betreiben, dass selbst gesetzte Ziele sicher erreicht werden. Es entsteht der Eindruck, Politik ist mit ihren Aufgaben systematisch überfordert, was sich wiederum negativ auf ihre Wählbarkeit niederschlägt, und Menschen bewegt sich nach vermeintlichen Alternativen umzuschauen.

Politik bestimmt nicht, was die Verwaltung tut, sondern umgekehrt

Verwaltung und städtische Betriebe verfolgen durchweg das Ziel, dass die Beschäftigten dort gut versorgt sind und gute Arbeitsverhältnisse vorfinden, der Service für die Einwohner*innen der Stadt scheint dagegen keine Priorität zu besitzen. So ist der öffentliche Nahverkehr unzureichend, Bearbeitungszeiten bei Behörden wie bei der Einbürgerung, Wohngeld oder Mitteln zu Bildung und Teilhabe unzumutbar, ebenso wie die Reinigung von Parks- und Grünanlagen, der Instandhaltungszustand von Schulen, Straßen, Geh- oder Radwegen zu wünschen übriglässt oder die Verkehrsüberwachung mit ihren Aufgaben überfordert zu sein scheint. Städtische Bauprojekte werden aufgrund mangelhaften Projektmanagements durchweg zu teuer und dauern zu lange. Es wird nicht das geleistet, was die Menschen von der Stadt erwarten.

Darüber hinaus werden Bürger und Bürgerinnen von der Verwaltung nicht angemessen, an den sie betreffenden Verfahren beteiligt, wie dies z.B. bei der OGS-Vergabe an den Grundschulen passiert ist oder diese finden nur alibimäßig statt, wie bei der Trassensuchshow zum Radschnellweg. In anderen Bereichen erweist sich die Verwaltung als inkompetent, so schafft sie es seit Jahren nicht Fahrradständer an den Schulen aufzustellen oder Mobilstationen in der Stadt zu errichten.

Eigentlich ist es primäre Aufgabe der Politik für eine effiziente, schnelle und bürgerorientierte Verwaltung zu sorgen. Doch sie schaut nur zu und traut sich nicht, die Verwaltung so zu organisieren, dass diese so arbeitet, wie die Menschen das zu Recht von ihr erwarten dürften. Menschen fragen sich, ob ihre Belange im Fokus der von ihnen gewählten Politik stehen oder die Interessen der Beschäftigten der Stadt.

In Bochum kontrolliert und bestimmt die Politik nicht, was die Verwaltung tut, sondern drängt sich der Eindruck auf, dass die Politik sich als verlängerten Arm der Verwaltung versteht und eigentlich die Verwaltung bestimmt, was die Politik tut. Ein Wille die Entwicklung der Stadt aktiv zu gestalten, ist insbesondere bei der Mehrheitskoalition im Stadtrat nicht zu erkennen, man hält es nicht für nötig die Stadtpolitik mit eigenen Vorschlägen und Ideen zu lenken. Das überlässt man der Verwaltung. Diese macht die Beschlussvorschläge im Stadtrat, über die sie die Stadtpolitik in ihrem Sinne steuert und die von Rot-Grün erwartet, dass diese den Vorlagen im Stadtrat die erforderliche Mehrheit verschafft.

Für die Wähler*innen stellt sich die Frage, warum sie Politiker*innen wählen sollen, die jeden eigenen Gestaltungswillen vermissen lassen, selbst nicht mit Vorschlägen und Ideen aufwarten, sondern dieses Feld der Verwaltung überlassen und alles ohne kritische Beschäftigung abnicken, was ihnen vorgelegt wird.

Politikstil – Politik wird diskreditiert

Ein weiterer Punkt ist, dass der in Bochum gepflegte Politikstil, Politik über die Jahre systematisch diskreditiert hat. Ob im Stadtrat für oder gegen einen Vorschlag gestimmt wird, entscheidet sich in Bochum danach, wer den Vorschlag macht und nicht danach, ob der Vorschlag inhaltlich gut oder schlecht ist.

Entsprechend gibt sich die Rot-Grüne-Mehrheit im Rat regelmäßig nicht mal die Mühe ihre Ablehnung von Vorschlägen anderer Fraktionen zu begründen. Mit diesem überheblichen Verhalten demonstriert Rot-Grün, dass man es als Mehrheitskoalition nicht nötig habe, sich mit Vorschlägen anderer zu beschäftigen oder sich für Entscheidungen gegenüber den Bürger*innen zu rechtfertigen. Die dadurch sichtbar werdende Hochnäsigkeit der Macht wirkt auf die Menschen abstoßend und lässt sie daran zweifeln, ob die Stadtpolitiker*innen wirklich das Wohl der Stadt im Auge haben oder vielmehr bevorzugt eigene Machtinteressen verfolgen.

Wer Politik durch solches Verhalten diskreditiert, schadet ihr und schafft selbst die Ursache dafür, dass Menschen nicht mehr gewillt sind bei Wahlen etablierten politischen Kräften ihre Stimme zu geben.

Förderung der Mentalität, Politik als Konsumgut zu betrachten

Auch hat die Stadtpolitik in Bochum seit jeher die Mentalität gefördert, dass Politik quasi ein konsumierbares Gut ist. Man wählt jemanden und erhält dafür die versprochene Leistung. Das Bewusstsein, dass alle Menschen Teil der Stadtgesellschaft sind und zu deren Entwicklung beitragen, wurde nie gefördert. Die Menschen erwarten u.a., dass die Stadtpolitik für billige Mieten, günstige Preise, tolle Läden in der Innenstadt, kostenfreie Parkplätze vor der Haustür und eine ruhige Wohngegend mit Autobahnanschluss um die Ecke sorgt. Dass die Menschen selbst auch eine Eigenverantwortung tragen, welches Einkommen sie erzielen, ob sie Miete zahlen müssen, oder eigenes Wohneigentum erwerben, wo sie wohnen und wie die Stadt und ihre Wohnumgebung gestaltet ist, ist vielen gar nicht mehr bewusst. Bürgerliches Engagement ist in Bochum im Sportverein oder für den Kleingartenverein sehr verbreitet, für die Entwicklung der Stadt und des Wohnquartiers wird das nicht erwartet, da sieht man die Stadt oder die Wohnungsbaugesellschaft in der Verantwortung.

Wird Politik als konsumierbares Gut verstanden, haben es Populisten leicht. Verfolgen Bürger*innen diese Haltung wird der gewählt, der das beste Angebot macht und den Menschen die meisten Vergünstigungen verspricht. Wenn bei der Wahlentscheidung der persönliche, häufig pekuniäre Vorteil im Mittelpunkt steht, der gesellschaftliche Nutzen aber keine echte Rolle spielt, haben bei diesem Wettbewerb die etablierten Parteien das Nachsehen.

