24 Dez

Führungswechsel – Werden die Stadtwerke die Energiewende jetzt ernsthaft vorantreiben?

Stadtwerke-Chef und Trianel-Aufsichtsratsvorsitzender Dietmar Spohn geht zum Ende des Jahres in den Ruhestand. Zum Abschied gibt er der WAZ ein Interview, in dem sich zeigt, wie sehr er noch immer im fossilen Denken vergangener Zeiten gefangen ist. Und warum die Stadtwerke hunderte Mio. mit Kohle verbrannt und nicht in erneuerbare Energie investiert haben. Wird sich das mit der neuen Geschäftsführerin ändern?

2005 wird der ehemalige VEW bzw. RWE-Mann Spohn technischer Geschäftsführer der Stadtwerke. Zunächst an der Seite von Bernd Wilmert (SPD). Nach dessen Abtritt wird er selbst Sprecher der Geschäftsführung, an seine Seite rückt als kaufmännischer Geschäftsführer Frank Thiel.

Die Ära Spohn prägen misslungene Finanzabenteuer

Die Ära Spohn prägen besonders die misslungenen Kohle-Finanzabenteuer der Stadtwerke: Der Fehlkauf des Kohlekonzerns STEAG und die Fehlinvestitionen in die Kohlekraftwerke Hamm-Uentrop und Lünen (Kraftwerk Lünen könnte 50-70 Mio. Verlust bringen). Auch derhalbherzige Versuche mit dem Zukauf von Wind- und Solarparks, den Anschein zu erwecken, man setze verstärkt auf erneuerbare Energien, begann vor der Küste Borkums mit einem Finanzdebakel (Ein Darlehen für 18,5% – Bochumer Fehlinvestitionen in Kohle und Wind).

Immerhin versuchte Spohn in den letzten Jahren seiner Amtszeit den STEAG-Konzern wieder loszuwerden. Der Verkauf wird hoffentlich in Kürze endgültig abgeschlossen. Für die Stadtwerke wurde dabei die durch den Ukraine–Krieg verursachte Energiekrise zum unerwarteten Glücksfall. Auf Kosten der Energieverbraucher*innen konnte die STEAG mit ihren überholten fossilen Kohlekraftwerken als Krisengewinner 2022 gute Gewinne verbuchen. So werden die Stadtwerke beim Verkauf der STEAG voraussichtlich sogar noch einen Verkaufserlös in beträchtlicher Höhe erzielen. Mit mehr Glück als Verstand sind die Stadtwerke dem drohenden Finanzdesaster gerade noch entgangen.

Das fossile Denken des Dietmar Spohn

Angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Sachen Klimawandel und der weltweiten Klimapolitik seit Ende der 90er-Jahre erscheinen die Kohleinvestition der Bochumer Stadtwerke völlig absurd. 1997 beschließt im Kyoto-Protokoll die Staatengemeinschaft erstmals eine völkerrechtlich verbindliche Grenze für den Ausstoß von Treibhausgasen, