25 Jan.

Konzept zur Sanierung des Bochumer Stadthaushalts

Die Stadt Bochum gibt in diesem Jahr 88 Mio. Euro mehr aus als sie einnimmt, 2026 sind es 113 Mio. Euro. Eine erneute Haushaltssicherung droht. Ohne Sanierung des Haushaltes wird die Stadt ab 2027 handlungsunfähig sein. Die Politik ignoriert das Problem. Die STADTGESTALTER legen jetzt ein Sanierungskonzept vor.

Seit diesem Jahr (2025) gibt die Stadt wie schon bis 2018 wieder deutlich mehr Geld aus, als sie einnimmt. Die Stadt lebt über ihre Verhältnisse.

Haushaltssicherung ab 2027 – Die Politik ignoriert das Problem

Laut Prognose der Kämmerin wird sich das in den nächsten Jahren auch nicht ändern. Bis mindestens 2029 geht die Kämmerin von Haushaltsdefiziten aus (Prognose bis 2029, Haushaltskompass, Seite 17). Tritt das ein, was die Kämmerin vorhersagt, kommt es ab 2027 wieder zur Haushaltssicherung. Die Bezirksregierung übernimmt die Finanzaufsicht, jeder Stadthaushalt muss von ihr genehmigt werden. Die Stadt wird aufgrund fehlender Finanzmittel handlungsunfähig, die kommunale Selbstverwaltung wird erheblich eingeschränkt.

Entwicklung Haushaltsdefizit Stadt Bochum – Diagramm: Stadt Bochum 12/2024

Bei diesen Zukunftsaussichten, müsste eigentlich ein Aufschrei durch Stadt und Politik gehen. In der Presse müsste ein heftiger Streit toben, wer für den drohenden Haushaltsnotstand die Verantwortung trägt und wie der Haushalt wieder ausgeglichen werden kann. Doch das Thema scheint niemanden zu interessieren. Offenbar will die Politik erst handeln, wenn der Notstand längst eingetreten ist, Konzepte ihn abzuwenden hat die Politik nicht.

Statt ein Konzept vorzulegen, wie man dafür sorgt, dass die städtischen Einnahmen schnellstmöglich wieder die Ausgaben decken, hat die Mehrheitskoalition im Rat das Problem sogar weiter verschärft. Sah der Haushaltsentwurf der Kämmerin für den Doppelhaushalt 2025/26 noch ein Defizit von insgesamt 186 Mio. vor, hat die Rot-Grüne-Koalition durch zusätzliche Ausgaben das Haushaltsdefizit auf 201 Mio. (+15 Mio.) rauf geschraubt. Statt die Ausgaben zu senken, hat man das Defizit weiter erhöht und damit die Haushaltslage weiter verschlimmert. Dieses Vorgehen kann nur als ignorant und verantwortungslos bezeichnet werden.

Haushalts-Sanierungskonzept der STADTGESTALTER

Auch wenn die Bochumer Politik sich nicht mit dem Thema beschäftigen will, bleibt die Frage, wie kann die Haushaltssicherung abgewendet und Einnahmen und Ausgaben der Stadt wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Die STADTGESTALTER legen jetzt ein Sanierungskonzept vor, wie die Haushaltssicherung doch noch abgewendet werden könnte.

Haushalts-Sanierungskonzept, Die STADTGESTALTER

In ihrem Konzept schlagen die STADTGESTALTER verschiedene Maßnahmen vor, die Ausgaben der Stadt zu senken und die Einnahmen zu steigern, um das prognostizierte Defizit auszugleichen und nötige Ausgabensteigerungen sowie Einnahmen Entlastungen zu refinanzieren.

Ausgangslage (Spalte A) – In dieser Spalte wird das von der Kämmerin für die Jahre 2025 – 2029 prognostizierte Defizit erfasst und für die Jahre 2030 und 2032 fortgeschrieben. Dieses ist auszugleichen, damit zukünftig kein Haushaltsdefizit mehr entsteht.

Die Zahlen der Kämmerin (blaue Kurve im Diagramm zur Entwicklung des städtischen Haushaltsdefizits) gehen davon aus, dass in den Jahren 2025 und 2026 bereits ein “globaler Minderaufwand” von 28 Mio. bzw. 37 Mio. realisiert wird, das bedeutet die städtischen Ausgaben im laufenden Haushalt 25/26 um insgesamt 65 Mio. gesenkt werden müssen. Das Konzept der STADTGESTALTER geht davon aus, dass die Stadt diesen Vorgaben, wie im Haushalt dargestellt, auch nachkommt.

Ausgabensenkungen (Spalten B bis F)

Das Konzept der STADTGESTALTER sieht eine Senkung der Ausgaben in 5 Bereichen (Spalten B bis F) vor.

Effizientere Abläufe bei der Stadtverwaltung (Spalte B) – Von 2015 bis 2026 steigen die städtischen Personalkosten um 185 Mio. Euro (+60%). 1.285 zusätzliche Stellen werden geschaffen. Weitere Kosten für die zusätzlichen Arbeitsplätze (Räumlichkeiten, Ausstattung usw.) kommen noch hinzu. Nach Ansicht der STADTGESTLTER sind diese Ausgaben wieder zu reduzieren. Systematisch ist zu untersuchen wie die Arbeitsläufe in der Verwaltung effizienter organisiert sowie Kosten und Stellen eingespart werden können. Zu diesem Zweck sollte eine externe Unternehmensberatung beauftragt werden.

Bis 2036 soll so eine Einsparung von Ausgaben in Höhe von 150 Mio. Euro erreicht werden.

Digitalisierung, verstärkter Einsatz von KI (Spalte C) – In Sachen Digitalisierung und Einsatz von KI liegt die Verwaltung weiterhin weit hinter dem zurück, was in Unternehmen bereits seit Jahren üblich ist.

Die STADTGESTALTER halten durch eine erhebliche Beschleunigung und Ausweitung entsprechender Maßnahmen auch hier Einsparpotentiale in Höhe von mindestens 15 Mio. Euro bis 2036 für möglich.

Verbesserung Projektmanagement (Spalte D) – Die Kostensteigerungen bei den laufenden 100 städtischen Bauprojekten summierte sich Ende 2022 auf 80,4 Mio. Euro, die Terminüberschreitungen auf 125 Jahre (Städtische Bauprojekte im Schnitt 0,8 Mio. teurer sowie 1 Jahr und 3 Monate später fertig als geplant).

