03 Apr

Bochum fehlt Umsetzungsregister für Beschlüsse des Rates und der Bezirksvertretungen

Viel zu viele Ratsbeschlüsse in Bochum werden zu langsam oder gar nicht umgesetzt. Es fehlt die notwendige Kontrolle und Aufsicht der Stadtverwaltung durch die Politik. Ein erster Schritt die Situation zu verbessern wäre die Einführung eines Umsetzungsregisters für Beschlüsse des Rates und der Bezirksvertretungen.

Die vom Rat beschlossenen Maßnahmen aus den Klimaschutzkonzepten werden nur teilweise umgesetzt. So gibt es  die Smartkarte mit der ÖPNV und Mobilitätsleistungen in Anspruch genommen werden sollten und die mit dem Klimaschutzteilkonzept Verkehr 2014 beschlossen wurde, bis heute nicht. Über Schulwegpläne verfügt immer noch kaum eine Bochumer Schule, obwohl diese der Rat bereits 2010 beschlossen hat. Das Radverkehrskonzept 1999 wurde bis heute nur in Ansätzen realisiert. Immer wieder beschweren sich auch die Bezirksvertretungen, dass Beschlüsse von der Verwaltung nicht umgesetzt oder verschleppt werden. Zuletzt in Höntrop bei der Kreuzung Alte Post/Westfälische Straße (WAZ vom 28.03.22).

Bochum braucht Umsetzungsregister für Ratsbeschlüsse

Entsprechend beabsichtigen die STADTGESTALTER dem Rat ein Umsetzungsregister für Ratsbeschlüsse vorzuschlagen, indem jeder Ratsbeschluss eintragen wird und jährlich vermerkt, wird wie weit die Umsetzung durch die Verwaltung fortgeschritten ist.

Keine effektive Kontrolle und Aufsicht der Stadtverwaltung durch die Politik

Eigentlich besteht aber ein viel grundsätzlicheres Problem, es fehlt wie in vielen Gemeinden auch in Bochum eine effektive Kontrolle und Aufsicht der Stadtverwaltung durch die Politik wie diese die Gemeindeordnung vorsieht (§55 GO-NRW Kontrolle der Verwaltung). Vielmehr bestimmt viel zu oft die Verwaltung die Stadtpolitik und nicht die politischen Fraktionen im Rat und der Bezirksvertretungen. Den ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*innen fehlt häufig das Fachwissen um die Aussagen der Verwaltung kritisch hinterfragen zu können. Entsprechend werden in den Verwaltungen die politischen Gremien nicht ernst genug genommen. Millionenteure Verlustprojekte wie die Beteiligung an der STEAG oder Cross-Border-Leasing waren in Bochum nur möglich, weil es im Stadtrat an politischen Vertreter*innen mit dem zur Beurteilung solcher Projekte nötigen Sachverstand fehlte.

Die beständig auftretenden exorbitanten Kosten- und Zeitüberschreitungen bei städtischen Bauprojekten zeigen, dass der Stadtrat nicht in der Lage ist, die Verwaltung zu einem funktionierenden Projektmanagement zu verpflichten. Immer wieder wird die Politik von der Verwaltung zum Beschluss von vermeintlich günstigen Bauprojekten verleitet, die schließlich nicht selten um ein Vielfaches teurer werden und die die Ratsmitglieder nicht beschlossen hätten, hätten sie beim Beschluss die wahren Kosten und Kostenrisiken gekannt. Auf der anderen Seite werden Kosten von der Verwaltung bewusst massiv aufgebauscht, um andere Projekte zu verhindern. Dies konnte man in Bochum zuletzt bei der Kostenschätzung für den RadEntscheid erleben (Verwaltung frisiert Kostenschätzung zum RadEntscheid). Auf diese Weise entscheidet am Ende allein die Verwaltung, was in der Stadt passiert und die Politik tut, was die Verwaltung ihr vorgibt.

Lenkung von Ratsentscheidungen durch die Verwaltung

Auch hat eigentlich der Rat zu entscheiden, wie beispielsweise die Ausarbeitung und Entwicklung eines Schwimmbadkonzept für die ganze Stadt inklusive Bürgerbeteiligung erfolgen soll. Tatsächlich überlässt man das in Bochum der Verwaltung, dem Oberbürgermeister und einer städtischen GmbH wie den Wasserwelten. Auf diese Weise gestaltet nicht mehr die Politik im Stadtrat den Entscheidungsablauf, sondern die Verwaltung. Die Politik wird zum bloßen Spielball in dem Verfahren, das die Verwaltung kontrolliert. Die Verwaltung trifft letztlich die wesentlichen Vorentscheidungen, insbesondere über welche Lösungsalternativen die Politik abstimmen darf und über welche nicht. Auf diese Weise wird der eigentliche Entscheidungsspielraum der Politik immer wieder unangemessen eingeschränkt.

Ganz besonders deutlich wird diese Vorwegnahme von Entscheidungen, wenn die Verwaltung der Politik, wie etwa bei der Trassensuche zum Radschnellweg durch die Innenstadt nur noch eine einzige Lösungsvariante zum Beschluss vorlegt und damit der Politik faktisch gar keinen Entscheidungsspielraum mehr zwischen mehreren Alternativen lässt. Wenn die Verwaltung schon alle ihr nicht genehmen Lösungsvorschläge vor der Entscheidung des Rates vorab aussortiert hat, muss sie im Rat auch keine Diskussion und Entscheidung über bzw. für Varianten befürchten, die ihr nicht gefallen. In diesem besonders auffälligen Fall, z.B. Diskussionen über eine der 14 vom Gutachterbüro zwar am besten bewerteten aber von der Verwaltung vorab aus dem Entscheidungsverfahren entfernten Lösungsalternativen.

Der Einsatz von Gutachtern um Entscheidungen zu lenken

Dass die Verwaltung nicht politisch unabhängig agiert, zeigt sich auch, wenn sie bewusst einseitig vorbefasste Gutachter auswählt, bei denen sie von vornherein sicher sein kann, dass diese das Vorhaben in der Weise stützen, wie sich die Verwaltung das vorstellt. Will die Verwaltung ein Bürgerbegehren wegen mangelnder Zulässigkeit ablehnen, sucht sie sich keinen unabhängigen Gutachter, sondern genau den, von dem sie weiß, dass er in ähnlich gelagertem Fall bereits ein Gutachten mit gewünschtem Ergebnis, also die Unzulässigkeit festzustellen, verfasst hat. In Bochum so geschehen beim  Bürgerbegehren RadEntscheid, wo praktischer Weise der Gutachter auch noch das gleiche Parteibuch sein Eigen nannte wie Oberbürgermeister und die Mitglieder einer der beiden Mehrheitsfraktionen.

Will die Verwaltung, dass die Politik in einer bestimmten Weise entscheidet, nutzt sie das mangelnde Fachwissen der Kommunalpolitiker*innen im Stadtrat aus und beauftragt den Gutachter, der das von ihr gewünschte Ergebnis unterstützt. Das macht es den Politiker*innen schwierig eine andere Position zu vertreten, denn selbst ein Gutachten beauftragen können die Ratsmitglieder auf die Schnelle in der Regel nicht. Mit eigenem Fachwissen die Ergebnisse der Gutachten bestreiten ist vielen aufgrund fehlender Fachkompetenzen nicht möglich.

Verwaltung bestimmt defacto die Stadtpolitik nicht der Stadtrat

Die Macht in den Gemeinden, also auch in Bochum, geht somit immer weniger von den Repräsentant*innen der Bürger*innen in den Stadträten aus, sondern hat sich auf die Verwaltung verlagert. Es kommt zu einer Dominanz von Verwaltung und Mehrheitsfraktionen, die vom Bundesverfassungsgericht auch als “Neuer Dualismus” bezeichnet wird. Nicht der gesamte Stadtrat kontrolliert die Verwaltung (alter Dualismus), sondern die Mehrheitsfraktionen und die Verwaltung stehen auf der einen Seite und die Opposition auf der anderen. Bei der Mehrheitsfraktionen besteht kaum mehr Interesse die Verwaltung zu beaufsichtigen und zu kontrollieren. Nur noch die Opposition sieht dies als ihre Aufgabe. Das ist auch in Bochum festzustellen, wenn die Mehrheitsfraktionen von SPD und Grünen konsequent verhindern, dass das Rechnungsprüfungsamt den Ursachen für die massiven Kostenüberschreitungen bei Bauprojekten wie Husemannplatz oder den Kanalbauprojekten auf den Grund geht und entsprechende Anträge aus der Opposition immer wieder ablehnt.

Verwaltung reagiert gereizt auf Kritik aus dem Stadtrat

Gerne versucht die Verwaltung auch jede grundlegende Kritik an ihrer Arbeit zu unterbinden, in dem sie, wie der Oberbürgermeister zuletzt in der Ratssitzung vom 01.04.22, darauf verweist, dass der Rat Teil der Verwaltung sei. Entgegen der Auffassung des Oberbürgermeisters ist der Stadtrat zwar Teil der Exekutive der Gemeinde, aber nicht Teil der Verwaltung. Wie schon ausgeführt, ist es gemäß §55 GO-NRW (Kontrolle der Verwaltung) seine Aufgabe die Verwaltung zu kontrollieren und die Durchführung seiner Beschlüsse zu überwachen.

Es mag wünschenswert sein, dass der Rat Kritik an der Verwaltung zunächst intern äußert und darauf verzichtet rechtlich gegen die Verwaltung vorzugehen. Das ist aber nur möglich, wenn die Verwaltung vom Rat beschlossenen Maßnahmen auch konsequent und zeitnah umsetzt und dem Rat Beschlüsse unvoreingenommen zur Entscheidung überlässt, ohne diese bereits in eine der Verwaltung genehme Richtung zu lenken. Sofern das regelhaft nicht passiert, ist öffentliche, scharfe Kritik ebenso gerechtfertigt wie der Gang vor Gericht, um eine rechtlich einwandfreie Behandlung von Angelegenheiten durchzusetzen. Der Verwaltung wie dem Oberbürgermeister sollte klar sein, dass die fortlaufende Negierung von Ratsbeschlüssen wie die unangemessene politische Einflussnahme der Verwaltung auf die zur Abstimmung gestellten Entscheidungsoptionen von all jenen Ratsmitgliedern als respektlos empfunden wird, die ihre Aufgaben im Rat ernst nehmen. Diese reagieren auf solches Verhalten somit auch entsprechend unmissverständlich.

20 Mrz

Verwaltung frisiert Kostenschätzung zum RadEntscheid

427 Mio. Euro soll laut Stadt die Umsetzung der 7 Forderungen des Bochumer RadEntscheids kosten. Doch bei der städtischen Kostenschätzung wurden Kostensätze grob fehlerhaft angesetzt und positive Kosteneinsparungen außer Acht gelassen. Dazu kommen Rechenfehler. Die Überprüfung der Kostenschätzung wirft Fragen auf: Wurden die Kosten absichtlich absurd hochgerechnet oder mangelte es an Fachwissen? Was wusste die Politik? Wird der RadEntscheid gegen die irreführende Kostenschätzung klagen?

17.000 Unterschriften sammelte das Bürgerbegehren RadEntscheid für ihre 7 Forderungen (Ziele des RadEntscheid Bochum). Das Bürgerbegehren war damit im ersten Schritt erfolgreich. Am ersten April entscheidet der Rat, ob er das Begehren annimmt oder die Bürger und Bürgerinnen der Stadt darüber entscheiden sollen, ob die 7 Forderungen des RadEntscheids angenommen und umgesetzt werden.

Noch verweigert die SPD im Rat die Annahme des RadEntscheids, so dass ein Bürgerentscheid über die Annahme der 7 Forderung wahrscheinlich ist. Beim Bürgerentscheid werden die Aktiven der Initiative RadEntscheid für die Umsetzung werben, doch die Verwaltung behauptet in ihrer Kostenschätzung, die Umsetzung koste die Stadt in den nächsten 9 Jahren die absurd hohe Summe von 427 Mio. Euro. Dieser riesige Betrag wird viele Menschen abhalten beim Bürgerentscheid mit “Ja” zu stimmen.

Doch stimmt die Kostenschätzung überhaupt? Die STADTGESTALTER haben jeden Punkt überprüft und stellten haarsträubend falsche Kostenansätze sowie Rechenfehler fest. Zudem blieben Kosteneinsparungen, die aufgrund der Umsetzung der Forderungen durch die daraus folgende zunehmenden Radnutzung zu erwarten sind, in der Kostenschätzung unzulässiger Weise unberücksichtigt.

Im Einzelnen wurden folgende Fehler in der Kostenschätzung festgestellt:

Forderung 1: Ausbau des Radverkehrsnetzes – In diesem Punkt wird mit fehlerhaften Kostensätzen für den Neubau von Radwegen gearbeitet. Während die Stadt von Kosten von 1 bis 4 Mio. Euro pro Kilometer Radweg ausgeht, liegt der Einheitskostensatz laut Prognosgutachen bei 550 TEuro/km (Finanzierung des Radverkehrs bis 2030). Der Unterschied erklärt sich daraus, dass die Stadt nicht nur die Kosten für den Neubau der Radinfrastruktur ausweist, sondern auch die Kosten für sämtliche Straßenbaumaßnahmen die bei der Einrichtung der Radwege für andere Verkehrsträger (Auto, Fußgänger*innen, ÖPNV) mit erledigt werden.

Kostenschätzung zu Forderung 1

Am Beispiel Königsallee wird diese Vorgehensweise deutlich. 3,2 Mio. Euro sollen nach Schätzung der Verwaltung die Straßenbaumaßnahmen (Straßenbau, Markierung, Beleuchtung, Ampelanlagen (LSA), Verkehrslenkung) auf dem rund 1 Kilometer langen Abschnitt Wohlfahrt- bis Arnikastraße kosten (Beschlussvorlage 20213175). Nach der Kostenschätzung für den RadEntscheid hätten es sogar 4 Mio. sein müssen.

Kosten Umgestaltung Königsallee

Doch nur ein Teil der 3.2 Mio. entfällt auf den Bau neuer Radwege, denn im Rahmen der Maßnahme sollen auch die Gehwege und die Stellplätze neu gepflastert werden, der gesamte Straßenbelag soll erneuert werden, die Wendespuren sollen entsiegelt werden, die Fußgängerüberwege sollen taktile Elemente erhalten und die Bepflanzung der Allee soll am Ende der Baumaßnahmen neugestaltet werden. Diese Baumaßnahmen haben aber alle nichts mit dem Bau der Radwege zu tun. Dennoch wird so getan, als entstünden diese Kosten, weil an der Königsallee neue Radwege angelegt würden

Radinfrastruktur und sonstige Maßnahmen bei Neugestaltung Königsallee

Anders als von der Verwaltung in der Kostenschätzung dargestellt, kosten die Radwege abhängig von der Breite des Querschnitts der Straße, an dem sie angelegt werden, auch nicht das eine Mal 4 Mio., ein anderes Mal 3 Mio. und dann wieder nur 1 Mio./km. Die Radwege werden unabhängig vom bestehenden Straßenquerschnitt immer in vorgeschriebener Bauweise gleich gebaut. Sie sind immer mind. 1,8 Meter breit, asphaltiert, markiert, mit Sicherheitsstreifen zur Fahrbahn und zu parkenden Autos. Lediglich die zusätzlichen Umgestaltungsmaßnahmen, die nichts mit dem Radwegebau zu tun, sind je nach Straßenquerschnitt mal mehr mal weniger aufwändig.

