27 Aug

Bochum: Vor 11 Jahren bei der Energiewende weiter als heute

Zu den Bereichen Wärmenutzungskonzept, Grubenwasser- und Abwasserwärmenutzung, Bau einer Biogasanlage, Ausbau Wärmenetze hat Bochum bereits vor mehr als 11 Jahren Grundsatzbeschlüsse gefasst und Pilotprojekte umgesetzt, doch dann passierte über 11 Jahre nichts, Verwaltung und Politik waren an einer konsequenten Umsetzung der Beschlüsse desinteressiert. Die Stadt könnte heute viel weiter sein.

2012 stellte die Stadtverwaltung eine Liste mit 32 geplanten bzw. laufenden mehr oder weniger ambitionierter Energie- und Klimaprojekte auf (Energie- und Klima Sammelprojekte). Geht man diese Projekte heute durch, stellt man fest, dass 70% nie wirklich umgesetzt wurden. Manche wurden nie angegangen (u.a. Corporate Carbon Footprint, Erweiterung Energieerzeugung Deponie Kornharpen (Biogasanlage), Solarfond, Flächenmobilisierung für Windkraftanlage), andere sind nie über das Konzeptstadium hinausgekommen (u.a. Wärmenutzungskonzept Ost), wieder andere wurden nur in Ansätzen realisiert (u.a. Umsetzung des Energie- und Klimaschutzkonzeptes 2020, Wärmegewinnung aus Grubenwasser Robert Müser). Realisiert wurden insbesondere Marketingmaßnahmen (u.a. European Energy Award) und Projekte, die nicht die Stadt Bochum umgesetzt hat (u.a. Trianel Windpark Borkum, Wiederherstellung und Renaturierung von Gewässern durch den Ruhrverband, Beratung im Bereich Energieeinsparung, Energieeffizienz durch die Verbraucherzentrale). 23 der 32 Projekte wurden nicht oder allenfalls ansatzweise umgesetzt, also nicht ernsthaft verfolgt.

Nicht anders erging es den Maßnahmen, die mit den Klimaschutzkonzepten 2009 und 2014 beschlossen wurden, auch hiervon wurde nur ein Bruchteil von der Verwaltung realisiert (Klimaschutz, viel Papier, wenig Greifbares).

2019 beschloss die Politik den Klimanotstand und verkündete bis 2035 klimaneutral sein zu wollen, doch bis heute wurde das Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2014 nicht durch ein neues ersetzt. In der Stadt der gepflegten Langsamkeit reichten auch über 4 Jahre nicht um ein neues Konzept zu erstellen. Wie man das gesetzte Zeil ohne Konzept mit konkreten Maßnahmen, deren Umsetzung eine Erreichung erst ermöglicht, erreichen will, bleibt offen.

Konzepte und Projekte zum Klimaschutz sowie zur Verkehrs- und Energiewende wurden in Bochum bisher immer nur alibimäßig verfolgt (Stadtplanung: Ausufernde Konzeptflut sorgt für Zeit- und Geldverschwendung). Viel Papier sollte den Eindruck erwecken, dass was passiert, in der Realität aber geschah kaum Nennenswertes. Tatsächlich war die Stadt vor rund 11 Jahren in Sachen Energiewende in vielen Bereichen bereits weiter als heute:

Biogasanlage – Projekt 14 der genannten Liste, sah die “Erweiterung der Solaranlagen und Errichtung von Biogasanlagen“ auf dem Gelände der Deponie Kornharpen vor. Umgesetzt wurde das Projekt bis heute nicht, Das Projekt scheitert daran, dass Rot-Grün in Bochum sich bis heute gegen eine verpflichtende Einführung von Biotonnen wehrt. Also ist eine Sammlung des für den Betrieb der Anlage benötigten Biomülls nicht möglich. Bis zu 4.800 Haushalte könnte eine Biogasanlage mit Strom und Wärme versorgen (Strom und Wärme aus Biomüll für 4.800 Haushalte – Bochum braucht eine Biogasanlage), das Biogas könnte im BHKW Kornharpen direkt neben dem Deponiegas zur Erzeugung von Fernwärme verfeuert werden. Doch der politische Wille für eine Umsetzung fehlt, entsprechend wurde auch der erneute Antrag der STADTGESTALTER (Antrag 20232088) zum unverzüglichen Bau einer Biogasanlage in der letzten Ratssitzung von SPD und Grünen abgelehnt.

