Amtsblatt für Bochum – Immer die neuesten Stadtinfos frisch auf den Tisch
In Bochum wissen die Menschen oft viel zu wenig darüber, was in der Stadt und der Stadtpolitik passiert. Nur noch die WAZ berichtet umfänglich und täglich. Andere Städte informieren die Bürger*innen mit ihrem Amtsblatt über das Stadtgeschehen aller zwei Wochen. Diesem Beispiel könnte die Stadt Bochum folgen.
Anders als dem Dänen Marcellus schwant den Bochumern nichts Übles. Dabei ist auch in ihrer Stadt „etwas faul“. Erfreulicherweise ist die kommunale Bühne für verschwörende Theoretiker, die theoretische Verschwörer sehen, zu volkstümlich, in Bochum zu klein. Am Ende bietet die ordentlich gelegte Frisur von Thomas Eiskirch im Vergleich zu Trumps Tolle und Putins Pläte zu wenig Projektionsfläche. Glück gehabt.
Aber trotz dieser fehlenden Nebelkerzen, die jede sachliche bundespolitische Diskussion freudlos ersticken, führt die Bochumer Stadtgesellschaft kaum klare Debatten über die Entscheidungen, die ihre Repräsentanten im Rat zu treffen haben. Einige Fraktionsvorsitzende sind den Bochumer Bürgern wahrscheinlich so bekannt wie Dubravka Šuica. Wer das ist? Die europäische Kommissarin für „neuen Schwung für die Europäische Demokratie“. Ich musste auch googeln.
Unserem Bochum, ein Dorf, das an der Hand der klobigen industriellen Konzerne zur Stadt gewachsen ist, fehlt eine fein geölte Bürgergesellschaft, der seit hunderten Jahren gewiss ist, dass sie ihre Geschicke selbst steuern muss. Diese Bürgergesellschaft kann sich nur vor dem Hintergrund einer dauerhaften informationellen Kulisse empor entwickeln. Da die einzig verbliebene Tageszeitung, die von der Mehrheit der Bochumer gar nicht abonniert ist und gelesen wird, dafür nicht ausreicht, ist die Politik gefordert.
In Zeiten der Mosaike aus Blogs, Tweets und Insta-Posts lohnt auch mal ein Blick aufs Analoge: Gerade das staubige Amtsblatt, das in Bochum bislang nur der kaum gehörten Verkündung von Satzungen und Ausschreibungen dient, könnte dem Bürgergedanken neues Leben einhauchen. Entblättern sich monatlich frei Haus redaktionell und interessant aufbereitet die Vorhaben der Verwaltung, die Debatten des Rates und Informationen der Fraktionen über ihre politische Arbeit, wird eine Grundlage für Beteiligung und Teilhabe geschaffen. In anderen Städte, z.B. Freiburg gibt es ein solches Amtsblatt schon seit Jahrzehnten (Amtsblatt Freiburg https://www.freiburg.de/pb/281247.html). In den meisten Haushalten freuen sich die Menschen seit über 30 Jahren und 816 Ausgaben, aller zwei Wochen kostenfrei mit den neuesten Stadtnachrichten und -veranstaltungen auf 10 Zeitungsseiten versorgt zu werden. Der Druck finanziert sich über einen kleinen Teil Werbung auf der letzten Seite des Blattes.
Praktischerweise hegen bestehende Gesetze und Rechtsprechung ein redaktionelles Amtsblatt in Neutralität und Inhalt ein, ohne dass die Lokalpolitik hier kompliziert eigenes Recht schaffen muss. So darf das Amtsblatt nur über Veranstaltungen, Vorhaben und Debatten aus den Sphären des Rates und der Verwaltung informieren. Allgemeine journalistische Berichterstattung über Neuigkeiten in der Stadt, z.B. über die Spieltage des VfL Bochums oder den Handtaschendiebstahl am Bahnhof, obliegen den journalistischen Medien – Also de facto der WAZ, da Radio Bochum sich in den „Hits der 80er und 90er“ erschöpft. Ebenso bleiben die spitzen Kommentare den Bochumer Redakteuren vorbehalten. Auch die Recherche und Unterfütterung politischer Debatten mit z.B. Zitaten von Seiten der IHK bleiben Metier der Tageszeitung. WAZ, Social Media und Amtsblatt würden sich mit ihrer unterschiedlichen Ausrichtungen ergänzen.
Natürlich müsste das Amtsblatt aus 100% recycelten Altpapier bestehen und zertifiziert klimaneutral hergestellt werden. Ebenso sollte eine barrierefreie digitale Version verfügbar sein. Wer möchte sollte zudem die Papierversion abbestellen und dafür die digitale Version abonnieren können. Und ja, es werden sich dagegen Bedenken, Widerstände und Zaudern formieren… Dornige Chancen nannte dies mal jemand.