11 Sep

Selbst machen: Fassadengärten auf Gehwegen anlegen

Alle können mitmachen. Zwei Reihen Gehwegpflaster an der Hauswand entfernen, Beet ausheben, mit Blumenerde befüllen, Pflanzen zur Fassadenbegrünung einpflanzen. In vielen niederländischen und flämischen Städten braucht man dafür nicht mal eine Genehmigung. Wie das in Bochum funktionieren könnte, darüber haben sich die STADTGESTALTER Gedanken gemacht.

“Geveltuinen” heißen auf Niederländisch die 30 bis 60 cm breiten Pflanzstreifen entlang von Hausfassaden, die sich direkt am Bürgersteig befinden. Die Blumen und Pflanzen, die vom Gehweg die Fassade hochranken, sorgen für ein schönes, grünes, in der Blütezeit buntes Straßenbild.

Fassadengarten, Geveltuin, Foto: Opuntie

Übersetzt ins Deutsche bedeutet “Geveltuin” Fassadengarten. In den Niederlanden und Belgien legen diese Gärten die Einwohner*innen im ganzen Land selbst an. Es gibt Förderprogramme, städtische und landesweite Wettbewerbe, welcher Ort die meisten, den längsten oder den schönsten “Geveltuin” anlegt (Tegelwippen- Gewinner).

Geveltuin-Kultur in Belgien und den Niederlanden

Das Gießen der Pflanzen und die Pflege der schmalen Gärten übernehmen die Hausbewohner*innen, vor deren Häusern die Fassadengärten angelegt wurden. Die Gemeinden und Städte beschränken sich darauf die zukünftige Fassadengärtner*innen bei der Anlage der Gärten sowie der Bepflanzung zu beraten. Manche Kommunen geben einen Zuschuss für den Kauf von Erde und Pflanzen (Förderung Rotterdam). In vielen Städten ist für die Anlage einer Geveltuin nicht mal eine Genehmigung erforderlich. Es gibt Kommunen, die bitten um eine Anmeldung, Für Fälle, in denen man nicht selbst einen Fassadengarten anlegen kann oder möchte, gibt es in einigen Städten ehrenamtliche “Geveltuinbrigaden”, die beauftragt werden können, einen Fassadengarten (Geveltuinbrigade Gent) zu bauen. In diesem Fall müssen sich die Bewohner*innen nur noch um die Pflege der fertigen Beete kümmern.

Das Anlegen von mehreren Geveltuins geschieht in den Niederländen und Belgien oft als Gemeinschaftsprojekt von Menschen, die in der gleichen Straße wohnen. Nachbar*innen tun sich zusammen und begrünen in Gemeinschaftsaktionen ganze Straßenzüge (1.000 Geveltuinen). Erst werden an den Hauswänden gemeinsam die Fassadengärten angelegt und bepflanzt, danach wird auf dem Straßenfest die Verschönerung der Straße gefeiert. Solche Projekte stärken die Nachbarschaft und fördern die Identifikation mit Straße und Viertel.

Fassadengärten in Bochum

Auch in Bochum gibt es viele trostlos graue Straßen, deren Anblick sich durch Beete an den Häusern und die Begrünungen von Fassaden deutlich aufbessern ließe. Gerade in Straßen, an denen die Häuser ohne Vorgärten direkt an der Straße stehen, fehlt in Bochum und Wattenscheid oft Grün. Die Stadt sollte mehr für eine Begrünung tun, Die STADTGESTALTER haben dazu schon verschiedene Vorschläge gemacht (Mehr Grün für die Stadt).

Eigentlich spricht nichts dagegen auch in Bochum, die Anlage von Fassadengärten zu erlauben. Auf eine Genehmigung sollte nach Ansicht der STADTGESTALTER verzichtet werden, eine Online-Anmeldung, in der angegeben wird, wo welcher Garten geschaffen wurde und wer den pflegt, sollte genügen.

Voraussetzung und Bauanleitung zur Anlage von Fassadengärten

Für die Anlage eines Fassadengartens müssen allerdings trotzdem einige Regeln beachtet werden: Der Garten darf nur maximal zwei Gehwegplatten breit und maximal 30-40 cm tief werden. Auf dem Gehweg muss für die Fußgänger*innen und Rollstuhlfahrer*innen eine Lauffläche von 1,8 Metern verbleiben. Auch dürfen nur Pflanzen eingesetzt werden, die mit ihren Wurzeln nicht Fassade oder Gehweg zerstören können. Wenn man nicht selbst Eigentümer*in des Hauses ist, an dem der Fassadengarten angelegt werden soll, muss vor Baubeginn eine Genehmigung des oder der Hauseigentümer*in eingeholt werden.