So kommt die Stadt auch auf eine Förderquote von real nur 35%, obwohl diese eigentlich für Radwegemaßnahmen bei 70 bis 90% liegen. Nur da viele der radinfrastrukturfremden Maßnahmen nicht gefördert werden, liegt die Förderung bezogen auf die Gesamtkosten entsprechend niedrig. Laut Beschlussvorlage rechnet die Stadt bei der Umgestaltungsmaßnahme Königsallee allerdings mit einer Förderung von 75%. Das wiederum deckt sich nicht mit den Angaben in der Kostenschätzung.

Auch die Aussage, dass bei jeder Maßnahme an Hauptverkehrsstraßen, die Anwohner 30% der Kosten als Straßenbaubeiträge abzüglich von Landeszuschüssen zu tragen hätten, stimmt nicht. Bei der Baumaßnahme Königsallee z.B. fallen laut Aussage der Verwaltung keine Straßenbaubeiträge an und so ist es, anders als in der Kostenschätzung dargestellt, auch bei einigen weiteren Straßen..

In der Kostenschätzung ist statt der Kosten der Gesamtmaßnahme generell nur der Einheitskostensatz für den Bau von Radwegen in Höhe von 550 TEuro pro km anzusetzen. Hinzu kommen ggf. Kosten für Umbauten an Kreuzungen. Aber auch hier entfallen höchstens 50% der von der Stadt angesetzten Kosten auf den Radverkehr. Die Kostensätze sind entsprechend zu reduzieren.

Für die bloße Ummarkierung von Straßenfahrbahnen zu Radstreifen veranschlagt die Stadt in ihrer Kostenschätzung mit 500 TEuro/km, während der Einheitskostensatz bei nur 50 TEuro/km liegt (Finanzierung des Radverkehrs bis 2030). Zuletzt genannter Kostenansatz bestätigt sich auch bei entsprechenden Baumaßnahmen der Stadt selbst. Bei der Berliner Straße kostete die Ummarkierung des Abschnitts von 400 Meter Länge 20.000 Euro (Beschlussvorlage 20192196). Diese Maßnahme bestätigt, dass der Ansatz von 50 TEuro korrekt ist. Offenbar hat die Verwaltung sich bei den Kostenansätzen in der Kostenschätzung bei den Markierungsmaßnahmen um eine Null vertan.

Da wie dargestellt deutlich weniger als die Hälfte der von der Stadt angesetzten Kosten auf den Bau von Radwegen entfallen, sind auch die in der Kostenschätzung angesetzten Personalkosten mindestens zu halbieren. Bau- und Planungsleistungen, die für Umgestaltungen für andere Verkehrsträger aufgewandt werden, sind nicht dem Radverkehr zuzurechnen.

Forderung 2: Gestaltung der Radinfrastruktur – Auch in diesem Bereich ist die städtische Kostenschätzung nicht schlüssig. Beträgt der Einheitskostensatz für einen Kilometer neuer Radwege 550 TEuro, veranschlagt die Verwaltung für einen Teilumbau bestehender Radwege, um diese den aktuellen Bau- und Sicherheitsanforderungen der ERA anzupassen Kosten in Höhe von 1 Mio. Euro/km. Dass eine bauliche Anpassung eines bestehenden Radwegs regelhaft doppelt so teuer sein soll wie der Neubau, ist nicht nachvollziehbar. Es ist realistisch bei einem “Teilumbau” von niedrigeren Kosten als beim Neubau auszugehen, 300 TEuro/km scheint als Kostenwert ausreichend.

Kostenschätzung zu Forderung 2

Forderung 3: Sicherheit zuerst – Für die Sicherheit der Radfahrenden zu sorgen ist eine Pflichtaufgabe der Stadt, diese hat sie ordnungsgemäß mit dem nötigen Aufwand zu erledigen, ganz unabhängig davon ob der RadEntscheid das ebenfalls fordert.

Kostenschätzung zu Forderung 3

Gefahrenstellen für Radfahrende, wie sie aufgrund Fehlplanungen der Verwaltung z.B. an der Hans-Böckler-Straße entstanden sind, sind so schnell wie möglich zu beseitigen. Die dafür erforderlichen Kosten entstehen aufgrund der Fehlplanungen und sind nicht in den Forderungen des RadEntscheids begründet. Entsprechende Kosten sind daher in der Kostenschätzung nicht zu berücksichtigen.

Die Stadt will 5 Stellen bei der Verkehrsüberwachung schaffen, um das Parken auf Radwegen zu ahnden. Auch hier handelt es sich um eine Pflichtaufgabe der Verwaltung. Auch wird das Falschparken nicht durch die Radfahrenden verursacht. Es handelt sich um eine Überwachungsmaßnahme des Autoverkehrs, die Kosten wären damit diesem Verkehrsträger zuzurechnen. Sie sind in keinem Fall in der Kostenschätzung anzusetzen.

Kosten für den Betrieb (Reinigung u.a.) und die Unterhaltung bzw. Instandhaltung der Radwege können zwar in der Kostenschätzung berücksichtigt werden, wenn dies geschieht, sind diese Kosten aber auch mit den Kostenersparnissen bei der Instandhaltung und dem Betrieb der Straßen zu verrechnen, die aufgrund von mehr Rad- und damit verbunden weniger Autoverkehr entstehen. Die Kostenschätzung sollte dazu in einen investiven und eine konsumtive Kalkulation (jährliche Kosten, u.a. Betrieb und Instandhaltung) unterteilt werden. Es ist sinnvoll, die Kosten für Reinigung und Instandhaltung der Radwege aus der vorliegenden investiven Kostenschätzung zu streichen. Sie sollten stattdessen in einer zusätzlichen konsumtiven Kostenschätzung berücksichtig werden, deren Erstellung die Stadt jedoch versäumt hat. Wie eine solche konsumtive Kostenschätzung aussehen könnte, dazu kommen wir später in diesem Beitrag.

Forderung 4: Sichere Kreuzungen – Auch hinsichtlich des Umbaus von 3 Kreuzungen im Jahr fallen die Kostensätze der Verwaltung zu hoch aus, ebenso wie der Personalkostenansatz. Es erfolgt eine Kürzung entsprechend der bei den Forderungen 1 und 2 erläuterten Kriterien zum Kostenansatz beim Umbau von Kreuzungen.

Kostenschätzung zu Forderung 4

Forderung 5: Radschulwegpläne für Schulen – Hinsichtlich dieser Forderung sind gar keine Kosten anzusetzen. Die Umsetzung der hierzu vom RadEntscheid geforderten Maßnahmen wurde vom Stadtrat bereits am 12.12.2013 (Beschluss 20132502) beschlossen, entsprechend müssen die dafür erforderlichen finanziellen Mittel bereits im Stadthaushalt etatisiert sein. Somit verbietet sich ein Neuansatz der Kosten.

Kostenschätzung zu Forderung 5

Die Erstellung von Radschulwegplänen ist eine Maßnahme des Klimaschutzteilkonzept klimafreundlicher Verkehr (Maßnahme 8a) und sollte im Zeitraum 2014-2020 umgesetzt werden. Zur Umsetzung wurde ein zweiter Klimaschutzmanager angestellt, eine Umsetzung erfolgte aus unbekannten Gründen bisher jedoch nicht.

Forderung 6: Ausbau von Fahrradabstellplätzen – Hinsichtlich dieser Forderung sind die Einheitskostensätze, insbesondere für Fahrradbügel und Fahrradboxen (Finanzierung des Radverkehrs bis 2030) anzupassen. Die Stadt hat jeweils die Kosten für Luxusmodelle angesetzt. Das haben die Initiatoren des RadEntscheids weder gefordert, noch gibt es dafür eine erkennbare Notwendigkeit.

Kostenschätzung zu Forderung 1

Zudem weist die Kostenberechnung zu den überdachten Stellplätzen einen Rechenfehler auf. Insofern, wie von der Verwaltung angegeben, für 7 überdachte Stellplätze 10.000 Euro anzusetzen sind, kosten 2.800 Stellplätze insgesamt nicht 4,5 Mio. sondern nur 4 Mio. Euro. Entsprechend sind bei diesem Punkt 0,5 Mio. Euro abzusetzen.

Forderung 7: Förderung der Mobilitätswende – Die zu diesem Bereich angesetzt Kosten sind plausibel. Jedoch ist eine zusätzliche Ingenieurestelle zur Unterstützung der wissenschaftlichen Begleitung der Umsetzung der Forderungen des RadEntscheids nicht erforderlich. Bei einem solchen Forschungsprojekt einer Hochschule bezahlt in der Regel diese selbst die für die Umsetzung erforderlichen Mitarbeiter*innen. Sie kann dazu regelmäßig auf Forschungsgelder zurückgreifen. Die Zuarbeit kann von den drei neu im Bereich Öffentlichkeitsarbeit zu beschäftigten Bauingenieuren übernommen werden.

Kostenschätzung zu Forderung 7

Investive Kosten: 151 statt 427 Mio. Euro

Wird die Kostenschätzung der Verwaltung entsprechend der dargestellten Punkte korrigiert, ergeben sich statt der von der Verwaltung angegebenen 427 Mio. Euro investiven Kosten zur Umsetzung der 7 Forderung des RadEntscheids nur Kosten in Höhe von knapp 151 Mio. Euro, also fast dreimal weniger.

Gesamtkosten Kostenschätzung

Fehlende Betrachtung der Kosteneffekte auf den Gesamtverkehr

Zusätzlich wären darüber hinaus noch die Kosteneffekte auf den Gesamtverkehr zu betrachten, wenn mehr Menschen aufgrund der deutlich verbesserten Radinfrastruktur das Auto stehen lassen und stattdessen das Rad nehmen. Dies hat die Verwaltung unterlassen.

Hierbei wären zwei Effekte zu betrachten, zum einen der auf Betrieb, Instandhaltung und Investitionen des Bochumer Verkehrs insgesamt gerichtete Effekt und zum Zweiten der Kosteneffekt bezogen auf die externen Kosten des PKW-Verkehrs, also insbesondere hinsichtlich Klimaschutz, Lärm, Luftverschmutzung und Unfallkosten.

Positive Kosteneffekte RadEntscheid

Nimmt man an, die in Bochum mit dem PKW gefahrenen Personenkilometer nehmen aufgrund der vom RadEntscheid geforderten Maßnahmen um 135 Mio. Im Jahr ab – das entspricht rd. 5,6% der mit dem Auto gefahrenen Personenkilometer in Bochum (Sonderauswertung zum Forschungsprojekt „Mobilität in Städten – SrV 2018“) – dann ergibt sich insgesamt eine Ersparnis bei den Kosten des PKW-Verkehrs von fast 30 Mio. Euro pro Jahr. Dabei entfällt die Hälfte auf eingesparte Betriebs-, Instandhaltungs- und Investitionskosten, die andere Hälfte auf eingesparte externe PKW-Kosten. Das bedeutet bereits nach 5 Jahren hätten sich die Investitionskosten, die für die Umsetzung der sieben Forderungen des RadEntscheids ausgegeben werden müssten, refinanziert.

Es fragt sich, warum die Stadt eine solche Berechnung der positiven Kosteneffekte unterlassen hat und sie die Kosten für die Umsetzung der sieben Forderungen fast dreimal so hoch angibt wie diese realistisch einzuschätzen wären. Es liegt der Verdacht nahe, dass man den Eindruck erwecken will, dass mit den sieben Forderungen des RadEntscheids finanzielle Folgen verbunden sind, die die Stadt nicht in der Lage zu tragen ist. Es scheint das Ziel verfolgt, zu werden, zu erreichen, dass die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger angesichts der angeblich zu hohen Kosten bei einem Bürgerentscheid mit “Nein” stimmt.

Das passt in das Bild, wie die Verwaltung auch sonst in Bochum mit Radverkehr und den Bürger*innen umgeht. Das vom Rat 1999 beschlossene Radverkehrskonzept wurde bis heute in wesentlichen Teilen nicht von der Verwaltung umgesetzt. Die mehrfach vom Rat beschlossene Neufassung des Radverkehrskonzeptes erfolgte über Jahre nicht. Zwar wird aktuell an der Erstellung endlich gearbeitet, vorliegen tut das neue Konzept aber bis heute nicht, die Stadt hat keine Eile mehr für den Radverkehr zu tun (Trauriges Jubiläum – 20 Jahre Radkonzept, kaum Zählbares passiert). Die Trassensuche zum Radschnellweg wurde von der Verwaltung so hingebogen, dass eine teure aber schlechte Streckenführung das Ergebnis ist, die das von der Stadt beauftragte Gutachterbüro schon als ungeeignet aussortiert hatte. Die Bürgerbeteiligung bei der Trassensuche war nur Show, das Ergebnis stand im Wesentlichen schon vorher fest (Akteneinsicht: Verwaltung “lenkt” große RS1-Trassensuchshow zum gewünschten Ergebnis).

Beschlüsse werden nicht umgesetzt, es wird getrickst und manipuliert um die besten Radverkehrsplanungen zu verhindern. Die maßlos überzogene Kostenschätzung ist nur ein weiteres Beispiel für diese Politik der Verwaltung. Unverständlich, dass SPD und Grüne diese Machenschaften der Verwaltung trotz aller Versäumnisse und Ungereimtheiten, weiter verteidigen.

Beiden Ratsfraktionen muss klar sein, dass mit der vorliegenden Kostenschätzung der RadEntscheid bei den Bürger*innen kaum Erfolg haben dürfte. Ebenfalls müssten den Fraktionen zumindest einige der eklatanten Mängel der Schätzung aufgefallen sein, besonders die fehlende Kalkulation der positiven Kosteneffekte. Dass die Politik gleichwohl die Kostenschätzung bisher kritiklos hinnimmt, kann eigentlich nur den Grund haben, dass beiden das Scheitern des RadEntscheids aufgrund der absurd übertriebenen Kosten eigentlich ganz recht ist.

Zur Not bleibt nur der Gang vor das Verwaltungsgericht

Auf Unterstützung von SPD und Grünen kann der RadEntscheid offenbar nicht hoffen. Mit der maßlos überhöhten Kostenschätzung der Verwaltung scheint es kaum möglich, die Mehrheit der Bürger*innen bei dem zu erwartenden Bürgerentscheid für ein “Ja” zu den 7 Forderungen zu gewinnen. Will der RadEntscheid den Bürgerentscheid für sich entscheiden, muss die Grundlage dafür eine realistische Kostenschätzung sein, die auch die positiven Kosteneffekt mit darstellt. So wie es aktuell aussieht, wird das nur vor Gericht zu erreichen sein. Vor dem Verwaltungsgericht sollten die Chancen nicht schlecht stehen, da die Stadt sich bei der Kostenschätzung einige haarsträubende Fehler geleistet hat, die sich nicht durch den Einwand, man habe weites Ermessen ausgeübt, weg reden lassen.

Letztlich stimmt es traurig, wenn die Verwaltung nicht für und mit den Bürger*innen arbeitet, sondern – wie auch in diesem Letztlich ist es traurig, wenn die Verwaltung nicht für und mit den Bürger*innen arbeitet, sondern sie es – wie auch in diesem Fall – an einem Mindestmaß an Fairness im Umgang mit ihren Anliegen vermissen lässt.

06 Mrz

Akteneinsicht: Verwaltung “lenkt” große RS1-Trassensuchshow zum gewünschten Ergebnis

Noch bevor in Bochum mit der großen Trassensuche des Radschnellwegs (RS1) durch die Innenstadt öffentlichkeitswirksam begonnen wurde, lag der Verwaltung die Streckenführung des RS1, die am 09.03.22 die Politik beschließen soll, ausgearbeitet vor. Die offizielle Trassensuche wurde zur Farce. Die Verwaltung lies das Gutachten so lange umschreiben, bis nur noch die von ihr zuvor entwickelte Streckenführung übrigblieb.