Grubenwasserwärmenutzung – 2012 schon sollte die Wärmegewinnung aus Grubenwasser, das an der ehemaligen Zeche Robert Müser an die Oberfläche gepumpt wird, auf den ganzen Stadtteil Werne ausgeweitet werden. Bisher werden in einem Pilotprojekt nur zwei Schulen und die Hauptfeuerwache, mit Wärme aus Grubenwasser versorgt.

2018 legte das LANUV eine detaillierte Potenzialstudie zur Nutzung des Grubenwassers der ehrmaligen Zeche Robert Müser für den Stadtteil Werne und der ehemaligen Zeche Friedlicher Nachbar für die Stadtteile Linden und Dahlhausen vor. Eine Umsetzung wurde für den Zeitraum 2020 bis 2035 angestrebt. Passiert ist auch hier seit 2012 nichts. Stadt sowie die regierenden Parteien, SPD und Grüne zeigten sich an einer weiteren Umsetzung nicht interessiert. Folgerichtig lehnten sie auch den Antrag der STADTGESTALTER (Antrag 20232090) ab, die beiden Grubenwasserprojekte nunmehr endlich in Angriff zu nehmen.

Abwasserwärmenutzung – Auch die Nutzung von Wärme aus Abwasser dezentral aus der Kanalisation und zentral an den Klärwerken wäre ein wichtiger Schritt im Rahmen der Bochumer Wärmewende (Wärme aus Abwasser – Baustein der Bochumer Wärmewende)

Bereits im Jahr 2010 ging in Bochum die erste und bisher einzige Abwasserwärmeanlage zur Wärmeversorgung des Hallenbads Hofstede auf Initiative der Emschergenossenschaft in Betrieb (WAZ vom 20.11.2010). Auf das erfolgreiche Pilotprojekt folgten jedoch keine weiteren Projekte. Die neu zu bauenden Hallenbäder in Linden und Höntrop werden nicht über klimaneutrale Energieanlagen verfügen, SPD und Grüne lehnten einen entsprechenden Vorstoß der STADTGESTALTER ab (Neue Bäder in Linden und Höntrop müssen klimaneutral sein). Diese Untätigkeit und Unwilligkeit zeigt erneute den geringen Stellenwert, den Stadt und Politik Energiewende und Klimaschutz beimessen.

Die dezentrale Nutzung von Abwasserwärme kommt wiederum im Klimaschutzkonzept 2030 aus dem Jahr 2014 vor. So sollte u.a. mittels einer Checkliste bei jeder Kanalsanierung und jedem Kanalneubau geprüft werden, ob eine dezentrale Wärmegewinnung aus Abwasser möglich und sinnvoll ist. Auch dieses Vorhaben wurde nicht umgesetzt. Kein einziges Projekt mit Wärmeversorgung aus dezentralem Abwasser wurde in Bochum bisher realisiert. Das hielt Oberbürgermeister Eiskirch jedoch nicht davon ab, die Idee der Abwasserwärmenutzung in der Kanalisation 2023 als brandneue, zukunftsweisende Idee vorzustellen („Ungehobener Schatz“: Mehr mit Abwasser heizen). Der Antrag der STADTGESTALTER (Antrag 20232087) die Umsetzung solcher Abwasserwärmeprojekte jetzt endlich in Angriff zu nehmen, lehnte die Rot-Grüne-Koalition dann allerdings in der Ratssitzung am 24.08.23 wiederum ab. Dass das Thema in naher Zukunft ernsthaft verfolgt wird, ist also trotz der vollmundigen Ankündigungen des OB nicht zu erwarten.

Wärmenutzung und Wärmeplanung – 2012 legte das Fraunhofer Institut zusammen mit der Stadt ein Integriertes Wärmenutzungskonzept für Langendreer vor. Die im Konzept vorgeschlagene Roadmap (Seite 11 der Kurzfassung) wurde jedoch nie in Angriff genommen.

Wäre Bochum den Vorschlägen des Fraunhofer Instituts gefolgt, wäre Bochum heute Vorreiter auf dem Feld der nun gemäß dem neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung. Doch außer die Fördermittel für das Konzept abzugreifen und dieses öffentlichkeitswirksam zu vermarkten, waren Stadt und Politik an einer Umsetzung nie ernsthaft interessiert und sind es bis heute nicht. So wurde der Antrag der STADTGESTALTERzu einer schnellen Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung auf Basis der bereits gewonnen Erkenntnisse (Antrag 20232093) von SPD und Grünen ebenfalls abgelehnt.