Sind die genannten Voraussetzungen geklärt. Ist die Anlage des Fassadengartens sehr einfach:

Schritt1: Pflaster entfernen.
Schritt2: Beet mit Tiefe von 30-40 cm ausheben.
Schritt 3: Mit den herausgenommenen Pflasterplatten Kante zum verbliebenen Gehwegpflaster setzen, damit Pflaster nicht absackt.
Schritt 4: Beet mit Erde befüllen.
Schritt 5: Blumen und andere Pflanzen eingraben.
Schritt 6: Pflanzen wässern..

Mögliche Unterstützung durch die Stadt

Was kann die Stadt tun, um die Anlage von Fassadengärten zu fördern? Zum einen kann sie Menschen informieren und beraten, die gerne Geveltuinen anlegen möchten. Sie kann die Anlage mit Zuschüssen fördern. Dazu kann Sie ehrenamtliche “Geveltuinbrigaden” finanziell unterstützen, die von Stadtbewohner*innen mit der Anlage von Fassadengärten beauftragt werden können. Die Stadt, städtische Einrichtungen und Unternehmen können sich selbst verpflichten an Gebäuden, die direkt an Gehwegen liegen, Fassadengärten anzulegen. Nicht zuletzt kann die Stadt Aktionstage veranstalten, an denen in bestimmten Straßen und Vierteln Fassadengärten angelegt werden (Geveltuinendag). Für solche Tage kann die Stadt Erde, Pflanzen und Werkzeuge bereitstellen sowie eine Beratung vor Ort anbieten. In den Stadterneuerungsgebieten (ISEK) Laer, Langendreer West/ Werne, Wattenscheid, Hamme und Innenstadt könnte die Anlage von Fassadengärten eine eigene Maßnahme werden.

Kaum Kosten – viele Vorteile

Idealer Weise könnte die Stadt Bochum zudem Aktionen zum Bau von Geveltuinen in die bereits bestehende Kampagne “Bochum blüht und summt” aufnehmen, denn mit Fassadengärten werden auch neue Lebensräume für Insekten geschaffen.

Fassadengärten haben darüber hinaus noch weitere Vorteile, sie leisten einen kleinen Beitrag für ein besseres Mikroklima und dienen dem Starkregenschutz. Über sie kann ein Teil des Regenwassers versickert werden und muss so nicht mehr über die Abwasserkanäle abgeleitet werden.

Fassadengärten sehen also nicht nur schön aus, erfreuen die Menschen und werten das Straßenbild, auf, sie haben auch sonst viele Vorteile. Dazu sind sie bei großer Wirkung so kostengünstig wie sonst keine Maßnahme der Stadtgestaltung und -begrünung. Die Anlage durch die Bewohner*innen selbst fördert zudem den Zusammenhalt in den Nachbarschaften sowie die Identifikation mit Straße und Viertel, wo die Menschen leben.

Bochum könnte Vorreiter werden

Bisher gibt es in Deutschland noch keine Großstadt, die sich die Initiativen der belgischen und niederländischen Städten zur Fassadenbegrünung zum Vorbild genommen hat. Bochum könnte in diesem Bereich der Stadtbegrünung eine Vorreiterrolle übernehmen. Sofern der Stadt der Mut fehlt gleich stadtweit die Anlage von Fassadengärten zu erlauben und zu fördern, schlagen die STADTGESTALTER vor, den Bau von Geveltuinen zunächst in einem Stadtteil auszuprobieren und Erfahrungen sammeln, wie man die Anlage von Fassadengärten am besten organisiert und fördert.

07 Aug

Zeche Holland: Idealer Ort für grünen Startup-Campus für das Handwerk

Die Gründung eines Handwerksbetriebs ist sehr teuer und aufwendig. Dabei fehlen innovative Handwerker und Handwerkerinnen überall im Ruhrgebiet. Ein Startup-Campus für das Handwerk könnte helfen. Als Standort böte sich das Zeche-Holland-Gelände in Wattenscheid an, auf dem die Flächen bisher nur sehr schlecht genutzt werden. Die STADTGESTALTER schlagen dazu ein Konzept vor.