Viele machte es gleich stutzig als die Stadt Bochum das Gutachten zur Findung der besten Streckenführung für den Radschnellweg (RS1) durch die Bochumer Innenstadt vorlegte und eine Streckenführung vorschlug, die vom Gutachterbüro mit -3 Punkten bewertet wurde, während die besten 14 Streckenführungsvarianten, die mit +1 bis +7 Punkten bewertet wurden, allesamt ohne plausible Begründung von der Verwaltung als ungeeignet verworfen wurden.

Streichung der besten Varianten aus dem Gutachten zur Trassensuche

Akteneinsicht bestätigt Verdacht

Diese nicht nachvollziehbare Vorgehensweise ließ den Verdacht aufkommen, dass die Ergebnisse des Gutachtens so lange gebogen wurden, bis nach Streichung aller guten Varianten letztlich nur noch eine bestimmte Streckenvariante zur Realisierung verblieb und zwar ausgerechnet jene, die verwaltungsintern von Anfang an präferiert wurde. “Die PARTEI und STADTGESTALTER” vorgenommene Akteneinsicht beim Tiefbauamt bestätigte jetzt diesen Verdacht.

Zwei Trassenfindungsverfahren, ein offizielles, ein verwaltungsinternes

Es zeigte sich, in der Verwaltung gab es zwei Trassenfindungsverfahren, ein offizielles und ein verwaltungsinternes.

Direkt nachdem die erste Trassensuche für den Radschnellweg 2018 gescheitert war, bei der erst viel geplant wurde, dann aber die Bahn die Bereitstellung der für die zunächst geplante Streckenführung erforderlichen Flächen abgelehnt hatte, kündigte die Stadt an eine öffentliche Trassensuche mit einer groß aufgezogenen Bürgerbeteiligung zu veranstalten. 

Einwohner*innen, Interessengruppen, die Radverbände, die Geschäftsleute und Gastronomen, also alle die Ideen hatten, sollten in der ersten Phase des Trassensuchprozesses Vorschläge zu möglichen Streckenvarianten einreichen. Daraufhin sollte ein Gutachterbüro anhand eines von ihm entwickelten Schemas alle Varianten bewerten. In der zweiten Phase des Verfahren sollten die drei am besten bewerteten Varianten als so genannte Vorzugsvarianten vorausgewählt und näher untersucht werden. Auf Basis dieser Ergebnisse sollte schließlich die Politik entscheiden, welche Vorzugsvariante realisiert werden soll. Am 31.01.19 stimmte der Stadtrat diesem Plan zu (Beschlussvorlage:20183423).

Die geheime Trassensuche

Die Planungen für die RS1-Streckenführung, die die Politik jetzt am 09.03.2022 beschließen soll (Beschlussvorlage 20220116), gab es allerdings schon, ehe überhaupt mit der öffentlichen Trassensuche publikumswirksam begonnen wurde. Denn während noch die Vorbereitungen für die offizielle Trassensuche liefen, hatte die Verwaltung intern, im Verborgenen, ohne Politik und Bürger*innen zu informieren, diese Trassenführung untersuchen und ausarbeiten lassen. In enger Zusammenarbeit mit einer Entwicklungsgesellschaft wurde für diesen Zweck ein Ingenieurebüro beauftragt, das bereits am 05.05.2020 eine umfassende Untersuchung vorlegte, die die entsprechende Streckenführung detailliert untersuchte und beschrieb.

Übereinstimmung verwaltungsintern bereits 2020 präferierte Streckenführung und Ergebnis der offiziellen Trassensuche 2022

Vom beauftragten Ingenieurebüro wurde eine rote und eine blaue Variante untersucht. Im Ergebnis wurde die Führung des RS1 über die Frederikabahn und den P&R-Parkplatz am Klever-Weg vorgeschlagen, die anschließende Brückenquerung mit Überwurf über Universitätssstraße und Buddenbergplatz sowie die Führung über die Wittener Straße durch den Kortumpark zur Akademiestraße, weiter zum Lohring, bis schließlich über die steile Straße Am Lohberg zur Springorumtrasse. Bis auf wenige Meter im Kortumpark ist das genau die Streckenführung des RS1, die in der nächsten Woche, am 09.03.22 im Mobilitätsausschuss beschlossen werden soll (Beschlussvorlage 20220116). In der Beschlussvorlage wurde noch eine Alternativstreckenführung über Ehrenfeld- und Clemensstraße ergänzt, für den Fall die Strecken entlang der Bahnlinie stünden nicht zur Verfügung.

Für die Öffentlichkeit: Die große Trassensuchshow

Bezeichnender Weise floss die bereits ausgearbeitete Streckenführung allerdings nicht in die große Trassensuchshow ein. Zu dieser wurde publikumswirksam im Juni und Juli 2021 eine großangelegte Öffentlichkeitsbeteiligung organisiert. Online konnten die Menschen insbesondere ihre Ideen zu Trassenvorschlägen angeben und ihre Meinungen zu Streckenführungen äußern. Ende August folgte ein Workshop mit allen Interessengruppen. Die Zahl der Rückmeldung war erfreulich hoch. Insgesamt wurden auf der Webseite 4.350 Zugriffe verzeichnet, es wurden 336 Trassenvarianten in die Online-Karte eingetragen. Basierend auf dieser großen Menge Streckenvarianten entwickelte das von der Stadt beauftragte Gutachterbüro anschließend ein aufwendiges Bewertungssystem um nach einer Vorauswahl 42 realistische Varianten bewerten und vergleichen zu können.

Aufgrund des Vergleichs und der Bewertung der Varianten kam das Gutachterbüro zu eindeutigen Ergebnissen, die sie der Verwaltung Ende 2020 vorstellte, Das Büro kam zu dem Schluss, im weiteren Verlauf der Trassensuche sollten folgende drei Streckenführungen als Vorzugsvarianten näher untersucht werden (zu den Variantennummern, siehe Gutachten): die erste über den Boulevard (1c), die zweite über Süd- und Ostring, am Justizzentrum vorbei und dann durch den Tunnel nördlich der Springorumtrasse (5b und 7a) sowie eine dritte über das Gelände City-Tor-Ost. Südring, Wittener Straße und Altenbochumer Straße und schließlich von dort auf die Springorumtrasse (10). Die Varianten südlich der Bahnlinie sollten nach Ansicht des Gutachterbüros nicht weiterverfolgt werden. Diese seien zu schlecht bewertet, würden zu viele Hemmnisse aufweisen und ihre Herstellung sei zu (kosten-)aufwendig. Dies betraf auch die Varianten 3e und 6a, die sich in Kombination zu einem nicht unwesentlichen Teil mit der von der Verwaltung im Geheimen bereits entwickelten Streckenführung decken.

Die Ergebnisse der Trassensuche werden von der Verwaltung auf den Kopf gestellt

Die Ergebnisse sollten der Verwaltung nicht passen. Zunächst wurde versuchte die Bewertungskriterien beim Gutachterbüro zu erweitern und zu verändern, um bessere Bewertungen für die gewünschten Varianten zu erzielen. Doch das gelang nicht. Der Punkteabstand zu den besten Varianten war zu groß.

Also entschloss man sich die ganze Bewertung auf den Kopf zu stellen. Mit der Begründung, die Ergebnisse des Gutachterbüros seien unzureichend, rechtfertigte man eine sogenannte “pragmatische” Lösung: Kurzerhand sollte alle Varianten, über Straßen, auf denen vor kurzem Radwege eingerichtet wurden oder gerade geplant würden, nicht weiter betrachtet werden, also solche über Alleestraße. Westring, Südring, Ostring, Hattinger Straße und Oskar-Hoffmann-Straße, Ebenso sollte die Variante über den Boulevard nicht weiterverfolgt werden, weil zu dieser Straße die Politik bereits vor Jahren gegenteiliges beschlossen habe. Und auch Varianten mit großen Strecken über die Wittener Straße sollten eliminiert werden.

Im Handstreich führte diese im Kreis von vier Verwaltungsmitarbeiter*innen und ohne jede politische Beteiligung getroffene Entscheidung die gesamte Bewertung des Gutachterbüros ad absurdum. Hatte das Gutachterbüro gestützt auf seine aufwendige Bewertung ausschließlich Streckenführungen nördlich der Bahnlinie als sinnvoll angesehen, hatte die Verwaltung jetzt mit fadenscheinigen Begründungen fast alle Streckenführungen nördlich der Bahnlinie eliminiert und so dafür gesorgt, dass nur die schlecht bewerteten Streckenführungen südlich der Bahnlinie übrigblieben, insbesondere auch die Streckenführung, die die Verwaltung schon seit Mai 2020 in der Schublade geparkt hatte.

Die Begründung zur Eliminierung aller nördlichen Streckenvarianten ist eine Farce. Laut Bewertungsschema des Gutachterbüros ist auf allen zur näheren Untersuchung vorgeschlagenen Varianten der RS1-Standard umsetzbar, bei den Varianten 1c und 5b sogar zu 100%, also besser als bei der von der Verwaltung favorisierten Streckenführung. Auch der frühere Beschluss des Rates, eine RS1-Führung über den Boulevard nicht mehr zu verfolgen, stand einer weiter Betrachtung dieser Variante nicht im Weg. Wenn am Ende der Trassensuche die Variante entlang des Boulevards als beste Streckenführung heraus gekommen wäre, hätte die Politik überlegen können, ihren bisherigen Beschluss ggf. zu ändern. Für den West-, Süd- und Ostring waren zum Zeitpunkt der Entscheidung noch gar keine Umgestaltungs- und Planungsmaßnahmen vom Stadtrat beauftragt worden. Die wurden erst fünf Monate später im Rahmen des Verkehrskonzepts Innenstadt beschlossen, wohl auch um zumindest pro forma die Eliminierung der entsprechenden Streckenvarianten rechtfertigen zu können. In anderen Besprechungen wurde zu der bereits im Umbau befindlichen Hattinger Straße ausgeführt, auf dieser könne der RS1 mindestens noch so lange eingeplant werden, bis der erste Randstein gesetzt werde. Warum große RS1-Strecken an der Wittener Straße zum Ausschlusskriterium für diese Straße wurden, ist aus den Akten gar nicht ersichtlich.

Die wenig überzeugende Begründung zur Eliminierung aller Streckenvarianten nördlich der Bahntrasse erkannte die Verwaltung wohl bei Abfassung des Gutachtens selbst. Für das später veröffentlichte Gutachten verfiel man daher auf die ergänzende Formulierung, der RS1-Standard sei auf den Straßen nördlich der Bahnlinie nicht umsetzbar, obwohl dies im Gutachten selbst widerlegt wird, wo den allermeisten eliminierten Streckenvarianten ein RS1-Standard von weit über 90% bis 100% attestiert wird. Ein Wert, der in der Regel besser ist, als derjenige der Streckenführung, die von der Verwaltung favorisiert wird, denn diese weist eine 219 Meter lange, nicht RS1-Standard-konforme 7%-Steigung auf (Strecke des RS1 soll in Bochum über 7%-Anstieg gehen).

Im Endeffekt hatte die Verwaltung die Bewertung des Gutachtens soweit ausgehebelt, dass alle gut bis sehr gut bewerteten Streckenvarianten eliminiert wurden. Damit war der Weg frei mit Hilfe des Gutachtens statt einer Streckenführung mit einer Bewertung von +1 bis +7 Punkten eine Vorzugsvariante vorzuschlagen, die nur mit –3 Punkten bewertet wurde. Diese ist zusammengesetzt aus den Varianten (3e und 6a) und sie verläuft zufällig entlang der Trassenführung, die die Verwaltung bereits ab 2019 im stillen Kämmerlein abseits der Öffentlichkeit hatte entwickeln lassen.

Verwaltung verspielt Glaubwürdigkeit und torpediert Bürgerbeteiligung

In der beschriebenen Weise führt man die Glaubwürdigkeit von Gutachten und Gutachter*innen ad absurdum und hintertreibt die hohe Bereitschaft der Bürger*innen sich an solchen Prozessen zu beteiligen. Tatsächlich hatten die Trassenvorschläge der Bürger*innen, Initiativen und Interessengruppen aufgrund der Voreingenommenheit der Verwaltung nie eine Chance. Die Trassensuche war nichts weiter als eine große Show, mit der die Beteiligten hinters Licht geführt wurden. Offensichtlich war nie beabsichtigt einer der vom Gutachterbüro gut bewerten Streckenführungen zu wählen. Die Bewertung der Varianten gab es allein für die Galerie. Am Ende wurde das Gutachterbüro nur benutzt, um der Verwaltung gegenüber der Politik einen Freifahrtschein für seine von Anfang an präferierte Streckenführung auszustellen.

Zu hoffen ist, dass ein solcher Fall in Bochum bisher einmalig war und das für die Zukunft auch bleibt. Er untergräbt grundlegend die Glaubwürdigkeit in das Handeln der Verwaltung sowie zukünftig zu erstellende Gutachten. Immer steht ab diesem Vorfall der Verdacht im Raum auch andere Gutachten wurden von der Verwaltung in ähnlicher Weise verfälscht und für eigene Zwecke zurechtgebogen. Dass von der Stadt beauftragte Gutachten rein fachlich fokussierte Einschätzungen von unabhängigen Expert*innen wieder geben, wird mit Verweis auf diesen Fall in den nächsten Jahren immer wieder bezweifelt werden.

Die Verwaltung hätte intransparent, ohne Information von Politik und Öffentlichkeit neben der großen Trassensuche keine eigene Untersuchung von Streckenvarianten betreiben dürfen. Zumindest hätte die aus der internen Streckensuche resultierende Variante als von der Verwaltung bisher favorisierte Streckenführung transparent in die große Trassensuche eingehen müssen. Die Einmischung in die Trassenfindung hätte nie so weit gehen dürfen, dass die Verwaltung die Ergebnisse des Gutachterbüros mit fadenscheinigen Begründungen quasi auf den Kopf stellt. Es fehlte der Verwaltung an dem für die Begleitung eines solchen Bewertungs- und Auswahlverfahrens erforderlichen Mindestmaß an Unvoreingenommenheit. Wäre das Gutachten nach Meinung der Verwaltung nicht brauchbar gewesen, dann hätte die Politik darüber entscheiden müssen, ob das Trassensuchverfahren beendet wird und wie es weiter gehen soll. So zeigt sich, man hätte sich in diesem Fall die teure Beauftragung eines externen Gutachterbüros sparen können, wie es die Fraktion “FDP und STADGESTALTER” bereits 2019 beantragt hatte (Änderungsantrag 20183423).

Die von der Verwaltung präferierte Streckenführung ist ungeeignet

In der Sache ist auch den Dokumenten der Akteneinsicht zu entnehmen, die jetzt von der Verwaltung vorgeschlagene Streckenführung ist extrem teuer. Allein die Brückenanlage zwischen Klever Weg über Universitätsstraße, Hauptbahnhof, Buddenbergplatz und Wittener Straße zum Kortumpark soll laut Schätzungen der Stadt 18,5 bis 26,5 Mio. Euro zuzüglich üblicher Baukostensteigerungen verschlingen.

Die Variante ist darüber hinaus wenig attraktiv und langsam, zum einen wegen der 7%-Steigungsstrecke Am Lohberg und der weiteren nicht unerheblichen Steigungen im sonstigen Streckenverlauf, (Strecke des RS1 soll in Bochum über 7%-Anstieg gehen) zum anderen wegen der vielen engen 90°-Kurven.