Anschlusszwang Fernwärme, Pflicht zu Wärmepumpen und PV-Anlagen bei Neubauten – 2009 schon beschloss die Politik eine energiebewusste Planung bei der Ausweisung neuer Baugebiete (Vorlage 20090845), ernsthaft umgesetzt wurde dieser Grundsatzbeschluss jedoch nie. Die meisten Maßnahmen von der Prüfung von dezentralen Nahwärmenetzen, dem Festlegen eines erneuerbaren Energieträgers, von Vorschriften zu verschärften energetischen Dämmstandards bis zur Anschlusspflicht an das Fernwärmenetz wurden nie angewendet.

Der Grundsatzbeschluss war ein reiner Papiertiger, der vortäuschen sollte, man kümmere sich um die Belange von Klimaschutz und Energiewende. Der Versuch der STADGESTALTER den bereits beschlossenen Regeln Wirkung zu verschaffen und diese in entscheidenden Punkten den aktuellen Anforderungen anzupassen, scheiterte jedoch. Der entsprechende Antrag (Antrag 20232091) fand bei SPD und Grünen ebenfalls keine Zustimmung.

SPD und Grüne sahen es als nicht erforderlich an, bei Neubauten eine Anschlussverpflichtung an ein Wärmenetz vorzusehen bzw. alternativ eine Wärmepumpe oder eine andere klimaneutrale Wärmeerzeugungsanlage sowie verpflichtende PV-Anlagen. Erneut zeigt sich, dass was beide Parteien reden, passt nicht zu dem, wie sie handeln.

Schwimmende Photovoltaik, Agro-PV – Natürlich war auch der Ausbau von Photovoltaik (PV) bereits 2012 ein Thema, so sollten die Schuldächer zur solaren Nutzung verpachtet werden, ein Solarfond aufgelegt werden und die PV-Anlage auf der Deponie Kornharpen erweitert werden (Projekte 14, 16 und 20 ). Aber auch von diesen Projekten ist in 11 Jahren keines umgesetzt worden.

Auch prüfen, ob man mittels schwimmender PV insbesondere auf dem Kemnader See, dem Ümminger See und den Klärteichen der Kläranlage Ölbachtal erneuerbaren Strom erzeugen kann (Schwimmende Solaranlagen auf Bochumer Seen könnten bis zu 11% des Strombedarfs der Haushalte in Bochum decken) wollen SPD und Grüne nicht, ebenso wenig wie Argro-PV-Anlagen auf Feldern, die weiterhin eine landwirtschaftlich Nutzung der solar genutzten Flächen erlauben. So wurde der entsprechende Antrag der STADTGESTALTER ebenfalls abgelehnt (Antrag 20232092)

Auch bei diesem Thema erwiesen sich SPD und Grüne als Bremser und bestätigten den Eindruck, dass Klimaschutz und Energiewende für sie nur auf dem Papier und in Wahlkampfzeiten relevante Themen sind.

Bochum war vor 11 Jahren weiter als heute

Die genannten Beispiele zeigen, Bochum war vor 11 Jahren in Sachen Klimaschutz und Energiewende weiter als heute. In den Jahren 2009 bis 2014 wurde viel auf den Weg gebracht und beschlossen. An einer konkreten und konsequenten Realisierung und sukzessiven Ausweitung der Projekte waren Politik und Verwaltung in den Folgejahren allerdings wenig interessiert. Wichtig war nur die publikumswirksame Ankündigung der Projekte und Maßnahmen. Die Stadt hat nach guter Vorarbeit die Chance vertan, sich als Vorreiter beim Klimaschutz und Energiewende zu profilieren. Tausende Arbeitsstunden in der Verwaltung wurden nutzlos für die Erstellung von Konzepten und das Erdenken von Projekten vergeudet, die dann nie durchgeführt wurden. Dabei wurde viel städtisches Geld verschwendet und die Beschäftigten, die sich für die Realisierung der Projekte eingesetzt hatten, wurden frustriert.