Politik ohne Überzeugungswillen

Es stellt sich zudem die Frage, warum Menschen in Bochum Politik machen? Welche Überzeugungen treiben sie an? Betrachtet man die Politiker*innen, die Bochum im Land- und Bundestag vertreten, fragt man sich, für welche Projekte und Überzeugungen stehen sie? Welche politischen Initiativen treiben sie voran und welche haben sie für die Stadt durchgesetzt? Gibt es da Nennenswertes?

Es entsteht der Eindruck, wichtig ist ihre Anwesenheit in den Parlamenten, um im richtigen Moment für die eigene Fraktion die Hand zu heben. Politik lebt vom Gestaltungswillen, Dinge zu zum Besseren zu verändern, sich dafür zu engagieren und dem unbedingte Willen andere davon zu überzeugen. Doch wo sieht man das in der Bochumer Politik?

Eine öffentliche Auseinandersetzung über politische Themen wird nicht nur gegenüber Populisten vermieden. Es hat den Anschein, als bestünde der Anspruch, Menschen zu überzeugen, dass man bessere Politik macht als Populisten und diese zu entlarven, gar nicht. Wenn es gegen Populisten und Extremisten geht, dann geschieht das fast ausschließlich auf Demonstrationen, mit denen man pressewirksam sichtbar macht, man steht auf der richtigen Seite. So schafft man sich ein gutes Gefühl. Überzeugen kann man damit aber niemanden. Eine Demonstration zeigt nicht, dass man die bessere Politik macht und Populisten keine Alternativen oder gar Lösungen bieten, sondern jeden Unsinn versprechen, nur um gewählt zu werden. Überzeugen gelingt nur über die direkte Ansprache und Diskussionen mit denen, die geneigt sind, Populisten ihre Stimme zu geben.

Besonders die SPD wird voraussichtlich Wähler*innen an Populisten verlieren

In den genannten Bereichen verliert die etablierte Politik aus den genannten Gründen gegenüber den Populisten zunehmend an Boden. Zu erwarten ist, dass besonders Menschen, die sich abgehängt fühlen, in Stadtteilen wohnen, die sich seit Jahren negativ entwickeln und die mit der Komplexität von politischen Zusammenhängen überfordert sind, ihre Stimme bei den nächsten Wahlen populistischen, tendenziell rechten Parteien geben. Das wird besonders zu Lasten der SPD gehen, die im Ruhrgebiet bisher von vielen Menschen aus den entsprechenden Milieus weniger aus Überzeugung denn aus alter Verbundenheit wegen ihrer Verdienste für die Arbeiterklasse gewählt wurden.

Im nächsten Jahr, 2024, steht in Bochum die Europawahl an, es folgen 2025 Bundestags- und Kommunalwahlen. Bei diesen Wahlen wird sich zeigen, wie stark Populisten auch im Ruhrgebiet an Stimmen gewinnen können. Landesweit wird aufgrund der letzten Umfragen mit fast einer Verdreifachung des Stimmenanteils der AfD (15%) ggü. den Landtagswahlen 2022 gerechnet (5,4%) (Sonntagsfrage Nordrhein-Westfalen). Die SPD dagegen verliert 5%.

Will man der genannten Entwicklung wirksam entgegensteuern muss sich wohl insbesondere die SPD überlegen, wie sie ihre (Stadt-)Politik und ihren Politikstil ändert. Die Zeit für Überheblichkeit ist definitiv abgelaufen.

07 Mai

Gericht: Die Behandlung von Bürgeranregungen im Rat einzuschränken ist rechtswidrig

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen stellt fest, der Versuch von OB und Verwaltung sowie Teilen der Politik die Befassung des Rats und seiner Ausschüsse mit Anregungen und -Beschwerden von Einwohnern und Einwohner*innen einzudämmen, ist rechtswidrig.

Wieder zeigt sich, dass Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, Teilen des Rates wie der Verwaltung offenbar ein gesundes Rechtsempfinden fehlt einzuschätzen, wie sie mit den Rechten von Einwohnern und Einwohnerinnen umgehen können, ohne gegen Gemeindeordnung und grundlegende demokratische Rechte bürgerlicher Partizipation zu verstoßen. Wieder musste ein Gericht einschreiten, um die Rechte der Einwohner*innen zu wahren.

Bochumer Politik schätzt Rechtslage immer wieder falsch ein

Schon bei den rechtlichen Einschätzungen zu der beabsichtigten Sperrklausel bei Kommunalwahlen (Die Ret­tung des Wahl­rechts) wie bei der Absicht Fraktionen des Bochumer Stadtrates stimmberechtigte Sitze in Ausschüssen des Rates vorzuenthalten (WAZ vom 27.01.21) standen die Ansichten der Bochumer Fraktionen von SPD, Grünen und CDU nicht mit den demokratischen Grundsätzen des Landes in Einklang. Verfassungs- und Verwaltungsgericht kippten die entsprechenden Vorhaben, mit Verweis auf deren Unvereinbarkeit mit Gemeindeordnung und Grundgesetz.

Der Plan: Bürgerbeteiligungsrechte einschränken

Zu Beginn der laufenden Wahlperiode fassten Oberbürgermeister und seine Verwaltung, offenbar im Einvernehmen mit SPD, Grünen und CDU, den Plan, die Rechte der Bochumer Einwohner und Einwohnerinnen, Anregungen und Beschwerden gemäß §24 GO-NRW im Rat und seinen Ausschüssen vorbringen zu dürfen, deutlich einzuschränken. Für die Ratssitzung vom 25.03.21 legte der OB dem Stadtrat eine Beschlussvorlage zur Änderung der Hauptsatzung (Vorlage 20210976) mit dem Passus vor, dass Anregungen nicht zu behandeln seien, wenn “für die Behandlung des Sachverhaltes besondere Verfahren vorgeschrieben sind und/oder gesetzliche und/oder freiwillige Beteiligungsverfahren vorgegeben sind oder durchgeführt wurden“ (§9 (4) Satz 2 h) Hauptsatzung). Der vorgeschlagenen Änderung der Hauptsatzung stimmten alle Fraktionen des Bochumer Rates zu, nur STADTGESTALTER & PARTEI, sowie Die Linke stimmten dagegen (Niederschrift Ratssitzung vom 21.03,21).

Obwohl § 24 (2) GO-NRW den Städten und Gemeinden des Landes hinsichtlich des Anregungs- und Beschwerderechts der Einwohner*innen ausdrücklich nur das Recht gibt “Einzelheiten” in der Hauptsatzung zu regeln, meinten OB, Verwaltung und Teile der Politik, man könne mit der Hauptsatzung auch Sachverhalte festlegen, zu denen Anregungen und Beschwerden der Einwohner *innen gar nicht erst zulässig seien.

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: Einschränkung ist nicht zulässig

Ein Rechtsverständnis, das das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seinem Beschluss vom 27.04.23 deutlich zurückwies. Zuvor hatte in der Ratssitzung am 30.03.2023 bereits der Vorsitzende der Fraktion “PARTEI und STADTGESTALTER” in einer persönlichen Erklärung ausgeführt, dass seine Fraktion und er die Entscheidung des Oberbürgermeisters für rechtswidrig halten (Stream der Ratssitzung vom 30.03.2023.

