27 Aug

Bochum: Vor 11 Jahren bei der Energiewende weiter als heute

Zu den Bereichen Wärmenutzungskonzept, Grubenwasser- und Abwasserwärmenutzung, Bau einer Biogasanlage, Ausbau Wärmenetze hat Bochum bereits vor mehr als 11 Jahren Grundsatzbeschlüsse gefasst und Pilotprojekte umgesetzt, doch dann passierte über 11 Jahre nichts, Verwaltung und Politik waren an einer konsequenten Umsetzung der Beschlüsse desinteressiert. Die Stadt könnte heute viel weiter sein.

2012 stellte die Stadtverwaltung eine Liste mit 32 geplanten bzw. laufenden mehr oder weniger ambitionierter Energie- und Klimaprojekte auf (Energie- und Klima Sammelprojekte). Geht man diese Projekte heute durch, stellt man fest, dass 70% nie wirklich umgesetzt wurden. Manche wurden nie angegangen (u.a. Corporate Carbon Footprint, Erweiterung Energieerzeugung Deponie Kornharpen (Biogasanlage), Solarfond, Flächenmobilisierung für Windkraftanlage), andere sind nie über das Konzeptstadium hinausgekommen (u.a. Wärmenutzungskonzept Ost), wieder andere wurden nur in Ansätzen realisiert (u.a. Umsetzung des Energie- und Klimaschutzkonzeptes 2020, Wärmegewinnung aus Grubenwasser Robert Müser). Realisiert wurden insbesondere Marketingmaßnahmen (u.a. European Energy Award) und Projekte, die nicht die Stadt Bochum umgesetzt hat (u.a. Trianel Windpark Borkum, Wiederherstellung und Renaturierung von Gewässern durch den Ruhrverband, Beratung im Bereich Energieeinsparung, Energieeffizienz durch die Verbraucherzentrale). 23 der 32 Projekte wurden nicht oder allenfalls ansatzweise umgesetzt, also nicht ernsthaft verfolgt.

Nicht anders erging es den Maßnahmen, die mit den Klimaschutzkonzepten 2009 und 2014 beschlossen wurden, auch hiervon wurde nur ein Bruchteil von der Verwaltung realisiert (Klimaschutz, viel Papier, wenig Greifbares).

2019 beschloss die Politik den Klimanotstand und verkündete bis 2035 klimaneutral sein zu wollen, doch bis heute wurde das Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2014 nicht durch ein neues ersetzt. In der Stadt der gepflegten Langsamkeit reichten auch über 4 Jahre nicht um ein neues Konzept zu erstellen. Wie man das gesetzte Zeil ohne Konzept mit konkreten Maßnahmen, deren Umsetzung eine Erreichung erst ermöglicht, erreichen will, bleibt offen.

Konzepte und Projekte zum Klimaschutz sowie zur Verkehrs- und Energiewende wurden in Bochum bisher immer nur alibimäßig verfolgt (Stadtplanung: Ausufernde Konzeptflut sorgt für Zeit- und Geldverschwendung). Viel Papier sollte den Eindruck erwecken, dass was passiert, in der Realität aber geschah kaum Nennenswertes. Tatsächlich war die Stadt vor rund 11 Jahren in Sachen Energiewende in vielen Bereichen bereits weiter als heute:

Biogasanlage – Projekt 14 der genannten Liste, sah die “Erweiterung der Solaranlagen und Errichtung von Biogasanlagen“ auf dem Gelände der Deponie Kornharpen vor. Umgesetzt wurde das Projekt bis heute nicht, Das Projekt scheitert daran, dass Rot-Grün in Bochum sich bis heute gegen eine verpflichtende Einführung von Biotonnen wehrt. Also ist eine Sammlung des für den Betrieb der Anlage benötigten Biomülls nicht möglich. Bis zu 4.800 Haushalte könnte eine Biogasanlage mit Strom und Wärme versorgen (Strom und Wärme aus Biomüll für 4.800 Haushalte – Bochum braucht eine Biogasanlage), das Biogas könnte im BHKW Kornharpen direkt neben dem Deponiegas zur Erzeugung von Fernwärme verfeuert werden. Doch der politische Wille für eine Umsetzung fehlt, entsprechend wurde auch der erneute Antrag der STADTGESTALTER (Antrag 20232088) zum unverzüglichen Bau einer Biogasanlage in der letzten Ratssitzung von SPD und Grünen abgelehnt.