Auch in Bochum werden Leistungen des Handwerks stark nachgefragt. Doch wie in ganz Deutschland fehlen Handwerksbetriebe und Handwerker*innen. Besonders solche Betriebe werden gesucht, die sich mit innovativen Technologien auskennen. Aktuell stellt man das zum Beispiel im Heizungsbau fest, vielen alteingesessenen Betrieben fehlt es bei Wärmepumpen an Erfahrungen und den erforderlichen Fachkenntnissen. Neue Betriebe, die sich auf die neuen Heiztechniken spezialisiert haben, gibt es allerdings ebenfalls kaum. Deutschlandweit nimmt die Zahl der Neugründungen im Handwerk trotz glänzender Konjunktur ab, nicht zu (Nicht nur wegen Corona: Weniger Gründungen im Handwerk).

Zudem werden maßgefertigte Produkte, die handwerklich hergestellt werden, immer mehr nachgefragt. Das gilt in fast allen Bereichen vom Metallbau über Möbelbau bis zum Essensbereich. Auch hier sind neu gegründete Handwerksbetriebe im ganzen Land sehr erfolgreich.

Die Hürden zur Gründung von Handwerksbetrieben überwinden

Doch es ist teuer und aufwendig einen Handwerksbetrieb neu zu gründen. Es müssen Maschinen angeschafft werden, die Gründer*innen benötigen bezahlbare Werkstatträume, die in der passenden Größe oft schwer zu finden sind. Das Risiko, mit einer Gründung zu scheitern und auf einem Berg Schulden sitzen zu bleiben, ist vielen zu hoch, trotzdem sie sich bis zum Meister hochgearbeitet haben bzw. sich eine gute Businessidee überlegt haben.

Um die Hürden zu überwinden und Gründungen zu erleichtern, entwickelt sich in den Städten ein neuer Trend: Co-Crafting (Co-Crafting: Was ist das?). Nachdem das Co-Working für viele Freiberufler*innen, kleine Start-ups, kreative und digitale Nomaden in vielen Berufsfeldern bereits gang und gäbe ist (Startup-Szene will weiter durchstarten), entstehen jetzt in den Städten Co-Crafting-Spaces

Ein erfolgreicher Platz für „Maker“

Ein erfolgreicher Co-Crafting-Space ist zum Beispiel in Mannheim entstanden. Das Honeycamp Mannheim wurde 2021 eröffnet und ist bereits komplett ausgebucht, für die Anmietung der Werkstatteinheiten werden mittlerweile Wartelisten geführt. Auf 9.200 m² wurden 76 Werkstatteinheiten geschaffen. Diese haben jeweils zwei Etagen und können einzeln (Single Unit) oder doppelt (Double Unit) angemietet werden (Broschüre). Auch eine Verbindung von noch mehr Einheiten ist möglich. So können Flächen von 120 – 1000 Quadratmeter angemietet werden. Jede Einheit, besteht aus einem Werkstattbereich im Erdgeschoss, der über eine Höhe von 4,8 Metern verfügt. Es kann eine zweite Etage für Büroräume eingezogen werden. Man betritt die Unit über ein 4×4 Meter großes Sektionaltor, das es leicht macht Maschinen, sperrige Werkstoffe und fertige Gewerke in die Werkstatt rein und raus zu transportieren. Der übliche Anmietzeitraum beträgt 2 bis 10 Jahre. Die Single Unit (68 qm Grundfläche) kostet rd. 1.000, die Double Unit (128 qm Grundfläche) 2.000 Euro pro Monat. Glasfaseranschluss, WiFi, günstiger Strom, erzeugt mit der gebäudeeignen Solaranlage, sind vorhanden.

Die Grundidee des Honeycamp ist, dass “Maker” wie Handwerker*innen, Produzenten, Künstler*innen, Entwicklerteams, Designer*innen, Prototyper*innen, Ingenieure*innen und viele mehr aufeinandertreffen und eine einzigartige Gemeinschaft bilden (Cocrafting im Honeycamp: „Gemeinschaft ist uns wichtiger als die teure Vermietung“ ). Es soll ein Arbeitsumfeld geschaffen werden, in dem Synergien genutzt werden, Kollaborationen entstehen und Netzwerke für die Zukunft aufgebaut werden. Entsprechend werden auch Community-Räumlichkeiten angeboten. Es gibt auf dem Campus ein Café, Veranstaltungs- und Workshopräume, Community Events, einen Mittagstisch sowie Afterwork Veranstaltungen.

Ein Startup-Campus für Maker auf dem Zeche-Holland-Gelände in Wattenscheid

Die STADTGESTALTER sehen gute Chancen ein solches Konzept auch in Bochum, genauer in Wattenscheid, umzusetzen. Für die Realisierung bietet sich das Gewerbegebiet rund um den Zeche-Holland-Turm an. Dort könnte ein Grüner Startup-Campus für das Handwerk in Erweiterung zu dem schon bestehenden Technologie- und Gründerzentrum der Bochumer Wirtschaftsentwicklung entstehen.

Ungenutzte Flächen, Zeche-Holland-Gelände

Große Teile des Geländes werden derzeit nicht wertschöpfend genutzt. Nachdem die Zeche aufgegeben wurde, hat das damalige Amt für Wirtschaftsentwicklung es versäumt, für neue Nutzungen zu sorgen, die einer nennenswerten Anzahl Menschen Arbeit bieten bzw. für Wertschöpfungen und städtische Steuereinnahmen sorgen. Fast 5 ha der alten Zechenfläche dienen heute überwiegend dem Lagern von Schrottfahrzeugen, dem dauerhaften Parken von LKW. PKW und Wohnmobilen oder stehen ungenutzt leer. Eine echte nutzbringende gewerbliche Aktivität findet dort mit wenigen Ausnahmen nicht statt.

Das Nutzungskonzept der STADTGESTALTER

Die Fläche zwischen Lohrheidestraße und Gewerbegebiet Josef-Haumann-Straße sollte nach Ansicht der STADTGESTALTER mittels eines Bebauungsplans neu geordnet werden und würde sich ideal für den Aufbau eines Co-Crafting-Gründungscampus eignen.

Grüner Startup-Campus für das Handwerk auf dem Zeche-Holland-Gelände

Campus-Platz – Die STADTGESTALTER schlagen vor, nördlich des Platzes am Zeche-Holland-Turm (Hans-Köster-Platz), einen Campus anzulegen, der auch für Open-Air-Veranstaltungen genutzt werden kann und sich bis zum ehemaligen Torgebäude der Zeche Holland erstreckt. Diese Nutzung wurde schon im Konzept der Bürgerinitiative „Wir in Wattenscheid – Schacht IV“ vorgeschlagen (Nutzungskonzept Zeche-Holland-Turm).

Im Osten und Westen des Campus sieht der Plan der STADTGESTALTER Co-Crafting Gebäude nach dem Vorbild des Honeycamp in Mannheim vor. Damit wird der Campus dazwischen gleichzeitig zum Aufenthaltsort der Community, die sich aus den Beschäftigten der Betriebe, die sich in den Einheiten auf dem Startup-Campus ansiedeln, bildet.

MakerHub – Ebenfalls sehen die Planungen der STADTGESTALTER vor, auf dem Gelände einen MakerHub einzurichten (Ideenschmiede und Jobmaschine – Ein MakerHub für Bochum). In der offenen Werkstatt (MakerSpace) eines MakerHubs kann jeder, der schon immer eine Idee im Kopf hatte, diese mit Hilfe hochtechnischer Maschinen umsetzen auch ohne selbst eine Werkstatt zu besitzen. Menschen erhalten über den Hub Zugang zu Produktionsmitteln und modernen industriellen Produktionsverfahren. Typische Geräte sind 3D-Drucker, Laser-Cutter, CNC-Maschinen, Pressen zum Tiefziehen oder Fräsen, um eine große Anzahl an unterschiedlichen Materialien und Werkstücken bearbeiten zu können. Ein MakerHub ist gleichzeitig Erfindungs- und Ausbildungsort. Menschen können an den Maschinen ausgebildet werden, andere können ihre Ideen Wirklichkeit werden lassen oder Prototypen bauen. Ein MakerHub kann weiterhin als Inkubator für Gründungen und Startups dienen sowie von Handwerksbetrieben und anderen Unternehmen als Entwicklungszentrum genutzt werden.

Straßenbahnanbindung – Nach Vorstellung der STADTGESTALTER soll das gesamte Gelände über eine neue Straßenbahnlinie, erschlossen werden, die von der Verbindung Wattenscheid – Gelsenkirchen abzweigen soll und ebenfalls das Lohrheidestadion und Leithe an das Straßenbahnnetz der BOGESTRA anbindet. Die Linie könnte in die andere Richtung über den August-Bebel-Platz, den Wattenscheider Bahnhof bis nach Höntrop verlängert und von dort bis zum zum S-Bahnhof geführt werden (Zentrale Verkehrsachse für Wattenscheid).

Die neue Straßenbahnlinie soll auch Teil eines Mobilitätskonzeptes für das Lohrheidestadion sein, das gerade für 48 Mio. Euro zu einer Eventbühne für 17.000 Besucher*innen umgebaut wird. Gegenstand eines solchen Konzeptes sollte darüber hinaus ein Parkhaus am Stadion sein, das ebenfalls als Quartiersparkhaus für die Umgebung genutzt werden kann.

Grüner Campus – Der gesamte Gründungscampus sollte sich nach Ansicht der STADTGESTALTER als grünes Gebäudeensemble präsentieren, das sich in die bestehende, zu erhaltende Zechenbebauung einfügt. Vorgeschlagen wird, für die neuen Gebäude neben einer Dach- auch eine Fassadenbegrünung vorzuschreiben. Im Zentrum des Campus sollen wesentliche Flächen grün und unversiegelt bleiben. Die Versorgung mit Strom und Wärme sollte zeitgemäß durch moderne Dachsolar- und Geothermieanlagen erfolgen. Gegebenenfalls wäre eine Wärmeversorgung wie auf dem Gelände Mark 51°7 möglich, bei der warmes Grubenwasser aus ehemaligen Schächten der Zeche Dannenbaum genutzt wird (Erdwärme – Bochums Energie der Zukunft). Dieses müsste auch in den alten Schächten der Zeche Holland vorhanden sein.

Erholung und handwerkliche Nutzung – Der Startup-Campus sollte gleichzeitig ein Ort werden, an dem sich die Menschen gerne aufhalten und spazieren gehen. Deshalb sollen alte Wegeverbindungen zum Beispiel vom Torhaus zum Zechengerüst wiederhergestellt werden. Auf dem angeschütteten Wall neben dem Platz am Holland-Turm könnte ein Höhenweg entstehen. Erholung und die Nutzung des Geländes durch handwerklich ausgerichtete Betriebe sollen miteinander in Einklang gebracht werden.

Realisierung ist keine einfache Aufgabe, aber verspricht hohen Gewinn für Wattenscheid

Die Umgestaltung des Geländes wird keine einfache Aufgabe sein, weil sich nicht alle Flächen im Eigentum der Stadt befinden und die Stadt über den Bebauungsplan nur begrenzt und langfristig Einfluss auf die Nutzung der Flächen nehmen kann. Es wird mit den aktuellen Eigentümer*innen über bessere Nutzungen der vorhandenen Flächen verhandelt werden müssen. Für die wenigen Betriebe, die die Flächen aktuell wertschöpfend nutzen, müssen Möglichkeiten gefunden werden, dass sie ihre Unternehmen weiter betreiben können. Auch wird an einigen Stellen voraussichtlich eine Schadstoffsanierung notwendig sein. Nicht zuletzt muss ein privater Investor gesucht werden, der bereit ist wie in Mannheim den Co-Crafting-Gründungscampus aufzubauen und zu betreiben.

Zum weithin sichtbaren Markenzeichen des Startup-Campus würde das Fördergerüst der ehemaligen Zeche Holland.

Es wäre für Wattenscheid wichtig, dass das Gelände, das direkt an die Innenstadt angrenzt, ein positives Erscheinungsbild erhält. Mit NATO-Draht abgezäunte Grundstücke, mit Schrottautos zugestelltes Gelände, zugeteerte bzw. verwilderte bis verwahrloste Flächen sowie wilde Schuttabladeplätze, wie sie derzeit vorzufinden sind, beeinträchtigen das Bild von Wattenscheid nachhaltig negativ.

Es ist Zeit zu handeln und die Flächen sinnvoll und effizient zu nutzen. Mit dem Konzept der STADTGESTALTER wäre das möglich. Dazu das Handwerk nachhaltig zu fördern, würde einen doppelten Gewinn für die Stadt bedeuten.