Wesentliche Ursache für diese untragbar hohen Kostenüberschreitungen sind erhebliche Defizite beim städtischen Projektmanagement. In diesem Zusammenhang haben die STADTGESTALTER vielfach Verbesserungen angemahnt und u.a. vorgeschlagen das Projektmanagement für Großprojekte durch eine gemeinsame Einrichtung der Städte der Ruhrstadt durchführen zu lassen.

In den nächsten 10 Jahren sollte in diesem Bereich durch Reorganisation eine Ersparnis von mindestens 25 Mio./Jahr erreicht werden.

Verstärkte interkommunale Zusammenarbeit – Ruhrstadt (Spalte E) – Die intensive Zusammenarbeit insbesondere mit den weiteren 14 Städten der Ruhrstadt bietet weitere hohe Einsparpotentiale (Ruhrstadt – Die Metropole, die keine sein will, aber trotzdem eine ist).

Durch Skaleneffekten lässt sich die Kosteneffizienz deutlich steigern (insbes. bei Verwaltung und städtischen Unternehmen). Statt Dinge in 15 Ämtern, Einrichtungen und Unternehmen separat zu organisieren, reicht dafür regelmäßig eine mit Filialen in allen Städten der Ruhrstadt aus.

Zudem ermöglicht die Schaffung einer einheitlichen, hoch effizienten Infrastruktur aus einem Guss (z.B. ÖPNV, Ver- und Entsorgung) neben Senkungen bei den Ausgaben aufgrund der Attraktivitätszunahme auch Potentiale zur Steigerung der Einnahmen.

Die konsequente Organisation als Metropole ermöglicht darüber hinaus im Wettbewerb mit anderen Städten national wie international eine erhebliche Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch höhere Sichtbarkeit aufgrund der Größe und Vielfältigkeit (Marke, Image) der Ruhrstadt (Ruhrstadt – Die Metropole, die keine sein will, aber trotzdem eine ist).

Insgesamt kalkulieren die STADTGESTALTER in diesem Bereich mit einem Betrag von 140 Mio. Euro pro Jahr.

Senkung Zinsaufwand (Spalte F) – Das durch Ausgabensenkungen und Einnahmensteigerungen im Haushalt freiwerdende Geld sollte auch zu einer Senkung der Altschulden eingesetzt werden. Nach dem Plan der STADTGESTALTER sollen die Schulden bis 2036 um 1,33 Mrd. Euro getilgt werden (Spalte H). Das führt zu einem geringeren Zinsaufwand im Jahr 2036 von fast 41 Mio. Euro.

Ausgabensteigerungen (Spalten G und H)

Durch die bereits dargestellten Ausgabensenkungen und zusätzliche Einnahmensteigerungen werden im Haushalt erhebliche Beträge frei, die nach dem Plan der STADTTGESTALTER für Investition und die Tilgung der Altschulden eingesetzt werden sollen.

Mehr Investitionen (Spalte G) – Bis 2036 wollen die STADTGESTALTER die städtischen Investitionen um zunächst 43 Mio. (2026) bis dann auf 250 Mio. Euro pro Jahr (2036) erhöhen. Investiert werden sollte bzw. muss insbesondere in Schulen, die Stadtteilzentren, Klimaschutz, Innenstadt, Ruhrstadion und eine bessere Infrastruktur. Der Plan der STADTGESTALTER ermöglicht hier neue Handlungsspielräume.

Abbau Schulden (Spalte H) – Nach dem Plan der STADTGESTALTER sollen im Zeitraum 2026 bis 2036 die städtischen Schulden um 1,33 Mrd. Euro reduziert werden. Da eine Übernahme der Altschulden durch Land und Bund nicht zu erwarten ist, muss die Stadt hier dringend selbst tätig werden. Das lohnt sich, die Tilgung der Schulden führt 2036 zu einer Ausgabenentlastung von fast 41 Mio. im Jahr (Zinsaufwand Spalte F).

Einnahmesenkungen (Spalte I)

Um die Stadt attraktiver zu machen, schlagen die STADTGESTALTER zudem vor, mittelfristig die Steuern zu senken.

Entlastung bei Grund- und Gewerbesteuer (Spalte I) – Für die Jahre 2025 bis 2035 sollen zunächst die Grundsteuereinnahmen durch Einführung der Grundsteuer C für baureife, aber nicht bebaute Grundstücker erhöht werden (Mit neuer Grundsteuer C gegen Wohnungsnot). Dies haben die STADTGESTALTER bereits 2023 und 2024 beantragt.

Ab 2031 wollen die STADTGESTALTER die Gewerbe- und die Grundsteuer B senken, um die Stadt attraktiver für Menschen und Unternehmen zu machen. Aktuell zählen die Steuersätze zu den höchsten in Deutschland, diese sollen auf ein durchschnittliches Maß zurückgeführt werden.

2036 soll die Entlastung schließlich bei 92 Mio. Euro liegen.

Einnahmensteigerungen (Spalten J bis L)

Auf der Einnahmenseite des städtischen Haushalts sehen die Pläne der STADTGESTALTER Erhöhungen in drei Bereichen vor.

Abbau Subventionen (Spalte J) – wichtiges Ziel der STADTGESTALTER ist es, dass die Bürgerinnen und Bürgern in allen Bereichen möglichst die Kosten bezahlen, die sie verursachen, städtische Subventionen nur an jene gezahlt werden, die über zu wenig Einkommen verfügen oder Subventionen dafür ausgegeben werden, ein für die Stadt positives Verhalten zu fördern (z.B. Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel).

So ist es nicht gerechtfertigt, dass Eintritte in Kultur- und Sporteinrichtungen auch für einkommensstarke Bürger und Bürgerinnen massiv von der Stadt subventioniert werden. So sollte der exklusive Sitzplatz im Schauspielhaus oder Musikforum einen angemessenen Preis kosten. Verbilligte Plätze sollten Menschen mit wenig Geld vorbehalten bleiben.

Nicht zu rechtfertigen ist ebenfalls, dass für das Parken auf öffentlichen Straßen und ihre Benutzung keine bzw. keine angemessenen Gebühren erhoben werden, für z.B. die Abwasser- oder Müllentsorgung dagegen schon.

In allen Bereichen der Stadt soll systematisch geprüft werden, ob und inwieweit städtische Subventionen zielführend und angemessen sind. Entsprechend würden die Gebührensätze angepasst und Gebühren gegebenenfalls neu erhoben. Im Gegenzug sollen die Bürger, Bürgerinnen und Unternehmen bei der Grund- und Gewerbesteuer entlastet werden (Spalte I).

Bis 2036 sollen die städtischen Einnahmen durch den Abbau von Subventionen um 110 Mio. Euro
gesteigert werden.

Sondermaßnahmen (Spalte K) – Wie bereits im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Haushalt 2025/26 beantragt, schlagen die STADTGESTALTER vor, die Sanierung des Ruhrstadions zunächst zurückzustellen, um zu klären, ob und inwieweit diese sinnvoll ist oder ob gegebenenfalls ein Neubau zweckmäßiger erscheint. Auch wollen die STADTGESTALTER über diese Frage die Bürgerinnen und Bürger entscheiden lassen (Lohnt sich teure Stadionsanierung – Erstligaperspektive versus Tradition). Dies bedeutet zunächst Minderausgaben von 60 Mio. Euro. Zu einem späteren Zeitpunkt müssten dann gegebenenfalls Investitionsmittel für eine Sanierung oder einen Stadionneubau bereitgestellt werden (siehe Investitionen, Spalte G).

Zum zweiten wollen die STADTGESTALTER die städtischen Parkhäuser verkaufen (Parkhäuser verkaufen und Geld in die Innenstadt investieren). Dies bringt nach Schätzungen der STADTGESTALTER einen Verkaufserlös von rund 70 Mio. Euro und entlastet die Stadt in der Folge um jährlich mindestens 3 Mio., da die Parkhäuser nicht mehr mit städtischem Geld subventioniert werden müssten.

Ziel ist es, die so realisierten Erlöse zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die Innenstadt zu investieren (siehe Investitionen, Spalte G).

Zu-/Abnahme Einwohnerzahl (Spalte L) – Insbesondere durch die zunehmenden Investitionen, die Steuerentlastungen wie den Abbau der Schulden, soll die Stadt attraktiver werden und die Einwohnerzahl wieder zunehmen, denn diese ist in den letzten Jahren bedenklich gesunken (Einwohnerverlust seit 1960 kostet Bochum 237 Mio. Euro im Jahr). Die daraus resultierenden Einnahmeverluste sind wiederum eine wesentliche Ursache für die finanzielle Schieflage der Stadt.

Die STADTGESTALTER rechnen mit einer Abnahme der Einwohnerzahl um 1.200 Menschen bis zum Jahr 2029, danach soll die Zahl wieder steigen. 2036 sollen 2.900 Menschen mehr in der Stadt leben als heute und die Einnahmen der Stadt dadurch um rd. 8 Mio. Euro im Jahr steigen.

Die STADTGESTALTER gehen davon aus, dass die genannten Effekte sowie eine solide Haushaltspolitik ebenfalls dazu führen, dass sich mehr Unternehmen in Bochum ansiedeln. Dies würde weitere zusätzliche Einnahmen bedeuten. Da deren Höhe aber schwer abschätzbar ist, wurde auf eine Einberechnung verzichtet.

Die STADTGESTALTER fordern Politik und Stadt auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um die Haushaltssicherung 2027 abzuwenden und bereits 2026 wieder einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Forderungen und Bettelbriefe an Land und Bund zu stellen, hilft da wenig. Stadt und Politik müssen selbst tätig werden. Wie das Konzept der STADTGESTALTER zeigt, liegt es in der Hand der Stadt selbst, den Haushaltsnotstand abzuwenden. Erst zu handeln, wenn der Notstand eintritt, wäre fahrlässig und verantwortungslos.

19 Jan.

Über 4,5 Mrd. Euro hohe Schuldenlast erdrückt die Stadt

Die Stadt Bochum inkl. der städtischen Beteiligungen hat 4,54 Mrd. Schulden aufgehäuft, die Kinder und Enkel dereinst abzahlen müssen. Die Schulden pro Kopf belaufen sich auf 12.405 Euro pro Einwohner und Einwohnerin. Die Ausgaben der Stadt können nicht mehr durch die Einnahmen gedeckt werden. Was bedeutet das für die Zukunft der Stadt?

Der Haushalt der Stadt weist für 2023 2,08 Mrd. Schulden und Verbindlichkeiten aus (Daten zum Haushalt 2025/26, Seite 19). Hinzu kommen die bisher isolierten Schulden für die Corona- und Ukraine-Krise in Höhe von 138 Mio. Euro sowie die Schulden der städtischen Beteiligungsunternehmen wie BOGESTRA, Stadtwerke, VBW usw.. Das sind weitere 2,3 Mrd. Euro (siehe Tabelle). Auch bei den städtischen Beteiligungen ist der Schuldenstand teilweise alarmierend. Bei der BOGESTRA liegt der Schuldenberg bei über 300 Mio. Euro. Eine weitere Verschuldung ist nicht möglich. Das Unternehmen ist nur noch eingeschränkt handlungsfähig (BOGESTRA wird zum Sanierungsfall).

Schulden und Verbindlichkeiten Stadt Bochum und ihrer Beteiligungen

Schulden aufgrund von Sanierungs- und Modernisierungsstau

Zu diesen in Bilanzen ausgewiesenen Verbindlichkeiten kommen versteckte Schulden hinzu. So besteht in der Stadt Bochum mangels ausreichend vorhandener Finanzmittel bei der städtischen Infrastruktur sichtbar ein erheblicher Sanierungs- und Modernisierungsstau. Nicht wenige Schulgebäude, Straßen, städtische Plätze usw. wurden in den letzten Jahrzehnten nicht ordnungsgemäß und werterhaltend Instand gehalten und müssten dringend saniert bzw. modernisiert werden.

Hätte man die dafür nötigen Finanzmittel ausgegeben, lägen die Schulden der Stadt heute mind. 1 Mrd. bis sogar 3 Mrd. höher als im städtischen Haushalt ausgewiesen. Dass die nötigen werterhaltenden Instandhaltungsmaßnehmen nicht in ausreichendem Maß erfolgt sind, führt nicht dazu, dass die Stadt sich das erforderliche Geld gespart hat, die Ausgaben werden nur auf später verschoben und dann wird es regelmäßig deutlich teurer (Mehr Baustellen für Bochum). Wenn z.B. Straßenschäden nicht sofort beseitigt werden, sondern erst Jahre später, wenn der zu beseitigende Schaden sich erheblich ausgeweitet hat und nicht mehr nur der Straßenbelag beschädigt ist, sondern auch schon der Straßenunterbau, wird aus einer einfachen Reparaturmaßnahme schnell eine umfassende, kostenintensive Straßensanierung.

Der Sanierungs- um Modernisierungsstau lässt sich auch an der Entwicklung des Eigenkapitals ablesen. Das städtische Kapital spiegelt den Wert der städtischen Infrastruktur wider. Würde die Instandhaltung werterhaltend erfolgen, müsste das Eigenkapital konstant bleiben, Modernisierungen müssten es erhöhen. Betrug das städtische Eigenkapital der Stadt 2009 noch 1,55 Mrd., wird es nach Prognose der Kämmerin 2029 nur noch bei 0,8 Mrd. liegen (Präsentation zur Einbringung des HH 2025/26, Seite 9). Voraussichtlich werden die Verbindlichkeiten der Stadt 2029 (dann rd. 2.4 Mrd.) das Eigenkapital um das Dreifache übersteigen.

Der sich ergebende Sanierungs- und Modernisierungsstau wird zwar in keinem städtischen Haushalt ausgewiesen, ist aber den städtischen Schulden hinzuzurechnen.

Tatsächlich ist die Stadt also insgesamt sogar mit 5 bis 7 Mrd. verschuldet. Dieser Betrag muss irgendwann wieder zurückgezahlt werden. Dazu ist die aktuelle Generation nicht bereit, sie nimmt die Schulden auf und geht davon aus, dass nachfolgende Generationen diese zurückzahlen. Sozial ist die Verschuldung zu Lasten unserer Kinder und Enkel nicht (Stadtpolitik darf nicht mehr zu Lasten zukünftiger Generationen gehen). Sie wird für nachfolgende Generationen erhebliche Wohlstandsverluste bedeuten.

Besorgniserregende Zinsentwicklung

Für Schulden müssen die Stadt wie die städtischen Beteiligungsunternehmen zudem Zinsen zahlen. Nach Angaben der Kämmerin musste die Stadt 2023 bereits 26 Mio. pro Jahr für 2 Mrd. Schulden zahlen, bis 2029 sollen es aufgrund der zu erwartenden Zinssteigerungen 71 Mio. Euro sein. Bezogen auf die Gesamtschulden von 4,54 Mrd. wären bei gleichem Verschuldungsniveau 2029 also 155 Mio. Euro im Jahr zu erwarten. Zur Einordnung, die Baukosten für das Haus des Wissens schätzt die Stadt auf einmalig 151 Mio. Euro.

Die Stadt wird 2029 rund 2,2 Mrd. Euro ausgeben, mehr als 3 % gehen dabei für Zinsen drauf. Das Geld, das für Zinsen bezahlt werden muss, fehlt für sinnvolle Zwecke, es kann nicht investiert werden.

Schulden werden weiter ansteigen

Und die Schulden steigen weiter. 2025 liegen die Ausgaben 88 Mio. über den Ausgaben 2026 bereits 113 Mio. (Daten zum Haushalt 2025/26, Seite 17).

Nichts weist derzeit drauf hin, dass sich die Lage nach 2026 verbessert. Die Stadtpolitik macht bisher keine Anstalten die Ausgaben und Kosten zu reduzieren. SPD und Grüne lassen den explodierenden Personalkosten ihren Lauf, weigern sich die finanziell marode BOGESTRA zu sanieren oder mit den anderen Städten ernsthaft über eine gemeinsame Organisation als Ruhrstadt zu sprechen (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0 – Die Ursachen). Bei den städtischen Einnahmen und Erträgen ist aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht zu erwarten, dass diese in Zukunft mehr steigen als die Ausgaben, eher ist mit einer Abnahme zu rechnen.

Die finanzielle Situation der Stadt ist also bereits bedrohlich und wird sich absehbar weiter verschlechtern.

Die Schuldenbombe explodiert

Voraussichtlich wird folgendes Szenario eintreten: Die zunehmende Verschuldung sowie die damit verbundenen stark zunehmenden Zinszahlungen werden der Stadt in den nächsten Jahren jede Handlungsfähigkeit nehmen.

Die Bezirksregierung wird, wie schon bis 2020, die Finanzhoheit über die Stadt übernehmen und sie zum Sparen zwingen. Es wird zu erheblichen Kürzungen von städtischen Leistungen auf allen Ebenen kommen, bei VHS, Schulen, Sportliegenschaften, Sozialeinrichtungen, in der Kultur usw.. Die BOGESTRA wird ihren Fahrbetrieb deutlich einschränken. Die Investitionen werden weiter zurückgefahren. In der Folge wächst wiederum der Sanierungs- und Modernisierungsstau.

Auf der anderen Seite wird die Stadt versuchen die Einnahmen zu erhöhen. Grund- wie Gewerbesteuern werden erheblich erhöht werden. Das macht es noch unattraktiver für Menschen und Unternehmen herzuziehen bzw. sich in der Stadt anzusiedeln. Weniger Menschen, die in der Stadt leben und arbeiten, sowie weniger Unternehmen, die Steuern zahlen, haben wiederum Einnahmeverluste zur Folge. Die Stadt gerät in einen Abwärtsstrudel.

Die schlimmsten Befürchtungen werden wahr. Die seit Jahrzehnten im Rathauskeller tickende Verschuldungs-Bombe explodiert (Bochum die Zombiestadt? Die tickende Zeitbombe im Rathauskeller).

Wer ist verantwortlich?

Die Rot-Grüne Koalition hat aus der Haushaltsnotlage 2009 bis 2019 leider nichts gelernt, deswegen ist die nächste bereits in Sicht.

Die Idee bei der Aufnahme von Schulden bei städtischen Haushalten ist, in wirtschaftlich schlechten Zeiten nimmt man Geld auf, um damit Investitionen zu finanzieren, in guten zahlt man sie wieder zurück. Dabei geht man davon aus, dass die getätigten Investitionen wirken und in den Folgejahren zu deutliche Mehreinnahmen führen, aus denen die Schulden wieder getilgt werden können.

Dieses Vorgehen setzt drei Dinge voraus, erstens, die aufgenommenen Schulden werden in Investitionen gesteckt und nicht zur dauerhaften Finanzierung des Haushaltsdefizits verwendet. Zweitens, die getätigten Investitionen wirken und führen zu den zur Schuldentilgung benötigten Mehreinnahmen. Drittens, die Politik ist bereit in guten Zeiten, die Mehreinnahmen in den Abbau der Schulden zu stecken. Alle drei Voraussetzungen wurden in Bochum nicht erfüllt.