Grubenwasserwärmenutzung – 2012 schon sollte die Wärmegewinnung aus Grubenwasser, das an der ehemaligen Zeche Robert Müser an die Oberfläche gepumpt wird, auf den ganzen Stadtteil Werne ausgeweitet werden. Bisher werden in einem Pilotprojekt nur zwei Schulen und die Hauptfeuerwache, mit Wärme aus Grubenwasser versorgt.

2018 legte das LANUV eine detaillierte Potenzialstudie zur Nutzung des Grubenwassers der ehrmaligen Zeche Robert Müser für den Stadtteil Werne und der ehemaligen Zeche Friedlicher Nachbar für die Stadtteile Linden und Dahlhausen vor. Eine Umsetzung wurde für den Zeitraum 2020 bis 2035 angestrebt. Passiert ist auch hier seit 2012 nichts. Stadt sowie die regierenden Parteien, SPD und Grüne zeigten sich an einer weiteren Umsetzung nicht interessiert. Folgerichtig lehnten sie auch den Antrag der STADTGESTALTER (Antrag 20232090) ab, die beiden Grubenwasserprojekte nunmehr endlich in Angriff zu nehmen.

Abwasserwärmenutzung – Auch die Nutzung von Wärme aus Abwasser dezentral aus der Kanalisation und zentral an den Klärwerken wäre ein wichtiger Schritt im Rahmen der Bochumer Wärmewende (Wärme aus Abwasser – Baustein der Bochumer Wärmewende)

Bereits im Jahr 2010 ging in Bochum die erste und bisher einzige Abwasserwärmeanlage zur Wärmeversorgung des Hallenbads Hofstede auf Initiative der Emschergenossenschaft in Betrieb (WAZ vom 20.11.2010). Auf das erfolgreiche Pilotprojekt folgten jedoch keine weiteren Projekte. Die neu zu bauenden Hallenbäder in Linden und Höntrop werden nicht über klimaneutrale Energieanlagen verfügen, SPD und Grüne lehnten einen entsprechenden Vorstoß der STADTGESTALTER ab (Neue Bäder in Linden und Höntrop müssen klimaneutral sein). Diese Untätigkeit und Unwilligkeit zeigt erneute den geringen Stellenwert, den Stadt und Politik Energiewende und Klimaschutz beimessen.

Die dezentrale Nutzung von Abwasserwärme kommt wiederum im Klimaschutzkonzept 2030 aus dem Jahr 2014 vor. So sollte u.a. mittels einer Checkliste bei jeder Kanalsanierung und jedem Kanalneubau geprüft werden, ob eine dezentrale Wärmegewinnung aus Abwasser möglich und sinnvoll ist. Auch dieses Vorhaben wurde nicht umgesetzt. Kein einziges Projekt mit Wärmeversorgung aus dezentralem Abwasser wurde in Bochum bisher realisiert. Das hielt Oberbürgermeister Eiskirch jedoch nicht davon ab, die Idee der Abwasserwärmenutzung in der Kanalisation 2023 als brandneue, zukunftsweisende Idee vorzustellen (“Ungehobener Schatz”: Mehr mit Abwasser heizen). Der Antrag der STADTGESTALTER (Antrag 20232087) die Umsetzung solcher Abwasserwärmeprojekte jetzt endlich in Angriff zu nehmen, lehnte die Rot-Grüne-Koalition dann allerdings in der Ratssitzung am 24.08.23 wiederum ab. Dass das Thema in naher Zukunft ernsthaft verfolgt wird, ist also trotz der vollmundigen Ankündigungen des OB nicht zu erwarten.

Wärmenutzung und Wärmeplanung – 2012 legte das Fraunhofer Institut zusammen mit der Stadt ein Integriertes Wärmenutzungskonzept für Langendreer vor. Die im Konzept vorgeschlagene Roadmap (Seite 11 der Kurzfassung) wurde jedoch nie in Angriff genommen.