26 Dez

Chance verpasst: Gähn-Moment statt Wow-Effekt – Neubau der Sparkasse am Dr.-Ruer-Platz

Im April 2022 wird das Gebäude der Bochumer Tradionsgastronomie Uhle am Dr.-Ruer-Platz abgerissen. Die Sparkasse baut stattdessen ein neues Gebäude. Doch statt einen echten Hingucker zu errichten, soll ein belangloser 08/15-Bau entstehen. Die Chance, ein visionäreres Bauwerk zu schaffen, zum Beispiel mit im Frühjahr blühender Grünfassade und einem kleinen Stadtwald auf dem Dach, das Menschen hätte in die Innenstadt locken können, wird vertan.

Die Bochumer City ist nicht gerade reich an architektonisch spannenden und bedeutenden Gebäuden. Es sieht so eintönig aus wie in vielen deutschen Innenstädten. Die Architektur der Gebäude ist großenteils beliebig, belanglos und austauschbar. Besonders gestaltete Bauwerke, die die City einmalig machen und aus der Masse der Innenstädte herausheben, fehlen. Einzig das Rathaus, das Kortumhaus und das historische Sparkassengebäude, sowie das alte Modehaus Baltz heben sich von der Masse ab. Dem gegenüber stehen Bausünden, wie das Möbel-Heiland-Gebäude am Südring, die neue Stadtbadgalerie (jetzt Bochumer Fenster) am “Boulevard”, das Einkaufszentrum Drehscheibe an der Kreuzung Kortumstraße/ “Boulevard” sowie das BVZ hinter dem Rathaus.

Geplanter Neubau der Sparkasse wird Innenstadt nicht helfen

Auch das Gebäude der ehemaligen Traditionsgastronomie Uhle, das es in fünf Monaten nicht mehr geben wird, stellt alles andere als eine Schönheit dar. Das nach dem Krieg notdürftig und nur teilweise wieder aufgebaute Gebäude hat eher zum Ruf Bochums beigetragen total verbaut zu sein. Der Abriss stellt städtebaulich keinen Verlust dar.

Ansicht vom Dr,-Ruer-Platz, Erweiterungsbau Sparkasse Dr.-Ruer-Platz,, Foto: Ortner & Ortner Baukunst

Der geplante Neubau passt sich besser in die bestehende Bebauung am Dr.-Ruer-Platz ein, korrigiert die Bausünde des Nachkriegsneubaus der Sparkasse zwischen historischem Sparkassengebäude und heutiger Uhle und wird daher den Platz aufwerten. Er ist allerdings kaum weniger langweilig wie die bestehende Bebauung an dem ohnehin beispiellos trostlos gestalteten zentralen Bochumer Innenstadtplatz. Die leicht gefaltete Fassade vermag den neuen Bau ein wenig von dem belanglosen Durchschnitt der bestehenden Fassaden abheben, mehr aber nicht.

Ansicht von Huestraße – Erweiterungsbau Sparkasse Dr.-Ruer-Platz, Foto: Ortner & Ortner Baukunst,

Eine einmalige Chance wird verpasst

Nicht oft hat eine Stadt die Chance in so zentraler City-Lage ein besonderes Bauwerk zu schaffen um der Innenstadt mehr Charakter zu verleihen und sie mit einem besonders sehenswerten Gebäude aufzuwerten. Am Dr.-Ruer-Platz hat Bochum jetzt diese einmalige Möglichkeit, wird sie aber leider nicht nutzen. Dabei hat die Stadt es über die städtische Sparkasse, die Bauherr ist, sogar selbst in der Hand zu bestimmen, was an Stelle der Uhle, am zentralsten Platz der Innenstadt neu entstehen soll.

Heute stellt sich beim Anblick der vor fast 20 Jahren erbauten Stadtbadgalerie die Frage wie dieses architektonisch misslungene bis belanglose Gebäude 2002 dort entstehen konnte und warum damals nicht die Chance genutzt wurde, dort ein architektonisch visionäres und einzigartiges Gebäudes zu schaffen. Zu befürchten ist, dass man sich in 20 Jahre am Dr.-Ruer-Platz zu dem neuen Sparkassengebäude die gleiche Frage stellen wird.

