05 Mrz

Radverkehrskonzept ist kaum zu gebrauchen

Nach fast 3 Jahren Bearbeitung legt die Verwaltung ein enttäuschendes Radverkehrskonzept vor. Zwar zeigt ein Radverkehrsanlagenkataster wie mangelhaft das bestehende Radverkehrsnetz der Stadt ist. Doch ein Katalog mit den in den nächsten 10 Jahren umzusetzenden konkreten Maßnahmen fehlt. Der Wunsch der Radfahrenden nach schnellen, direkten Wegen wird missachtet. Statt Radwegen entlang der Hauptverkehrsstraßen will die Stadt in den nächsten Jahren bevorzugt Velorouten entlang von Nebenstraßen bauen.

Das Radverkehrskonzept von 1999 sah die Erstellung eines 510 Kilometer langen Radwegenetzes, insbesondere entlang der Hauptstraßen vor. Ziel war es damals, dieses Netz “langfristig”, also in 10 bis 20 Jahren, zu schaffen, doch es besteht bis heute, 24 Jahre später, nicht. Die Erhebung und Validierung im Rahmen der Erarbeitung des jetzt im Entwurf vorliegenden Radverkehrskonzeptes 2023 zeigt zudem, von dem Konzept von 1999 wurde nicht nur wenig umgesetzt, auch die Ausführungen waren überwiegend mangelhaft.

Bestehende Radwege in Bochum sind überwiegend mangelhaft bis sehr mangelhaft

Nach fast einem Vierteljahrhundert sind in Bochum heute 201 km benutzungspflichte Radwege (37%) vorhanden. In 51% der Fälle fehlen immer noch Radwege (Führung im Mischverkehr). Die restlichen Radwegeführungen verteilen sich insbesondere auf unzureichende bis provisorische Radwegeführungen: insbesondere Gehwege mit Schild “Radfahrer frei” (29 km), Schutzstreifen (17 km), sowie so genannte “nicht benutzungspflichtige” Radwege auf Gehwegen (35 km), die die Standards für Radwege nicht erfüllen.

Radwegekataster Bochum

    Von den insgesamt 567 km Straßennetz, über die Radfahrende in Bochum geführt werden, sind 145 km Radwegeführung sehr mangelhaft (14-33) Mängel, 187 km mangelhaft (9-13 Mängel), nur 117 km weisen keine bis wenige Mängel auf (0-5), bei dem Rest (108 km) wurden 7-8 Mängel festgestellt. Fast 60% der Wege sind also mangelhaft bis sehr mangelhaft.  Dieses Ergebnis ist erschreckend, deckt sich jedoch mit den Erfahrungen der Menschen, die in Bochum das Rad nutzen und sagt leider viel aus über die Qualität der Radverkehrsplanung und die fachliche Kompetenz der verantwortlichen Verkehrsplaner*innen.

    Mängel Radverkehrsnetz Bochum

      Die Analyse des Ist-Zustandes des Bochumer Radwegenetzes im Radverkehrskonzept ist umfassend, detailliert und aussagekräftig. Die Bestandsanalyse ist leider der einzige Teil des Radwegekonzepts, der für die weitere Radverkehrsplanung von echtem Nutzen ist. Sonst überwiegen leider die negativen Punkte. Wichtig wäre, dass die Daten des Radwegekatasters den Bürgern und Bürgerinnen im Sinne des Open-Data-Ansatzes online zugänglich gemacht werden. So können diese nachvollziehen, welche Mängel wo bestehen und wie schnell diese beseitigt werden.

      Radverkehrsanteil soll bis 2030 nur noch um 15% steigen

      Hatten Stadt und Politik in der Bewerbung der Stadt zur Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte noch zugesagt, dass ihr Ziel sei bis 2030, den Radverkehrsanteil auf 25% zu erhöhen (2018: 7%), soll dieses Zeil mit dem neuen Radverkehrsplan auf 15% eingedampft werden. Das Ziel kann nicht erreicht werden. Über zwei Jahrzehnte wurde von der Verwaltung die Umsetzung des Radverkehrskonzepts von 1999 bewusst verschleppt. Dabei haben SPD und Grüne als politischer Arm der Verwaltung die fehlenden Bemühungen das Ziel zu erreichen, willig hingenommen.