Schon die vor 2009 aufgenommenen Schulden wurden nicht in Investitionen gesteckt, stattdessen wurden damit laufende Ausgaben, Transferleistungen aller Art und damit das fortwährende Haushaltsdefizit ausgeglichen. Zwar wurde ab 2015 wieder vermehrt investiert, doch lange nicht so viel, um dem aufgelaufenen Sanierungs- und Modernisierungsstau halbwegs abzubauen. Auch bewirkten die Investitionen keine so hohen Mehreinnahmen, dass aus diesen die aufgenommenen Schulden hätten vollständig zurückgezahlt werden können.

Darüber hinaus war die Politik nicht bereit, die aufgelaufene Verschuldung abzubauen. Die Mehreinnahmen wurden stattdessen insbesondere dazu verwendet, die Verwaltung aufzublähen. So stieg bzw. steigt der Personalaufwand der Stadtverwaltung von 2015 bis 2026 um fast 60 % (185,6 Mio. pro Jahr). Die Zahl der Stellen nimmt um 25 % zu (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0 – Die Ursachen).

Würden stattdessen seit 2019 im Schnitt 100 Mio. pro Jahr in den Abbau der Schulden fließen, sähe die finanzielle Lage der Stadt heute deutlich anders aus. Der Verschuldungsstand hätte in erheblichem Maß abgebaut werden können. Ausgaben und Einnahmen stünden auch 2025 und 2026 noch im Gleichgewicht.

Das Versäumte lässt sich jedoch nicht nachholen. Gleichwohl ist es unbedingt erforderlich das drohende Finanzdesaster abzuwenden. Die Stadt Bochum, Verwaltung und Politik sind aufgefordert, umgehend ein Finanz- und Wirtschaftskonzept vorzulegen, das die Zukunft der Stadt sichert und diese vor der drohenden Handlungsunfähigkeit bewahrt. Die STADTGESTALTER haben dazu erste Vorschläge gemacht (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0 – Die Ursachen) und arbeiten derzeit ein entsprechendes Konzept für die Stadt aus.

28 Mai

Mc Donalds und Co. sowie E-Scooter-Verleiher in Bochum zur Kasse bitten

Die STADTGESTALTER schlagen vor Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck für Lebensmittel mit einer städtischen Steuer zu belegen und den Verleihunternehmen von E-Scootern für die Nutzung öffentlicher Flächen Sondernutzungsgebühren abzuverlangen. Die eingenommenen Gelder sollen für die Anschaffung von Mehrwegsystemen und Scooter-Abstellplätze eingesetzt werden.

Rund um die Filialen von Starbucks, Mc Donalds und ähnlichen Gastrounternehmen quillen die Mülleimer über mit Kaffeebechern und Fastfood-Müll. Das, was nicht in die Abfallbehälter passt oder die Kunden nicht bereit waren in die Mülleimer zu werfen, findet sich auf den umliegenden Straßen, Gehwegen und Grünanlagen wieder, muss also teuer von der Stadt aufgesammelt und entsorgt werden.

Das Problem: Einwegverpackungen

In Deutschland werden jedes Jahr 2,8 Milliarden Einwegbecher verbraucht (Süddeutsche vom 21.05.19). Die Herstellung der Becher verbraucht Ressourcen wie z.B. Trinkwasser in besonders erheblichen Mengen. Die Nutzung allein von Einwegbechern für Heißgetränke in Deutschland entspricht umgerechnet den Umweltbelastungen von 5.000 Haushalten in Deutschland pro Jahr (Verbraucherzentrale vom 10.02.2021). Wohlgemerkt für eine Verpackung, die nach zirka 10 Minuten keinen Nutzen mehr hat und im Müll landet. Sorglos weggeworfene Einwegverpackungen verrotten nicht, sondern tragen über sehr lange Zeit Mikroplastik in den Boden ein.

Die Lösung: Verpackungssteuer

Dieses Problem wollen die STADTGESTALTER in Bochum jetzt mit einer Verpackungssteuer angehen (Antrag Steuer auf einwegverpackungen). Zwar müssen seit 01.01.23 alle Getränke und Speisen in Einwegplastik auch im Mehrwegbehälter angeboten werden (Handelsblatt vom 30.12.22), doch genutzt wird diese Möglichkeit kaum.

In der Stadt Tübingen wurde Anfang 2022 eine Verpackungssteuer eingeführt Mc Donalds, Starbucks und Co müssen dort je 50 Cent für Einweggeschirr und Einwegverpackungen sowie 20 Cent für Einwegbesteck zahlen, höchstens aber 1,50 Euro pro ausgegebenes Essen. Mc Donalds wollte die Verpackungssteuer nicht hinnehmen, scheiterte aber in allen Instanzen zuletzt vorm Bundesverwaltungsgericht (BVerwG: Tübingen darf Verpackungssteuer erheben).

Förderung von Mehrweg

Die Einnahmen, die durch die Einwegverpackungssteuer erzielt werden, sollen nach den Vorstellungen der STADTGESTALTER genutzt werden, um Bochumer Unternehmen aus der Gastronomie bei der Anschaffung von Mehrweg-Behältnissen und Mehrweg-Geschirr oder einer Gewerbespülmaschine bzw. bei der Teilnahme an einem Pfand-Poolsystem zu unterstützen.

Bisher zeigt sich Bochum beim Vorgehen gegen Einwegverpackungen wie in Umweltfragen generell wenig ambitioniert. Lediglich bei Großveranstaltungen soll es bisher kein Plastikgeschirr mehr geben. Ernsthaft durchgesetzt wird der Beschluss jedoch kaum, wie zuletzt auf dem Weihnachtsmarkt 2022 zu beobachten war.

Weiters Problem: Einwegverpackungen bei der Lieferung von Essen

Auch die Einwegverpackungen, die bei Lieferungen von Essen nach Hause anfallen, stellen ein großes Problem dar. Zwar müssen alle Gastronomen zu lieferndes Essen seit Anfang 2023 ebenfalls in Mehrweg- oder Nicht-Plastikverpackungen anbieten, Hinweise auf dieses Angebot, sucht man bei Lieferdiensten bisher aber oft vergeblich. Viele Gastronomen haben die Verpflichtung zu diesem Angebot bisher offenbar noch gar nicht umgesetzt (Greenpeace 29.03.23). Darüber hinaus nehmen bisher nur wenige Kunden das Angebot wahr.

Auch im Fall von Lieferungen ist nicht anzunehmen, dass der ausschließliche Einsatz von Mehrwegsystemen freiwillig erfolgen wird. In einem nächsten Schritt wäre daher zu überlegen, wie die Verpackungssteuer auf den Einwegmüll, der bei Lieferungen anfällt, ausgeweitet werden kann.