Leider hat sich an der Denkweise der Politik auch nach 11 Jahren nichts geändert. Die Ablehnung der diversen Anträge der STADTGESTALTER in der letzten Ratssitzung, mit denen jetzt eine beschleunigte Umsetzung der seit langem überfälligen Projekten vom Rat hätte angestoßen werden können, verweigerte Rot-Grün und demonstrierte damit erneut das mangelnde Interesse an schnellen und konkreten Maßnahmen in Sachen Klimaschutz und Energiewende.

Das Ziel, in Bochum bis 2035 klimaneutral zu werden, ist aufgrund der gepflegten Langsamkeit von Politik und Verwaltung ohnehin nicht mehr zu erreichen (Klimaneutral 2035 Bochum kann das Ziel nicht erreichen). Sofern SPD und Grüne aber nicht bald den Fuß von der Bremse nehmen, wird das auch bis 2045 nichts.

Die STADTGESTALTER

25 Jun

Wärme aus Abwasser – Baustein der Bochumer Wärmewende

Um bis 2035 sämtliche Wärme klimaneutral zu erzeugen, sollte in Bochum jede Wärmequelle genutzt werden. Die STADTGESTALTER schlagen daher vor, das städtische Abwasser und das Flusswasser der Ruhr als Wärmequelle zu nutzen.

Nachdem die STADTGESTALTER bereits einige Vorschläge zur Wärmegewinnung mit Geothermie (Erdwärme – Bochums Energie der Zukunft) und aus Abfall (Strom und Wärme aus Biomüll für 4.800 Haushalte – Bochum braucht eine Biogasanlage) gemacht haben, folgt nun ein weiterer, Wärme aus Abwasser und Flusswasser zu gewinnen.

Besonders Abwasser eignet sich als Wärmequelle, da es selbst im Winter eine Temperatur von 12° – 15°C aufweist. Aber auch dem Ruhrwasser kann man mittels Großwärmepumpen Wärme entziehen. Nur an wenigen Tagen im Jahr liegt die Wassertemperatur der Ruhr unter 5°C (Jahresganglinie Wassertemperatur Ruhr). Zur Nutzung des Rheinwassers werden derzeit in Mannheim und Köln entsprechende Großwärmepumpenanlagen errichtet.

Möglichkeiten Abwasser zur Wärmeerzeugung zu nutzen

Bei der Wärmeerzeugung mittels Abwassers bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

Wärmetauscher in der Kanalisation – Lokal kann die Wärme im Schmutzwasserkanal dem Abwasser mittels eines Wärmetauschers entzogen werden und mit der Wärme dann die Gebäude der Umgebung beheizt werden. Nach diesem Prinzip wird zum Beispiel das Helling-Quartier in Hamburg mit Wärme versorgt (Helling-Quartier Wärme aus Abwasser).

Die STADTGESTALTER schlagen vor, dass zukünftig bei jedem Kanal, der saniert wird, geprüft wird, ob der Einbau von Wärmetauschern sinnvoll ist, um auf diese Weise Wärme für die Gebäude der Umgebung zu gewinnen. Andersherum sollte insbesondere bei Neubauten, grundlegenden Gebäudesanierungen und Neubaugebieten geprüft werden, ob für diese die benötigte Wärme nicht zumindesten teilweise aus den Abwasserkanälen bereitgestellt werden kann.

Großwärmepumpen an Klärwerken – An Orten, wo große Mengen Schmutzwasser zusammen, kommen, besonders an Kläranlagen, kann dem Abwasser zentral die Wärme mit Hilfe von Wärmepumpen entzogen werden. Nach diesem Prinzip wird zum Beispiel bereits in Schaffhausen Wärme erzeugt (Saubere Energie dank Abwasserreinigungsanlage)

Diesbezüglich kommen für Bochum besonders zwei Orte in Frage, die Kläranlage am Ölbachtal, in der die Abwässer von 320.000 Menschen gereinigt werden und die Anlage in Essen-Burgaltendorf, die für das Abwasser von 44.000 Menschen ausgelegt ist und in der unter anderem das Abwasser von Dahlhausen gereinigt wird.

Die Kläranlage am Ölbachtal reinigt 810 Liter Abwasser pro Sekunde (Trockenwetterzulauf). Das Potential für die Wärmeerzeugung ist also sehr hoch. Bei einer Wärmepumpenleistung von 150 Lizer pro kWh ließe sich bei dieser Abwassermenge theoretisch Wärme für 16.700 Bochumer Haushalte erzeugen (bei 250 l/kWh für knapp 10.000 Haushalte).