      Katalog für bis 2030 umzusetzenden Radverkehrsmaßnahmen fehlt

      Schaut man sich das weitere Konzept an, ist leider nicht zu erwarten, dass zukünftig das stark verminderte Ziel erreicht wird. Denn anders als 2020 bei der Einleitung des Verfahrens zur Erstellung des Radverkehrskonzeptes beschlossen, enthält dieses kein Handlungskonzept mit einem Katalog der mindestens bis 2030 umzusetzenden konkreten Maßnahmen. Der als “Handlungskonzept” bezeichnete Teil des Radverkehrskonzepts listet lediglich eine Reihe von allgemeinen wie selbstverständlichen Aufgaben (z.B. Schaffung von Fahrradparkplätzen, Einrichtung von Fahrradstraßen, Beseitigung von radverkehrsunfreundlichen Führungsformen, Winterdienst aur Radwegen) auf wie sie in jeder x-beliebigen deutschen Stadt umzusetzen sind, um den Radverkehr zu fördern.

      Im Beschuss des Rates heißt es dagegen “Es sollen … Radverkehrsmaßnahmen vorgeschlagen werden, die den Alltagsradverkehr in Bochum kurz-, mittel- oder langfristig attraktivieren können…. Die empfohlenen Radverkehrsmaßnahmen können von kleinen Eingriffen (Bordsteinabsenkung, verbesserte Auf- oder Ableitung) über die Einrichtung von Fahrradstraßen bis hin zu großen Straßenumbauten (Lückenschluss an Cityradiale) reichen ….”. Statt einem Katalog mit entsprechend spezifischen Maßnahmen erhält das Konzept Steckbriefe zu allgemeingültigen, unspezifischen Aufgaben (Maßnahmensteckbriefe), zu denen noch konkrete Maßnahmen entwickelt werden müssten. Es werden lediglich mögliche Anwendungsfälle genannt.

      Dass das Konzept durch die Verwaltung um ein Maßnahmenpaket mit einem Sammelsurium von bereits in Umsetzung oder Planung befindlichen Maßnahmen sowie unspezifischen Maßnahmen ergänzt wurde, welche sie der Politik bereits 2022 als Sofortmaßnahmenpaket verkauft hatte, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der eigentlich zu erstellende Katalog von bis 2030 zu realisierenden konkreten Baumaßnahmen fehlt.

      Dass nach fast drei Jahren Bearbeitungszeit die 2020 vom Rat gesetzte Aufgabe immer noch nicht vollständig erfüllt wurde und der wichtigste Teil des Konzeptes, der Katalog von Radverkehrsmaßnahmen mit verbindlichen Angaben zu Umfang, Bearbeitungsreihenfolge, und Umsetzungszeitraum fehlt, wirft kein gutes Licht auf die für die Umsetzung des Ratsbeschlusses Verantwortlichen. Ziel der Verwaltung scheint es zu sein, ein in jeder Hinsicht unverbindliches „Konzept“ beschließen zu lassen, zu dem dann nach Lust und Laune ohne jede zeitliche Fristen Maßnahmen geplant und umgesetzt werden können. Entsprechend wird das Radverkehrskonzept in der Beschlussvorlage auch immer wieder nur als „Richtschnur“ oder „Handlungsgrundlage“ bzw. “Handungsrahmen“ bezeichnet (Vorlage 20230262).

      Mal wieder zeigt Freiburg wie es eigentlich geht. Ganz konkret hat die Stadt bereits 2013 in ihrem Radverkehrskonzept 2020 einen Katalog von Maßnahmen und Routen aufgestellt, die konsequent und zielgerichtet nach und nach realisiert wurden (Routen- und Maßnahmenplan). 2020 wurde mit dem RadNETZ plus die nächste Umsetzungsstufe des weiterentwickelten Radwegenetzes beschlossen (Radverkehrskonzept 2020 & RadNETZ plus), die aktuell umgesetzt wird. Dazu kommt die Fuß- und Radoffensive, die mehr als 30 weitere konkrete Maßnahmen enthält, die binnen zwei Jahren ab Sommer 2021 umgesetzt werden. Allein 16 Millionen umfasst dieses dritte Maßnahmenpaket, von dem ein Großteil bereits umgesetzt wurde (Fuß- und Radoffensive).

      Verkehrsplanung und Politik in Freiburg halten, was sie versprechen und setzen beschlossene Maßnahmen auch um. In Bochum wird viel heiße Luft und Papier produziert. passieren tut aber wenig. Nur im Erfinden von Ausreden, warum immer noch nicht umgesetzt wird, was schon lange beschlossen wurde, ist man spitze.

      Velorouten statt Radwege an Hauptverkehrsstraßen

      Zudem geht das Radverkehrskonzept, wie schon die Planung der Streckenführung des RS1 an den Bedürfnissen der Radfahrenden vorbei (Akteneinsicht: Verwaltung “lenkt” große RS1-Trassensuchshow zum gewünschten Ergebnis). Die Verwaltung setzt ohne Rücksicht auf die bei der Befragung der Radler*innen gewonnen Erkenntnisse ihre eigenen Ziele zur Realisierung der Radverkehrsplanung durch. Die Radfahrenden gaben in allen Beteiligungsformaten an, dass der wichtigste Punkt für sie sei, schnell, effizient und direkt zum Ziel zu kommen. Dafür müssten alle Hauptverkehrsstraßen mit guten und sicheren Radwegen ausgestattet werden. Die Verwaltung ignoriert dieses Ergebnis und will mit dem Radverkehrskonzept beschließen lassen, dass die Schaffung von Velorouten über Nebenstraßen abseits von Hauptverkehrsstraßen mittelfristig Priorität haben soll.