Wäre Bochum den Vorschlägen des Fraunhofer Instituts gefolgt, wäre Bochum heute Vorreiter auf dem Feld der nun gemäß dem neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung. Doch außer die Fördermittel für das Konzept abzugreifen und dieses öffentlichkeitswirksam zu vermarkten, waren Stadt und Politik an einer Umsetzung nie ernsthaft interessiert und sind es bis heute nicht. So wurde der Antrag der STADTGESTALTERzu einer schnellen Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung auf Basis der bereits gewonnen Erkenntnisse (Antrag 20232093) von SPD und Grünen ebenfalls abgelehnt.

Anschlusszwang Fernwärme, Pflicht zu Wärmepumpen und PV-Anlagen bei Neubauten – 2009 schon beschloss die Politik eine energiebewusste Planung bei der Ausweisung neuer Baugebiete (Vorlage 20090845), ernsthaft umgesetzt wurde dieser Grundsatzbeschluss jedoch nie. Die meisten Maßnahmen von der Prüfung von dezentralen Nahwärmenetzen, dem Festlegen eines erneuerbaren Energieträgers, von Vorschriften zu verschärften energetischen Dämmstandards bis zur Anschlusspflicht an das Fernwärmenetz wurden nie angewendet.

Der Grundsatzbeschluss war ein reiner Papiertiger, der vortäuschen sollte, man kümmere sich um die Belange von Klimaschutz und Energiewende. Der Versuch der STADGESTALTER den bereits beschlossenen Regeln Wirkung zu verschaffen und diese in entscheidenden Punkten den aktuellen Anforderungen anzupassen, scheiterte jedoch. Der entsprechende Antrag (Antrag 20232091) fand bei SPD und Grünen ebenfalls keine Zustimmung.

SPD und Grüne sahen es als nicht erforderlich an, bei Neubauten eine Anschlussverpflichtung an ein Wärmenetz vorzusehen bzw. alternativ eine Wärmepumpe oder eine andere klimaneutrale Wärmeerzeugungsanlage sowie verpflichtende PV-Anlagen. Erneut zeigt sich, dass was beide Parteien reden, passt nicht zu dem, wie sie handeln.

Schwimmende Photovoltaik, Agro-PV – Natürlich war auch der Ausbau von Photovoltaik (PV) bereits 2012 ein Thema, so sollten die Schuldächer zur solaren Nutzung verpachtet werden, ein Solarfond aufgelegt werden und die PV-Anlage auf der Deponie Kornharpen erweitert werden (Projekte 14, 16 und 20 ). Aber auch von diesen Projekten ist in 11 Jahren keines umgesetzt worden.

Auch prüfen, ob man mittels schwimmender PV insbesondere auf dem Kemnader See, dem Ümminger See und den Klärteichen der Kläranlage Ölbachtal erneuerbaren Strom erzeugen kann (Schwimmende Solaranlagen auf Bochumer Seen könnten bis zu 11% des Strombedarfs der Haushalte in Bochum decken) wollen SPD und Grüne nicht, ebenso wenig wie Argro-PV-Anlagen auf Feldern, die weiterhin eine landwirtschaftlich Nutzung der solar genutzten Flächen erlauben. So wurde der entsprechende Antrag der STADTGESTALTER ebenfalls abgelehnt (Antrag 20232092)

Auch bei diesem Thema erwiesen sich SPD und Grüne als Bremser und bestätigten den Eindruck, dass Klimaschutz und Energiewende für sie nur auf dem Papier und in Wahlkampfzeiten relevante Themen sind.

Bochum war vor 11 Jahren weiter als heute

Die genannten Beispiele zeigen, Bochum war vor 11 Jahren in Sachen Klimaschutz und Energiewende weiter als heute. In den Jahren 2009 bis 2014 wurde viel auf den Weg gebracht und beschlossen. An einer konkreten und konsequenten Realisierung und sukzessiven Ausweitung der Projekte waren Politik und Verwaltung in den Folgejahren allerdings wenig interessiert. Wichtig war nur die publikumswirksame Ankündigung der Projekte und Maßnahmen. Die Stadt hat nach guter Vorarbeit die Chance vertan, sich als Vorreiter beim Klimaschutz und Energiewende zu profilieren. Tausende Arbeitsstunden in der Verwaltung wurden nutzlos für die Erstellung von Konzepten und das Erdenken von Projekten vergeudet, die dann nie durchgeführt wurden. Dabei wurde viel städtisches Geld verschwendet und die Beschäftigten, die sich für die Realisierung der Projekte eingesetzt hatten, wurden frustriert.

Leider hat sich an der Denkweise der Politik auch nach 11 Jahren nichts geändert. Die Ablehnung der diversen Anträge der STADTGESTALTER in der letzten Ratssitzung, mit denen jetzt eine beschleunigte Umsetzung der seit langem überfälligen Projekten vom Rat hätte angestoßen werden können, verweigerte Rot-Grün und demonstrierte damit erneut das mangelnde Interesse an schnellen und konkreten Maßnahmen in Sachen Klimaschutz und Energiewende.

Das Ziel, in Bochum bis 2035 klimaneutral zu werden, ist aufgrund der gepflegten Langsamkeit von Politik und Verwaltung ohnehin nicht mehr zu erreichen (Klimaneutral 2035 Bochum kann das Ziel nicht erreichen). Sofern SPD und Grüne aber nicht bald den Fuß von der Bremse nehmen, wird das auch bis 2045 nichts.

Die STADTGESTALTER

24 Jul

Erdwärme – Bochums Energie der Zukunft

Mit der aktuellen Energiekrise und der Preisexplosion beim Erdgas zeigt sich, Heizen mit Gas hat keine Zukunft. Die Stadt hat zudem 2019 den Klimanotstand erklärt, Heizwärme soll zukünftig nicht mehr durch Verbrennung fossiler Brennstoffe erzeugt werden, sondern CO2-neutral mittels erneuerbarer Energie. Das größte Potential dabei hat die Geothermie. Doch eine echte Wärmewende, bei der Erdwärme systematisch Gas als Energieträger ablöst, ist in Bochum nicht in Sicht. Dafür tun Stadtwerke und Stadt immer noch zu wenig. Die STADTGESTALTER haben sich angeschaut, welche Möglichkeiten Erdwärme für die Stadt bieten könnte.

56% des deutschen Primärenergiebedarfs wird für die Erzeugung von Wärme benötigt. Der Gesamtwärmebedarf Bochums liegt derzeit bei ca. 3.200 Mio. KWh/Jahr (Vorlage 20221538). Die Erzeugung von Wärme geschieht dabei zu einem großen Teil durch die klimaschädliche Verbrennung von Erdgas. Nicht nur viele Heizungen in Privathaushalten werden mit Gas betrieben, sondern auch bei der Erzeugung von Fernwärme hat Gas den größten Anteil (deutschlandweit: Gas 42%, Kohle und Öl: 26%, erneuerbare Energieträger: 32%). Dies geschieht in Bochum in den Gas-Heizkraftwerken Hiltrop und Am Hain sowie weiteren kleineren Anlagen. Diese Anlagen allein emittieren rund 101.000 t CO2 im Jahr (Nachhaltigkeitsbericht 2020 Stadtwerke Bochum).

Beste Voraussetzung für die Nutzung von Geothermie

Bochum bietet zudem ideale Voraussetzungen für die Nutzung von Erdwärme, zum einen  kann der ehemalige Bergbau für Tiefengeothermie genutzt werden, zum anderen eignet sich der Lehmboden ideal für die Nutzung von oberflächennaher Geothermie. Zudem hat seit 2003 das Internationale Geothermiezentrum in Bochum seinen Sitz  dessen wissenschaftlichen Aktivitäten und Forschungsinfrastruktur das Fraunhofer IEG im Jahr 2020 übernommen hat. Das Fraunhofer-Institut verfolgt in Bochum insbesondere Forschungsprojekte zur geothermischen Nutzung der ehemaligen Bergwerke, die deutschlandweit, aber auch international große Beachtung finden.