Sondernutzungsgebühr für Verleihroller

Auch bei den E-Scootern schlagen die STADTGESTALTER vor, die Verleihunternehmen zukünftig zur Kasse zu bitten, und zwar für die Nutzung des öffentlichen Raums zum Abstellen der Fahrzeuge (Antrag Sondernutzungsgebühr E-Scooter)). Für jeden E-Scooter soll dafür eine Gebühr zur Nutzung öffentlichen Raums erhoben werden. Die Stadt Köln erhebt 85 bis 130 pro E-Scooter. Das Oberverwaltungsgericht Münster entschied im Mai dieses Jahres, für das Abstellen von E-Scootern im öffentlichen Straßenraum darf die Stadt Köln von den Betreibern gewerblicher Verleihsysteme solche Sondernutzungsgebühren erheben. (StGB NRW-Mitteilung vom 22.05.2023)

Die Erhebung der Nutzungsgebühr ist nur konsequent. Wer eine öffentliche Fläche für private Zwecke nutzt bzw. mit Gewinnerzielungsabsicht, ohne dass dabei ein nennenswerter Nutzen für die Allgemeinheit entsteht, der sollte die Kosten tragen, die er dafür verursacht. Das sollte für E-Scooter wie für Autos gleichermaßen gelten (Bewohnerparken). Wie sich die STADTGESTALTER dafür einsetzen, dass für Autos, die im öffentlichen Straßenraum geparkt werden, eine kostendeckende jährliche Bewohnerparkgebühr von 250 Euro gezahlt werden sollte (Antrag Gebühren für Bewohnerparken), sollte das Abstellen von Leihrollern auf öffentlichen Gehwegen in gleicher Weise behandelt werden.

Durch den gewerblichen Verleih von E-Scootern kommt es zu einer zum Teil erheblichen Einschränkung des Gemeingebrauchs des öffentlichen Raums bei einem gleichzeitig realisierten wirtschaftlichen Vorteil für die Betreiber (VG Köln, Urteil 21 K 4874/22 vom 11.01.2023) Die zu entrichtende Gebühr ist die Gegenleistung für die erlaubte Sondernutzung der Straße als Privileg des Erlaubnisnehmers unter gleichzeitiger Inkaufnahme, dass die anderen Verkehrsteilnehmer dadurch in ihrem Gemeingebrauch der Straße beeinträchtigt werden können.

Weitere Maßnahmen gegen das E-Scooter-Chaos

Auch bei den E-Scootern, sollte die Stadt die eingenommenen Gebühren in Maßnahmen zur besseren Ordnung des E-Scooter Verkehrs investieren, z.B. in die Markierung spezieller Abstellflächen für die Leihroller. Bereits 2019 hatten die STADTGESTALTER noch 11 weitere Maßnahmen gegen das E-Scooter-Chaos vorgeschlagen (12 Maßnahmen gegen das E-Roller Chaos). Leider blieb die Stadt auch in diesem Bereich bisher weitgehend untätig.

Verpackungssteuer wie Sondernutzungsgebühr für E-Scooter würden dazu beitragen, etwas mehr Ordnung und Sauberkeit auf den Bochumer Straßen zu schaffen. Dazu muss es Ziel der Stadt sein, die in der Stadt erzeugte Müllmenge drastisch zu reduzieren, um Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen. Man darf gespannt sein, ob die Bochumer Politik sich diesmal durchringt in dieser Hinsicht das erforderliche zu tun.

Foto: Rupert Ganzer, Alexander Migl

16 Okt.

Städtischer Doppelhaushalt für 2023/24 ist ein Pulverfass

ie werden sich Energiekrise, Ukrainekrieg, Klimakrise, und Fluchtbewegungen in den nächsten beiden Jahren entwickeln? Was hat das für finanzielle Konsequenzen für den Stadthaushalt? Seriös abschätzen kann das heute niemand. Trotzdem stellt die Stadt aktuell einen Doppelhaushalt für 2023 und 2024 auf. Eine fragwürdige Vorgehensweise.

Seit dreißig Jahren war das Morgen nicht mehr so ungewiss wie heute. Ukraine Krise, Inflation und drohende Rezession. Im Bochumer Rathaus gibt es keine Planstellen für Wahrsager. Trotzdem windet sich aktuell ein Doppelhaushaltsentwurf für die kommenden zwei Jahre durch die Gremienmühle. Das bedeutet: Bereits jetzt will die Verwaltung festsetzen, welche Rechnungen sie im Dezember 2024 bezahlen möchte. Aber ist eine langfristige Planung nicht klug? Eine Planung schon, ein vorzeitiges Festlegen nicht. Eine Planung im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung führt die Kommune immer durch. Ein einjähriger Haushalt führt also nicht zu Planlosigkeit. Im Gegenteil.

Aktuell einen Haushalt für 2024 aufstellen zu wollen ist nicht seriös

Während der prekären Situation in der Corona-Pandemie machte die Kämmerei noch lieber einen Zwischenschritt und setzte angesichts der ungewissen Entwicklung auf einen einjährigen Haushalt. Das war klug. Die Welt und die Entwicklung sind seitdem aber nicht sicherer geworden. Gerade die Inflation und ihre Konsequenzen wirft Stadt, Land und Familien hin und her. Im Doppelhaushalt der Stadt findet das alles keine hinreichende Berücksichtigung. Brav werden dort die Haushaltsentwürfe mit den heute gar nicht mehr gültigen Bedingungen fortgeschrieben.

Dass die Verwaltung allen Ernstes einen Haushalt vorlegt, der in den kommenden zwei Jahren von weiteren Steigerungen bei den Steuereinnahmen ausgeht, ist mehr als wunderlich. Schließlich geht das Wirtschaftsministerium in seiner Herbstprognose von einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr aus. Da der Doppelhaushalt kurz vor Weihnachten beschlossen werden soll, kann man vielleicht noch von einem frommen Wunsch sprechen. Alle, die nicht mehr an das Christkind glauben, sind sich wahrscheinlich sicher: Der geschnürte Haushalt platzt bald wieder auf.

