19 Jan.

Über 4,5 Mrd. Euro hohe Schuldenlast erdrückt die Stadt

Die Stadt Bochum inkl. der städtischen Beteiligungen hat 4,54 Mrd. Schulden aufgehäuft, die Kinder und Enkel dereinst abzahlen müssen. Die Schulden pro Kopf belaufen sich auf 12.405 Euro pro Einwohner und Einwohnerin. Die Ausgaben der Stadt können nicht mehr durch die Einnahmen gedeckt werden. Was bedeutet das für die Zukunft der Stadt?

Der Haushalt der Stadt weist für 2023 2,08 Mrd. Schulden und Verbindlichkeiten aus (Daten zum Haushalt 2025/26, Seite 19). Hinzu kommen die bisher isolierten Schulden für die Corona- und Ukraine-Krise in Höhe von 138 Mio. Euro sowie die Schulden der städtischen Beteiligungsunternehmen wie BOGESTRA, Stadtwerke, VBW usw.. Das sind weitere 2,3 Mrd. Euro (siehe Tabelle). Auch bei den städtischen Beteiligungen ist der Schuldenstand teilweise alarmierend. Bei der BOGESTRA liegt der Schuldenberg bei über 300 Mio. Euro. Eine weitere Verschuldung ist nicht möglich. Das Unternehmen ist nur noch eingeschränkt handlungsfähig (BOGESTRA wird zum Sanierungsfall).

Schulden und Verbindlichkeiten Stadt Bochum und ihrer Beteiligungen

Schulden aufgrund von Sanierungs- und Modernisierungsstau

Zu diesen in Bilanzen ausgewiesenen Verbindlichkeiten kommen versteckte Schulden hinzu. So besteht in der Stadt Bochum mangels ausreichend vorhandener Finanzmittel bei der städtischen Infrastruktur sichtbar ein erheblicher Sanierungs- und Modernisierungsstau. Nicht wenige Schulgebäude, Straßen, städtische Plätze usw. wurden in den letzten Jahrzehnten nicht ordnungsgemäß und werterhaltend Instand gehalten und müssten dringend saniert bzw. modernisiert werden.

Hätte man die dafür nötigen Finanzmittel ausgegeben, lägen die Schulden der Stadt heute mind. 1 Mrd. bis sogar 3 Mrd. höher als im städtischen Haushalt ausgewiesen. Dass die nötigen werterhaltenden Instandhaltungsmaßnehmen nicht in ausreichendem Maß erfolgt sind, führt nicht dazu, dass die Stadt sich das erforderliche Geld gespart hat, die Ausgaben werden nur auf später verschoben und dann wird es regelmäßig deutlich teurer (Mehr Baustellen für Bochum). Wenn z.B. Straßenschäden nicht sofort beseitigt werden, sondern erst Jahre später, wenn der zu beseitigende Schaden sich erheblich ausgeweitet hat und nicht mehr nur der Straßenbelag beschädigt ist, sondern auch schon der Straßenunterbau, wird aus einer einfachen Reparaturmaßnahme schnell eine umfassende, kostenintensive Straßensanierung.

Der Sanierungs- um Modernisierungsstau lässt sich auch an der Entwicklung des Eigenkapitals ablesen. Das städtische Kapital spiegelt den Wert der städtischen Infrastruktur wider. Würde die Instandhaltung werterhaltend erfolgen, müsste das Eigenkapital konstant bleiben, Modernisierungen müssten es erhöhen. Betrug das städtische Eigenkapital der Stadt 2009 noch 1,55 Mrd., wird es nach Prognose der Kämmerin 2029 nur noch bei 0,8 Mrd. liegen (Präsentation zur Einbringung des HH 2025/26, Seite 9). Voraussichtlich werden die Verbindlichkeiten der Stadt 2029 (dann rd. 2.4 Mrd.) das Eigenkapital um das Dreifache übersteigen.

Der sich ergebende Sanierungs- und Modernisierungsstau wird zwar in keinem städtischen Haushalt ausgewiesen, ist aber den städtischen Schulden hinzuzurechnen.

Tatsächlich ist die Stadt also insgesamt sogar mit 5 bis 7 Mrd. verschuldet. Dieser Betrag muss irgendwann wieder zurückgezahlt werden. Dazu ist die aktuelle Generation nicht bereit, sie nimmt die Schulden auf und geht davon aus, dass nachfolgende Generationen diese zurückzahlen. Sozial ist die Verschuldung zu Lasten unserer Kinder und Enkel nicht (Stadtpolitik darf nicht mehr zu Lasten zukünftiger Generationen gehen). Sie wird für nachfolgende Generationen erhebliche Wohlstandsverluste bedeuten.

Besorgniserregende Zinsentwicklung

Für Schulden müssen die Stadt wie die städtischen Beteiligungsunternehmen zudem Zinsen zahlen. Nach Angaben der Kämmerin musste die Stadt 2023 bereits 26 Mio. pro Jahr für 2 Mrd. Schulden zahlen, bis 2029 sollen es aufgrund der zu erwartenden Zinssteigerungen 71 Mio. Euro sein. Bezogen auf die Gesamtschulden von 4,54 Mrd. wären bei gleichem Verschuldungsniveau 2029 also 155 Mio. Euro im Jahr zu erwarten. Zur Einordnung, die Baukosten für das Haus des Wissens schätzt die Stadt auf einmalig 151 Mio. Euro.

Die Stadt wird 2029 rund 2,2 Mrd. Euro ausgeben, mehr als 3 % gehen dabei für Zinsen drauf. Das Geld, das für Zinsen bezahlt werden muss, fehlt für sinnvolle Zwecke, es kann nicht investiert werden.