Fahrtdauer A: Schnellste Route unter aktuellen Bedingungen B: RS1-Streckenführung Verwaltung (unter aktuellen Bedingungen) C: Variante 1 über Südring und Rottstraße

Aktuell benötigt man über die vorgeschlagene RS1-Strecke vom Maarbacher Tunnel bis zur Buseloh-Brücke 31 Minuten. Durch den Umbau zum RS1 ist kaum mit einer hohen Beschleunigung zu rechnen, denn die 90°-Abbiegungen bleiben. Auch in den Fahrradstraßen, die Teil der Strecke sind, ist bei Autos im Gegenverkehr das Tempo kaum zu erhöhen. Bestenfalls wird es möglich sein die Fahrtdauer auf 24-26 Minuten zu verkürzen. Allerdings schafft man über Südring oder Boulevard die gleiche Verbindung heute bereits in 20 Minuten. Mit den für die Zukunft auf dieser Strecke geplanten Radwegen werden es sogar 18 Minuten oder noch weniger sein.

Die geplante Streckenführung ist also für einen Radschnellweg ungeeignet. Das Grundprinzip des Radschnellwegs ist, schnell und direkt unterwegs zu sein. Dieses Prinzip scheint die Bochumer Verwaltung bei der Entwicklung der von ihr favorisierten Streckenführung jedoch nicht verfolgt zu haben.

Absehbar ist, wer mit dem Rad schnell durch die Bochumer Innenstadt kommen will, wird nicht den geplanten Streckenabschnitt des RS1 nehmen, sondern über Südring oder Boulevard fahren. Das wird insbesondere an der Kreuzung zur Kortumstraße für Chaos sorgen, wenn dort zu viele Radfahrende auf zu viele Fußgänger*innen treffen. Die Schaffung solcher Gefahrenpunkte sollte eigentlich durch eine gute geplante RS1-Führung vermieden werden.

Die Bewertung der jetzt von der Stadt vorgeschlagenen Streckenführung liegt also nicht umsonst bei –3 Punkten, während andere Streckenführungen mit +7 bewertet wurden. Sie ist für Alltagsradler unattraktiv, sie hat keinen wirtschaftlichen Effekt für die Innenstadt und wird daher nicht gut angenommen werden. Wird sie realisiert, wird sie als weitere millionenteure Fehlplanung in die Geschichte der Stadt eingehen.

Es ist zu hoffen, dass die Fraktionen des Stadtrats vor der Entscheidung am 09.03 nochmal in sich gehen und sich die Akten zu der Trassensuche ebenfalls sehr genau ansehen. Eine Entscheidung auf Grundlage dieses von der Verwaltung diskreditierten Trassensuchprozesses, sollte in einer Stadt, der Bürgerbeteiligung und Transparenz wichtig sind, nicht erfolgen. Die Auswahl der für die Streckenführung des RS1 durch die Bochumer Innenstadt in Frage kommenden Streckenvarianten muss auf Basis der vom Gutachterbüro gut bewerteten Varianten wiederholt werden. Danach erst kann eine seriöse Entscheidung der Politik fallen. Der Stadtbaurat sollte die Größe besitzen und die aktuelle Beschlussvorlage von sich aus zurück ziehen.

30 Jan

Strecke des RS1 soll in Bochum über 7%-Anstieg gehen – Sollen die Radfahrenden schieben?

Nach Jahren legt die Stadt endlich einen Vorschlag vor, wie der Radschnellweg RS1 durch die Innenstadt geführt werden soll. Bei näherem Hinsehen erweist sich die Führung als ungeeignet. Sie erfüllt an wesentlichen Stellen nicht die Grundanforderungen, die an den Bau von Radschnellwegen gestellt werden. In einem Streckenabschnitt ist die Strecke so steil, dass viele ihr Rad hochschieben werden. Für einen Radschnellweg ein Witz.

Erst plant die Stadt über Jahre eine Führung südlich entlang der Bahnlinie von Essen nach Dortmund. Danach erst spricht sie 2018 mit der Deutschen Bahn, um die für die Umsetzung der Planungen erforderlichen Grundstücke zu erwerben. Die Bahn erteilt eine Absage und jahrelange Planungsarbeiten sind für die Tonne. Also musste 2018 mit der Suche nach einer Trasse wieder bei Null angefangen werden (Vorlage 20183423). Es dauerte sagenhafte weitere 4 Jahre, bis nunmehr eine neue Trassenführung vorgeschlagen wird, die in einer Variante wiederum die Nutzung der Bahnflächen vorsieht, deren Abgabe die Bahn 2018 abgelehnt hatte. Und wieder wird etwas vorgeschlagen, ohne dass man mit der Bahn gesprochen hat. Aber das ist nicht der einzige eklatante Mangel der vorgeschlagenen RS1-Führung.

“Kreuzungsfreie Strecke südlich der DB” ist mitnichten kreuzungsfrei
Der ganze Vorschlag zu der neuen Streckenführung ist eine Mogelpackung. In ihrer Beschlussvorlage (Vorlage 20220116) bezeichnet die Verwaltung die von ihr favorisierte Trassenführung als “Kreuzungsfreie Strecke südlich der DB”, nur eines ist diese RS-1 Strecke tatsächlich nicht, kreuzungsfrei.

Mängel der geplanten RS1-Führung im Bereich Innenstadt

Sie führt zu der Kreuzung von gleich drei Hauptverkehrsstraßen: der Bessemerstraße, der Königsallee und der Gahlenschen Straße. Die zuletzt genannte Kreuzung wird erforderlich, weil die von der Verwaltung vorgeschlagene Streckenführung, nur über eine Zuwegung über den Tunnel unter der Alleestraße zu erreichen ist, die wiederum eine nicht kreuzungsfreie Querung der Gahlenschen Straße zur Folge. Lediglich bei der in der Verwaltungsvorlage ebenfalls genannten optionalen Trassenvariante, direkt entlang der Bahnlinie wäre eine Kreuzung von Bessemerstraße und Königsallee nicht erforderlich. Der RS1 würde bei dieser Option zwei der drei Straßen mittels ehemaliger Bahnbrücken queren. Die für diese Option erforderliche Abtretung der entsprechenden Bahngrundstücke hat die Bahn aber bereits 2018 abgelehnt und neue Gespräche mit der Bahn wurden bis heute nicht geführt. Dass sich die Verwaltung eine Kostenschätzung für die optionale Streckenführung spart, weist darauf hin, dass sie auch selbst nicht mit einer Realisierbarkeit rechnet.

Option entlang der Bahnlinie ist ungeklärt und unwahrscheinlich

Dem Rat der Stadt eine Streckenführung unter falschem Label vorzuschlagen, mit einer Option, bei der völlig ungelöst bis unwahrscheinlich ist, dass sie überhaupt realisiert werden kann, ist unseriös. Erst klärt man die Realisierbarkeit, dann macht man der Politik einen Vorschlag. Der Hintergedanke der Verwaltung scheint zu sein, die Politik die vorgelegte Streckenführung in der Hoffnung beschließen zu lassen, die Option könne trotz der bisher klaren Ablehnung der Bahn doch noch realisiert werden. Auf diese Weise käme die Verwaltung, wenn die DB bei ihrer ablehnenden Haltung bleibt, zu einem Beschluss des Rates, der eine Streckenführung für den RS1 vorsieht, die nicht den Grundanforderungen, die an Radschnellwege gestellt werden, entspricht und den die Politik unter anderen Vorzeichen aller Voraussicht nach auch nicht treffen würde.

Denn die Grundanforderungen an den Bau von Radschnellwegen sehen eine möglichst kreuzungsfreie Führung vor, bei der dem RS1 an Kreuzungspunkten so weit wie möglich Vorrang eingeräumt werden soll (Vorlage 20183423). Dass bei der vorgeschlagenen Streckenführung dem Radverkehr bei der Kreuzung von Gahlenscher Straße, Bessemerstraße und Königsallee gegenüber dem Autoverkehr Vorrang eingeräumt wird, ist wohl kaum realistisch.

7%-Steigung Am Lohberg, würden viele Radfahrende zum Schieben zwingen

Aber es gibt noch einen weiteren Streckenabschnitt, bei dem die vorgeschlagene Strecke nicht den Grundanforderungen an den Bau von Radschnellwegen entspricht. Die Trasse soll über die Straße Am Lohberg führen, Diese hat auf 130 Metern eine extreme Steigung von über 7% (9,20 Meter).

Steigung der geplanten RS1-Führung Am Lohberg

Durchschnittliche Bochumer Radfahrende werden diese Straße aus eigener Kraft regelmäßig nicht hoch kommen. Gemäß Qualitätsstandards an den RS1 soll dieser steigungsarm sein und nur in Ausnahmefällen Steigungen bis maximal 6% aufweisen (Vorlage 20183423). Die Stadt Bochum will ernsthaft einen Radschnellweg mit einem Streckenabschnitt bauen, an dem viele ihr Rad hochschieben werden. So wird aus dem Schnell- ein Schiebeweg.

2018 hatte die Stadt noch selbst ausgeführt (Vorlage 20183423): Es “ist festzuhalten, dass zum Beispiel 6 %-ige Steigungen (Längsneigung) auf längerer Strecke von Radfahrern nicht als positiv bewertet werden. Je stärker die Steigung, umso geringer ist die Attraktivität. Aus diesem Grund bemüht sich die Stadt Bochum 6 %-ige Steigungen zu vermeiden.” Diesen Vorsatz hat die Stadt offenbar aufgegeben. Die Attraktivität des Radschnellwegs für die Radfahrenden scheint bei der Auswahl der Streckenvariante eine eher untergeordnete Rolle gespielt zu haben.

Führung über den Buddenbergplatz am Hauptbahnhof ist sinnvoll

Lediglich die Führung des RS1 über den Buddenbergplatz kann überzeugen. Diese wurde von den STADTGESTALTERn bereits 2018 vorgeschlagen. Die Führung über den Platz würde den Bau einer Mobilitätsstation auf dem Buddenbergplatz hinter dem Hauptbahnhof ermöglichen, die direkt am RS1 liegt, so wie das die Planungen der STADTGESTALTER bereits vorsehen (Buddenbergplatz – Vom Platz zur Mobilitätsstation).

Für die hohen Kosten bekommt man eine bessere Lösung für die Innenstadt

Die Kosten für die Realisierung der von der Verwaltung vorgeschlagenen Streckenführung schätzt die Stadt auf 20,6 Mio. Euro. Eine erste Kostenschätzung für die optionale Streckenführung entlang der Bahnlinie, gibt die Verwaltung erst gar nicht an, diese dürfte wegen der zusätzlich zu nutzenden Brückenbauwerke nochmal deutlich höher liegen. Legt man die bei solchen Bauprojekten der Stadt Bochum üblichen Kostensteigerung zugrunde, ist eine Verdoppelung der Kosten bis zur Fertigstellung durchaus realistisch.

Das ist eine Menge Geld, für eine Streckenführung, die letztlich nicht, wie eigentlich auch von den Geschäftsleuten der Innenstadt gewünscht, direkt durch die Innenstadt verläuft, sondern daran vorbei. Neue Radkunden für die Innenstadt werden mit dieser Trassenführung kaum zu gewinnen sein. Die beiden von den STADTGESTALTERn vorgeschlagenen steigungsarmen Streckenlösungen ohne Kreuzungen mit Hauptverkehrsstraßen, die eine am Südring entlang (Radschnellweg über Rottstraße und Südring) , die andere über eine Hochtrasse entlang des Bongard-Boulevards durch die Innenstadt (Den Radschnellweg (RS1) über eine Hochtrasse mitten durch die Innenstadt führen), dürften am Ende im gleichen Kostenrahmen liegen, aber der Innenstadt viel mehr nutzen.

Beschlussvorlage zur Streckenführung und Trassenauswahl ist intransparent

Warum die Verwaltung der Politik ausgerechnet diese dargestellte Streckenführung vorschlägt und nur diese und keine weitere, wirft Fragen auf. Trotzdem angeblich 336 Trassenvarianten vorgeschlagen und geprüft wurden, stellt die Verwaltung der Politik in ihrer Beschlussvorlage bewusst nicht mehrere alternative Streckenführungen zur Auswahl und Abstimmung. Die Politik bekommt keine Wahl. Der Stadtrat soll entweder für diese eine Trasse stimmen oder sie ablehnen. Auch wird der Politik vorenthalten, wie die Verwaltung dazu kommt, dass ausgerechnet diese Streckenführung, die beste ist. Das entsprechende Gutachten, in dem die verschiedenen Varianten untersucht und bewertet worden sein sollen, wird der Politik vorenthalten und ist nicht Gegenstand der Beschlussvorlage. Diese Intransparenz gegenüber Politik und Einwohner*innen ist nicht zu tolerieren und beschädigt das Vertrauen in die Seriosität des verwaltungsinternen Auswahlprozesses, der zum Vorschlag der Streckenvariante geführt hat.

Der Stadtrat sollte die Beschlussvorlage zurückweisen

Zusammenfassend ist festzuhalten, auch nach mittlerweile fast 8 Jahren schafft die Verwaltung es nicht, eine Streckenführung vorzuschlagen, die den Grundanforderungen für den Radschnellwegebau entspricht. Die Verwaltung will den Radschnellweg über einen Abschnitt führen, auf dem viele Radfahrer ihr Rad schieben werden, weil der ihnen zu steil ist. Die Verwaltung schlägt eine Option zu der Streckenführung vor, deren Realisierung bisher ungeklärt und unrealistisch ist. Allerdings sollte, bevor geklärt ist, ob die Option überhaupt realisierbar ist, kein politischer Beschluss erfolgen. Der Prozess wie die vorgeschlagene Variante verwaltungsintern aus 336 vorgeschlagenen Varianten ermittelt wurde, ist nicht nachvollziehbar und intransparent. Schließlich fehlt die Möglichkeit, dass die Politik zwischen mehreren möglichen Streckenführungen eine auswählt.

Somit sollte der Stadtrat die Beschlussvorlage zurückweisen und die Verwaltung beauftragen unverzüglich eine Vorlage auszuarbeiten, die eine Abstimmung über mindestens drei alternative Streckenführungen vorsieht, die alle drei sämtliche Grundanforderungen erfüllen, die an den Bau von Radschnellwegen gestellt werden.

15 Okt

Tag des offenen Rathauses – Präsentation Verwaltung top, Darstellung Stadtpolitik flop

Am 18.09. präsentierten sich Stadt und Politik beim Tag des offenen Rathauses. Der Verwaltung gelang das gut, die Darstellung der Stadtpolitik war mau und wurde entsprechend kaum besucht. Das sollte beim zweiten Mal besser werden. Jedoch steht die Mehrheit im Rat Ideen zum live Erleben von Stadtpolitik eher ablehnend gegenüber, wie die Ablehnung der Open-Air-Ratssitzung zeigt.

Das historische Bochumer Rathaus macht schon was her. Es ist ein imposantes Gebäude. Allerdings wirft es als hochgemauerte Trutzburg auch einen langen Schatten auf die Einwohner*innen. Um den Eindruck, die Verwaltung würde sich von ihren Bürger*innen verbarrikadieren, abzutragen, hat man das Mauerwerk bildlich und auch wortwörtlich an manchen Stellen etwas aufgebrochen. Der neue Haupteingang, der in den Ostflügel hineingeschnitten ist, und die ersten Ansätze eines Besucherleitsystems, wenden sich den Bürger*innen zu. Und auch der Tag des offenen Rathauses vor Kurzem konnte in einigen Bereichen punkten.