OB und Verwaltung hatten zuvor die Behandlung einer Anregung des Netzwerks für Bürgernahe Stadtentwicklung und sieben weitere Bürgerinitiativen im Stadtrat mit Verweis auf den in die Hauptsatzung 2021 eingefügten Unterpunkts abgelehnt (24iger Eingabe abgelehnt) Daraufhin entschieden sich die Initiativen gegen diese Entscheidung gerichtlich vorzugehen. Beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wurde, beantragte im Rahmen einer Einstweiligen Verfügung den Oberbürgermeiste zu verpflichten, die Anregung im Rat der Stadt behandeln zu lassen und damit seine Verweigerungshaltung aufzugeben.

Auszug Beschluss VG Gelsenkirchen, 15 L 549/23 vom 27.04.2023

Das Verwaltungsgericht folgte dem Antrag und verpflichtete den OB die Anregung des Bürgernetzwerkes in der nächsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses auf die Tagesordnung zu setzen (Beschluss vom 27.04.2023). Im entsprechenden Beschluss wird das Gericht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des in die Hauptsatzung eingefügten Unterpunkts sehr deutlich: “§ 9 Abs. 4 Satz 2 lit. h der Hauptsatzung ist bereits als solcher nicht geeignet, das Recht der Antragstellerin auf sachliche Befassung mit ihrer Eingabe einzuschränken oder gar auszuschließen. Die Vorschrift erlaubt angesichts ihres ungenauen und beinahe uferlos-umfassenden Anwendungsbereichs keine klare Bestimmung der konkreten Verfahren, die einer sachlichen Befassung einer Eingabe durch das angegangene Gremium entgegenstehen sollen. … In dieser Pauschalität ist die in § 9 Abs. 4 Satz 2 lit. h der Hauptsatzung getroffene Regelung, auch angesichts der Bedeutung des an Art. 17 GG angelehnten kommunalen Petitionsrechts, weder mit § 24 GO NRW vereinbar noch wahrt sie den Grundsatz der Normenklarheit und -bestimmtheit.

§ 9 (4) Satz 2 h) der Hauptsatzung der Stadt Bochum ist somit nicht nur mit § 24 GO-NRW nicht vereinbar, sondern auch nicht mit Art. 17 Grundgesetzes. Die Einfügung des Unterpunkts in die Hauptsatzung war unzulässig, weil er das Anregungs- und Beschwerderecht der Bochumer Einwohner*innen unangemessen einschränkt.

Politik sollte Einstellung zu Bürgerbeteiligung überdenken

Der Rat der Stadt muss somit die Hauptsatzung der Stadt umgehend ändern, um diesen eklatanten Rechtsmangel zu beheben. Der Unterpunkt sollte nach Meinung der STADTGESTALTER ersatzlos gestrichen werden. Alle Fraktionen, die für seine Einführung gestimmt haben, einschließlich dem Oberbürgermeister, sollten zudem ihre Einstellung zu Bürgerbeteiligung überdenken, und zwar nicht nur in rechtlicher Hinsicht, sondern auch ganz allgemein, welche Wertschätzung sie Menschen entgegenbringen, die sich für die Stadt außerhalb politischer Organisationen engagieren.

Denn es fragt sich, warum OB und die entsprechenden Fraktionen, es überhaupt für nötig erachtet haben die Anregungs- und Beschwerderechte der Einwohner*innen rechtswidrig einzuschränken. Die Behandlung einer Anregung oder Beschwerde jede zweite bis dritte Ratssitzung sollte die Mitglieder und Mitglieder*innen nicht überfordern. Dagegen könnte es vielmehr so sein, als wollten Oberbürgermeister Eiskirch und manche Fraktionen mit unliebsamen Anregungen und Beschwerden, die ihren politischen Ansichten entgegen stehen, nicht konfrontiert werden. Es fehlt offenbar an Kritikfähigkeit. Es scheint so, als hinge so manche/r noch in einem Politikverständnis aus den 50er-Jahren fest, wo die von der Verwaltung ausgearbeiteten Beschlussvorlagen ohne echte Diskussion im Rat von der immer wieder gleichen Mehrheitsfraktion durchgewunken wurden.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Stadtgesellschaft und die politische Landschaft in Bochum jedoch erheblich verändert Die Politik ist pluralistischer geworden, mittlerweile sitzen statt nur drei Fraktionen acht im Stadtrat, immer mehr Menschen und Initiativen wollen direkt an Entscheidungen über das Leben in ihrer Stadt beteiligt werden und darauf Einfluss nehmen. Diesen Ansprüchen wird man nicht gerecht, in dem man versucht die Beteiligungsrechte der Einwohner*innen in unzulässiger Weise einzuschränken oder man meint, statt echter Bürgerbeteiligung würde eine alibimäßige Beteiligung der Menschen ausreichen, wie das z.B. bei der Trassenfindung zum Radschnellweg geschehen ist (RS1-Trassensuchshow).

Die rechtswidrige Einschränkung von Bürgerbeteiligung war also kein handwerklicher Fehler von Oberbürgermeister und Verwaltung, sie ist Folge einer in der Bochumer Politik leider immer noch weit verbreiten Geisteshaltung, die echte Bürgerbeteiligung als lästig und überflüssig ansieht.

12 März

Warum es auch nach 7 Jahren keinen Innenstadt-Spielplatz gibt

Trotz ständiger Absichtserklärungen des Oberbürgermeisters und eines Ratsbeschlusses, einen Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz zu bauen, schafft es die Verwaltung seit 7 Jahren nicht, das Vorhaben umsetzen. Woran liegt es? Unwille, Unfähigkeit? Die STADTGESTALTER haben Akteneinsicht genommen, um das aufzuklären.

Moderne, lebenswerte Innenstädte aber auch Einkaufszentren punkten mit attraktiven Spielplätzen, die besonders Familien mit Kindern zu den Einkaufsmeilen locken. Die Kinder bekommen die Eltern besser von einem Einkaufstag überzeugt, wenn sie ihnen versprechen können, dass es danach noch auf einen tollen City-Spielplatz geht. 2016 schien es schon so, als hätte man das auch in Bochum verstanden, doch bis heute, 7 Jahre später, ist ein solcher Innenstadt-Spielplatz immer noch nicht in Sicht.

Die Vorgeschichte 2016-2023

2016 – Schon vor 7 Jahren schlugen die STADTGESTALTER einen Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz vor (Innenstädte sollen neue Spielplätze erhalten). Ein Antrag, der für die Bochumer wie die Wattenscheider City eine familienfreundliche Gestaltung sowie zeitgemäße und interaktive Spielplätze vorsah, wurde von STADTGESTALTERn und FDP zum 18.02.16 in den Rat eingebraucht (Vorgang 20160325). Im Ausschuss für Strukturentwicklung erklärte der Oberbürgermeister, die Verwaltung sei bereits an entsprechenden Planungen dran und würde diese bald vorstellen. Er bat daher den Antrag zurückzustellen. Im Vertrauen auf die Worte des OB kamen die Antragsteller dieser Bitte nach.