Zwar kann man nun sagen: „Das war doch schlau! Wenn alles teurer wird, werden auch die Steuereinnahmen steigen.“ Der Gedanke ist nachvollziehbar. Aber dann hätte man diese Steigerung auf der Ausgabenseite auch berücksichtigen müssen. Ist das der Fall? Leider gar nicht. Sollten die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst nur annähernd die Inflation ausgleichen, dann wachsen die Aufwendungen von x auf y. Und die Gewerkschaften geben sich kurz vor Beginn der neuen Lohnverhandlungen bereits breitschultrig, die Forderungen von Verdi für die städtischen Beschäftigten in der laufenden Tarifrunde lautet 10,5% mehr Lohn und Gehalt.

Aktuelle Krisen, finanzielle Risiken und Unwägbarkeiten

Die finanziellen Risiken und Unwägbarkeiten für die Haushalte in den nächsten Jahrenstellen sich im Einzelnen wie folgt dar:

Risiken für den Haushalt der Stadt Bochum

Energiekosten – Wie sich die Kosten für Energie entwickeln werden, ist derzeit kaum absehbar. Die derzeitigen Steigerungen werden erst in den folgenden Jahren richtig durchschlagen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Preise noch deutlich höher steigen werden, als dies im Haushalt angenommen wurde.

Baukosten für städtische Projekte – Schon jetzt muss die Stadt, die geplanten Kosten für Bauprojekte besonders wegen steigender Baupreise beständig nach oben korrigieren (Städtische Bauprojekte im Schnitt 0,8 Mio. teurer sowie 1 Jahr und 3 Monate später fertig als geplant) und für die Kostensteigerungen Verpflichtungsermächtigungen zur Umschichtung von Finanzmitteln beantragen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass diese Entwicklung anhält. Das Szenario, dass die Baukonjunktur zusammenbricht, ist zwar nicht unwahrscheinlich, doch wird das den Preisanstieg zunächst nur bremsen, dass die Preise signifikant sinken, ist auch in diesem Fall eher nicht zu erwarten.

Personalkosten für städtische Beschäftigte – Dass die Personalausgaben der Stadt deutlich stärker steigen als in den Haushaltsplanungen angenommen, kann als sehr wahrscheinlich angenommen werden. Schon das Ausmaß der Erhöhung der letzten Tarifrunde 2020 hatte die Stadt unterschätzt. Verdi fordert in der aktuellen Tarifrunde 10,5% mehr Lohn und Gehalt. Entsprechend deutlich wird die Erhöhung nach dem Abschluss der Tarifverhandlungen ausfallen. Die Aufwendungen für das Personal einschließlich der Versorgungsleistungen an Pensionäre und Rentner machten 2021 einen Anteil von 22,7% der Gesamtausgaben aus.

Fachkräftemangel – Offen ist auch wie sich der Mangel an Fachkräften auf den städtischen Haushalt auswirken wird. Können Stellen nicht besetzt werden, sind Leistungen für teures Geld an externe Unternehmen zu vergeben, z.B. Ingenieursbüros. Auch die erhöhen ihre Preise, wenn ihre Leistungen auf dem Markt knapp sind. Um Stellen besetzen zu können sollte man sie finanziell attraktiver machen und müsste sie dazu höher eingruppieren. Auch das kostet zusätzliches Geld.

Transferleistungen für Bedürftige (Sozialleistungen) – Abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung und der Armutszuwanderung, werden die Ausgaben der Stadt für Transferleistungen zunehmen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Zahl der Transferleistungsempfänger*innen zunehmen wird. Mit steigender Inflation werden auch die Leistungssätze steigen. Die Transferaufwendungen, machten 2021 45% der Gesamtausgaben der Stadt aus.

Aufnahme von Flüchtlingen – Aktuell steigt die Zahl der aufzunehmenden minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlinge, die die Stadt unterbringen muss, stark an. Die Stadt hat bereits jetzt große Probleme alle Ankommenden adäquat unterzubringen und zu betreuen. Wie sich die Aufnahmezahlen in den nächsten Jahren entwickeln, ist nicht absehbar, ebenso wenig wie viel der Kosten, die der Stadt entstehen, von Land und Bund übernommen werden. Aufgrund der aktuellen politischen Krisenereignisse sowie der Klimakrise ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es in den nächsten Jahren zu weiteren massiven Flüchtlingsbewegungen kommen wird.

Zinsen für städtische Schulden – Um der Inflation entgegen zu wirken wird die europäische Zentralbank in der nahen Zukunft den Leitzins weiter erhöhen. Mit dieser Entwicklung rechnet auch die Stadt. Das bedeutet, die Zahlung der Stadt für die Zinsen für die fast 1,8 Mrd. städtische Schulden werden erheblich steigen. Wurden 2021 noch 18, Mio. für Zinsen aufgewendet, plant die Stadt für 2024 schon 31,5 Mio. Euro Zinsen ein. Steigen die Zinsen schneller und deutlicher als erwartet, sind auch Zinsaufwendungen jenseits der 40 Mio. für 2024 nicht unrealistisch.

Zunahme städtische Verschuldung – Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Stadt bei anhaltender Krisenlage das Ziel 2023 und 2024 keine weiteren Schulden aufzunehmen, nicht einhalten kann. Wenn die Einnahmen entgegen der Kalkulationen der Stadt weniger hoch ausfahlen und die Ausgaben wider Erwarten höher, ist ein Ausgleich des Haushaltes mittels Verschuldung kaum zu vermeiden. Eine Zunahme der Verschuldung wiederum würde eine Zunahme der Zinsaufwendungen nach sich ziehen.

Altschuldenfond – Seit Jahren hofft die Stadt darauf, dass – wie es diverse Landesregierungen versprochen haben – das Land einen wesentlichen Teil der fast 1,8 Mrd. städtischer Altschulden übernimmt. Doch mit zunehmender Verschlechterung auch der finanziellen Lage des Landes, wird es immer unwahrscheinlicher, dass es zu einem solchen Altschuldenfond kommt.

Steuereinnahmen – Trotz der sich am Horizont ankündigenden Rezession geht die Stadt auch für 2023 und 2024 von weiter zunehmenden Steuereinnahmen aus. Nicht absehbar ist, wie tiefgreifend der wirtschaftliche Abschwung sein und wie lange er anhalten wird. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die geplanten Steuereinnahmen sich nicht wie geplant realisieren lassen bzw. die Zunahme der Einnahmen deutlich geringer ausfallen wird als die Inflation, so dass es real zu einem Rückgang des Wertes der eingenommenen Steuern kommt.