Glanzlos blieb allerdings der Auftritt der Ratsfraktionen, die als Staffage für die schnell durch hastenden Besucher*innen Spalier an ihren Stehtischen standen. Dass dies so kam oder auch so kommen musste, lag definitiv unter Anderem an dem von der Verwaltung aufgestellten wenig biegsamen Konzept. Frontalunterricht gibt man sich heute eher nicht mehr freiwillig. Das volle Bühnenprogramm, das mit jeweils einer halben Stunde Frage-Antwort-Spiel durchaus auf die maximale Aufmerksamkeitsspanne der aktuellen Twitter-Generation angepasst war, gab sich keine Besucher*in in voller Länge – Auch wenn Moderation und ehrenamtliche Politikerin ihren Job sehr solide gemacht haben.

Die Politik muss sich ankreiden lassen, dass sie sich im Vorfeld zurück gelehnt hat und nun eine Nachbereitung blickdicht in Schweigen hüllt. Während Ersteres angesichts eines „Ersten Mals“ noch verzeihlich ist, so ist zweites schon grundsätzlich bedenklich. Im Vergleich zur Verwaltung steckt die Politik nur ungern den Kopf aus dem Ratssaal heraus. Allein die Idee, die dort geschwungenen Reden nicht nur der unmittelbaren Peer-Group von zusammen gluckenden Ratsmitgliedern und den Verwaltungsbediensteten, die ihre Zeit im Ratssaal auf ihre Arbeitszeitkarte gutschreiben lassen können, per Rats-TV zugänglich zu machen, brauchte gefühlt mehrere erdgeschichtliche Epochen.

Open-Air-Ratssitzung ohne Begründung vom Stadtrat abgelehnt

Ein Vorschlag der Fraktion Partei/Stadtgestalter, den Tag des Rathauses aus Sicht der Politik erfolgreicher aufzustellen, verhallte in der letzten Ratssitzung nicht nur ungehört, sondern auch unbeantwortet. Ratsmitglied Nils Brandt begründete, warum man im Sommer im Rahmen des offenen Rathauses den Rat zu einer Sitzung samt Dialogteil mit den Bürger*innen auf einen Platz in die Innenstadt holen sollte. Das mangelnde Echo, das sich durch eine gänzlich fehlende Gegenrede zur Begründung der erdrückenden Ablehnung zeigte, ist ein Armutszeugnis für den Rat. In einem Gremium, in dem samt Oberbürgermeister 87 Bürgervertreter*innen sitzen, kann niemand mit auch nur einer Silbe begründen, warum man nun diesen Vorschlag ablehnen wolle. Dass zu dieser Zeit weder Vertreter*innen der Presse noch erkennbar Bürger*innen vor Ort die Tagesordnung verfolgten, ist dabei symptomatisch.

Die Grundidee von Partei/Stadtgestalter fußte auf einem Erfolg des Grünflächen- und Tiefbauamts sowie u.a. den Mädels und Jungs vom USB und Co, die sich mit ihrer technischen Gerätschaft und Fahrzeugen nach draußen wagten und auf dem Rathausplatz die Herzen besonders der jüngsten Bochumer*innen gewinnen konnten. Das sollte sich die Politik zum Vorbild nehmen.

Es bleibt spannend, ob die Politik die Verwaltung mit den Mühen, die Rathausämter und -gremien an die Bürger*in zu bringen weiter alleine lässt, oder ob von Seiten der anderen Fraktionen ernsthafte Vorschläge kommen werden.

DH

10 Okt

Stadtverwaltung – viel zu oft viel zu langsam

Die Stadt Bochum will Vorreiterin modernen Stadtmanagements sein. Dazu gehört auch, dass in der Verwaltung schnell, effektiv und effizient gearbeitet wird. Viel zu häufig kann die Verwaltung diesem Anspruch nicht gerecht werden, wie die folgenden 11 Beispiele zeigen.

Die Stadt Bochum verfolgt im Rahmen der Bochum-Strategie das Ziel Vorreiterin modernen Stadtmanagements zu sein. In Sachen Schnelligkeit und Effektivität kann die Verwaltung dieses selbst gesetzte Zeil jedoch bisher viel zu oft noch nicht erfüllen wie die nachfolgenden Beispiele zeigen:

Goethe-Mensa – Bereits im Jahr 2014 wird die Verwaltung von der Politik beauftragt den Neubau einer Mensa an der Goethe-Schule einschließlich einer eingebetteten Lernküche umgehend(!) zu realisieren (Mitteilung 20140772). Bis heute wurde der Bau trotz mehrfacher Anläufe jedoch nicht realisiert, bis 2016, gab es schon 3 vergebliche Anläufe (Unfähigkeit? – Bau der Goethe-Mensa scheitert auch im dritten Versuch), bis 2021 folgten einige weitere.

Ständige neue Planungen, verschiedenste Standortuntersuchungen und Kostenüberschreitungen aufgrund von Fehleinschätzungen führten letztlich dazu, dass die Verwaltung in 8 Jahren dem Stadtrat nie einen realisierbaren Planungsentwurf vorlegen konnte. Trotz jahrelanger Planungen, die Unmengen an Kosten verschlungen haben müssen, hat die Verwaltung es bis heute nicht geschafft den Auftrag der Politik, die Mensa zu bauen, umzusetzen.

Nach Aussage der Verwaltung müsste der Neubau der Mensa bis zum Beginn des Schuljahrs 2026 abgeschlossen sein. Den letzten Erklärungen der Verwaltung ist zu entnehmen, dass alle bisherigen Planungen eingestampft wurden und derzeit keine neuen Planungen laufen. Dazu, wo die Mensa entstehen könnte, gibt es vage Vorstellungen, zu Größe und Raumprogramm der Mensa noch keine Vorstellungen (Mitteilung 20200434).

Wenn alles gut läuft, sollte die Mensa also bis 2026, nach unglaublichen 12 Jahren für Planung und Bau, stehen. Doch trotzdem schon acht Planungsjahre von maximal zwölf vergangen sind, glaubt aufgrund des bisherigen Planungsdesasters wohl kaum noch jemand daran, dass die Verwaltung das rechtzeitig hinbekommt.

Radverkehrskonzept – 1999 beschließt der Rat der Stadt Bochum ein Radverkehrskonzept. 2021 sind immer noch nicht alle dringlichen Maßnahmen, deren Umsetzung, in dem Konzept vor 20 Jahren festgelegt wurden, umgesetzt. Die von der Politik ebenfalls beschlossene jährliche Berichterstattung zur Umsetzung des Konzepts sparte sich die Verwaltung, da es ohnehin kaum was zu berichten gab.

2014 und 2017 beschließt der Rat eine Fortschreibung des Radverkehrskonzepts. Beide Beschlüsse ignoriert die Verwaltung, nichts passiert. 2019 eskaliert der Streit über die Umsetzung und Fortschreibung des Radverkehrskonzepts (Trauriges Jubiläum – 20 Jahre Radkonzept, kaum Zählbares passiert). 2020 endlich leitet die Verwaltung eine Fortschreibung durch externe Planungsbüros in die Wege. Das neue Radverkehrskonzept soll jedoch erst 2022 vorliegen. Damit verschleppt die Verwaltung die Umsetzung einer konkreten Radverkehrsplanung um weitere zwei Jahre.

In diesem Fall trifft die schleppende Umsetzung von Ratsbeschlüssen durch die Verwaltung mit einer mangelnden Bereitschaft diese umzusetzen zusammen. Auch zeigt sich, dass es an der Bereitschaft fehlt, Versäumtes aufzuholen. Wird die Verwaltung letztlich gezwungen Unterlassenes nachzuholen, dann tut sie das in diesem Fall mit provokativer Langsamkeit. Ein schlechtes Gewissen aufgrund der versäumten Umsetzung der Ratsbeschlüsse scheint nicht zu bestehen.

August-Bebel-Platz – 2014 wird im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts Wattenscheid (ISEK) beschlossen, den wohl hässlichsten Platz der Stadt, den August-Bebel-Platz umzubauen und neu zu gestalten. Es dauert fünf Jahre bis die Verwaltung drei Planungsvarianten für den Platz vorliegen konnte, die sie von drei externen Planungsbüros hatte erstellen lassen. Keiner der drei Entwürfe konnte jedoch den Ansprüchen der Stadt gerecht werden. Also versuchte die Verwaltung aus allen dreien einen vierten Vorschlag zu entwickeln, auf den sich wiederum die Politik nicht einigen konnte.

Es konnte keine Einigung darüber erzielt werden, ob zukünftig noch Autoverkehr über den Platz fließen soll. Ursprünglich hatte die Verwaltung die Vorgabe an die Planungsbüros ausgegeben, dass noch Autoverkehr über den Platz rollen sollte. Dann fiel auf, dass in diesem Fall eine Förderung durch das Land kaum möglich sein würde (August-Bebel-Platz autofrei?!). Auch hatte es die Verwaltung versäumt in einem unabhängigen Verkehrsgutachten zu klären, wie viel Autos tatsächlich täglich über den Platz fahren. Also musste die entsprechende Untersuchung nachgeholt werden.

2021, also weitere zwei Jahre später, soll es jetzt einen Planungswettbewerb zur Neugestaltung des Platzes geben. Welcher Planungsentwurf aus diesem Wettbewerb als Sieger hervorgehen wird und wann mit der Realisierung eines Entwurfs zu rechnen ist, ist nicht absehbar. Ob und wie noch Fördergelder für die Umgestaltung des Platzes abgerufen können, ist ebenso offen. 2019 hieß es noch, dass eine Entscheidung unbedingt sofort fallen müsse, sonst wären die Fördergelder verloren und der Zeitplan ließe sich nicht einhalten.

Ein stringentes und zielgerichtetes Vorantreiben des Projektes “Umgestaltung des August-Bebel-Platzes” von Seiten der Verwaltung ist nicht erkennbar. Es erscheint so, als verfolge man das Projekt nicht mit vollem Einsatz. Entsprechend gibt es auch keine konkrete Zeitplanung, wie es weiter gehen soll. Der Niedergang von Wattenscheid geht indes ungebremst weiter.

Bäderkonzept – Im Juli 2017 (Vorlage 20171235) beschließt der Stadtrat endlich, dass für die Zukunft der städtischen Schwimmbäder ein Bäderkonzept erarbeitet werden soll. Das sollte bis Ende 2020 von der Stadtverwaltung vorgelegt werden. Mit sechs Monaten Verspätung, im August 2021 wird das Konzept der Politik vorgestellt. Es fragt sich, warum die Stadt zusammen mit den Wasserwelten für die Erarbeitung des Konzepts unakzeptable vier Jahre benötigt hat. Angesichts von Umfang und Inhalt des Konzepts hätten dafür maximal sechs Monate ausreichen müssen (Alte Bäder erhalten oder neue bauen).

2018 hatte Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) angekündigt, in Höntrop solle ein modernes Freizeitbad entstehen. „Anfang 2020 ist Baubeginn, Anfang 2022 soll das Bad fertig sein“. Das alte Bad wurde zwar 2020/21 abgerissen, über einen Neubau wurde jedoch bis heute nicht entschieden. (WAZ vom 17.07.2018). Der Startschuss für den Bau eines neuen Bades wird, wenn überhaupt, frühestens 2024 fallen.

Da die Verwaltung sich bei der Erarbeitung des Bäderkonzeptes endlos Zeit gelassen hat, verzögert sich entsprechend die Modernisierung der Bäder bzw. der Bau neuer Bäder. Die Bummelei der Verwaltung hat zur Folge, dass die Einwohner*innen noch weitere Jahre auf sanierte oder neue, zeitgemäße Bäder warten und mit den maroden, unattraktiven und kostenfressenden Bädern Vorlieb nehmen müssen.

Klimaschutzkonzept – Resolution zum Klimanotstand – Im Juni 2019, beschloss der Stadtrat die Resolution zum Klimanotstand (Ausrufung des Klimanotstandes). Die Stadt verpflichtete sich, ihren Teil zu leisten, die im Pariser Abkommen vereinbarten Klimaziele zu verfolgen, also die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, dass Bochum 2035, spätestens 2040 klimaneutral wird.

Doch in den zwei Jahren seit Ausrufung des Klimanotstandes hat die Verwaltung dem Stadtrat trotz diverser Anträge aus der Politik keine substanziellen Beschlussvorlagen mit Maßnahmen vorgelegt, die geeignet wären, den CO2-Ausstoß der Stadt nennenswert zu senken. In über zwei Jahren, hat man es nicht mal hinbekommen, unter jeder Beschlussvorlage einen Passus zu den Klimafolgen einzufügen, wie dies ebenfalls vom Rat bereits 2019 beschlossen wurde.

Auch ein Klimaschutzkonzept, dass der gefassten Resolution gerecht wird, gibt es bis heute nicht. Das wenig ambitionierte und immer noch gültige Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2015 sieht weiterhin nur eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen der Stadt um 85% bis 2050 vor (Klimaschutzkonzept 2030).

Ursprünglich hat die Stadt für Ende dieses Jahres ein neues Klimaschutzkonzept angekündigt. Dieses wird voraussichtlich aber erst 2022 vorliegen. Für die Erarbeitung hätte die Stadt dann fast drei Jahre benötigt. Angesichts dessen, dass die Stadt bereits 2035 klimaneutral sein will, also in nur 14 Jahren, eine absolut unakzeptable und viel zu lange Erarbeitungszeit. Selbst eine Notlage wie der Klimanotstand, die eigentlich umgehendes und schnelles Handeln erfordert, kann die Verwaltung nicht bewegen ihr gemächliches Arbeitstempo zu beschleunigen. Es entsteht der Eindruck, dass in der Stadtverwaltung einige Verantwortliche der Ansicht sind, dass die Klimaerwärmung für die Dauer der Erarbeitung des Konzeptes eine Pause einlegt.

Auch aufgrund der Trägheit der Verwaltung ist zweifelhaft, ob Bochum das Ziel bis 2035 klimaneutral zu sein, erreichen kann. In jedem Fall werden die Maßnahmen zum Klimaschutz für die Bochumer*innen drastischer und unbequemer ausfallen, als es hätte sein müssen, wenn die Verwaltung nicht so lange wertvolle Zeit vergeudet hätte (Klimaneutralität bis 2045 – Ohne drastische und unbequeme Maßnahmen kaum zu schaffen)

Uhlandstraße – Dieser kleine, aber bemerkenswerte Fall steht beispielhaft dafür, wie in Bochum mit der Instandhaltung von historischen Straßen verfahren wird. Ungefähr 1985 wird ein Abwasserkanal entlang der Straße neu verlegt und dazu in der Mitte der Straße ein rund zwei Meter breiter Graben ausgehoben. Nachdem dieser wieder verfüllt wurde, fällt der Verwaltung auf, dass die zur Abdeckung des Grabens erforderlichen Pflastersteine unplanmäßig abhandengekommen sind (Uhlandstraße wird wieder nicht “Übelste Schlaglochpiste Deutschlands). Der Bereich wird provisorisch zuasphaltiert. Dieses Provisorium besteht seit jetzt 36 Jahren.

2016 erklärt die Verwaltung, dass die Abstimmungsgespräche innerhalb der Verwaltung, insbesondere mit der Unteren Denkmalbehörde noch nicht abgeschlossen seien, daher würden die für die Wiederherstellung der Straße erforderlichen Mittel erst 2018 beantragt und in den Haushalt eingestellt (Mitteilung 20162898). Doch hat sich bis heute, weitere drei Jahre später, am unhaltbaren Zustand der Straße nichts geändert. Auch wurde kein Geld in den Haushalt eingestellt. Offenbar dauern die Gespräche immer noch an. Wann die Verwaltung endlich die Gültigkeit besitzt, die Straße wiederherzustellen, ist offen. Ernsthafte Bemühungen in diese Richtung sind nicht zu erkennen..