Wärme aus Abwasser – Kalkulation

Mit der Abwasserwärme vom Klärwerk Ölbachtal ließen sich über ein Nahwärme- oder Fernwärmenetz Teile von Langendreer und Witten (Kaltehardt, Papenholz, Heven) versorgen. Ebenfalls sollte eine Wärmeversorgung des Technologiequartiers an der Hochschule Bochum in Betracht gezogen werden, zu dem es umfangreiche Erweiterungspläne gibt. Zu überlegen wäre zudem, inwieweit das Freizeitbad Heveney mit umweltfreundlicher Abwasserwärme versorgt werden kann.

Wärmeversorgung Ölbachtal

Eine Wärmepumpenanlage an der Kläranlage Burgaltendorf hat aufgrund des geringeren Trockenwetterzulaufs (105 l/s) die Kapazität zur Wärmeversorgung von 1.300 bis 2.160 Haushalten. Neben dem Abwasser könnte in Burgaltendorf allerdings auch das Flusswasser als Wärmequelle genutzt werden, da sich die Kläranlage in direkter Nähe der Ruhr befindet.

Wärmeversorgung Linden und Dahlhausen

Mit der Wärmeerzeugungsanlage könnten Teile von Dahlhausen auf der gegenüber liegenden Ruhrseite mit Wärme versorgt werden. Es gibt bereits umfangreiche Überlegungen Linden und Dahlhausen über eine Wärmenetz mit der Abwärme des Grubenwassers, das von der RAG auf dem Gelände der ehemaligen Zechen Friedlicher Nachbar an die Oberfläche gepumpt wird, mit Wärme zu versorgen (Potenzialstudie warmes Grubenwasser, S. 86). Eine Anlage in Burgaltendorf könnte als zweite Wärmequelle für dieses Wärmenetz dienen. Die vorliegende Potenzialstudie errechnet für das Grubenwasser ein Potenzial von 94.600 MWh Wärmeenergie. Durch die Nutzung des Abwassers als Wärmequelle könnten 13.250 – 22.000 MWh dazukommen. Zusätzliche Energiemengen können  durch Nutzung des Ruhrwassers als Wärmequelle erzeugt werden.

Auch das Hallenfreibad Linden sollte über das Wärmenetz mitversorgt werden (Neue Bäder in Linden und Höntrop müssen klimaneutral sein).

Die Entnahme von Wärme aus dem Abwasser ist aus Umweltsicht unproblematisch. Das Klärwasser wird tendenziell etwas kälter als heute in die Ruhr eingeleitet. Dieser Effekt wäre sogar positiv, denn die künstliche Erwärmung des Ruhrwassers, durch warmes Klärwasser würde reduziert. Der Entzug von Wärme aus dem Flusswasser fällt nicht ins Gewicht, da nur sehr geringen Anteil des Wassers Wärme entzogen würde, so dass insgesamt kein signifikanter Effekt auf die Gesamttemperatur der Ruhr zu erwarten ist.

Gemeinschaftsaufgabe mehrerer Städte und des Ruhrverbands

Sowohl am Ölbachtal wie in Burgaltendorf wäre die Abwassernutzung zur Wärmeerzeugung nicht nur eine Aufgabe der Stadt Bochum. Der Ruhrverband betreibt beide Kläranlagen, eine Anlage liegt in Essen-Burgaltendorf, mit beiden Anlagen könnten nicht nur Gebiete in Bochum, sondern auch Stadtteile in Witten, Essen und Hattingen mit Wärme versorgt werden. Die Nutzung von Abwasser als Wärmequelle mittels Großwärmepumpen ist also eine Gemeinschaftsaufgabe der genannten Ruhrgebietsstädte.

Ein Projekt zur Nutzung von Abwasserwärme gibt es in Bochum bereits. Seit 2010 wird auf Initiative der Emschergenossenschaft gemeinsam mit den Bochumer Stadtwerken im Norden der Stadt ein Abwasserkanal als Wärmequelle für das Hallenfreibad Hofstede genutzt (WAZ vom 20.11.2010). Über 70% des Wärmebedarfs des Bades kann so gedeckt werden.