Spielplatz Kuhhirtenplatz, STADTGESTALTER 2016

    2018 – Doch bis 2018 tat sich nichts. Also stellten STADTGESTALTER und FDP den Antrag in aktualisierter Form am 07.06.2018 erneut (Vorgang 20181424). Dieses Mal erklärte die Verwaltung jetzt sei man an entsprechenden Planungen im Rahmen des gerade in Bearbeitung befindlichen Entwicklungskonzeptes für die Innenstadt (ISEK-Innenstadt) dran und könnte diese in Kürze vorstellen. Erneut vertrauten die Antragsteller auf die Worte der Verwaltung und nahmen den Antrag zurück.

    2019 – in diesem Jahr wurde das ISEK Innenstadt vorgestellt, doch entgegen den Ankündigungen der Verwaltung kommt in dem Konzept die Anlage eines Innenstadt-Spielplatzes nicht vor. Es ist lediglich davon die Rede, dass man bis 2025 ein Konzept “Begrünte und bespielbare Innenstadt“ entwickeln wolle (Maßnahme C1).

    Diesmal ergriff die CDU die Initiative und stellte zur Ratssitzung am 12.12.19 den Antrag einen Innenstadt-Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz zu schaffen (Vorgang 20193683). Der Rat stimmte dem einstimmig zu und beauftragte die Verwaltung einen Gestaltungs- und Finanzierungvorschlag auszuarbeiten und diesen den politischen Gremien zur Beratung vorzulegen. Den hat die Verwaltung jedoch bis heute weder erarbeitet noch vorgelegt.

    2022 – Im Rahmen der Beratungen zu einem weiteren Antrag der CDU, in der Innenstadt einen betreuten Spielplatz in der Bochumer Innenstadt einzurichten (Vorgang 20221605), erklärt der Oberbürgermeister, dass es einen Innenstadt-Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz geben werde und die Planungen dazu bereits aufgenommen worden seien (Rats-TV zur Ratssitzung am 21.06.22).

    2023 – Die Verwaltung beantwortet eine Anfrage der CDU, wieweit denn jetzt die Planungen zum Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz gediehen seien (Mitteilung 20230015). Tenor, man prüfe noch die Möglichkeiten zum Umbau des Platzes, es gäbe noch keine Ergebnisse und man wisse auch noch nicht, wie lange man noch brauchen werde.

    Wie so häufig in Bochum wurde also jahrelang viel über das Projekt Innenstadt-Spielplatz gesprochen, viel angekündigt, zugesichert und erklärt, was die Verwaltung angeblich schon tue, nur real gebaut wurde in 7 Jahren nichts.

    Die Akteneinsicht

    Also beantragten die STADTGESTALTER im Februar 2022 Akteneinsicht, um zu klären, was die Verwaltung in Sachen Innenstadt-Spielplatz tatsächlich seit 2016 unternommen hat. Die Verwaltung antwortete, die Bereitstellung der Akten würde etwas Zeit in Anspruch nehmen, da alle Vorgänge seit 2016 bereitgestellt werden müssten.

    Am 08.03.23 konnten die Akten eingesehen werden. Drei schmale Leitzorder wurden vorgelegt. Der erste beinhaltete die Vorgänge zum temporären Spielplatz am Kuhhirtenplatz 2021 und 2022, der zweite die Vorgänge zu Spielplätzen für politische Gremien (u.a. Spielleitplanung), die alle auch im Ratsinformationssystem zu finden sind. Nur der dritte dünne Ordner befasste sich mit den Planungen zur Anlage eines Spielplatzes in der Innenstadt, genauer dem auf dem Kuhhirtenplatz. Dieser Ordner beginnt mit dem Antrag der CDU vom 12.12.19 einen Innenstadt-Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz zu schaffen. Bemühungen oder Planungen zu einem Innenstadt-Spielplatz vor diesem Antrag, gab es gemäß Aktenlage nicht. Entsprechende Aussagen des Oberbürgermeisters und der Verwaltung aus 2016 und 2018 waren somit falsch. Die Politik wurde hinters Licht geführt, um sie zu bewegen diesbezügliche Anträge zurückzustellen.

    Das nächste und zweite Blatt in der Akte ist der Antrag der CDU vom Juni 2022, in der Bochumer Innenstadt einen betreuten Spielplatz einzurichten. Auch in der Zeit bis zu diesem Antrag (Dezember 2019 bis Juni 2022) hat sich die Verwaltung gemäß Aktenlage, anders als der OB es in der Ratssitzung am 21.06.22 vorzugeben versucht hatte, in keiner Weise mit Planungen zum Kuhhirtenspielplatz beschäftigt. Es stellt sich die Frage, haben Oberbürgermeister und Stadtbaurat den Beschluss zur Schaffung eines Innenstadt-Spielplatzes auf dem Kuhhirtenplatz aus der Ratssitzung am 12.12.19 absichtlich unter den Tisch fallen lassen, ggf. weil ihn nicht SPD und Grüne gestellt hatten, sondern die CDU, oder war Organisationsversagen im Dezernat des Stadtbaurats die Ursache, wo man den Überblick verloren hat, welche Beschlüsse des Rates noch umzusetzen sind?

    Der Akte ist jedenfalls zu entnehmen, dass erst nach dem erneuten Antrag der CDU im Juni 2022 die Planungen für den Spielplatz am Kuhhirtenplatz aufgenommen wurden. Allerdings enthält die vorgelegte Akte weder einen Arbeitsauftrag, noch einen Projektzeitplan oder einen Katalog von Aufgaben und Maßnahmen, in welchem Zeitrahmen mit welcher Fragestellung, wer in der Verwaltung welche Aufgabe abzuarbeiten hat. Offenbar wurde eine Mitarbeiterin beauftragt, sich mal zu den Planungen Gedanken zu machen, die erforderlichen Platzpläne zu besorgen, mit Veranstaltungsakteuren zu reden und erste – durchaus spannende – Planungsideen zu entwickeln und diese mit Spielgeräte-. und Sitzmobiliarherstellern abzuklären. Dass es ein durchdachtes Projekt zur Schaffung des Innenstadt-Spielplatzes bis zu einem festgelegten Datum x, gibt, ist der Akte jedoch nicht zu entnehmen. Auch war die Akte in keiner Weise vollständig, sondern stark lückenhaft und folgerichtig auch entgegen der rechtlichen Vorgaben nicht paginiert (mit fortlaufenden Seitenzahlen versehen). U.a. fehlten Vorgänge, aus denen sich andere Vorgänge ergeben haben müssen, zudem Besprechungsprotokolle von offenbar durchgeführten Besprechungen und Vermerke zu Absprachen, wie bestimmte Vorgänge zu behandeln sind. Es hatte sehr den Anschein als wäre die Akte extra für die Akteneinsicht zusammengestellt worden.