Verkehrskonzept Süd-Ost – 2017 vereinbarten die Stadt Bochum und die Ruhr-Universität in einem Letter of Intend eine verkehrsträgerroffene Machbarkeitsstudie mit den Zielen eine ÖPNV-Verbindung von der RUB zum Technologie-Campus Mark 51°7 zu schaffen, für eine bessere ÖPNV-Anbindung der Bochumer Hochschule zu sorgen, eine leistungsfähige Verbindung von RUB wie Hochschule nach Langendreer einzurichten sowie mit dem Ziel die Stadtbahnlinie U35 zu entlasten.

Kurz zuvor war der Versuch, diese Ziele mit einer Verlängerung der U35 Richtung Langendreer zu erreichen, aufgrund eines Kalkulationsfehler peinlich gescheitert (U35-Verlägerung vor dem Aus). Seit 2014 hatten Verwaltung und Bogestra an dieser Lösung gearbeitet. Durch eine falsche Kosten-Nutzen-Bewertung des Projektes aufgrund falsch berechneter Nutzen-Kosten-Werte (NKU), die weder Bogestra noch Verkehrsplanung aufgefallen war, wurden 3 Jahre Planung inklusive Vorbereitung auf einen Schlag wertlos.

Die Ergebnisse der 2017 vereinbarten neuen Machbarkeitsstudie sollten eigentlich bereits im Herbst 2019 vorliegen, vorgestellt wurden sie dem Stadtrat jedoch erst im Herbst 2020, mit einem Jahr Verspätung. Die Ergebnisse der Untersuchung waren nichtssagend. Die Verwaltung schlug vor RUB/Hochschule und Mark 51°7 mit einem Bus zu verbinden. Alle weiteren Probleme bleiben ungelöst. Doch auch die Busverbindung stellt sich schnell als unzureichend heraus, so dass die Verwaltung schon 2021 auf die Notlösung des Einsatzes zusätzlicher Anrufsammeltaxis verfiel.

Die Probleme, wie eine bessere ÖPNV-Anbindung der Bochumer Hochschule aussehen soll, wie eine leistungsfähige Verbindung zwischen RUB/ Hochschule mit Langendreer geschaffen und die U35 zur RUB entlastet werden soll, sind auch 2021weiterhin ungelöst. Die Verwaltung bleibt Lösungsvorschläge schuldig, trotzdem sie die Probleme seit 2014 mit diversen Untersuchungen hat untersuchen lassen und Konzepte zu Beseitigung erarbeiten sollte. Mittlerweile hat die Verwaltung in der Angelegenheit anscheinend die Arbeit eingestellt und die Verfolgung der genannten Ziele aufgegeben.

Endlose teure Arbeitszeit wurde verschwendet, ohne dass irgendwelche brauchbaren Ergebnisse vorliegen. Zu der behäbigen Arbeitsweise kommt in diesem Fall erschwerend die Unbrauchbarkeit der bisherigen Arbeit hinzu.

Glasfaseranschluss Schulen – 1996 wurde die TMR – Telekommunikation Mittleres Ruhrgebiet gegründet um die Stadt mit Glasfaserkabeln zu vernetzen. 25 Jahre später verfügen immer noch nicht alle Schulen in Bochum über einen Breitbandanschluss in der erforderlichen Dimensionierung. Das soll jetzt erst bis Ende 2024 der Fall sein (WAZ vom 11.08.21).

Eigentlich hätten die Schulen wie in anderen Städten beim Aufbau des Glasfasernetzes bevorzugt angeschlossen werden müssen (Seit Ende 2019 verfügen alle Solinger Schulen über Glasfaseranschlüsse). In diesem Fall war und ist die Verwaltung nicht bereit, wichtige Dinge mit der notwendigen Priorität zu behandeln. Auch hat sie nicht willens gezeigt, aufkommende Verzögerungen mit erhöhtem Einsatz und einer deutlichen Beschleunigung der Maßnahmen zumindest teilweise wieder aufzuholen.

Erst versprach die Stadt 2017 alle Schulklassen würden bis Ende 2018 über schnelles Internet verfügen (NRZ vom 12.08.17). Aber wie leider viel zu oft konnte die Verwaltung den von ihr zugesagten Termin nicht einhalten. Den nächsten Termin (Ende des Schuljahrs 2020/21) musste die Verwaltung ebenfalls verstreichen lassen.

Der Vorgang zeigt, selbst auf Ankündigungen der Verwaltungen, wann vordringliche Vorzeige-Projekte abgeschlossen sein sollen, ist oft kein Verlass. Auch der aktuellen Zusage, dass nach fast 30 Jahren, Ende 2024, endlich alle Schulen über einen Glasfaseranschluss verfügen werden, kann man daher nur bedingt vertrauen.

Radschnellweg – Führung Innenstadt – Der Radschnellweg (RS1) sollte bereits 2020, also vor einem Jahr eröffnet werden. In Bochum ist bis heute nicht mal die Streckenführung von Goldhamme über die Innenstadt bis Dortmund klar. Über Jahre bastelte die Verwaltung an einer Streckenführung entlang der Hauptbahntrasse durch Bochum, ehe man nachfragte, ob die Deutsche Bahn überhaupt bereit sei, einen Teil der Trasse für den Radschnellweg an die Stadt abzugeben. Als die Bahn 2018 erklärte, dazu nicht bereit zu sein, waren alle jahrelangen Planungen für die Tonne und die Verwaltung stand vor einem Scherbenhaufen (Niederschrift zur Sitzung des Ausschusses für Strukturentwicklung vom 05.09.2018).

Auch 2021, wieder drei Jahre später, liegt immer noch keine Planung für einen neuen Streckenverlauf vor. Die Bauverwaltung müht sich stattdessen beim Bau eines weniger als 700 Meter langen Teilstücks des Radschnellwegs in Stahlhausen ab, bei dem fraglich ist, ob der im Rahmen einer neuen Streckenführung überhaupt Teil des RS1 werden wird. Die städtischen Ressourcen für das Vorantreiben des Projekts werden aktuell an der falschen Stelle vergeudet.

Auch in dem Teilbereich des RS1, bei dem die Streckenführung von Gelsenkirchen bis Goldhamme schon feststeht, liegen noch immer keine Planungen für die Brückenquerung über die A40 am Westkreuz vor. Absehbar wird in wenigen Jahren die Trasse an sich dort fertig sein, aber die Brücke wird immer noch fehlen. Solche Peinlichkeiten sollte die Verkehrsplanung doch eigentlich vermeiden wollen.

Wann der RS1 in Bochum durchgehend befahrbar sein wird,  dafür kündigt die Verwaltung schon gar keinen Termin mehr an. Bei der aktuellen Planungsgeschwindigkeit und dem bisherigen Planungschaos, ist die Verwaltung dazu offenbar nicht in der Lage, Dieser Umstand zeigt aber auch, zur Steuerung und Umsetzung des RS1-Projektes wird offensichtlich nicht auf Methoden des Projektmanagements zurückgegriffen, entsprechende Zeit- und Kostenvorgaben scheint es nicht zu geben. Die Verwaltung plant ins Blaue und es dauert eben so lange wie es dauert.

Der Radschnellweg ist, wenn man das Projekt nach der Geschwindigkeit beurteilt, mit der die Stadt es vorantreibt, eher als Radlangsamweg zu bezeichnen.

Entfernung alter Straßenbahngleise – Ständig kommt es in Bochum zu Unfällen von Motor- und Radfahrenden auf alten Straßenbahngleisen, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr von der Bogestra befahren werden.

So verkehren auf der Engelsburger Straße schon seit fast 50 Jahren keine Straßenbahnen mehr, aber die Stadt hat es bis heute nicht geschafft, die Schienen zu beseitigen, die Folge sind immer wieder zum Teil schwere Unfälle: Polizei Bochum 12.09.18WAZ vom 17.09.19. Gleiches gilt auch für andere Straßen, unter anderem die Wiemelhauser Straße: (Polizei Bochum vom 02.08.2020) oder den Harpener Hellweg (Polizei Bochum 08.08.21).

Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass, nachdem Gleise nicht mehr genutzt werden, diese umgehend beseitigt werden, besonders, weil sie für diejenigen, die mit Rad oder Motorrad unterwegs sind, eine große Gefahr darstellen.

Aber selbst ständig sich wiederholende Unfälle haben keinerlei Einfluss auf die Behäbigkeit, die Verwaltung und Bogestra bei der Beseitigung der alten Schienen an den Tag legen. Bis 2022 will man sich noch Zeit nehmen, erst dann sollen die uralten Gleise aus dem Stadtbild verschwunden sein (WAZ 05.10.2018).

Schulwegpläne – 2013 beschließt der Rat im Rahmen des Klimaschutzteilkonzept “Klimafreundlicher Verkehr” (Maßnahme Mob 8a), dass für jede Schule Schulwegpläne erarbeitet werden sollen, um auf diese Weise die Schulwege auf Gefahrenstellen zu untersuchen und sicherer zu machen (Stadt muss für sichere Schulwege sorgen). 2021, acht Jahre später, verfügt nicht mal eine Hand voll der rund 100 Bochumer Schulen über Schulwegpläne, geschweige denn über sichere Schulwege. Die Verwaltung weiß nicht mal genau, für welche Schulen bereits solche Pläne erarbeitet wurden (Mitteilung 20212223).

Derweil beschweren sich immer wieder Eltern über die Sicherheit der Schulwege (Schulweg zu gefährlich – ein Vater schlägt Alarm), doch das scheint die Verwaltung nicht zu kümmern. Immer wieder neu wird versprochen, endlich tätig zu werden und den Ratsbeschluss umzusetzen, doch tatsächlich geschieht nichts.

Die Verwaltung muss schneller und effektiver werden

Die 11 beschriebenen Fälle sind nur einige, die zeigen, dass die Verwaltung viel zu oft aufgrund wenig effektiver Organisation und fehlenden Projektmanagements nicht in der Lage ist eigentlich dringende Aufgaben in einem vertretbaren Zeitrahmen abzuarbeiten. Das gelingt den städtischen Unternehmen von Bochum-Marketing, Wirtschaftsförderung bis USB mit Ausnahme der Bogestra durchweg besser. Fälle, wie die beschriebenen, gibt es dort nur selten bis gar nicht. Das liegt auch daran, dass die städtischen Unternehmen schlanker organisiert sind und die Führungen der Unternehmen direkter auf eine effektive Abarbeitung der Aufgaben einwirken können, als dazu bisher Dezernent*innen und der Oberbürgermeister im der Lage sind.

Aus den dargestellten Fällen folgt, die Verwaltung muss dringend reformiert werden, damit die zu bewältigenden Aufgaben zukünftig schneller, effektiver und vor allem zielgerichteter bearbeitet werden können. Verfolgt die Stadt das Ziel Vorreiterin modernen Stadtmanagements zu sein, gehört dazu auch, dass in der Verwaltung erheblich zügiger gearbeitet wird und man sich verpflichtet fühlt Ergebnisse zeitnah vorzulegen und ggf. eingetretene Zeitverzögerungen zumindest teilweise wieder aufzuholen.

Die Arbeit in der Verwaltung dient nicht allein der Beschäftigung der Mitarbeiter*innen, die Einwohner*innen der Stadt haben einen Anspruch darauf, dass die Verwaltung sich effektiv organisiert und ihre Aufgaben prompt erfüllt.

Die STADTGESTALTER

11 Sep

Denkmalschutz verkehrt – Stadt verschenkt historische Pflastersteine der Uhlandstraße

Das Stadtparkviertel steht unter Denkmalschutz. Die Uhlandstraße ist eine der letzten Feldsteinstraßen, die noch im Ursprungszustand erhalten sind. Trotzdem verschenkt die Stadt unter der Hand die Pflastersteine. Denkmalschutz und der Erhalt der Straße scheinen nicht ernsthaft zu interessieren.

Was ist passiert? Die Stadtwerke schlossen zwei Häuser an der Uhlandstraße an das Fernwärmenetz an, nahmen dazu das historische Pflaster der Uhlandstraße auf, zogen einen Graben quer über die Straße, verlegten die Anschlussleitungen, schütteten den Graben wieder zu und stellten nicht etwa das Pflaster wieder her, sondern ersetzen die Pflasterung in bewährtem Bochumer Pfusch durch Asphalt.

Anwohner*innen vom Abtransport der Pflastersteine überrascht

Die Anwohner*innen wunderten sich, als die Pflastersteine von einem Bauarbeiter auf einen LKW geladen und weggeschafft wurden. Auf Nachfrage erklärte das Tiefbauamt: “Der Abtransport der Großpflastersteine wurde von hier angeordnet. Hintergrund ist der schon jetzt sehr desolate Zustand der Uhlandstraße und die bereits zahlreichen Oberflächenbefestigungen mit Asphalt. Im Zuge der zuletzt durchgeführten Fernwärmeanbindungen der Nachbarhäuser durch die Stadtwerke Bochum wurde den Stadtwerken Bochum daher die Oberflächenwiederherstellung mit Asphalt zugestanden, da eine Wiederherstellung mit Großpflaster als unverhältnismäßig angesehen wurde.” Telefonisch erklärte man den Anwohner*innen weiter, ein Straßenmeister des Tiefbauamtes habe einem Mitarbeiter der Firma hvt die Steine zur privaten Nutzung überlassen.

Das Verhalten des Tiefbauamtes lässt nur den Schluss zu, dass bereits ohne Rücksprache mit der Politik verwaltungsintern und entgegen der Zielrichtung der für das Stadtgebiet geltenden Denkmalschutzsatzung beschlossen wurde, die Pflasterung auf der Uhlandstraße zu beseitigen. Entsprechend sah man sich jetzt befugt die noch vorhandenen Pflasterscheine unter der Hand zu verschenken.

Stadtparkviertel steht unter Denkmalschutz, Ziel, die Erhaltung des historischen Stadtbildes

Dabei hat die Stadt das Stadtparkviertel bereits 1983 unter Denkmalschutz gestellt (Denkmalbereichssatzung Stadtparkviertel). Das Ziel ist die Erhaltung des historischen Stadtbildes des Viertels, also auch der Feldsteinstraße im Bereich der Uhlandstraße zwischen Am Bergbaumuseum und Herderallee. Das ursprüngliche Pflaster ist im Stadtparkviertel nur noch auf diesem Teilstück, auf der Graf-Engelbert-Straße und einem kurzen Teil der Lessingstraße vorhanden.

Doch das Verscherbeln von Steinen von historischen Straßen hat in der Stadt Tradition. Bereits Mitte der 80er Jahre verschwand ein Teil der Pflasterung der Uhlandstraße. Als Leitungen entlang der Straße neu verlegt werden mussten und in der Mitte der Straße ein rund zwei Meter breiter Graben ausgehoben wurde, hat die Stadt im Bereich des Grabens auch damals schon nicht etwa das Pflaster wieder hergestellt, sondern die Steine einfach durch Asphalt ersetzt (Uhlandstraße wird wieder nicht “Übelste Schlaglochpiste Deutschlands”).

Die Verunstaltung der Uhlandstraße begann vor 25 Jahren.
Verwaltung verspricht viel und tut nichts.