      Wie Velorouten aussehen sollen, hat die Verwaltung bereits bei der „Südumfahrung Wittener Straße“ mit wenig Erfolg demonstriert (WAZ vom 14.04.22). Die Veloroute soll über Nebenstraßen abseits der zahlreichen Wohnungen, Geschäfte, Praxen an allem vorbei führen, was an der Wittener Straße im Zentrum Altenbochum liegt. Im Zickzack geht es durch Wohngebiete statt direkt entlang der Wittener Straße. Auch wollte die Stadt auf der Veloroute weder den Radverkehr bevorrangen noch auf Parkplätze zu Gunsten der Sicherheit der Radfahrenden verzichten. So ist die Route weder direkt noch schnell und auch nicht besonders sicher. Sie ist 1,5x so lang wie der direkte Weg und damit alles andere als eine gute Alternative zu sicheren Radwegen entlang der Wittener Straße.

      Trotzdem will die Stadt das Veloroutenkonzept gegen den erklärten Willen der Alltagsradler*innen mit dem Radverkehrskonzept auf die ganze Stadt übertragen. Damit fällt sie hinter die Ziele des Radverkehrskonzepts von 1999 zurück, das als vorrangiges Ziel vorsah, alle Hauptverkehrsstraßen mit Radverkehrsanlagen auszustatten. Dieses Ziel wird mit dem neuen Radverkehrskonzept nur noch nachrangig und auf lange Sicht verfolgt, bei den Velorouten gibt es dagegen schon vier Verbindungen, die umgehend konkretisiert und umgesetzt werden sollen. Welche Abschnitte von Hauptverkehrsstraßen nach den diesbezüglich bereits laufenden Maßnahmen in Angriff genommen werden sollen, sagt das Konzept hingegen nicht.

      Keine neuen Radschnellwege

      Auch neue Radschnellwege sieht das Konzept keine vor. Dabei wären Schnellwege insbesondere zu den Städte, die im Norden und Süden an Bochum angrenzen, gerade für den Pendelverkehr wichtig. Die Stadt scheint aber mit der Realisierung des RS1, der eigentlich schon 2020 fertig sein sollte, so überfordert, dass man an eine Erweiterung des Schnellwegnetzes mindestens bis 2030 erstmal gar keine weiteren Gedanken verschwenden will. Schaut man sich die zum RS1 verfolgten Planungen im Ehrenfeld an, wird der Radschnellweg dort ein Langsamradweg werden und allenfalls den Anforderungen an eine Veloroute gerecht.

      Nutzung von Bahntrassen

      Ebenfalls ist zu kritisieren, dass als ausdrückliches Ziel im Radverkehrskonzept weiterhin genannt wird, stillgelegte Bahnstrecken für den Radverkehr zu nutzen. Dies steht im Widerspruch zum Mobilitätsziel der Stadt den Nah- und Bahnverkehr zu fördern und die entsprechenden Schienennetze auszubauen. Beides lässt sich schwerlich miteinander vereinbaren. Die Zielsetzung im Radverkehrskonzept ist eigentlich nur damit zu erklären, dass Politik und Stadt in Bochum das Ziel, Ausbau des Schienennetzes, real nicht ernsthaft verfolgen.

      Vision Zero

      Nicht überraschend, dass im Konzept angegeben wird, dass die Stadt beim Radverkehr erst zukünftig die “Vision Zero” verfolgen will. Viele Mängel an bestehenden Radwegeführungen zeigen, dass in Bochum dieses Ziel bisher nicht verfolgt wurde. Jedoch ergibt sich die Vorgabe von Vision Zero aus § 1 der VwV-StVO bereits seit 2021. Wenn die Verwaltung erst nach Beschluss des Radverkehrskonzeptes die “Vision Zero” verfolgen will, kommt sie damit also mindestens 2 Jahre zu spät.

      Ergebnis

      In Summe ist das Radverkehrskonzept wenig brauchbar. Nur die Bestandsaufnahme der Mängel der bestehenden Radverkehrsinfrastruktur kann überzeugen. Wieso die Erarbeitung fast drei Jahre gedauert hat, ist in keiner Weise nachzuvollziehen. Insbesondere auch deshalb nicht, weil der Katalog für die bis 2030 umzusetzenden konkreten Baumaßnahmen fehlt.