Schnelles Umdenken bei Politik und Stadt nötig

Seit 2010 hat sich in Sachen erneuerbar erzeugte Wärme in Bochum leider wenig getan. Die Wärmewende wurde, wie in vielen Kommunen, auch in Bochum verschlafen. SPD, Grüne und Stadtwerke haben konsequent auf die Erzeugung von Wärme mit fossilen Brennstoffen, insbesondere Gas, gesetzt. So wird das Fernwärmenetz der Stadt überwiegend durch die Gaskraftwerke in Hiltrop und an der RUB gespeist. Statt in erneuerbare Energie zu investieren hat Rot-Grün in den letzten zwei Jahrzehnten einen dreistelligen Millionenbetrag in Energieerzeugung mit Gas- und Kohlekraftwerken investiert (STEAG, Trianel, KW Hamm-Uentrop, TKW, Lünen).

Jetzt ist schnelles Umdenken erforderlich. 2035 will die Stadt klimaneutral sein. Dazu muss jede verfügbare erneuerbare Wärmequelle genutzt werden. Die STADTGESTALTER dringen daher darauf, dass Stadt und Stadtwerke umgehend Anstrengungen unternehmen, konsequent auch das Wärmepotenzial der Ruhr und des städtischen Abwassers zu nutzen.

10 Jul

Schwammstraßen ermöglichen mehr Grün und größere Straßenbäume

Auch in Bochum steigt durch den Klimawandel die Zahl der Hitzetage. Die Stadt muss etwas gegen die Aufheizung der Straßen tun. Viel Grün und große Bäume sind die beste Lösung. Doch die Bäume brauchen viel Wasser und Wurzelraum. Schwammstraßen sind die Lösung. Die STADTGESTALTER erläutern, wie das funktioniert.

Es ist Sommer und bei Hitze suchen die Menschen Schatten und Abkühlung. In den Straßen mit großen Bäumen ist es erheblich kühler als in den Straßen ohne jede Bepflanzung.

Wirkung von Hitze in Straßen

Straßenbäume sorgen für kühle Straßen

Nicht nur durch ihren Schatten schützen die Bäume die Straßen vor Überhitzung, sondern auch die Verdunstung über die Blätter kühlt die Luft in den Straßen ab. Damit der Verdunstungseffekt eintritt, müssen die Bäume allerdings alt genug und die Kronen groß genug sein. Häufig werden Bäume an Stadtstraßen aber nicht älter als 20 bis 30 Jahre und bilden keine ausreichend großen Kronen aus, da die Wuchsbedingungen schlecht sind. Es fehlt an Wurzelraum und ausreichender Wasserversorgung. Nach 20 Jahren hören viele Bäume auf zu wachsen, manche sterben sogar langsam ab. Werden Bäume auf dem freien Land in der Regel 60 bis 100 Jahre, erreichen Straßenbäume dieses Alter nur selten.

Mit dem Straßenbaumkonzept (Kurzfassung Straßenbaumkonzept) will die Stadt für mehr Bäume sorgen und Straßenbäume ersetzen, die nur schlecht wachsen oder sogar bereits absterben, weil die erforderlichen Wuchsbedingungen an den Straßen, an denen sie stehen nicht vorhanden sind. Die Stadt hat ermitteln lassen , dass an 23 km Straßen in Bochum 730 Bäume fehlen und 3.066 schwer gesundheitlich angeschlagene Bäume in den nächsten 10 Jahren ersetzt werden sollten.

Für große Bäume fehlt es an Wurzelraum und Wasser

Das Straßenbaumkonzept geht bei Neupflanzung davon aus, dass dem Baum mindestens 12 m3 durchwurzelbarer Raum zur Verfügung gestellt werden sollten. 12 m³ sind aber, um eine ausreichend große Krone zu erreichen, viel zu wenig. Der benötigte Wurzelraum kann grob anhand der gewünschten Kronengröße mit dem Faktor 0,75 berechnet werden. Für eine 40 m³ große Baumkrone wird also ein Wurzelraum von 30 m³ benötigt. Eine genaue Berechnung des benötigten Wurzelraums ist von vielen Faktoren abhängig. (Wie viel Wurzelraum braucht ein Baum wirklich?).