Die Verunstaltung der Uhlandstraße begann also bereits vor rund 25 Jahren. In über zwei Jahrzehnten, hat es die Stadt, trotz vieler Ankündigungen und Versprechungen trotzdem nicht geschafft, die Straße wieder vernünftig herzustellen und den üblichen Pfusch des Tiefbauamtes zu beseitigen. Seit Jahren behauptet die Verwaltung zwar, sie erstelle aktuell ein Konzept zur umfangreichen Sanierung der Straßen im Stadtparkviertel, doch vorgelegt wird der Politik nichts. Dass die Erarbeitung Jahrzehnte in Anspruch nimmt, ist kaum glaubwürdig. Die angebliche Erarbeitung des Konzeptes wird erkennbar als Ausrede für die fortgesetzte Untätigkeit vorgeschoben.

Der Fall Uhlandstraße bestätigt den Eindruck, dass die in der Verwaltung für die Instand- und Werterhaltung Zuständigen mit ihren Aufgaben offenbar völlig überfordert sind. Wenn eine Aufgabe wie die Wiederherstellung der Uhlandstraße nach 25 Jahren immer noch nicht erledigt ist, dann kann man das selbst bei gutem Willen nur noch als Arbeitsverweigerung seitens der Verwaltung ansehen.

Nach dem nunmehr aufgedeckten Vorfall ist endlich das ursprüngliche Pflaster der Straße wieder herzustellen. Sollte der jetzige Zustand weiter bestehen bleiben, besteht die Gefahr, dass die Verwaltungen weitere Teile der Pflasterung verschenkt. Die Politik sollte einen eindeutigen Beschluss treffen, der dies verhindert und der erneut klar macht, dass sie weiterhin das Ziel verfolgt das historische Stadtbild des Stadtparkviertels, einschließlich der historischen Straßenpflasterung zu erhalten, so wie es die Denkmalschutzsatzung in ihrer Zielsetzung bereits vorsieht.

Die Uhlandstraße zur Fahrradstraße zu machen ist keine gute Idee

Zu allem Überfluss haben die Grünen nunmehr angeregt, die Uhlandstraße in eine Fahrradstraße umzuwandeln. Statt sicheres Radfahren auf der Bergstraße zu ermöglichen, indem man den Autoverkehr auf der Straße auf Tempo 30 absenkt und diese dafür aus dem Vorbehaltsnetz nimmt, wollen die Grünen den Radfahrenden den Umweg über die Uhlandstraße zumuten (WAZ vom 06.09.21).

Sicher sollte auf der Uhlandstraße das komfortable Befahren des Pflasters durch Fahrräder ermöglicht werden, z.B. in dem die Pflasterung, wie etwa in Kopenhagen üblich, in den Bereichen, wo die Radfahrenden die Straße nutzen, flach und eben verlegt wird, so dass das Pflaster erhalten bleibt und gleichzeitig ein komfortables Befahren mit Zweirädern möglich wird. Eine Fahrradstraße würde allerdings die Asphaltierung der ganzen Straße erfordern, damit die Radfahrenden wie auf solchen Radstraßen üblich, die ganze Straßenbreite nutzen könnten. Der Vorschlag der Grünen ist somit, neben den Kritikpunkten die die Verwaltung zu diesem schon angebracht hat (WAZ vom 06.09.21), auch aufgrund des entgegen stehenden Ziels des Denkmalschutzes abzulehnen.

Politik muss Verwaltung besser kontrollieren und organisieren

Letztlich zeigt der Fall Uhlandstraße auch, dass die Politik die Verwaltung besser kontrollieren und organisieren muss. Wenn die Verwaltung über Jahre und zuletzt 2016 angibt ein Konzept für die Sanierung der Straßen im Stadtparkviertel zu erarbeiten für dessen Umsetzung laut Verwaltung angeblich bereits 2018 Mittel bereitgestellt werden sollten, dann kann die Politik der Verwaltung nicht 2021 weiterhin ihre Untätigkeit durchgehen lassen. Zu klären ist, wer verantwortlich ist und welche Prozesse in der Bauverwaltung schieflaufen, dass über Jahre Konzepte angekündigt und zugesagt, aber nie fertig und der Politik vorgelegt werden. Auch dass die Verwaltung eindeutige Beschlüsse der Politik wie den, das Stadtbild des Viertels zu erhalten, ignoriert und sukzessive das Verschwinden des historischen Pflasters wie die Verunstaltung des Straßenbildes vorantreibt, darf nicht länger geduldet werden.

Gegenüber den Bürger*innen, die denkmalgeschützte Häuser besitzen, achtet die Verwaltung penibel darauf, dass nichts verändert wird, was den Denkmalwert mindert. Sie selbst legt die gleichen Maßstäbe bei sich aber nicht an. Dieses Messen mit zweierlei Maß macht das Handeln der Stadt unglaubwürdig. Die Stadt sollte vielmehr zukünftig auch im Stadtparkviertel mit gutem Beispiel voran gehen.

11 Apr

Bochumer Bäder – Stadt steht vor Trümmerhaufen

Bis spätestens zum 31.12.20 sollte das “Zukunftskonzept” für die Bochumer Schwimmbäder dem Stadtrat vorgelegt werden (Vorlage 10171235/1). So hatte es der Rat 2017 beschlossen. Nichts liegt vor. Die Bäder verrotten weiter. Die Zukunft der Bäder ist weiter ungewiss. Es darf spekuliert werden, welches Bochumer Bad muss wegen technischem Defekt als nächstes für immer schließen.

Das fehlende Bäderkonzept in Bochum ist leider ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die mit entsprechenden Aufgaben betrauten städtischen Ämter und Unternehmen immer wieder über eindeutige Vorgaben des Rates hinwegsetzen. Gleiches ist zuletzt beim Radverkehrskonzept (Stadt und Politik blockieren Radwegeausbau) und der Digitalisierung der Schulen (Digitaloffensive: Tempo bei der Schul-Digitalisierung deutlich erhöhen) geschehen.

Die Stadt widersetzt sich Ratsbeschlüssen und verhindert die Erstellung gesamtstädtischer Konzepte

Wie beim Radverkehr und der Digitalisierung der Schulen fehlt auch bei den städtischen Schwimmbädern seit Jahren ein klares Zukunftskonzept mit Zeitplan, das konsequent umgesetzt wird. Die Vorgaben des Rates, solche Konzepte und Zeitpläne zu erstellen, werden ignoriert, ihre Erstellung hintertrieben. Mit aller Macht wird versucht zu verhindern, dass die Aufgaben anhand klarer Vorgaben des Stadtrates erfüllt werden. Rot-Grün schaut dem Treiben tatenlos zu und billigt es.

Sowohl bei den Bädern wie beim Radverkehr und der Schuldigitalisierung zieht es die Verwaltung vor sich durchzuwurschteln. Die Einsicht, dass eine stringente Entwicklung von Bädern, Radverkehr sowie der Schuldigitalisierung nur auf Basis von gesamtstädtischen Konzepten möglich ist, die die Bedürfnisse der Menschen in der ganzen Stadt im Blick haben und mit denen langfristig zu erreichende Perspektiven und Ziele verfolgt werden, fehlt.

Ursache für die maroden Schwimmbäder ist eine ziel- und konzeptionslose Bäderpolitik

Der marode Zustand der städtischen Schwimmbäder und deren geringe Besucherzahlen ist das Ergebnis einer über Jahrzehnte dauernden konzeptions- und ziellosen Schwimmbadpolitik der Stadt. Statt einer ordnungsgemäßen Instandhaltung beschränkte man sich auf Flickschusterei. Grundlegendes passierte allenfalls dann, wenn ein Schwimmbad vor dem Kollaps stand (Freibad Werne), in den meisten Fällen geschah aber selbst in diesem Fall nichts, die Stadt schloss das entsprechende Bad einfach (Stadtbad, Bad im Südpark).

Während die Besucherzahlen über Jahre sanken, explodierten die Kosten. So lange, die Bäder von der Verwaltung betrieben wurden, war es zudem üblich, die Kosten klein zu rechnen. Mit Gründung der städtischen Bädergesellschaft 2018 stellte sich heraus, die jährlichen Kosten für die drei Hallenfreibäder, die zwei Freibäder und das Unibad lagen pro Jahr nicht bei 6,5 Mio. Euro wie von der Verwaltung angegeben, sondern tatsächlich bei 9 Mio. Euro/Jahr (Jahresabschluss 2019). Auch hatte das Sport- und Bäderamt durchaus diverse Kalkulationen zur Ermittlung der Höhe des Sanierungsstau bei den bestehenden Bädern erstellen lassen, ob der gigantischen Summen, die sich dabei ergaben, wurden die entsprechenden Gutachten aber in den Schulbladen der Verwaltung versteckt und der Politik vorenthalten, um diese nicht zu verschrecken.

Das Zukunftskonzept für die Schwimmbäder wird seit Jahren verhindert

Irgendwann 2015 erstellte die Verwaltung einen Wasserflächenbedarfsplan auf und ermittelte welche Wasserflächen Schulen und Vereine der Stadt in Zukunft benötigen würden. Auf dieser Basis wäre es möglich gewesen, ein Bäderkonzept für die Gesamtstadt aufzustellen, um dabei zu ermitteln, an welchen Orten in der Stadt Schwimmbäder in welcher Größe benötigt werden (Bochum braucht ein gesamtstädtisches Schwimmbadkonzept). Dabei wäre damals wie heute zu betrachten gewesen, mit welchen Bäderkonzepten (Spaßbad, Freizeitbad, oder Funktionsbad) man wie viele Besucher in die Bäder lockt und in wie weit es sich lohnt die bestehenden Bäder zu sanieren bzw. zu modernisieren oder gleich neue, moderne Schwimmbäder zu bauen. Dazu hätte diese Betrachtung auch eine Standortanalyse umfassen sollen, um dem Ziel gerecht zu werden, dass jeder Einwohner der Stadt und die Schüler*innen jeder Schule ein Bad auch ohne Auto in angemessener Zeit erreichen können.

Doch weder Verwaltung noch Politik waren 2015 bereit ein solches Konzept aufzustellen. Nur auf dem Papier sprach man sich für die Erstellung eines Zukunftskonzepts für die Schwimmbäder aus, tatsächlich wurde die Erstellung systematisch boykottiert. Entsprechend wurde diese über Jahre immer wieder aufgeschoben. Zuletzt mit der Gründung der Bädergesellschaft 2017, als der Rat beschloss, das Konzept müsse erst – viel zu spät – bis spätestens zum 31.12.2020 vorliegen (Vorlage 20171235/1).

Absehbar verstrich nach Ablauf von über drei Jahren selbst dieser Termin ohne das irgendetwas vorgelegt wurde. Der Stadtwerkesprecher musste zugeben, dass die Erstellung des Konzeptes nicht ernsthaft angegangen wurde und bis heute nicht mal die Vorarbeiten abgeschlossen wurden. Gegenüber der WAZ erklärte er: “Die Wasserflächenplanung ist beauftragt. Die Bestandsanalyse läuft zurzeit” (WAZ vom 20.03.21). Empörung bei Rot-Grün, dass die Vorgabe des Rates zur Vorlage des Zukunftskonzeptes für die Bäder erneut nicht eingehalten wurde, ist erwartungsgemäß nicht zu hören. Dass die Verwaltung oder hier die Bädergesellschaft sich verpflichtet fühlt vom Rat vorgegebene Termin einzuhalten, wird ohnehin nicht erwartet. SPD und Grüne waren in dieser Hinsicht noch nie bereit bei der Stadt den erforderlichen Respekt gegenüber Entscheidungen des Stadtrates einzufordern oder gar durchzusetzen.

SPD und Grüne haben versprochen, was sie nicht halten können

Aber für SPD und Grüne gibt es noch ein viel schwerwiegenderes Problem. Allen ist klar, dass eine Bäderlandschaft, die deutlich mehr Besucher anlockt und den städtischen Haushalt mit deutlich weniger Kosten pro Jahr belastet, voraussichtlich nicht den Weiterbetrieb der bestehenden Hallenfreibäder vorsehen wird, sondern viel mehr den Bau neuer attraktiverer Bäder an anderen, besser erreichbaren Standorten. Ein Bäderkonzept, das die ganze Stadt im Blick hat, wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein zentrales Spaß- und Freizeitbad mit funktionalem Schwimmbadteil und daneben zwei bis drei funktionale Hallenbäder für das Schul- und Vereinsschwimmen sowie ein Freibad und das Unibad vorschlagen (Bochum braucht ein gesamtstädtisches Schwimmbadkonzept). Damit würde das Bäderkonzept diametral dem Versprechen von Rot-Grün entgegenstehen, alle noch bestehenden Badstandorte zu erhalten.

So befinden sich SPD und Grüne seit Jahren in einem Dilemma. Entweder sie brechen ihr Versprechen alle Badstandorte zu erhalten und verfolgen ein modernes Bäderkonzept oder sie halten an ihrem Versprechen fest und versuchen weiter das Bäderkonzept zu verhindern. Das Verhindern des Bäderkonzepts verhindert jedoch gleichzeitig moderne und attraktive sowie für den Schulsport geeignete Schwimmstätten. Die jährlichen Kosten für Betrieb und Unterhaltung werden weiter steigen, während die Besucherzahlen auf lange Frist weiter abnehmen. Schon heute decken die Eintrittspreise nur noch 15 % der jährlich anfallenden Kosten. Da andererseits die Stadt das Geld für die Sanierung und Modernisierung der vorhandenen Bäder nicht hat und auch aus dem Betrieb bei langfristig abnehmenden Besucherzahlen nicht erwirtschaften kann, werden auch die Bäder in Linden, Langendreer und Hofstede wie schon die Bäder in Höntrop und Werne sowie das Stadtbad in wenigen Monaten bis Jahren ihren Geist aufgeben und stillgelegt werden müssen, vermutlich dann für immer. Spätestens wenn der Zuschuss für die Bäder die 10 Mio. Marke überschreitet, wird Rot-Grün das Versprechen alle Badstandorte zu erhalten, nicht mehr einhalten können.

Ein Zukunftskonzept für die Bochumer Schwimmbäder ist unumgänglich

Weiter zu versuchen das Zukunftskonzept für die Bäder zu verhindern, schadet also der Stadt, denn damit wird eine marode Bäderlandschaft konserviert, die die meisten Einwohner*innen für unattraktiv halten, mit Bädern die durchweg für das Schulschwimmen ungeeignet sind, die aber die Stadt Unsummen kostet. Es ist höchste Zeit umzudenken.

22 Mrz

Stadt fehlt Konzept zum zukünftigen Bedarf von Büroflächen

Gegen den Homeoffice-Trend mietet die Stadt Bochum immer weitere Büroflächen für teures Geld an und will jetzt noch mindestens 3,2 Mio. Euro mehr ausgeben, um die neuen Räumlichkeiten den heutigen Bedürfnissen einer immer mobileren und kommunikativeren Arbeitswelt anzupassen.  Der Stadt fehlt ein Konzept wie sie dem zukünftig abnehmenden Bedarf an Büros gerecht werden will.

Für 15,50 Euro pro Quadratmeter mietet die Stadt 15.000 qm Büroflächen im neuen Viktoria Karree am Husemannplatz an (26,5 Mio. Subvention für Einkaufszentrum), darüber hinaus sollen für 13,50 Euro/qm weitere 1.960 qm in neuen 6. Stockwerk des Technischen Rathaus angemietet werden (WAZ vom 22.07.19). Jetzt will die Stadt diese Fläche für “neue Arbeitswelten” der Verwaltung herrichten lassen, was weitere Kosten in Höhe von mindestens 3,2 Mio. Zur Folge hat. Dabei wurden Kosten für zusätzliche Schallschutzmaßnahmen bei den Räumlichkeiten im Viktoria Karree, die diese Maßnahme ebenfalls nach sich zieht, ausdrücklich noch nicht berücksichtigt, da die noch nicht feststehen (Vorlage 20200561).