      Die Korrektur, den Radverkehrsanteil am Modal Split bis 2030 nicht mehr auf 25%, sondern nur noch auf 15% steigern zu wollen, zeigt, mit welch mäßigem Einsatz die Förderung des Radverkehrs sowie die Mobilitätswende und der Klimaschutz auch zukünftig verfolgt werden sollen. Ein Anspruch, das in den letzten 24 Jahren Versäumte nachzuholen, besteht überhaupt nicht.

      Es passt ins Bild, dass man den Ausbau der Radwege an den Hauptverkehrsstraßen bis zum Sankt Nimmerleinstag auf die lange Bank schieben und stattdessen der Schaffung von Velorouten über Nebenstraßen den Vorzug geben will, dazu den Bau von neuen Radschnellwegen nicht mal in Erwägung zieht.

      Ohne einen verbindlichen Katalog an konkreten Maßnahmen, der festlegt wie und vor allem in welchen Zeiträumen alle Hauptverkehrsstraßen in den nächsten 10 Jahren mit Radwegen ausgestattet werden, kann dieses Radverkehrskonzept den Radverkehr in Bochum nicht nennenswert voran bringen. Um zu wissen, was für bauliche Gestaltungsmöglichkeiten es bei Radwegen gibt und welche Standards beim Radwegebau einzuhalten sind, hätte es keiner seitenlangen Ausführungen in einem neuen Radverkehrskonzept bedurft. Das sollten die Verkehrsplaner und Verkehrsplanerinnen der Stadt in ihrer Ausbildung gelernt haben.

      Offensichtlich verfolgte die Verwaltung mit dem Radverkehrskonzept nicht das Ziel, möglichst schnell für Bochum ein flächendeckendes Netz sicherer, direkter und guter Radwege zu schaffen. Es geht vielmehr darum die Schaffung der nötigen Radverkehrsinfrastruktur unnötig zu komplizieren, weiter zu verzögern und die Planer*innen mit wenig nutzbringenden Planungen (insbes. für Velorouten) zu beschäftigen.

      Statt viel Geld und Personal für die Erstellung von im Wesentlichen unbrauchbaren Konzepten zu verschwenden, wäre es erforderlich, dass die Stadt einen Zeit- und Maßnahmenplan aufstellt, der es ermöglicht das nötige flächendeckende Radwegenetz bis 2033 baulich zu realisieren.

      30 Jan

      Strecke des RS1 soll in Bochum über 7%-Anstieg gehen – Sollen die Radfahrenden schieben?

      Nach Jahren legt die Stadt endlich einen Vorschlag vor, wie der Radschnellweg RS1 durch die Innenstadt geführt werden soll. Bei näherem Hinsehen erweist sich die Führung als ungeeignet. Sie erfüllt an wesentlichen Stellen nicht die Grundanforderungen, die an den Bau von Radschnellwegen gestellt werden. In einem Streckenabschnitt ist die Strecke so steil, dass viele ihr Rad hochschieben werden. Für einen Radschnellweg ein Witz.

      Erst plant die Stadt über Jahre eine Führung südlich entlang der Bahnlinie von Essen nach Dortmund. Danach erst spricht sie 2018 mit der Deutschen Bahn, um die für die Umsetzung der Planungen erforderlichen Grundstücke zu erwerben. Die Bahn erteilt eine Absage und jahrelange Planungsarbeiten sind für die Tonne. Also musste 2018 mit der Suche nach einer Trasse wieder bei Null angefangen werden (Vorlage 20183423). Es dauerte sagenhafte weitere 4 Jahre, bis nunmehr eine neue Trassenführung vorgeschlagen wird, die in einer Variante wiederum die Nutzung der Bahnflächen vorsieht, deren Abgabe die Bahn 2018 abgelehnt hatte. Und wieder wird etwas vorgeschlagen, ohne dass man mit der Bahn gesprochen hat. Aber das ist nicht der einzige eklatante Mangel der vorgeschlagenen RS1-Führung.

      “Kreuzungsfreie Strecke südlich der DB” ist mitnichten kreuzungsfrei
      Der ganze Vorschlag zu der neuen Streckenführung ist eine Mogelpackung. In ihrer Beschlussvorlage (Vorlage 20220116) bezeichnet die Verwaltung die von ihr favorisierte Trassenführung als “Kreuzungsfreie Strecke südlich der DB”, nur eines ist diese RS-1 Strecke tatsächlich nicht, kreuzungsfrei.