Insbesondere benötigt der Baum, um gut wachsen zu können, genug Hohlräume in die er wurzeln kann sowie eine ausreichende Wasserversorgung. Im herkömmlichen Straßenbau wird beim Bau der Straße der Boden so stark verdichtet, dass Baumwurzeln sich kaum ausbreiten können. Zudem wird die Straßenfläche so versiegelt, dass an die Wurzeln der Bäume nicht genug Wasser gelangt. Damit die Wurzeln nicht den Straßenunterbau und die Leitungen unter der Straße beschädigen werden Bäume zudem in vorgefertigte zu kleine Wurzelräume gepflanzt, die nur ein sehr begrenztes Baumwachstum zulassen. Bei einem Wurzelraum von 12 m³, entwickeln Bäume eine Krone von knapp über 3 m Durchmesser (16 m³). Das ist nicht groß.

Stadt Bochum profiliert sich als Vorreiter beim Leitbild Schwammstadt

Die Stadt Bochum versucht diese Probleme zu lösen. Sie verfolgt bei der Ableitung des Niederschlagswassers das Prinzip der Schwammstadt (Ruhrgebietsstädte mit „Schwamm-Prinzip“ gegen Folgen des Klimawandels) und hat in diesem Bereich bereits einige Vorreiterprojekt realisiert bzw. ist gerade dabei solche umzusetzen. Bereits 2018 begann Bochum mit der Umsetzung eines ersten Modellprojekts (Modellprojekt: Bochum testet Schwamm-Straßen), später wurden beim “Urban Green” Am Hausacker, Rigolen für die Ableitung des Niederschlagswassers und die Wasserversorgung der Bäume geschaffen, ebenso wie an der Wasserstraße. Gleiches geschieht aktuell bei den laufenden Straßenbauprojekten an der Hattinger wie der Castroper Straße.

Das Schwammstadtprinzip (Das Konzept der Schwammstadt (Sponge-City)) wurde in China erfunden, danach wurde es in Europa zunächst von Städten in Skandinavien und Österreich übernommen und wird mittlerweile auch in deutschen Großstädten verfolgt., im Ruhrgebiet haben sich dazu 16 Städte sowie die Emschergenossenschafft zusammengetan (Klima.Werk).

In der Schwammstadt oder (englisch) Sponge City wird anfallendes Regenwasser vor Ort aufgenommen, gespeichert und versickert, anstatt es zu kanalisieren und abzuleiten. Dafür wird eine grüne Infrastruktur geschaffen, Rigolen Dach- und Fassadenbegrünungen, Feuchtgebiete, Mulden, Versickerungsflächen und ähnliches, damit das Wasser zu mindestens 70%, dort genutzt wird, wo der Niederschlag anfällt.

Entsprechend schafft die Stadt Bochum an neuen Straßen ein System von Baumrigolen, in die das Niederschlagswasser über Versickerungsbeete (Bioswales) abgeleitet wird, damit trotz der versiegelten Straßenoberfläche genug Wasser zum Wurzelraum der Bäume gelangt und diese deutlich besser wachsen können. Es wird das Ziel verfolgt, auch bei Starkregen so viel Wasser wie möglich dort zu versickern, wo es niederregnet und die Menge Niederschlagwasser. die die Kanalisation aufnehmen muss. zu minimieren. Das spart auf Dauer viel städtisches Geld, denn die Kanalnetze und Wasseraufbereitungsanlagen können deutlich geringer dimensioniert werden, was die Kosten des Betriebs und Unterhalts deutlich reduziert.

Das Schwammstraßen-Konzept (The Stockholm Solution)

Doch löst das von der Stadt Bochum verfolgte Konzept der Baum-Rigolen noch nicht das Problem des zu kleinen Wurzelraums für die Bäume. Zudem ist der Einbau von Rigolen und deren Vernetzung sehr aufwendig und mit erheblichen Kosten verbunden.

In Stockholm hat man daher das Schwammstraßen-Prinzip (The Stockholm Solution) entwickelt, das von immer mehr Städten übernommen und weiterentwickelt wird.