    Letztlich bestätigt die Akteneinsicht den Verdacht, dass Aussagen von Oberbürgermeister und Verwaltung, wieweit man sich mit Angelegenheiten schon beschäftigt hat, grundsätzlich nicht zu trauen ist und dass im Dezernat des Stadtbaurats Beschlüsse des Rates nicht systematisch, sondern nach Gutdünken abgearbeitet werden. Ob dies absichtlich so geschieht oder in Folge schlechter Organisation, mag dahinstehen, beides ist inakzeptabel.

    Folgerungen und Konsequenzen

    Die Angelegenheit zeigt, wie wichtig es wäre, dass die Stadt ein Umsetzungsregister führt, in dem die Verwaltung mindestens jährlich zu berichten hat, wie weit die Umsetzung der Beschlüsse des Rates fortgeschritten ist (Bochum fehlt Umsetzungsregister für Beschlüsse des Rates und der Bezirksvertretungen). Ein solches Register hatten die STADTGESTALTER im Mai 2022 im Rat vorgeschlagen. Der Antrag wurde jedoch von SPD und Grünen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt, die Koalitionsparteien waren nicht bereit diese wichtige Voraussetzung für eine ordnungsgemäße politische Kontrolle der Verwaltung zu schaffen.

    Nachdem schon im Rahmen der Akteneinsicht zur Trassenführung des Radschnellwegs schwere Defizite bei der Verwaltungsarbeit offensichtlich wurden (Akteneinsicht: Verwaltung “lenkt” große RS1-Trassensuchshow zum gewünschten Ergebnis) bestätigt die Akteneinsicht zum Innenstadt-Spielplatz, dass eine deutlich verstärkte Kontrolle der Verwaltungsabläufe durch die Ratsmitglieder erforderlich ist. Die STADTGSTALTER haben sich daher vorgenommen systematisch weitere Verwaltungsvorgänge mittels Einsicht in die Akten zu beleuchten. Zu hoffen ist, dass andere Fraktionen in gleicher Weise vorgehen, um aufzuklären, was in der Verwaltung falsch läuft, warum die Realisierung von Beschlüssen häufig endlos dauert (Stadtverwaltung – viel zu oft viel zu langsam) und in nicht wenigen Fällen dann nicht mal überzeugen kann (Radverkehrskonzept ist kaum zu gebrauchen).

    24 Apr.

    Grillen in Bochum – Mehr Picknickplätze mit Grillstationen statt Verbote

    Nur auf den ersten Blick gibt es in Bochum genug Orte, an denen die Einwohner und Einwohnerinnen grillen können. Auf vielen Grünflächen und Parks fehlen jedoch Picknickplätze mit Grillstationen. In der Folge sind einige Grünflächen zeitweise stark überlaufen, zum Beispiel der Ümminger See oder die Schmechtingwiese. Anderswo ist wiederum kaum was los. Die STADTGESTALTER wollen mit mehr und besseren Grill-Angeboten sowie einem stadtweiten Grillkonzept das Grillgeschehen besser organisieren und über die Stadt verteilen.

    Die Menschen in Bochum und dem Ruhrgebiet lieben es zu grillen. Kaum ist es draußen warm genug, werden Freunde, Bekannte und Verwandte mobilisiert und die Grünflächen gestürmt, um sich am schönen Wetter zu erfreuen und gemeinsam zu grillen. Viele Parks sind voll mit grillenden Menschen, die das Leben genießen. Grillen ist ein fester Bestandteil des urbanen Lebens, auf den Wiesen der Städte zeigt sich wie lebendig und lebenswert die Städte sind.

    Wenn zu viele Menschen grillen wollen, gibt es Ärger

    An manchen Orten allerdings kommen zu viele Grillende auf zu wenige ausgewiesene Grillstellen. Am Ümminger See gibt es nur zwei, eher mickrige Grillflächen. Das Ordnungsamt schafft es nicht, die Grillregeln durchzusetzen, der Müll nimmt Überhand, wird zu spät entsorgt und fliegt bis dahin durch den ganzen Park. Zu viele Menschen fahren mit dem Auto an den See und parken mangels ausreichender Parkplätze wild auf Grünflächen. Für die vielen Menschen fehlen Toiletten, einige verrichten ihre Notdurft in den Büschen (WAZ vom 01.04.22). Das macht andere Menschen, die sich im Park erholen und anderweitig betätigen wollen, verständlicher Weise ärgerlich.

    Das Grillen sollte besser organisiert statt verboten werden

    Das Grillen am Ümminger See zu verbieten, wie es die CDU und Teile der SPD fordern, ist allerdings keine Lösung. Die STADTGESTALTER sind überzeugt, Verbote sollten immer nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn keine andere Lösung Wirkung zeigt. Die Möglichkeiten, das Grillen in Bochum besser zu organisieren, sind aber noch lange nicht erschöpft.

    Mehr Picknickplätze mit Grillstationen – In Ländern, wo das Grillen ebenfalls sehr beliebt ist, verfügen fast alle Parks, Aussichtspunkte, Rastplätze und sonstige Grünflächen über Picknickplätze mit Grillstationen. Das sind öffentliche, häufig gemauerte Grills, auf die nur noch Grillkohle, Grillrost und Grillgut gelegt werden müssen und das Grillvergnügen kann beginnen. Dazu verfügen die Picknickplätze noch über ausreichend Abfallbehälter sowie feste Gruppen von Holzbänken und -tischen, die häufig sogar überdacht sind.

    Picknickplatz mit Grillstation, Foto: Jim Henderson

    Diese Plätze haben mehrere Vorteile. Sie weisen klar aus, an welchen Stellen gegrillt werden darf. Die gemauerten Grills sind sicherer zu benutzen als die mitgebrachten. Es wird verhindert, dass an Stellen gegrillt wird, wo das eigentlich verboten ist, zum Beispiel unter Bäumen. Entsprechend ist es für das Ordnungspersonal einfacher die geltenden Grillregeln durchzusetzen. Weitere Vorteile: Wer die öffentlichen Grillstationen benutzt, muss keine Einmalgrills mitbringen und die bleiben dann auch nicht im Park liegen. Auch muss man nicht mit dem Auto in den Park fahren, um dort den mitgebrachten Grill zu entladen, der Grill steht schon am Picknickplatz. Der Müll kann leichter entsorgt werden, die benötigten Abfallbehälter stehen gleich neben dem Grill, auch hitzebeständige für heiße Asche. Zudem sind die Stationen so massiv gebaut, dass Vandalismus kaum eine Chance hat. Die Hinterlassenschaften der Grillgesellschaften verteilen sich nicht über den ganzen Park, sie konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Grillplätze. Die Reinigung und Entsorgung wird für Stadt und den USB einfacher.

