Bochumer Bürokratie wächst ungebremst
Die Zahl der Stellen und Mitarbeiter in der Bochumer Stadtverwaltung nimmt seit Jahren zu (Grafik). 2017 wird die Zahl von 4.355 Stellen (ohne Job-Center) erreicht. Die Ausgaben für das städtische Personal steigen auf 292,5 Mio. Euro (Personal- und Versorgungsaufwendung). 2011 waren es noch 271 Mio. 11% der Stellen sind allerdings aktuell unbesetzt (484 Stellen, Mitteilung 20163208 auf Anfrage der Fraktion FDP & STADTGESTALTER). 9,2% der Mitarbeiter fehlen darüber hinaus wegen Krankheit. Fast 800 Euro kostet das städtische Personal rechnerisch jeden Einwohner der Stadt pro Jahr, Fast 900 Euro, wenn man zu den reinen Personal- noch die Versorgungsaufwendungen hinzurechnet.
Personalausgaben sollten auf 500 Euro/ Einwohner sinken
2011 hatte die Bezirksregierung die Vorgabe gemacht, die Personalausgaben sollten auf 500 Euro pro Einwohner sinken. (NRZ vom 07.10.11), Damals lagen die Ausgaben für städtische Personal bei rund 600 Euro pro Einwohner. Doch die Ausgaben sind in den folgenden 6 Jahren nicht etwa um 100 Euro/ Einwohner gesunken, sondern um 200 Euro gestiegen. Das Ziel der Politik, die städtischen Personalkosten zu senken, wurde völlig verfehlt.
Obwohl die Zahl der Bochumer Einwohner seit 1975 kontinuierlich um fast 50.000 Einwohner sank und der Produktivitätszuwachs durch EDV-Einsatz und Digitalisierung im gleichen Zeitraum gewaltig war, stieg die Zahl der städtischen Mitarbeiter immer weiter an. Ein teures Phänomen.
Mangelhafte Arbeitsorganisation
Die Ursachen für diese Kostenentwicklungen sind vielfältig. Hauptursache ist die schlechte, insbesondere umständliche und demotivierende Arbeitsorganisation. Dazu vier Beispiele:
Spieldrache – Bürger wollen einen Spieldrachen bauen und der Stadt schenken. Man würde erwarten, dass die Stadt einen geeigneten Platz sucht, diesen anbietet, einen politischen Beschluss herbei führt und die Bürger beim Bau unterstützt. Tatsächlich wird zunächst alles daran gesetzt das Projekt zu verhindern (LK vom 11.03.2014), dann werden dutzende Ämter bemüht, um die Bürger mit Auflagen zu überschütten. Am Ende sucht der Stadtbaurat persönlich mit den Bürgern nach einem geeigneten Platz. Die Stadt war aber nicht in der Lage den Bürger, Wasser, Strom oder einen Bauzaun zur Verfügung zu stellen, obwohl der Drache direkt neben dem Rathaus entsteht. Auf Seiten der Verwaltung entstehen hunderte unproduktive, teuer bezahlte Arbeitsstunden.
Beteiligungsberichte – Die Stadt ist gesetzlich verpflichtet jährlich Beteiligungsberichte über die Unternehmen zu veröffentlichen (§117 GO-NRW), an denen die Stadt beteiligt ist. In diesem Bericht werden, Daten der Beteiligungsunternehmen, Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Entwicklungsbericht zusammengefasst (Beispiel Beteiligungsbericht 2012). Die in dem Bericht darzustellenden Informationen liegen der Stadt vor, sie müssen in dem Bericht nur zusammengestellt werden. Ein Mitarbeiter wäre mit dieser Aufgabe maximal eine Woche beschäftigt. Seit 2013 wurde jedoch kein einziger Beteiligungsbericht mehr angefertigt. Begründung, es fehle an Mitarbeitern. In der entsprechenden Mitteilung wird der Eindruck erweckt, die Verwaltung brauche für die Erstellung der Beteiligungsberichte mindestens einen zusätzlichen Mitarbeiter (Mitteilung 20172013 auf Anfrage der Fraktion FDP & STADTGESTALTER)
Fehlendes Gewerbeflächenkataster – Die Wirtschaftsförderung ist nicht in der Lage ein Auflistung der Gewerbe-, Wohn- und Brachflächen vorzulegen, die aktuell vermarktet werden oder zur Vermarktung vorgesehen sind (Mitteilung 20163114 auf Anfrage der Fraktion FDP & STADTGESTALTER). Es gibt kein entsprechendes Kataster mit Steckbriefen zu den entsprechenden Flächen, die die Stadt anbietet und die zu jeder Fläche die vorliegenden Informationen darstellt. So verwundert es nicht, dass die Stadt nicht in der Lage ist, die entsprechenden Flächen zu vermarkten wenn es bereits an einem Kataster fehlt.