Mehr Homeoffice bedeutet weniger Bedarf an Büroflächen

Im Gegenzug sollen im Viktoria Karree zusätzliche 80 (866 statt 786) und im 6. Stock des Technischen Rathaus zusätzliche 44 “Arbeitsplatzorte” (167 statt 123) entstehen. Bei dem von der Verwaltung verfolgten Konzept “Neuer Arbeitswelten”, rechnet die Stadt mit Arbeitsplatzorten, die teilweise durch mehrere Mitarbeiter*innen genutzt werden können, die wechselweise auch von zu Hause arbeiten können. Wie die Coronapandemie gezeigt hat, ist in dieser Hinsicht das Potential enorm und auch der Wunsch der Verwaltungsmitarbeiter, einen Teil ihrer Arbeit vom Heimarbeitsplatz zu erledigen, stark gewachsen. Es stellt sich trotzdem die Frage wird dieses Potenzial durch das neue Arbeitsweltenkonzept ausgeschöpft? Wie viele städtische Mitarbeiter*innen wollen nach der Pandemie, wie viel von zu Hause aus arbeiten? Welche Verwaltungsstandorte kann und will die Stadt zukünftig aufgeben? Wie viel Kosten sollen auf diese Weise wie eingespart werden? Dazu finden sich in der genannten Verwaltungsvorlage (Vorlage 20200561) leider keine Antworten, denn ein Konzept zur zukünftigen Entwicklung der Anmietung von Büroflächen gibt es bisher nicht.

Aufgrund der pandemiebedingten Entwicklung beim Homeoffice, insbesondere der damit verbundenen neuen Erfahrungen und gestiegenen Akzeptanz bei Mitarbeiter*innen und Personalräten, sind sämtliche Überlegungen zu diesem Bereich aus Zeiten vor der Pandemie obsolet. Die Möglichkeiten von Homeoffice sind grundlegend neu zu bewerten. Die während der Pandemie gesammelten Erfahrungen zeigen, dass viel mehr Mitarbeiter*innen als angenommen ihre Arbeit zumindest teilweise von zu Hause erledigen können und dazu auch bereit sind.

Eine grundlegende Neuberechnung der städtischen Büroflächenbedarfe ist erforderlich

Die Verwaltung müsste also die Bedarfe an Präsenzarbeitsplatzorten in den verschiedensten Ämtern und Bereichen der Verwaltung völlig neu berechnen. Erst auf dieser Grundlage ließe sich dann der neue Bedarf an Büroflächen ermitteln. In einem weiteren Schritt wäre zu entscheiden, welche Büroflächen aufgegeben werden sollten, weil diese nicht mehr benötigt werden. Dabei sollten verschiedene Entscheidungskriterien Anwendung finden, insbesondere ob die Flächen den veränderten Anforderungen an Arbeitsplatzorte gerecht werden, die Anmietungskosten sowie die Standorte der Gebäude. Denn Ziel sollte es sein die Verwaltung auf möglichst wenige nah beieinander liegende Standorte zu konzentrieren.

Es ist also verwunderlich, dass die Stadt für die neu zu errichtenden Büroflächen zwar ein in jedem Fall sinnvolles Konzept für neue Arbeitswelten umsetzen will, ein Konzept zur zukünftigen Entwicklung der Anmietung von Büroflächen aber fehlt und bisher auch nicht angekündigt wurde. Dabei müsste ein solches Konzept die Basis für die Entscheidung sein, an welchen Standorten, wie neue Arbeitsplatzorte geschaffen werden sollten. Ohne ein solches Konzept ist zu befürchten, dass die Stadt langfristige Mietverträge für Büroräumlichkeiten eingeht, die mittel- bis langfristig gar nicht mehr benötigt werden, weil sich die Arbeit zu einem wesentlichen Teil zu den Mitarbeiter*innen nach Hause verlagert hat.

Der Bau von stadteigenen Gebäuden ist der langfristigen Anmietung von Büroflächen vorzuziehen

Insgesamt bleibt auch die Frage unbeantwortet, in wie fern die Verwaltung prüft, ob nicht auch ein Kauf oder ein Neubau von Gebäuden die Anmietung von Flächen beenden könnte. In zahlreichen Beispielen hat die Berechnung von Kosten im Nachhinein gezeigt, dass das Anmieten auf Dauer immer teurer war als eigene Gebäude zu errichten und zu nutzen.

Im Gegenteil, Flächen, die im städtischen Besitz sind, könnten teilwiese auch vermietet werden und auf diese Weise Einnahmen generiert werden, anstatt, wie beim Viktoria Karree geschehen, mit der Anmietung von Büroflächen Einkaufszentren quer zu subventionieren (26,5 Mio. Subvention für Einkaufszentrum). Eine Anmietung ist eigentlich nur für Büroräumlichkeiten sinnvoll, für die mittel- bis langfristig kein Bedarf gesehen wird und die dann, wenn sie nicht mehr benötigt werden, wieder schnell abgestoßen werden können. Gegenüber einer Anmietung von Räumlichkeiten über einen Zeitraum von 30 Jahren, wie diese von der Stadt regelmäßig vorgenommen werden, ist der Bau eigener Gebäude aus wirtschaftlichen Erwägungen dagegen immer vorzuziehen.

Vor Zustimmung zu Mehrausgaben von 3,2 Mio. ist eine Neuberechnung des städtischen Büroflächenbedarfs erforderlich

Im Ergebnis ist also eine Entscheidung über die Investition von 3,2 Mio. in “neue Arbeitswelten” in den neu zu errichtenden Räumlichkeiten des Viktoria Karrees und des 6. Stockwerks des technischen Rathauses nur möglich, wenn die Stadt dem Stadtrat eine Neuberechnung der zukünftig von der Verwaltung benötigten Büroflächen auf Basis der grundlegend veränderten Bedingungen vorlegt. Entsprechend kann die Fraktion von PARTEI und STADTGESTALTERn, der vorliegenden Beschlussvorlage erst zustimmen, wenn eine schlüssige Neuberechnung der zukünftigen Büroflächenbedarfe vorliegt, aus der ebenfalls hervorgeht, welche Gebäude die Stadt in der Zukunft noch nutzen und welche sie kurz- bis mittelfristig aufgeben will und wie sich die Kosten für die Bereitstellung der städtischen Büroräumlichkeiten in den nächsten Jahren dadurch entwickeln werden.

17 Jan

Uhlandstraße wird wieder nicht “Übelste Schlaglochpiste Deutschlands

Die Gesichter in der Bochumer Stadtverwaltung sind lang. Erneut scheiterte man mit der Bewerbung der Uhlandstraße für die “Übelste Schlaglochpiste Deutschlands”. Seit über 30 Jahren meldet das Fachamt für fachgerechte Pflege von Schlaglöchern und Flickschusterei die Uhlandstraße zu dem Wettbewerb an, der jeweils zum Tag des Schlaglochs am 15. Januar von der Gesellschaft für deutsche Schlaglochforschung ausgelobt wird.

Aber auch diesmal hatte die Bewerbung keinen Erfolg. Der Sieg ging, wie schon im Vorjahr, erneut nach Gelsenkirchen.

Die Schaffung eines Schlaglochmeisterwerks

Dabei hat die Stadt mit der Uhlandstraße in den 80er Jahren ein besonderes Schlaglochmeisterwerk geschaffen. Ursprünglich handelte es sich um eine Feldsteinstraße mit entsprechend großem Kopfsteinpflaster, bis irgendwann um 1985 ein Abwasserkanal entlang der Straße neu verlegt werden musste und in der Mitte der Straße ein rund zwei Meter breiter Graben ausgehoben wurde. Nachdem dieser wieder verfüllt wurde, fiel den Mitarbeitern der beauftragten Baufirma auf, dass die zur Abdeckung des Grabens erforderlichen Pflastersteine unplanmäßig abhandengekommen waren, also asphaltierte Dampfwalzenfahrer Jakob Beuys kurzentschlossen freihändig den gesamten Grabenbereich. Das fiel zunächst auch gar nicht auf, weil zur damaligen Zeit traditionell vor Ort keine Abnahme der Arbeiten nach Beendigung der Baustelle stattfanden und der zuständige städtische Mitarbeiter zeitgleich auf einer feuchtfröhlichen Feier des beauftragten Bauunternehmers eingeladen war.

Denkmalschutz schlägt Alarm

Doch bald kamen den Anwohnern der Straße Zweifel, ob die Asphaltbahn auf der Mitte der Pflasterstraße, eine von der Stadt beabsichtigte Verschönerung ihres Wohnumfeldes darstellen sollte und fragten bei der Unteren Denkmalbehörde nach. Diese schlug Alarm, durch die Zerstörung des Pflasterbelags sei die historische Ansicht des Stadtparkviertels schwer beschädigt und damit das denkmalgeschützte Bild des Viertels verhunzt worden.

Meisterwerk von Beuys, aber doch nicht von dem Beuys

Zunächst redete sich das zuständige Amt darauf heraus, es hätte sich bei dem Akt der Asphaltierung um eine Kunstaktion des bekannten Künstlers J. Beuys gehandelt. Der hier die Traditionen des Großbürgertums, die sich in der Optik des Stadtparkviertels manifestiert hätten, brutal mit den Mitteln modernen Straßenbaus im Chick der 80er-Jahre aufgebrochen habe. Bei der Verleihung des Bochumer Stadtbild-Kunstpreises an den vermeintlichen Künstler und Dampfwalzenfahrer Jakob Beuys, erklärt dieser jedoch, er sei nur über sechs Ecken mit dem Künstler Joseph Beuys verwandt und hätte diesen auch nur einmal im Leben getroffen als er seine frisch geteerte Garagenausfahrt gewalzt habe. Auch würde er auf seinem Pausenbrot seit 30 Jahren Käseecken Fettecken vorziehen.

Die Suche nach den Pflastersteinen

Die Denkmalbehörde beharrte auf Wiederherstellung des historischen Kopfsteinpflasterbelages. Doch die fehlenden Pflastersteine waren nicht aufzufinden. Leitende Mitarbeiter der Baufirma hatten die Steine vermutlich an mafiös organisierte Pflastersteinschmugglerbanden vertickt, die diese an Häuslebauer zum Pflastern ihrer Gartenwege weiterverkauft hatten. Die Ermittlungen der von OBin Scholz persönlich eingesetzten 6-köpfigen Pflasterstein-Suchkommission verloren sich immer wieder im Baltikum. Die Steine blieben bis auf drei, die Bauarbeiter sich als Andenken für die Kanalbauarbeiten mitgenommen hatten, unauffindbar.

Es wurde eine neue Sachabteilung zur Rekonstruktion des Pflasterbelages gebildet. Im Straßenbau um die Jahrhundertwende kundige Historiker wurden zu Rate gezogen, um das aufwendige Projekt “Rekonstruktion historisches Pflaster Uhlandstraße” aufzunehmen. In einem 3D-Modell sowie anhand historischer Straßenansichten wurden zunächst alle fehlenden Pflastersteine ermittelt, die Lage kartografiert sowie Form, Farbe, Geschmack und Textur jedes einzelnen der 321.456 fehlenden Steine in einem individuellen Steckbrief erfasst. Die Historiker fanden heraus, dass die fehlenden Steine aus einem Steinbruch nahe dem Ort Chostka in Ostpreußen stammen. Kurzzeitig wurde angedacht den Steinbruch zwecks Herstellung neuer Steine wieder in Betrieb zu nehmen. Dieser Plan wurde jedoch von den polnischen Naturschutzbehörden letztlich abgelehnt.

Also begab sich die neu gegründete Fachabteilung “Wiederherstellung historisches Pflaster Uhlandstraße” weltweit auf die Suche nach einem Steinbruch, in dem die Steine in Originalqualität nachproduziert werden könnten. Man wurde schließlich in einem unzugänglichen Tal in Nordwest-Armenien fündig. Nach umfangreicher Prüfung der eingesetzten Historikerkommission kam endlich das OK, dass die Steine hier neu produziert werden könnten.

Vorbereitungen und Planungen gehen in das vierte Jahrzehnt

Jetzt bleibt nur noch zu klären, in welcher Bauweise die zu rekonstruierende Straße neu aufgebaut werden soll. Gemäß Ausführungen der zuständigen Behörde muss die Wohnstraße heute ganz anderen Belastungen, standhalten (Mitteilung 20162898), denn statt Pferdefuhrwerken, wird die Straße seit den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts vermehrt von Automobilen befahren. Auch für Radfahrer sei die Pflasterung in der historischen Form ungünstig. Entsprechend wurde eine 100 Meter lange Teststrecke eingerichtet, auf der seit 2010 drei unterschiedliche Straßenaufbauten einem 5-jährigen Belastungstest unterzogen werden.

Überlegt werden soll auch, ob die Straße auf einer Länge von 10 Meter im jetzigen Zustand mit einem markanten Schlagloch als Mahnmal erhalten werden soll. Damit soll auch an die lange Zeit erinnert werden, in der die Straße von namhaften Automobil- und Fahrradbauern als Teststrecke für ihre Geländefahrzeuge genutzt wurde. Das Prüfsiegel “Uhlandstraßen prooved” steht seit Jahrzehnten weltweit für die besondere Geländegängigkeit von Stadt-SUVs.

Doch noch Siegchancen im Rennen um die “Übelste Schlaglochpiste Deutschlands”

Nach diesen umfangreichen Vor- und Planungsarbeiten, kann, wenn alles gut läuft und keiner der schon seit 40 Jahren mit dem Projekt befassten Mitarbeiter pensioniert wird, mit der Wiederherstellung der Uhlandstraße schon gegen Ende der 2020er-Jahre gerechnet werden. Es ist also noch etwas Zeit den begehrten Preis der “Übelste Schlaglochpiste Deutschlands” dem übermächtig erscheinenden Konkurrenten aus Gelsenkirchen zu entreißen. Schon 2022 könnt es so weit sein. Nach den Vorschlägen des Fachamtes für fachgerechte Pflege von Schlaglöchern und Flickschusterei soll zu Beginn der nächsten Frostperiode ein Team russischer Schlagloch-Profis aus der sibirischen Taiga nach Bochum kommen, das die Straße bei einer Temperatur von unter -5°C mit Wasser fluten und dann mit einem sowjetischen T-35-Panzer befahren will. Das zuständige Amt ist überzeugt, auf diese Weise lassen sich Schlaglöcher erzeugen, in denen ohne Probleme ein Kleinkind samt Puckroller verschwinden kann. In der Stadt gibt man sich siegesgewiss, dem wird selbst Gelsenkirchen nichts entgegensetzen können.

Abstimmungen der Abstimmungen wegen

Es könnte also “plausible” Gründe geben, warum die Straße seit den 80er Jahren nicht wieder hergestellt wurde oder es liegt einfach an der Untätigkeit, Unwilligkeit oder fehlender Kompetenz der zuständigen Ämter. 2016 erklärte das Tiefbauamt, die Abstimmungsgespräche innerhalb der Verwaltung, insbesondere mit der Unteren Denkmalbehörde, seien noch nicht abgeschlossen (Mitteilung 20162898). Das scheint 2021 immer noch nicht der Fall zu sein. Die Bürger*innen fragen sich, wie es möglich sein kann, dass solche Gespräche auch nach Jahren immer noch zu keinerlei Ergebnissen geführt haben.