      Mängel der geplanten RS1-Führung im Bereich Innenstadt

      Sie führt zu der Kreuzung von gleich drei Hauptverkehrsstraßen: der Bessemerstraße, der Königsallee und der Gahlenschen Straße. Die zuletzt genannte Kreuzung wird erforderlich, weil die von der Verwaltung vorgeschlagene Streckenführung, nur über eine Zuwegung über den Tunnel unter der Alleestraße zu erreichen ist, die wiederum eine nicht kreuzungsfreie Querung der Gahlenschen Straße zur Folge. Lediglich bei der in der Verwaltungsvorlage ebenfalls genannten optionalen Trassenvariante, direkt entlang der Bahnlinie wäre eine Kreuzung von Bessemerstraße und Königsallee nicht erforderlich. Der RS1 würde bei dieser Option zwei der drei Straßen mittels ehemaliger Bahnbrücken queren. Die für diese Option erforderliche Abtretung der entsprechenden Bahngrundstücke hat die Bahn aber bereits 2018 abgelehnt und neue Gespräche mit der Bahn wurden bis heute nicht geführt. Dass sich die Verwaltung eine Kostenschätzung für die optionale Streckenführung spart, weist darauf hin, dass sie auch selbst nicht mit einer Realisierbarkeit rechnet.

      Option entlang der Bahnlinie ist ungeklärt und unwahrscheinlich

      Dem Rat der Stadt eine Streckenführung unter falschem Label vorzuschlagen, mit einer Option, bei der völlig ungelöst bis unwahrscheinlich ist, dass sie überhaupt realisiert werden kann, ist unseriös. Erst klärt man die Realisierbarkeit, dann macht man der Politik einen Vorschlag. Der Hintergedanke der Verwaltung scheint zu sein, die Politik die vorgelegte Streckenführung in der Hoffnung beschließen zu lassen, die Option könne trotz der bisher klaren Ablehnung der Bahn doch noch realisiert werden. Auf diese Weise käme die Verwaltung, wenn die DB bei ihrer ablehnenden Haltung bleibt, zu einem Beschluss des Rates, der eine Streckenführung für den RS1 vorsieht, die nicht den Grundanforderungen, die an Radschnellwege gestellt werden, entspricht und den die Politik unter anderen Vorzeichen aller Voraussicht nach auch nicht treffen würde.

      Denn die Grundanforderungen an den Bau von Radschnellwegen sehen eine möglichst kreuzungsfreie Führung vor, bei der dem RS1 an Kreuzungspunkten so weit wie möglich Vorrang eingeräumt werden soll (Vorlage 20183423). Dass bei der vorgeschlagenen Streckenführung dem Radverkehr bei der Kreuzung von Gahlenscher Straße, Bessemerstraße und Königsallee gegenüber dem Autoverkehr Vorrang eingeräumt wird, ist wohl kaum realistisch.

      7%-Steigung Am Lohberg, würden viele Radfahrende zum Schieben zwingen

      Aber es gibt noch einen weiteren Streckenabschnitt, bei dem die vorgeschlagene Strecke nicht den Grundanforderungen an den Bau von Radschnellwegen entspricht. Die Trasse soll über die Straße Am Lohberg führen, Diese hat auf 130 Metern eine extreme Steigung von über 7% (9,20 Meter).

      Steigung der geplanten RS1-Führung Am Lohberg

      Durchschnittliche Bochumer Radfahrende werden diese Straße aus eigener Kraft regelmäßig nicht hoch kommen. Gemäß Qualitätsstandards an den RS1 soll dieser steigungsarm sein und nur in Ausnahmefällen Steigungen bis maximal 6% aufweisen (Vorlage 20183423). Die Stadt Bochum will ernsthaft einen Radschnellweg mit einem Streckenabschnitt bauen, an dem viele ihr Rad hochschieben werden. So wird aus dem Schnell- ein Schiebeweg.

      2018 hatte die Stadt noch selbst ausgeführt (Vorlage 20183423): Es “ist festzuhalten, dass zum Beispiel 6 %-ige Steigungen (Längsneigung) auf längerer Strecke von Radfahrern nicht als positiv bewertet werden. Je stärker die Steigung, umso geringer ist die Attraktivität. Aus diesem Grund bemüht sich die Stadt Bochum 6 %-ige Steigungen zu vermeiden.” Diesen Vorsatz hat die Stadt offenbar aufgegeben. Die Attraktivität des Radschnellwegs für die Radfahrenden scheint bei der Auswahl der Streckenvariante eine eher untergeordnete Rolle gespielt zu haben.

      Führung über den Buddenbergplatz am Hauptbahnhof ist sinnvoll

      Lediglich die Führung des RS1 über den Buddenbergplatz kann überzeugen. Diese wurde von den STADTGESTALTERn bereits 2018 vorgeschlagen. Die Führung über den Platz würde den Bau einer Mobilitätsstation auf dem Buddenbergplatz hinter dem Hauptbahnhof ermöglichen, die direkt am RS1 liegt, so wie das die Planungen der STADTGESTALTER bereits vorsehen (Buddenbergplatz – Vom Platz zur Mobilitätsstation).