Zuwendungen und Fördermittel von Land und Bund – Anzunehmen ist, dass sich bei einem starken Konjunktureinbruch auch die Einnahmen- und Ausgabenlage bei Land und Bund deutlich verschlechtern wird. Das hätte zur Folge, dass auch Zuwendungen und Fördermittel an die Städte und Gemeinden nicht mehr wachsen, sondern ggf sogar niedriger ausfallen, als dies bisher im Haushalt angenommen wird. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass es zu einer erheblichen Verschlechterung, kommen wird, wahrscheinlicher ist, dass die Zuweisungen von Land und Bund stagnieren. Was bei einer sich verschlechternden finanziellen Lage und sich deutliche erhöhenden Ausgaben bei der Stadt, ebenfalls fatale Folgen hätte.

Gewinnabführung von Stadtwerken, Sparkasse & Co – Die Stadtwerke haben bereits angekündigt, dass sie die jährliche Gewinnabführung in Höhe von 57.5 Mio. Euro an die Stadt mittelfristig nicht mehr stemmen können (WAZ 20.06.22). Energiekrise und die wirtschaftlichen Folgen der Fehlinvestitionen bei der STEAG, den Kohlekraftwerken in Hamm und Lünen sowie dem Windparks vor Borkum (Bochumer Fehlinvestitionen in Kohle und Wind), belasten die Ergebnisse der Stadtwerke. Die Weitergabe der steigenden Energiekosten an die Kunden ist nur begrenzt möglich. Wie das Finanzabenteuer STEAG endet ist weiter offen.

Auch bei den anderen städtischen Unternehmen, insbesondere der Sparkasse lässt sich nicht absehen, wie sich der Konjunktureinbruch auf das Jahresergebnis auswirken wird. Werden bei steigenden Zinsen und einbrechender Baukonjunktur weniger Darlehen vergeben und platzen mehr Finanzierungen, wird sich das Ergebnis und die jährliche Gewinnabführung in Höhe von derzeit 16,5 Mio. Euro ebenfalls halten lassen.

Weiterhin ist damit zu rechnen, dass sich die Betriebsergebnisse von BOGESTRA und Wasserwelten deutlich verschlechtern wird. Die Verluste beider Unternehmen werden ebenfalls durch Gewinne der Stadtwerke abgedeckt. Beide Unternehmen hängen stark von Energiepreisen ab. Bei der BOGESTRA spielen dazu Personalkosten eine große Rolle. Steigen hier die Preise schlägt das sofort negativ auf das Jahresergebnis durch. Die BOGESTRA hat dazu einen zunehmenden Kundenschwund zu beklagen, da das Angebot mangels Investitionen in die Erweiterung des Netzes sehr zu wünschen übriglässt.

Klimawandelfolgen – Der Sommer 2022 hat nochmals deutlich gezeigt, dass auf die Stadt in den nächsten Jahren massive Folgen des Klimawandels zukommen. Die Umsetzung der erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen hat die Stadt über die letzten Jahrzehnte immer wieder verschleppt, so dass die auch die finanziellen Anstrengungen zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in den verbleibenden Jahren bis 2035 entsprechend höher ausfallen müssen.

Die Ansätze für Maßnahmen zur Energie- wie Mobilitätswende im Haushalt 2023 und 2024 sind deutlich zu niedrig. Mit diesen wenig ambitionierten Anstrengungen kann das Ziel der Stadt Klimaneutralität bis 2035 nicht erreicht werden. Ob die Stadt das Ziel überhaupt noch ernsthaft verfolgt, ist angesichts der zu geringen Haushaltsansätze, der fehlenden Bereitschaft in der Politik, die erforderlichen Maßnahmen auf den Weg zu bringen und des noch immer fehlenden Klimaschutzkonzeptes darüber hinaus mehr als fraglich. Nähme man die Ziele zum Klimaschutz endlich ernst, dann müssten die finanziellen Anstrengungen vervielfacht werden.

Ukrainekrieg – Wie dieser Krieg sich entwickelt, ist ebenfalls völlig offen. Von einer atomaren Eskalation bis zu einer Befriedung ist alles möglich. Aktuell ist wohl am meisten wahrscheinlich, dass sich an der aktuellen Situation mittelfristig wenig ändert. Trotzdem ist auch eine Verschlechterung der Lage möglich und hätte sofort massive Auswirkungen auf die Stadt. Es könnte erneut zu massiven Fluchtbewegungen kommen oder bei einer Ausweitung des Krieges auf neue Gebiete und Länder zu weiteren wirtschaftlich negativen Folgen.

Corona – Einzig bei der Corona-Pandemie scheint es so, als wäre das Schlimmste überwunden. Sofern das Auftreten einer neuen impfresistenten Virusvariante mit hoher Ansteckungsgefahr und schweren Krankheitsfolgen ausbleibt, ist mit einer Verbesserung der Lage zu rechnen. Aktuell scheint eine erneute Verschlechterung der Situation eher unwahrscheinlich.

Insgesamt sind die Risiken und Unwägbarkeiten die die Haushaltspläne für die Jahre 2023 und 2024 bergen, also hoch. Ein Haushalt soll Transparenz für die Öffentlichkeit schaffen. Er soll Steuerungs- und Kontrollinstrument für den Rat sein. Um diese Aufgaben zu erfüllen, muss er nah an der Realität geführt werden. Es wird nicht überraschen, dass an den Doppelhaushalt bald einige Zettel Verpflichtungsermächtigungen zur Bereitstellung überplanmäßiger Mittel getackert werden und diesen zu einem unübersichtlichen Flickenwerk machen.

Doppelt hält in diesem Fall ausnahmsweise mal nicht besser. Der Haushaltsplan 2024 ist ein Pulverfass, der der Stadt im ungünstigen, aber nicht unwahrscheinlichen Fall, um die Ohren fliegt. Angesichts der beschriebenen Unwägbarkeiten und Risiken ist unverständlich, warum die Stadt einen Doppelhaushalt aufstellt.

Seriös und der aktuellen Lage gerecht wäre, in diesem Jahr nur einen Haushalt für das Jahr 2023 zu beschließen und im nächsten Jahr, wenn über die Entwicklung der aktuellen Krisen ein deutlich besseres Bild herrschen sollte, den Haushalt für 2024 zu beschließen. Das im Rechnungswesen geltende Vorsichtsprinzip, wonach bei der Bilanzierung alle Risiken und Verluste angemessen zu berücksichtigen sind, wird mit der Aufstellung des Doppelhaushaltes missachtet. Die STADTGESTALTER können schon aus diesem Grund einem Doppelhaushalt in der aktuellen Situation nicht zustimmen.