Politik lehnte bisher Masterplan zur systematischen Nutzung von Geothermie ab

Stadt und Stadtwerke verfolgen bis heute allerdings kein Geothermie-Konzept zur systematischen, stadtweiten Nutzung von Erdwärme. Noch 2019 lehnte der Rat die Aufstellung eines entsprechenden Masterplans ab, wie ihn STADTGESTALTER und FDP vorgeschlagen hatten (Masterplan für (Tiefen-)geothermie in Bochum und dem Ruhrgebiet). Immerhin gibt es seit März 2022 die ebenfalls im gleichen Antrag 2019 vorgeschlagene Kooperation von Ruhrgebiets-Stadtwerken und Geothermiezentrum (Fünf kommunale Versorger und Fraunhofer gründen Allianz für Geothermie). Erfreulicher Weise haben sich die Stadtwerke hier gegen den Willen der Bochumer Politik doch noch durchgesetzt.

Es gibt viele Möglichkeiten Geothermie zu nutzen

Die Grundvoraussetzungen für eine systematischen und beschleunigten Ausbau der Nutzung von Erdwärme sind also in Bochum mittlerweile vorhanden. Doch die Nutzung der Erdwärme ist ein komplexes Vorhaben, denn es gibt viele Verfahren zur Geothermie-Nutzung und eine Vielzahl technischer Anforderungen sind zu erfüllen.

Bei der Erdwärmenutzung unterscheidet man Tiefen- und oberflächennahe Geothermie. In beiden Bereichen gibt es wiederum einige unterschiedliche technische Nutzungsmöglichkeiten. Ob und wie diese in Bochum Anwendung finden können, wird nachfolgend erläutert:

Tiefengeothermie

Thermalwasser (3.000-5.000 m, 170 °C) – In großer Tiefe wird unter dem Ruhrgebiet Thermalwasser vermutet. Solches Wasser wird z.B. in München zur Fernwärmeversorgung genutzt (Geothermie: Den Schatz aus der Tiefe sinnvoll nutzen). Im Forschungsprojekt TRUDI wird derzeit mit Tiefenbohrungen in Gelsenkirchen vom Fraunhofer Geothermiezentrum untersucht, ob die vermuteten Vorkommen wirklich vorhanden sind und sich eine Nutzung lohnt.

Eine Nutzung von 170° heißem Thermalwasser würde zwar hohe Potentiale bieten, doch das Projekt befindet sich ganz am Anfang. Ob und wann gegebenenfalls eine Nutzung möglich sein wird, ist noch völlig offen. Im besten Fall werden bis dahin noch mindestens 10-20 Jahre vergehen. Die Nutzung von Thermalwasser zur Wärmegewinnung ist daher aktuell noch keine Option.

Warmes Grubenwasser (800m, 22-28 °C) – Die Nutzung von Grubenwasser, das aus den ehemaligen Bergwerken abgepumpt wird, damit das Grubenwasser nicht mit dem Grundwasser in Kontakt kommt und dieses verschmutzt, geschieht in Bochum in kleinem Umfang bereits erfolgreich auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Robert-Müser. Mit dem Grubenwasser werden die Hauptfeuerwache wie zwei Schulen, samt schuleigener Schwimmhalle und Sporthalle mit Wärme versorgt.

Zukünftig wird die Ruhrkohle AG an nur noch 6 Orten das 22-28°C warme Grubenwasser an die Oberfläche pumpen, zwei davon liegen in Bochum (Grubenwasserkonzept RAG:). Neben Robert-Müser wird auch in Dahlhausen auf dem Gelände der ehemaligen Zeche friedlicher Nachbar Grubenwasser abgepumpt. Dieses Grubenwasser wird jedoch bisher nicht zur Wärmeerzeugung genutzt.

Bereits 2018 hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen eine Potenzialstudie zur Nutzung von warmem Grubenwasser vorgelegt (Potenzialstudie Warmes Grubenwasser). Die Studie empfiehlt einen Ausbau der Grubenwassernutzung auf Robert-Müser sowie eine Nutzung auf Friedlicher Nachbar in Dahlhausen. Ein konkretes Projekt, mit dem die Nutzung dieser Potentiale realisiert wird, liegt bisher allerdings bisher nicht vor.