      Für die hohen Kosten bekommt man eine bessere Lösung für die Innenstadt

      Die Kosten für die Realisierung der von der Verwaltung vorgeschlagenen Streckenführung schätzt die Stadt auf 20,6 Mio. Euro. Eine erste Kostenschätzung für die optionale Streckenführung entlang der Bahnlinie, gibt die Verwaltung erst gar nicht an, diese dürfte wegen der zusätzlich zu nutzenden Brückenbauwerke nochmal deutlich höher liegen. Legt man die bei solchen Bauprojekten der Stadt Bochum üblichen Kostensteigerung zugrunde, ist eine Verdoppelung der Kosten bis zur Fertigstellung durchaus realistisch.

      Das ist eine Menge Geld, für eine Streckenführung, die letztlich nicht, wie eigentlich auch von den Geschäftsleuten der Innenstadt gewünscht, direkt durch die Innenstadt verläuft, sondern daran vorbei. Neue Radkunden für die Innenstadt werden mit dieser Trassenführung kaum zu gewinnen sein. Die beiden von den STADTGESTALTERn vorgeschlagenen steigungsarmen Streckenlösungen ohne Kreuzungen mit Hauptverkehrsstraßen, die eine am Südring entlang (Radschnellweg über Rottstraße und Südring) , die andere über eine Hochtrasse entlang des Bongard-Boulevards durch die Innenstadt (Den Radschnellweg (RS1) über eine Hochtrasse mitten durch die Innenstadt führen), dürften am Ende im gleichen Kostenrahmen liegen, aber der Innenstadt viel mehr nutzen.

      Beschlussvorlage zur Streckenführung und Trassenauswahl ist intransparent

      Warum die Verwaltung der Politik ausgerechnet diese dargestellte Streckenführung vorschlägt und nur diese und keine weitere, wirft Fragen auf. Trotzdem angeblich 336 Trassenvarianten vorgeschlagen und geprüft wurden, stellt die Verwaltung der Politik in ihrer Beschlussvorlage bewusst nicht mehrere alternative Streckenführungen zur Auswahl und Abstimmung. Die Politik bekommt keine Wahl. Der Stadtrat soll entweder für diese eine Trasse stimmen oder sie ablehnen. Auch wird der Politik vorenthalten, wie die Verwaltung dazu kommt, dass ausgerechnet diese Streckenführung, die beste ist. Das entsprechende Gutachten, in dem die verschiedenen Varianten untersucht und bewertet worden sein sollen, wird der Politik vorenthalten und ist nicht Gegenstand der Beschlussvorlage. Diese Intransparenz gegenüber Politik und Einwohner*innen ist nicht zu tolerieren und beschädigt das Vertrauen in die Seriosität des verwaltungsinternen Auswahlprozesses, der zum Vorschlag der Streckenvariante geführt hat.

      Der Stadtrat sollte die Beschlussvorlage zurückweisen

      Zusammenfassend ist festzuhalten, auch nach mittlerweile fast 8 Jahren schafft die Verwaltung es nicht, eine Streckenführung vorzuschlagen, die den Grundanforderungen für den Radschnellwegebau entspricht. Die Verwaltung will den Radschnellweg über einen Abschnitt führen, auf dem viele Radfahrer ihr Rad schieben werden, weil der ihnen zu steil ist. Die Verwaltung schlägt eine Option zu der Streckenführung vor, deren Realisierung bisher ungeklärt und unrealistisch ist. Allerdings sollte, bevor geklärt ist, ob die Option überhaupt realisierbar ist, kein politischer Beschluss erfolgen. Der Prozess wie die vorgeschlagene Variante verwaltungsintern aus 336 vorgeschlagenen Varianten ermittelt wurde, ist nicht nachvollziehbar und intransparent. Schließlich fehlt die Möglichkeit, dass die Politik zwischen mehreren möglichen Streckenführungen eine auswählt.

      Somit sollte der Stadtrat die Beschlussvorlage zurückweisen und die Verwaltung beauftragen unverzüglich eine Vorlage auszuarbeiten, die eine Abstimmung über mindestens drei alternative Streckenführungen vorsieht, die alle drei sämtliche Grundanforderungen erfüllen, die an den Bau von Radschnellwegen gestellt werden.

      09 Jan

      Trauerspiel am Zeche-Holland-Turm

      Überschwemmungen, Fehlplanungen, Baumängel, Müll und Verwahrlosung im Umfeld prägen ein halbes Jahr nach der Eröffnung des Platzes am Zeche-Holland-Turm das Bild rund um das ehemalige Fördergerüst. Trotzdem die Bürgerinitiative “Wir in Wattenscheid – Schacht IV” seit Monaten immer wieder die Beseitigung der Missstände einfordert, tut sich von Seiten der Stadt bisher nichts.