    Gemauerte Grillstation

    Damit sich die Grillfreunde und -freundinnen nicht in wenigen Parks ballen, ist wichtig, dass die Stadt über viele attraktive Picknickplätze mit Grillstationen gut verteilt über das ganze Stadtgebiet verfügt. Gibt es viele gute Grillplätze in der Stadt, werden die jetzt überlaufenen auf die Dauer weniger angesteuert.

    Reservierung von stark nachgefragten Grillplätzen – An Parks oder Grünflächen, wo trotzdem noch mehr Grillfreudige auf zu wenige Grillmöglichkeiten treffen, kann die Stadt zusätzlich eine Vorreservierung der Grillstationen einführen. Reservierungen könnten, ggf. gegen eine kleine Gebühr, online ermöglicht werden, über einen in der Nähe liegenden Kiosk oder einen sich vor Ort ohnehin aufhaltenden Grill-Scout, der das Grillgeschehen im Auge behalten soll.

    Bewirtschaftung von Picknickplätzen – Für Tage, an denen viel gegrillt wird, wäre zu überlegen, ob es möglich ist, die Bewirtschaftung der Grillplätze an private Gewerbetreibende zu übertragen. Diesen könnte erlaubt werden an den Picknickplätzen nachgefragte Dinge zu verkaufen (Getränke, Eis, Grillgut, Grillgerät usw.), wären aber im Gegenzug verpflichtet, das Grillen zu organisieren, sofern nötig, Reservierungen entgegen zu nehmen und dafür zu sorgen, dass die Picknickplätze in einem guten und sauberen Zustand bleiben.

    Ein stadtweites Grillkonzept würde helfen

    Die STADTGESTALTER regen an, ein stadtweites “Grillkonzept” aufzustellen. Nur einzelne überlaufene Orte wie den Ümminger See zu betrachten, wo das Grillen zeitweise aus dem Ruder läuft, greift zu kurz, das Grillen sollte in der ganzen Stadt besser organisiert werden. Das Konzept sollte insbesondere festlegen:

    • Wo in der Stadt Picknickareale mit Grillstationen eingerichtet und aufgebaut werden sollten.
    • Wie zukünftig die zeitnahe Reinigung und Unterhaltung der Picknickplätze organisiert werden soll.
    • Für welche Grillstationen ggf. ein Reservierungssystem benötigt und eingerichtet werden sollte.
    • An welchen Picknickplätzen ggf. die Bereitstellung von Toilettenanlagen sinnvoll sein könnte.
    • Wie die Stadt sicherstellt, dass die Grillregeln konsequent und immer dann, wenn es erforderlich ist, durchgesetzt werden.
    • Wie die bestehenden städtischen Grillregeln sinnvoll an das neue Konzept angepasst werden müssen. Dazu wäre unter anderem zu klären, ob das Grillen, auch mit mitgebrachten Grills weiterhin erlaubt sein soll oder z.B. nur im Umkreis der Grillstationen.

    Funktioniert das Grillen in den Parks ist das gut für das Image der Stadt

    Mit einem funktionierenden Grillkonzept kann die Stadt in Sachen Lebensqualität punkten und sich von anderen Städten positiv abheben. Von den Stadtbewohner*innen geliebte, saubere Parks und Grünflächen, in denen das städtische Leben pulsiert, wo sich Menschen aller gesellschaftlichen Schichten treffen, zusammen essen, lachen, spielen sowie Sport treiben und allen ihren Vorlieben nachgehen können, ohne andere zu stören, machen eine attraktive Stadt aus.

    Eine smarte Stadt, ermöglicht den Einwohnern und Einwohnerinnen im öffentlichen Raum, die Dinge zu tun, die das Leben ausmachen. Dazu gehört gerade in Bochum und dem Ruhrgebiet auch sich mit Freunden, Bekannten und Verwandten im Grünen zum Grillen zu treffen. Generell gilt, Verbote sind keine Alternative zu intelligenten Lösungen, die es möglichst allen Menschen möglich machen, in der Stadt das zu unternehmen, was sie sich wünschen.

    14 Feb.

    Digitaloffensive: Tempo bei der Schul-Digitalisierung deutlich erhöhen

    Diese Woche schrieben die Eltern der Bochumer Gesamt- und Sekundarschulen einen Brandbrief an den Oberbürgermeister, die IT-Infrastruktur an den Schulen sei marode bis nicht vorhanden, nicht ein Tablet sei bisher an den Schulen angekommen, für die Digitalisierung der Schulen bereitstehende Fördermittel seien bis heute nicht beantragt worden. Eine Akteneinsicht der Fraktion „Die PARTEI und STADTGESTALTER“bestätigt dieses traurige Bild. Bochum muss bei der Digitalisierung der Schulen dringend das Tempo beschleunigen.

    Offener Brief der Eltern der Gesamt- und Sekundarschulen an den Oberbürgermeister

    In Bochum wird seit Jahrzehnten nicht genug für Schulen und Bildung getan, das zeigt sich bereits am baulichen Zustand vieler Schulen und deren Ausstattung. Jetzt wirft die Corona-Krise ein helles Schlaglicht auf die schwerwiegenden Versäumnisse und Mängel im Bereich Digitalisierung und schulischer IT-Infrastruktur:

    Fehlende Anschlüsse der Schulen an das Glasfasernetz – Die meisten der rund 100 Schulstandorte sind bis heute nicht an das Glasfasernetz angeschlossen. Zumindest sind jetzt die weiterführenden Schulen bis auf eine provisorisch an das Gigabit-Netz von Vodafone (ehemals Unitymedia) angeschlossen. Der sogenannte Gigabit-Anschluss bietet allerdings nur 50 MBit/s Upload was für Schulen mit über 1.000 Schülern und 200 Lehrern erkennbar viel zu wenig ist. Erst 2025 sollen alle Schulen an das Glasfasernetz angeschlossen sein, ein anspruchsloses Ziel.

    Keine leistungsfähigen WLAN-Netze an den Schulen – Fast keine Schule in Bochum verfügt über ein schnelles, flächendeckendes WLAN-Netz. In der Regel wurden die bestehenden WLAN-Netze zum wesentlichen Teil von den Fördervereinen bezahlt und von engagierten Lehrern aufgebaut. Es fehlt eine leistungsfähige WLAN-Infrastruktur, die an jeder Schule in gleicher Weise aufgebaut ist und damit leicht zu warten ist.

    Fehlende Endgeräte – Schüler*innen und Lehrer sind immer noch nicht mit den erforderlichen Tablets und Notebooks ausgestattet. Gerade mal 3.600 Tablets wurden bisher für die Schüler*innen bestellt. Mit der Auslieferung wurde erst im Februar begonnen. Weitere 9.000 Geräte, die vom Schuldezernenten seit Monaten angekündigt werden, wurden, wie die Akteneinsicht der Fraktion „Die PARTEI und STADTGESTALTER“ ergab, bis heute nicht bestellt. Und selbst wenn diese bis zum Ende des Jahres an die Schulen ausgeliefert werden, wird die Stadt nur ein Tablet auf 4,75 Schüler*innen angeschafft haben. Zumindest bei den weiterführenden Schulen sollte das Ziel sein, dass für jeden ein Tablet zur Verfügung steht. Doch dazu gibt es bisher nicht mal einen politischen Beschluss.