Querschnitt Schwammstraße

Beim Stockholmer Baumpflanzsystem (Stockholmer Baumpflanzsystem) wird der gesamte Raum unter der Straße zum Schwammkörper, der von den Bäumen als Wurzelraum genutzt werden kann. Dazu wird unter der Straße eine dicke Schicht Drainageschotter eingebracht, die mit einem Substrat aus Pflanzenkohle versetzt wird. Diese Schicht ist bestens für eine Durchwurzelung geeignet. Ebenso kann über die Drainage das Niederschlagswasser optimal versickern. Über Schächte und Versickerungsbeete wird das Niederschlagswasser von der versiegelten Straßenoderfläche direkt in die Drainageschicht geleitet. Damit die Baumwurzeln nicht den Straßenaufbau beschädigen, wird oberhalb der Drainageschicht eine Trennschicht eingebaut, die nicht von Wurzeln durchwachsen werden kann. Auch gilt, haben die Bäume genug Platz in die Tiefe zu wachsen, wachsen keine Wurzeln nach oben in den Straßenaufbau und zerstören dadurch zum Beispiel die Gehwege. Darüber hinaus werden die Leitungen und Leitungsschächte außerhalb der Drainageschicht verlegt und wirksam gegen ein Eindringen von Wurzeln geschützt. Gleiches gilt für unter dem Straßenniveau liegende Kellerräume (Die Innovation für Stadtbäume: Das Schwammstadt-Prinzip).

Durch die Schotterschicht unter der Straße soll jeder Baum mindestens 30 m³ durchwurzelbaren Raum erhalten. Dadurch ergibt sich ein Speichervolumen von rund 5.000 Liter Wasser pro Baum. Die Bäume zeigen wieder ein gesundes Wachstum und können ihr natürliches Alter erreichen. Sie können eine große Krone ausbilden, spenden entsprechend viel Schatten und können den vollen Verdunstungseffekt entwickeln.

Durchgrünte, mit gesunden Bäumen gesäumte Straßen bedeuten hohe Lebensqualität

Durchgrünte, mit gesunden Bäumen gesäumte, kühle Straßen sind letztlich ein sichtbares Zeichen von lebenswerten Straßen und Städten. Bis ins hohe Alter gut wachsende Stadtbäume bedürfen weniger Pflege und müssen nicht aller 20 Jahre durch neue ersetzt werden, das spart auf Dauer zudem einiges an städtischem Geld.

Die STADTGESTALTER haben 2019 darüber hinaus angeregt einen „Grünen Plan“ aufzustellen, auf dessen Grundlage die Stadt systematisch durchgrünt wird (Mehr Grün für die Stadt). Im Rahmen der von den STADTGESTALTERn vorgeschlagenen Überplanung und Begrünung aller Wohnstraßen bis 2040 sollten die Straßen mit entsprechenden Schwammkörpern versehen werden, die ein optimales Wachstum der Straßenbäume ermöglichen.

In Stockholm wird der Einbau von Schwammkörpern nicht nur für die Neupflanzung von Bäumen vorgenommen, sondern auch um vorhandene Bäume vor dem Absterben und Fällen zu retten. In gleicher Weise könnten auch in Bochum Straßenbäume, denen aktuelle ausreichender Wurzelraum und Bewässerung fehlt, vor dem Austausch durch neue bewahrt werden.

Bochum sollte die Anstrengungen noch ausweiten und beschleunigen

Bei den Klimaanpassungsmaßnahmen ist jedoch Eile geboten. Denn erst bei Bäumen im Alter von 15 bis 20 Jahre zeigt sich der beschriebene Verdunstungseffekt. Die gewünschten Klimaanpassungseffekte von Straßen, die heute umgebaut werden, entfalten sich somit erst mit einem Zeitverzug von 10-15 Jahren (Das Schwammstadt-Prinzip oder ein Plädoyer für Baumgesundheit).

Im Ergebnis ist die Stadt Bochum anders als in vielen anderen Bereichen in Sachen Straßenbaumkonzept und Schwammstadt schon sehr gut aufgestellt Beispielhaft ist in diesem Bereich auch die Zusammenarbeit mit anderen Städten des Ruhrgebiets. Gleichwohl sollte auch auf diesem Gebiet noch viel mehr passieren und müssen die Anstrengungen beschleunigt werden. Der Klimawandel bestimmt das nötige Tempo.

Bochum sollte sich in Sachen Schwammstadt und Schwammstraßen weiter als Vorreiter zeigen und mutig weitere Innovationen aus diesem Gebiet übernehmen und selbst entwickeln, um zukünftig bei diesen Themen neben Stockholm, Kopenhagen, Wien oder Graz in vorderster Reihe genannt zu werden. Das würde auch den Ruf als moderne Universitätsstadt nachhaltig stärken.