Weiterhin kommt die Potenzialstudie zu dem Ergebnis, dass es sich an rd. 200 Standorten im Ruhrgebiet lohnt alte Kohleflöze anzubohren um von dort warmes Grubenwasser an die Oberfläche zu fördern, damit es dann für die Gewinnung von Wärme genutzt werden kann. Erstmalig wird ein solches Projekt aktuell auf dem Gelände Mark 51°7 umgesetzt. Dort wurde in 800 Meter Tiefe die 8. Sohle der ehemaligen Zeche Dannenbaum angebohrt, um von dort warmes Grubenwasser zur Wärmeversorgung des neuen Gewerbegebietes zu gewinnen (Geothermiebohrungen auf MARK 51°7 erfolgreich abgeschlossen). Ist dieses Forschungsprojekt, an dem auch die Stadtwerke maßgeblich beteiligt sind, erfolgreich, sollten in kurzer Zeit weitere Projekte dieser Art auf den Weg gebracht werden.

Untertagespeicherung solarthermisch erzeugter Wärme (100–1.500 m, bis 90 °C) – Ebenfalls in der Erforschung befindet sich diese technische Möglichkeit den ehemaligen Bergbau für die Wärmespeicherung zu nutzen (Projekt Heatstore) Auf dem Bochumer Hochschulcampus erhitzt das Fraunhofer Geothermiezentrum im Sommer mittels einer solarthermischen Anlage Wasser, um es im unterirdischen Grubengebäude einer aufgegebenen Kleinzeche bis zum Winter zu speichern. Wenn die Wärme benötigt wird, soll das warme Wasser wieder an die Oberfläche gefördert und zu Heizzwecken genutzt werden.

Auch dieses technische Verfahren befinden sich erst in der Entwicklungsphase, so dass eine flächendeckende Nutzung bei positiven Forschungsergebnissen erst in ein bis zwei Jahrzehnten zu erwarten ist.

Oberflächennahe Geothermie

Anders als bei der Tiefengeothermie sind die Verfahren zur Nutzung oberflächennaher Geothermie bereits ausgereift und seit Jahren erprobt.

Erdwärmesonde (40-150 m, 10-13 °C) – Bei diesem Verfahren wird Wasser als Wärmemedium (Sole) in 40 bis 150 Meter tiefe Erdbohrungen gepumpt, so dass sich dieses aufgrund der konstanten Temperatur in den entsprechenden Tiefen auf 10 bis 13 °C erwärmt. Mittels Wärmepumpen wird der Sole Wärme entzogen, um die für den Heizkreis der angeschlossenen Heizanlage erforderliche Heizungs- sowie die nötige Warmwassertemperatur zu erreichen (bis 45°C). Die erforderlichen Wärmepumpen werden im  Idealfall mit Strom aus einer Photovoltaik-Anlage betrieben.

In dieser Weise sollen zukünftig alle neuen städtischen Gebäude mit Wärme versorgt werden, u.a. das Haus des Wissens, das Schulzentrum Gerthe und die neue Feldsieper Grundschule. Im neuen Wohngebiet Ostpark wollen die Stadtwerke ebenfalls Wärme aus Geothermie anbieten, untersucht wird auch eine Geothermieversorgung des Areals der ehemaligen Erich-Kästner-Schule. Bereits versorgt mit Geothermie wird eine KiTa im Zillertal.

Die erste so genannte “Klimaschutzsiedlung” hat allerdings nicht die Stadt realisiert, diese haben private Bauinvestoren und Projektentwickler verwirklicht (Neue Klimaschutzsiedlung in Bochum produziert grünen Strom)