      Eigentlich sollte der sanierte Turm der ehemaligen Zeche Holland mit dem Platz darum herum ein Vorzeigeprojekt für Wattenscheid werden (Platz am Zeche-Holland-Turm ist fertig), doch auf dem Platz am Zeche-Holland-Turm bietet sich ein trauriges Bild, am Fördergerüst steht das Wasser Zentimeter hoch. Es kann nicht mehr richtig abfließen. Der Regen hat die Dolomitdeckschicht von den Wegen auf die Pflasterflächen rund um das Fördergerüst geschwemmt und die Drainagen und Abflüsse sind verstopft. An einigen Stellen ist bereits der grobe Schotter zu sehen. Da, wo die Deckschicht weggelaufen ist, sind Stolperkanten entstanden.

      Mängel, Planungsfehler und Versäumnisse

      Nachdem die Dolomitschicht eingebracht und der Platz fertig gestellt worden war, hätten, um eine Verfestigung der Oberfläche zu erreichen, die Flächen mit dem noch losen Dolomitmaterial ständig gewässert werden müssen. Das hat die Stadt versäumt. Das Material blieb lose und trocken liegen. Es konnte keine wassergebundene Decke entstehen. Die folgenden Regenfälle schwemmten das lose Material ab, in weiten Teilen erodierte die Platzfläche.

      Auf dem verwahrlosten Grundstück neben dem neuen Platz entsteht bei jedem Regen ein See, da der Kanaldeckel, über den das Wasser ablaufen soll deutlich zu hoch liegt. Auch von hier drückt das Wasser auf den Platz. Die Bochumer Wirtschaftsentwicklung hatte das Grundstück an die benachbarte Druckerei verkauft und die lässt es weiter verkommen. Immer wieder wird illegal dort Müll abgeladen, der Pflanzenwildwuchs drängt auf den neuen Platz.

      Auch die Aufstellung des Gastro-Containers war kein Meisterstück. Statt an der vorgesehenen Pflasterfläche, steht der Container zu einem guten Teil auf dem Pflaster, das eigentlich erst an der Containerkante beginnen sollte. Zudem wurde beim Bau des Platzes nicht an den für die Gastronomie nötigen Wasseranschlusses gedacht. Also haben die Stadtwerke den Container zunächst mit einer provisorischen und abenteuerlichen Konstruktion an einen Straßen-Hydranten angeschlossen. Wann der vergessene Wasseranschluss gelegt werden soll, darüber schweigt sich die Stadt bislang aus.

      Immerhin wurde der Turm mittlerweile halbwegs gegen illegales Besteigen gesichert. Zuvor waren durch die viel zu großen Lücken über und unter dem Zaun um die Treppenanlage des Fördergerüsts immer wieder Menschen widerrechtlich durch geklettert und auf den Turm gestiegen.

      Ebenfalls steht noch in den Sternen, wie der Platz zukünftig bespielt werden soll, welche Veranstaltungen dort stattfinden sollen und wie die Bürgerinitiative “Wir in Wattenscheid – Schacht IV” dabei eingebunden wird. Wie die Initiative zum Beispiel ihren Plan umsetzen kann eigene Führungen mit ehemaligen Bergleuten der Zeche Holland zu organisieren. Eigentlich sollte es dazu einen weiteren Workshop geben, doch der ist auch über sechs Monate nach Freigabe des Platzes für die Öffentlichkeit immer noch nicht terminiert.

      Mangelhaftes Projektmanagement

      Vor Ort sieht es so aus, als habe die Stadt das Interesse an dem Platz verloren und überließe ihn jetzt sich selbst. Alle Bemühungen der Bürgerinitiative die Stadt dazu zu bewegen, die Missstände zu beheben liefen bisher ins Leere. Es passiert seit Monaten nichts.

      Auch sah sich die Verwaltung bis heute nicht in der Lage die bereits im Oktober gestellte Anfrage der Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” (Anfrage 20213262) zum Zustand des Platzes zu beantworten. Dabei wurden in der Anfrage ausschließlich Informationen abgefragt, die nur hätten zusammengetragen werden müssen. Bei guter Projektorganisation hätte die Beantwortung in 2 bis 4 Wochen gelingen müssen.