Fehlendes Kundenmanagement – Die Wirtschaftsförderung ist nicht in der Lage anzugeben mit welchen Unternehmen sie Gespräche mit welchem Ergebnis geführt hat. Sie erstellt keine Auswertungen, welche Unternehmen mit welchen Wünschen an sie heran getreten sind. Sie tappt über die Wünsche der Kunden völlig im Dunkeln und kann daher auch kein den Wünschen entsprechendes Angebot bereitstellen. Erst jetzt, wo das Amt für Wirtschaftsförderung in die WiFö-GmbH überführt wurde, hat man begonnen ein Kundenmanagementsystem aufzubauen (Mitteilung 20163040 auf Anfrage der Fraktion FDP & STADTGESTALTER).
Kein Antrieb Arbeitsorganisation und Betriebsklima zu verbessern
Kein Unternehmen könnte sich so eine schlechte und ineffiziente Arbeitsorganisation leisten. Würde das Unternehmen derartige Probleme nicht zeitnah abstellen, wäre es insolvent und die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz los. Im öffentlichen Dienst besteht dagegen kein Handlungszwang, steigen die Personalkosten, muss der Bürger für die zusätzlichen Kosten ohne Murren aufkommen. Kommt es aufgrund schlechter Arbeitsorganisation oder planloser Stellenbesetzungssperren zu Arbeitsüberlastungen bei Mitarbeiter, dann interessiert das am Ende niemanden. Entsprechend tut sich auch in Bochum in dieser Richtung nichts.
Eine ineffiziente Arbeitsorganisation und ein schlechtes Betriebsklima ziehen wiederum einen hohen Krankenstand nach sich. Das ist in privaten Unternehmen nicht anders als in Verwaltungen. Unternehmen aber müssen, etwas tun, damit die Abläufe sich verbessern, die Mitarbeiter motiviert sind und mit hoher Einsatzbereitschaft gerne zur Arbeit kommen. Diesen Antrieb gibt es im öffentlichen Dienst nicht. Die Zustände bleiben also unverändert. Entsprechend ist der Krankenstand in der Bochumer Verwaltung mehr als doppelt so hoch wie bei Arbeitnehmern sonst, und ein Drittel höher als im öffentlichen Dienst sonst üblich. 23,4 Mio. Euro gibt die Stadt für Mitarbeiter aus, die aufgrund von Krankheit gar nicht da sind.
Mindestens. 60 Mio.Euro ließen sich einsparen – Warum passiert trotzdem nichts?
Würde die Arbeitsorganisation und das Betriebsklima grundlegend verbessert, käme die Stadt mit 20-30% weniger Mitarbeitern aus und könnte so jedes Jahr mindestens 60 Mio. bei Personal- und Versorgungsaufwendungen einsparen. Das hat bereits die Bezirksregierung 2011 ausgerechnet.
Warum wird trotzdem nicht gehandelt? Insbesondere zwei Akteure wehren sich entschieden gegen ein konsequentes Handeln. Im Fokus von Gewerkschaften und Personalrat stehen immer wieder höhere Einkommen und mehr Personal, eine Verbesserung von Arbeitsorganisation und Betriebsklima würde hingegen zwangsläufig einen Personalabbau nach sich ziehen. Dementsprechend sind von dieser Seite seit Jahrzehnten in dieser Richtung keine ernsthaften Initiativen festzustellen.
In gleicher Weise betreibt die SPD eine klassische Klientelpolitik, ein beträchtlicher Teil ihrer Wählerschaft arbeitet für die Stadt oder städtische Unternehmen. Ernsthafte Bemühungen eine effizientere, schlankere Verwaltung zu schaffen, würde Wähler kosten. Also alimentiert man lieber die Verwaltung auf Kosten der anderen Bürger, die für diese Klientelpolitik derzeit jedes Jahr mindestens 300 Euro pro Jahr mehr an die Stadt zahlen als nötig.
Mitarbeiter sind frustriert
Spricht man allerdings mit den städtischen Mitarbeitern so ist die Unzufriedenheit mit Arbeitsorganisation und Betriebsklima in der Stadt groß. Viele fühlen sich machtlos und sind es satt, dass von ihnen mehr und mehr Arbeit zu bewältigen ist, weil ihnen keine Eigenverantwortung zugemutet wird und sie die Arbeit von immer mehr Kollegen mitmachen sollen, die aufgrund von unbesetzten Stellen oder Krankheit fehlen. Extreme Hierarchien und übermäßig regelorientierte Arbeit demotiviert sie, ebenso wie ungeeignete Vorgesetzte, die nicht aufgrund ihrer Kompetenz und Leitungsfähigkeiten befördert wurden, sondern aus sachfremden, teilweise rein politischen Erwägungen.
Die Herstellung einer gut organisierten städtischen Verwaltung bei einem ausgezeichneten Betriebsklima liegt also nicht nur im Interesse der Bürger, sondern ist auch ein dringender Wusch vieler städtischer Mitarbeiter. Die Politik sollte den Mut finden, hier endlich zu handeln.
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