Grundwasser (15-20 m, 8-12 °C) – Auch Grundwasser kann zur Wärmeerzeugung genutzt werden. Über einen Brunnen wird es an die Oberfläche gepumpt, wie beim Einsatz von Erdwärmesonden entzieht eine Wärmepumpe dem Grundwasser die Wärme. Anschließend wird das genutzte Grundwasser über einen zweiten Brunnen wieder in die Erde gepumpt. Solche Anlagen sind jedoch relativ aufwändig und bei kleinen Einfamilienhäusern fallen die Investitionskosten unter Umständen ungünstig hoch aus. Auch können ungünstige hydrogeologischen Verhältnisse die Nutzung einschränken. Bei entsprechende Anlagengröße ist es aber möglich mehrere Gebäude oder Quartiere über ein Wärmenetz wirtschaftlich mit Wärme aus Grundwasser zu versorgen

Erdwärmekollektor (1-1,5 m, 5-10 °C) – Bei diesem Verfahren wird das Wasser zur Erwärmung statt in eine Tiefenbohrung in einen Flächenkollektor geleitet, der auf einer entsprechend großen Fläche in einer Tiefe von 1 bis 1,5 Meter unter der Erdoberfläche verbaut wird. Die im ganzen Stadtgebiet anzutreffenden lehmigen Böden sind zur Nutzung solcher Anlagen besonders gut geeignet. Allerdings erfordern die Kollektoren eine Fläche, auf der keine Bäume wachsen dürfen, weil die Wurzeln den Kollektor beschädigen könnten. Diese Anforderung schränkt die Nutzungsmöglichkeiten deutlich ein. Lohnenswert ist diese Form der Wärmegewinnung insbesondere zur Wärmeversorgung von Niedrigenergiegebäuden, die über relativ große Gartenflächen ohne Baumbestand verfügen.

Agrothermie (1,5-3 m, 10-12 °C) – Bei der Agrothermie wird eine besondere Form der Erdwärmekollektoren genutzt (Agrothermie − Wärme aus dem Acker). Diese werden in 1,5 bis 3 Meter unterhalb von Ackerflächen verlegt. Das hat den Vorteil, dass die Äcker doppelt genutzt werden können, wobei die Wärmenutzung keine Einschränkung für die landwirtschaftliche Nutzung bedeutet. Über große Kollektoren unter Ackerflächen können ganze Quartiere mit einer Grundwärme versorgt werden. In den Gebäuden wird anschließend das vorgewärmte Wasser mittels dezentraler Wärmepumpen auf die erforderliche Heiz- und Warmwassertemperatur gebracht.

Die Wärmeversorgung mittels Agrothermie ist in Deutschland bisher selten, in Bochum gar nicht vorhanden. Die Einrichtung einer entsprechenden Anlage lohnt sich regelmäßig nur in der Verbindung mit der Errichtung von Neubausiedlungen, da neben dem Kollektor unter der Ackerfläche ein kaltes Nahwärmenetz und entsprechende Wärmepumpenanlagen in den zu versorgenden Gebäuden zu errichten sind.

Zu wenige städtische Geothermie-Projekte

Insgesamt ist festzustellen, dass die Zahl städtischer Geothermie-Projekte in Bochum trotz des hohen nutzbaren Potentials noch sehr überschaubar und ausbaufähig ist. Erst spät erkennen Stadt und Stadtwerke die Möglichkeiten von Erdwärmenutzung. Man stelle sich vor, die Stadtwerke hätten nicht einen 3-stelligen Millionenbetrag in fossilen Kraftwerksprojekten und der STEAG versenkt (Fossile Verlustgeschäfte der Bochumer Stadtwerke), sondern hätten diese Beträge in erneuerbare Energie, insbesondere Solarenergie und Geothermie investiert. Bochum wäre bei der Energie- und Wärmewende mindestens 10 Jahre weiter.

Das Wärmenetzproblem

Doch die Herausforderung bei der Geothermie besteht nicht nur im Bau von Anlagen zur Förderung, Speicherung und Erzeugung warmen Wassers. Es fehlen bisher auch geeignete Netze zur Versorgung der Gebäude mit geothermisch erzeugter Wärme. Zwar verfügt Bochum über ein weit verzweigtes Fernwärmenetz, dieses wird aber mit Temperaturen von 50 bis 100 °C heißem Wasser betrieben.