Attraktionen und Sehenswürdigkeiten locken Menschen und Kunden in die Innenstadt

Der Bochumer Innenstadt fehlt es an Sehenswürdigkeiten. Um die Innenstadt neu zu beleben und von anderen Innenstädten des Ruhrgebiets positiv abzuheben, sollte es Ziel sein jede Gelegenheit zu nutzen besondere Attraktionen zu schaffen (Die STADTGESTALTERStrategie zur Belebung der Bochumer Innenstadt). In diesem Sinne hätte bei der Neubebauung am Dr.-Ruer-Platz das Ziel verfolgt werden sollen, an diesem zentralen Ort ein einzigartiges, visionäres Gebäude zu erbauen, dessen Gestaltung darüber hinaus geeignet ist, die Trostlosigkeit des Platzes aufzubrechen.

Da der Dr.-Ruer-Platz besonders negativ durch die vollständige Abwesenheit von Grün auffällt, wäre eine Möglichkeit gewesen, ein klimagerechtes Gebäude mit einer besonderen Fassaden- und Dachbegrünung zu schaffen. Ein Gebäude mit einer spektakulären gegebenenfalls im Frühjahr sogar blühenden Grünfassade und einem kleinen Stadtwald auf dem Dach, wäre ein besonderes Highlight für die gesamte Innenstadt gewesen (Beispielhafte Fassaden- und Dachbegrünung, Calwer Passage). Dazu hätte die Stadt mit einer solchen Architektur ein Zeichen gesetzt für die angestrebte Vorreiterrolle in Sachen Klima- und Umweltschutz.

Beispiel für Begrünung, Calwer Passage, Foto: Ferdinand Piëch Holding GmbH

Auch mit der von den STADTGESTALTERn für diesen Ort vorgeschlagenen riesigen Virtual-Reality-Box hätte eine einzigartige Attraktion für die Innenstadt geschaffen werden können, die viele Menschen und potentielle Kunden nach Bochum gelockt hätte (Riesige Virtual-Reality-Box auf dem Dr.-Ruer-Platz).

Virtual-Reality-Box

Stadt und Politik fehlen Mut du Weitsicht für visionäre Gebäude

Die nunmehr geplante Bebauung belegt die Einschätzung, Stadt, Oberbürgermeister und Politik fehlt es zu oft an Mut und Weitsicht, wirklich visionäre Dinge zu schaffen, die es so in anderen Städten noch nicht gibt. Es bedarf weniger Aufwand und Mühe Gebäude nach bewährtem Muster in belangloser 08-15-Architektur zu bauen, wie man sie in den Businessdistrikten europäischer Großstädte zu hunderten findet, wegen der aber so gut wie niemand in die Innenstadt kommen wird. Hier passen Anspruch und Wirklichkeit nicht zusammen. Auf der einen Seite will die Stadt sich als Vorreiterstadt profilieren, präsentiert sich dann aber an so prominenter Stelle in der Innenstadt nur mit langweiliger Durchschnittsarchitektur.

Verwunderlich, dass die Kaufleute der Innenstadt, die mit ihren erfolgreichen Bemühungen zur Einführung einer Gestaltungssatzung deutlich gemacht haben, dass sie die Gestaltung der Innenstadt als zentralen Punkt hinsichtlich Attraktivität der City sehen, sich bisher nicht zu dieser verpassten Chance positioniert haben, obwohl ihr Geschäftserfolg ganz entscheidend von einzigartigen Sehenswürdigkeiten in der Stadt abhängt.

Bochum wird es in wenigen Jahren bereuen, eine einmalige Gelegenheit verpasst zu haben

Der geplante Neubau wird das Stadtbild der Innenstadt nicht verschlechtern, er wird es sogar tendenziell verbessern. Den Ruf der Bochumer City, dass sie so belanglos aussieht wie jede durchschnittliche Innenstadt, wird die geplante banale Bebauung jedoch nicht aufpolieren können, sie wird ihn sogar eher festigen. Das Gebäude hat nicht das Potential zu einer unverwechselbaren Attraktion der City zu werden. Es wird keine Menschen und Kunden aus dem Ruhrgebiet nach Bochum locken können. Mit dem Bau wird kein Zeichen gesetzt, mit dem sich die Bochumer City von den Innenstädten der umliegenden Städte positiv abheben kann. Eine einmalige Chance, die sich in der Innenstadt voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten nicht ein zweites Mal ergeben wird, hat die Stadt leichtfertig vergeben. In wenigen Jahren wird sich die Stadt ärgern, diese Gelegenheit 2021 verpasst zu haben.