    Kein städtisches IT-Kompetenzzentrum – Bisher konnte das Schulverwaltungsamt weder eine Support- noch eine Wartungsstruktur für die bestehende IT-Infrastruktur aufbauen. Auch systematische Schulungen der Schüler*innen und Lehrern auf den neuen Geräten sind nicht möglich. Rot, Grün stimmten im Stadtrat immer wieder zusammen mit der CDU gegen den Aufbau eines entsprechenden zentralen IT-Kompetenzzentrums (Ein städtisches IT-Kompetenzzentrum für die Schulen, 05.10.19). Über gerade mal 6,5 Stellen verfügt das IT-Sachgebiet im Schulverwaltungsamt. Immerhin soll es bis Jahresende acht Stellen geben, perspektivisch ggf. zehn. Das sind angesichts der vielfältigen Aufgaben, die zu bewältigen sind und der rund 100 Bochumer Schulstandorte, die zu betreuen sind, viel zu wenig Beschäftigte.

    Keine eigene städtische Serverstruktur – Die Stadt sollte allen Schulen, wenn möglich auf eigenen städtischen Servern, die erforderlichen Videokonferenz- und weiteren digitalen Unterrichtssysteme zur Verfügung stellen. Auf diese Weise lässt sich maximale Datensicherheit herstellen. Bisher verfügen nur einzelne Schulen über eigene Server und Netzwerke, die sie zumeist selbst mit Hilfe der Fördervereine aufgebaut und eingerichtet haben. Für eine zentrale Wartung, leichteren Support und die Garantie einheitlicher Sicherheitsstandards sollten auch hier die IT-Strukturen über alle Schulen zentralisiert, vereinheitlicht und vernetzt werden.

    Bereits im Mai 2020 hatten die STADTGESTALTER angesichts der Corona-Lage einen Notfallplan vorgeschlagen, um die geschilderten Aufgaben schnellst möglich angehen zu können (Notfallplan für digitalen Schulunterricht, 10.05.20). Auch hier scheiterte die Umsetzung an SPD, Grünen und CDU, die ein schnelles Vorgehen nicht für nötig hielten.

    Wechselunterricht wird in Bochum nicht möglich sein

    Aufgrund der unzureichenden IT-Infrastruktur wird der für die Zeit nach dem Schul-Lockdown geplante Wechselunterricht an Bochumer Schulen nicht durchführbar sein. Mangels Glasfaseranbindung der Schulen, fehlendem WLAN und der erforderlichen IT-Ausstattung, wird nicht die eine Hälfte der Schüler*innen in den Klassenräumen unterrichtet und für die andere Hälfte der Unterricht nach Hause gestreamt werden können. Während die eine Hälfte in den Schulen Unterricht erhält, wird die andere Hälfte weiter zu Hause sitzen und Aufgaben lösen müssen. Eine digitale Teilnahme am Unterricht wird für die Schüler*innen zu Hause ein Wunschtraum bleiben.

    Es wird höchste Zeit, dass die Stadt endlich Geld in die Hand nimmt, um das Personal im Schulverwaltungsamt im Bereich Schul-IT deutlich aufzustocken und ein städtisches IT-Kompetenzzentrum zu schaffen. Dazu muss die Beschaffung der Endgeräte beschleunigt und auf alle Schüler*innen ausgeweitet werden. “Jedem Kind ein Tablet” sollte zukünftig das Ziel lauten. Ebenso darf der Anschluss aller Schulstandorte an das Glasfasernetz nicht bis 2025 dauern und muss kurzfristig mit der systematischen Ausstattung aller Schulen mit einem leistungsfähigem WLAN-Netz begonnen werden. Parallel sollte die Stadt den Aufbau einer eigenen städtischen Schulserverstruktur in Angriff nehmen.

    Kooperationen mit anderen Städten nötig

    Um diese Aufgaben alle gleichzeitig anzugehen wird ein beispielloser Kraftakt erforderlich sein. Daher sollte überlegt werden diese Kraftanstrengung gemeinsam mit Nachbarstädten zu unternehmen. In Essen haben Stadt und Schulen mit dem Alfried Krupp-Schulmedienzentrum bereits einen starken Partner. Auch werden in Essen mit Hilfe des Jobcenters IT-Experten, die sich aktuell Corona bedingt in Kurzarbeit befinden, für den Aufbau schulischer IT-Infrastruktur genutzt. Auch diesem Beispiel könnte Bochum folgen. Andere Städte sind weiter als Bochum, damit die Stadt die Defizite aufholt, erscheint es sinnvoller sich entsprechenden Projekten benachbarter Städte anzuschließen als selbst das Rad neu zu erfinden.

    Politik muss aktiv die Digitalisierung der Schulen vorantreiben

    Damit Bochum möglichst schnell die Voraussetzungen für modernen und digitalen Unterricht schaffen kann, muss Rot-Grün ihre von der CDU bisher weitgehend unterstützte passive Schul- und Bildungspolitik aufgeben. Bisher wurde die Stadt nur tätig, wenn Land- oder Bund mit Fördermitteln winkten. Aktiv aus eigenem Antrieb geschah kaum Nennenswertes. Die Stadt benötigt eine städtische Digitaloffensive mit einem Programm, das klare Ziele und einen ambitionierten Maßnahmenkatalog samt Zeitplan enthält, um die genannten Defizite kurz- bis mittelfristig zu beseitigen. Dafür muss die Stadt eigenes Geld in die Hand nehmen, damit sie selbst das Personal einstellen und die IT-Struktur anschaffen kann, die die Schulen dringend benötigen. Immer nur dann an den Schulen aktiv zu werden, wenn Land bzw. Bund Fördermittel bereitstellen, kann keine Option mehr sein.

    Als Universitätsstadt sollte Bochum zudem das Ziel verfolgen, bei der IT-Ausstattung der Schulen zu den Vorreitern in ganz Deutschland zu gehören. Zudem sind die Zeiten, in denen Menschen auch ohne Schulabschluss oder große schulische wie berufliche Qualifikationen in der Stadt eine gute Arbeit gefunden haben schon lange vorbei. Entsprechend sollten auch mit Blick auf den Arbeitsmarkt Schulen und Bildung in der Bochumer Politik eigentlich schon heute höchste Priorität besitzen.

    31 Jan.

    Wie geht es mit der Besetzung der Ausschüsse weiter?

    Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat angeordnet, die am 17.12 gewählten Ausschüsse des Rates sind aufzulösen und neu zu bilden. Doch kommt es dazu schon in der Ratssitzung am 04.02. oder wird eine Sondersitzung des Stadtrates Ende Februar erforderlich?