Geothermisch erwärmtes Wasser hat bei den aktuell nutzbaren Verfahren dagegen nur Temperaturen von 10-50 °C. Eine weitere Erhöhung der Temperatur mittels Wärmepumpen wäre Energieverschwendung und daher wirtschaftlich und ökologisch nicht sinnvoll. Auch benötigen Heizungen von Niedrigenergiehäusern nur Heizungswasser mit einer Vorlauftemperatur von maximal 30°C und Warmwasser mit maximal 45° C. Zur Versorgung der Abnehmer mit geothermischer Energie können Teile des Fernwärmenetzes also nur genutzt werden, wenn die Netztemperatur abgesenkt würde. Das bedeutet aber, alle die mit dem Netz bisher versorgt werden, müssten auch mit geringeren Temperaturen auskommen. Das dürfte häufig aufgrund älterer Heizungsanlagen und schlechter Dämmung in der Regel nicht möglich sein.

Ein anderer Weg ist, neben dem bestehenden Fernwärmenetz, ein zweites Wärmenetz aufzubauen. Das dürfte in bestehenden Wohnsiedlungen und Gewerbegebieten aber aufwändig und teuer sein. Auch gibt es zwei Möglichkeiten von Wärmenetzen für niedrigere Temperaturen, diejenigen, mit denen 30 bis 50°C warmes Wasser verteilt wird oder so genannte kalte Wärmenetze mit nur um die 10°C kaltem Wasser, das nur die Grundwärme liefert, aus dem dann dezentral mittels Wärmepumpen in den Gebäuden die benötigten Temperaturen gewonnen werden. Je nach Art der Gewinnung der Geothermie wird somit ein anderes Netz benötigt. Das macht die Geothermienutzung noch eine Stufe komplexer.

Die Stadt benötigt einen Geothermie-Masterplan

Insgesamt gibt es also nicht den einen Weg und das eine Verfahren um Geothermie zur Wärmeerzeugung zu nutzen, sondern ganz unterschiedliche. Um die Nutzung von Erdwärme gezielt auszubauen wird daher ein Masterplan benötigt, der die systematische und bedarfsgerechte Nutzung aller Verfahren und Potentiale zum Ziel hat.

  • Bei allen Neubauten und Neubaugebieten, muss die geothermische Versorgung mitgedacht werden. Die Stadtwerke sollten die entsprechenden Versorgungsmöglichkeiten schaffen und der Bebauungsplan sollte einen Energiestandard vorgeben, der die Nutzung attraktiv macht.
  • Alle öffentlichen Gebäude sollten nach und nach energetisch saniert und auf die Nutzung von geothermischer Wärme umgerüstet werden.
  • Die VBW als kommunaler Wohnungsanbieter sollte ebenfalls verpflichtet werden bei zukünftigen energetischen Sanierungen die Voraussetzungen zu schaffen geothermisch gewonnene Wärme zu nutzen.
  • Es sollte untersucht werden, bei welchen Gewerbegebieten und Wohnquartieren sich bereits heute eine geothermische Versorgung lohnen würde oder mit wie viel Aufwand eine energetische Sanierung verbunden wäre um eine Nutzung geothermisch erzeugter Wärme zu ermöglichen. So könnte Erdwärme zunächst da in der Stadt gezielt angeboten werden, wo sich diese mit dem geringsten Aufwand bei tragbaren Kosten einsetzen lässt.
  • Die Stadtwerke sollten weitere Referenzprojekte entwickeln, die bespielhaft die verschiedenen Möglichkeiten der Nutzung von Geothermie aufzeigen. Das ermöglicht den Stadtwerken auch die erforderlichen Erfahrungen mit den verschiedenen Verfahren und Technologien zu sammeln.
  • Die Grubenwassernutzung sollte gezielt ausgebaut werden, insbesondere an den beiden Grubenwassserpumpstellen der RAG auf Bochumer Stadtgebiet.

Auch bei der Nutzung der Geothermie hat die Stadt unnötig viel Zeit verstreichen lassen, ehe sie die Zeichen der Zeit erkannt hat. Jetzt ist es nötig verlorene Zeit wieder gut zu machen und den Ausbau der Geothermie auf allen Ebenen zielgerichtet zu beschleunigen.