Schulden werden weiter ansteigen

Und die Schulden steigen weiter. 2025 liegen die Ausgaben 88 Mio. über den Ausgaben 2026 bereits 113 Mio. (Daten zum Haushalt 2025/26, Seite 17).

Nichts weist derzeit drauf hin, dass sich die Lage nach 2026 verbessert. Die Stadtpolitik macht bisher keine Anstalten die Ausgaben und Kosten zu reduzieren. SPD und Grüne lassen den explodierenden Personalkosten ihren Lauf, weigern sich die finanziell marode BOGESTRA zu sanieren oder mit den anderen Städten ernsthaft über eine gemeinsame Organisation als Ruhrstadt zu sprechen (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0 – Die Ursachen). Bei den städtischen Einnahmen und Erträgen ist aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht zu erwarten, dass diese in Zukunft mehr steigen als die Ausgaben, eher ist mit einer Abnahme zu rechnen.

Die finanzielle Situation der Stadt ist also bereits bedrohlich und wird sich absehbar weiter verschlechtern.

Die Schuldenbombe explodiert

Voraussichtlich wird folgendes Szenario eintreten: Die zunehmende Verschuldung sowie die damit verbundenen stark zunehmenden Zinszahlungen werden der Stadt in den nächsten Jahren jede Handlungsfähigkeit nehmen.

Die Bezirksregierung wird, wie schon bis 2020, die Finanzhoheit über die Stadt übernehmen und sie zum Sparen zwingen. Es wird zu erheblichen Kürzungen von städtischen Leistungen auf allen Ebenen kommen, bei VHS, Schulen, Sportliegenschaften, Sozialeinrichtungen, in der Kultur usw.. Die BOGESTRA wird ihren Fahrbetrieb deutlich einschränken. Die Investitionen werden weiter zurückgefahren. In der Folge wächst wiederum der Sanierungs- und Modernisierungsstau.

Auf der anderen Seite wird die Stadt versuchen die Einnahmen zu erhöhen. Grund- wie Gewerbesteuern werden erheblich erhöht werden. Das macht es noch unattraktiver für Menschen und Unternehmen herzuziehen bzw. sich in der Stadt anzusiedeln. Weniger Menschen, die in der Stadt leben und arbeiten, sowie weniger Unternehmen, die Steuern zahlen, haben wiederum Einnahmeverluste zur Folge. Die Stadt gerät in einen Abwärtsstrudel.

Die schlimmsten Befürchtungen werden wahr. Die seit Jahrzehnten im Rathauskeller tickende Verschuldungs-Bombe explodiert (Bochum die Zombiestadt? Die tickende Zeitbombe im Rathauskeller).

Wer ist verantwortlich?

Die Rot-Grüne Koalition hat aus der Haushaltsnotlage 2009 bis 2019 leider nichts gelernt, deswegen ist die nächste bereits in Sicht.

Die Idee bei der Aufnahme von Schulden bei städtischen Haushalten ist, in wirtschaftlich schlechten Zeiten nimmt man Geld auf, um damit Investitionen zu finanzieren, in guten zahlt man sie wieder zurück. Dabei geht man davon aus, dass die getätigten Investitionen wirken und in den Folgejahren zu deutliche Mehreinnahmen führen, aus denen die Schulden wieder getilgt werden können.

Dieses Vorgehen setzt drei Dinge voraus, erstens, die aufgenommenen Schulden werden in Investitionen gesteckt und nicht zur dauerhaften Finanzierung des Haushaltsdefizits verwendet. Zweitens, die getätigten Investitionen wirken und führen zu den zur Schuldentilgung benötigten Mehreinnahmen. Drittens, die Politik ist bereit in guten Zeiten, die Mehreinnahmen in den Abbau der Schulden zu stecken. Alle drei Voraussetzungen wurden in Bochum nicht erfüllt.

Schon die vor 2009 aufgenommenen Schulden wurden nicht in Investitionen gesteckt, stattdessen wurden damit laufende Ausgaben, Transferleistungen aller Art und damit das fortwährende Haushaltsdefizit ausgeglichen. Zwar wurde ab 2015 wieder vermehrt investiert, doch lange nicht so viel, um dem aufgelaufenen Sanierungs- und Modernisierungsstau halbwegs abzubauen. Auch bewirkten die Investitionen keine so hohen Mehreinnahmen, dass aus diesen die aufgenommenen Schulden hätten vollständig zurückgezahlt werden können.

Darüber hinaus war die Politik nicht bereit, die aufgelaufene Verschuldung abzubauen. Die Mehreinnahmen wurden stattdessen insbesondere dazu verwendet, die Verwaltung aufzublähen. So stieg bzw. steigt der Personalaufwand der Stadtverwaltung von 2015 bis 2026 um fast 60 % (185,6 Mio. pro Jahr). Die Zahl der Stellen nimmt um 25 % zu (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0 – Die Ursachen).

Würden stattdessen seit 2019 im Schnitt 100 Mio. pro Jahr in den Abbau der Schulden fließen, sähe die finanzielle Lage der Stadt heute deutlich anders aus. Der Verschuldungsstand hätte in erheblichem Maß abgebaut werden können. Ausgaben und Einnahmen stünden auch 2025 und 2026 noch im Gleichgewicht.

Das Versäumte lässt sich jedoch nicht nachholen. Gleichwohl ist es unbedingt erforderlich das drohende Finanzdesaster abzuwenden. Die Stadt Bochum, Verwaltung und Politik sind aufgefordert, umgehend ein Finanz- und Wirtschaftskonzept vorzulegen, das die Zukunft der Stadt sichert und diese vor der drohenden Handlungsunfähigkeit bewahrt. Die STADTGESTALTER haben dazu erste Vorschläge gemacht (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0 – Die Ursachen) und arbeiten derzeit ein entsprechendes Konzept für die Stadt aus.

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