    Aufgrund der bisherigen, sehr umfangreichen wie eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen wenig überraschend, hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen dem Antrag der Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” Recht gegeben und festgestellt, dass die Bildung der Ausschüsse in der Dezemberratssitzung dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes widersprach, da die Ausschüsse nicht spiegelbildlich zum Rat gebildet wurden. Entsprechend verfügte das Gericht, dass die Ausschüsse aufzulösen und neu zu bilden seien.

    Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: Die Ausschüsse des Rates sind aufzulösen und neu zu bilden

    Auszug aus dem Beschluss des VG Gelsenkirchen

    In der Ratssitzung am 17.12. hatten Grüne und CDU den Fraktionen von FDP bzw. “UWG: Freie Bürger” je zwei Stimmen geliehen, so dass diese einen stimmberechtigten Ausschusssitz auf Kosten der Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” erlangen konnten (Grüne und CDU maßen sich an zu bestimmen, wer in den Ausschüssen des Stadtrats abstimmen darf, Beitrag vom 27.12.20). Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes sieht hingegen vor, dass die durch die Wähler bei der Kommunalwahl bestimmten Kräfteverhältnisse der Fraktionen im Rat sich auch in allen Ausschüssen wieder spiegeln müssen. Folgerichtig kam das Verwaltungsgericht zu dem Schluss, dass der größeren Fraktion von PARTEI und STADTGESTALTERn ein stimmberechtigter Sitz eher zusteht als den kleineren Fraktionen von FDP und “UWG: Freie Bürgern”.

    Wie geht es mit der Neubesetzung der Ausschüsse weiter?

    Gemäß der vorliegenden Anordnung des Verwaltungsgerichts müssten die Ausschüsse des Rates also in der Ratssitzung am 04.02. neu gewählt werden. Dabei würde die Fraktion von PARTEI und STADTGESTALTERn einen stimmberechtigten Sitz erlangen, die Fraktionen von FDP und “UWG: Freien Bürgern” würden den verbleibenden Sitz bei einer Ausschussgröße von 15 Sitzen jeweils unter sich auslosen.

    Diese Vorgehensweise widerspräche allerdings den bisherigen Absprachen der großen Fraktionen mit FDP und “UWG: Freien Bürgern”, bei denen SPD, Grüne und CDU den kleinen Fraktionen einen Sitz in den Ausschüssen zugesichert haben, wenn diese sie im Gegenzug bei der Besetzung der Aufsichtsgremien der städtischen Unternehmen und Einrichtungen unterstützen. Um beiden Fraktionen bei einer Ausschussgröße von 15 Mitgliedern je einen stimmberechtigten Sitz zu verschaffen, müsste eine der Fraktionen von SPD, Grünen und CDU auf einen Sitz zu Gunsten der beiden kleinsten Ratsfraktionen verzichten. Das ist nicht unbedingt zu erwarten.

    Daher hatte die Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” bereits im Klageverfahren angeregt, dass der Rat der Stadt die Zahl der Ausschusssitze auf 17 erhöht, damit einer der beiden zusätzlichen Sitze FDP und “UWG: Freien Bürgern” zufallen und damit auf das Losverfahren verzichtet werden könnte. Diesen Vorschlag hat die Fraktion von PARTEI und STADTGESTALTERn nun erneut den anderen Fraktionen unterbreitet.

    Bei der Erhöhung der Sitzzahl der Ausschüsse um zwei Sitze müssten sich allerdings die Fraktionen von SPD, Grünen und CDU einig werden, wer von ihnen den zweiten zusätzlichen Sitz in den verschiedenen Ausschüssen erhalten soll.

    Denkbar ist, dass die großen Fraktionen in dieser Frage nicht einig werden oder sie nicht mehr gewillt sind, die Zahl der Ausschusssitze zu erhöhen um FDP und “UWG: Freien Bürgern” je einen stimmberechtigten Sitz in den Ausschüssen zuzusichern.

    Eher unwahrscheinlich ist, dass die großen Fraktionen sich darüber einig werden, doch noch gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts beim Oberverwaltungsgericht vorzugehen. Aufgrund der bisherigen, sehr umfangreichen wie eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wie des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) sind die Erfolgsaussichten einer Beschwerde gegen den Beschluss als gering einzuschätzen. Darüber hinaus bestätigt das OVG NRW in deutlich über 90% der Fälle die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte.

    Wann erfolgt die Neubesetzung?

    Würden die großen Fraktionen in der Ratssitzung am 04.02, dennoch entscheiden den Rechtsstreit weiter zu führen, würden die Ausschüsse zunächst nicht am 04.02. aufgelöst und neu gebildet. Bis voraussichtlich Mitte Februar würde dann das OVG NRW eine Entscheidung fällen, die mit großer Wahrscheinlichkeit die Anordnung der Auflösung und Neubildung der Ausschüsse des Verwaltungsgerichts bestätigen würde. In diesem Fall müsste der Rat dann, bevor die Ausschüsse im März wieder tagen noch im Februar zu einer Sondersitzung zusammenkommen um der gerichtlichen Anordnung Folge zu leisten und die Ausschüsse neu zu wählen. Auch angesichts der Pandemiesituation fragt sich, ob ein solches Vorgehen sinnvoll ist, statt die Neubesetzung gleich in der regulären Ratssitzung am 04.02. vorzunehmen.

    Insgesamt ist also sehr wahrscheinlich, dass der Rat schon am 04.02. die Ausschüsse auflösen und neu bilden wird.

    Ausschuss für “Kinder, Jugend und Familie”

    Auch wird die Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” bei der Ratssitzung am 04.02. einen beratenden Sitz im Ausschuss für “Kinder, Jugend und Familie” erhalten. Wurde noch in der Ratssitzung im Dezember vom Oberbürgermeister die Ansicht vertreten, dies sei rechtlich nicht möglich, wird auch hier nunmehr die rechtliche Einschätzung der Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” von der Verwaltung anerkannt.

    Besetzung der Beiräte des Rates

    In der gleichen Ratssitzung wird darüber hinaus noch die Besetzung zweier weiterer beratender Ausschüsse des Stadtrates vorgenommen, über die in der neuen Wahlperiode bisher noch nicht abgestimmt wurde. Auch in den Beiräten für „Frauen, Geschlechtergerechtigkeit und Emanzipation“ sowie für “Leben im Alter”, die mit jeweils 13 sachkundigen Bürgern besetzt werden sollen, steht der Fraktion PARTEI und STADTGESTALTERn aufgrund der Spiegelbildlichkeit wie in allen vom Rat abgeleiteten Gremien je ein Sitz zu. Nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts zur Besetzung von Ausschüssen ist nicht zu erwarten, dass sich hier eine rechtswidrige Besetzung wiederholen wird.

    Insgesamt ist also zu hoffen, dass mit der Ratssitzung am 04.02. die Besetzung der Gremien des Stadtrats abgeschlossen werden kann und der Rat damit in den nächsten Monaten wieder Zeit findet sich vermehrt den wichtigen inhaltlichen Fragen und Aufgaben der Stadtpolitik zuzuwenden.