      Doch genau da hapert es offenbar mal wieder. Dem Projekt fehlt jemand, der oder die den Hut auf hat, ein/e Projektverantwortliche/r mit durchgreifenden Befugnissen, der oder die das Projekt federführend vorantreibt, die Handlungen aller Beteiligten effektiv koordiniert und kompetente/r Ansprechpartner*in ist. Derzeit gewinnt man den Eindruck Stadtplanungsamt, Grünflächenamt, Technischer Betrieb, ISEK-Stadtteilmanagement, Wirtschaftsförderung, Bochum Marketing, Architekten, Bauunternehmen, Stadtwerke und wer noch alles beteiligt ist, sie alle ziehen nicht am selben Strang, sondern stehen sich eher gegenseitig im Weg oder arbeiten aneinander vorbei. Und jetzt, wo das Projekt formal abgeschlossen wurde, fühlt sich niemand mehr wirklich zuständig.

      Zu kurz gedacht

      An die Behäbigkeit und Langsamkeit vieler städtischer Abläufe hat man sich in Bochum und Wattenscheid gewöhnt, doch bei diesem Projekt scheint einiges mehr aus dem Ruder gelaufen zu sein, wie die Zeitplanung. Darüber hinaus gab es grobe Planungsfehler und das Projekt wurde zu kurz gedacht. Weder wurden die umliegenden Flächen in die Platzplanungen einbezogen, noch scheint eine Fortführung der Umgestaltungen auf den angrenzenden Flächen geplant zu sein. Auch scheint man sich im Rahmen des Projekts zur Unterhaltung und Bespielung des Platzes so gut wie keine Gedanken gemacht zu haben. Ein schicker Platz in einem vermüllten und verwahrlosten Umfeld wird nicht lange schick bleiben, schon gar nicht, wenn man für die Erhaltung eines guten Platzzustandes nicht wirklich viel tun will.

      Der Zustand des Platzes inklusive des Umfelds ist nach nur 6 Monaten ein Trauerspiel und lässt die Verantwortlichen bei der Stadt Bochum in keinem guten Licht dastehen. Der traurige Zustand des Platzes spiegelt ihre Leistung wider. Es ist den Verantwortlichen abzunehmen, dass sie alle ein tolles Projekt für Wattenscheid auf den Weg bringen wollten. Doch nach nur einem halben Jahr sieht es so aus, als würde aus dem Vorzeigeprojekt für das ISEK Wattenscheid ein Schuss in den Ofen. Es fehlt wie so oft bei Stadtentwicklungsprojekten an Nachhaltigkeit. Punktuell wird ein Ort gut und sinnvoll umgestaltet, doch dann mangelt es an Pflege, Instandhaltung und Weiterentwicklung.

      Zudem zeigt auch dieses städtische Projekt. eine erfolgreiche und zeitgerechte Projektplanung wie -realisierung ist nur mit einem effizienten Projektmanagement möglich. Das setzt Projektverantwortliche mit klaren und Ämter übergreifenden Handlungsbefugnissen voraus. Das ständige interne Durcheinander bei den Zuständigkeiten, die Behäbigkeit der Abläufe und die mangelnde Nachhaltigkeit des Projekterfolgs frustriert die Beteiligten, ebenso wie die ständige und berechtigte Kritik der Bürger*innen, die sehen, wie Millionen in eigentlich gute Projekte investiert werden, die dann aber schon nach Monaten abgegammelt aussehen.

      24 Aug

      Ortsteilranking Wattenscheid

      Wattenscheid wurde über Jahrzehnte von der Stadt vernachlässigt. Die Folgen sind verheerend. Der Ruf von Wattenscheid ist schlecht. Der Sozialbericht der Stadt zeigt viele schwerwiegende Defizite und Mängel auf (Sozialbericht 2018). Einige Wattenscheider Ortsteile wurden im Stadtvergleich abgehängt, viele Bereiche entwickeln sich seit Jahren negativ. Der Abwärtstrend muss dringend gestoppt werden.

      Defizite und Mängel zeigen sich auch im Stadtbild. In einigen Straßen bestimmen sanierungsbedürftige Häuser das Bild. Im schlimmsten Fall trifft man auf Schrott- wie AbbruchImmobilien und verwahrloste Gebiete

      Menschen fühlen sich in einigen Bereichen der Stadt subjektiv unsicher und beklagen mangelnde Sauberkeit sowie den schlechten Instandhaltungs- wie Pflegezustand von Straßen, Gehwegen, Grünflächen und Brunnen. Auch das ÖPNV-Netz ist unzureichend, insbesondere eine schnelle, dicht getaktete und leistungsfähige Nord-Süd-Verbindung fehlt. Ein Radwegenetz ist in Wattenscheid nicht mal im Ansatz vorhanden.

      Wo ist der Handlungsbedarf am größten? – Wattenscheid braucht einen Masterplan

      Um die gravierenden Mängel und Defizite Wattenscheid zu beseitigen braucht Wattenscheid einen Masterplan. Zunächst muss dazu untersucht werden, in welchen Ortsteilen in Wattenscheid der Handlungsbedarf in welchen Bereichen am höchsten ist. Weiterlesen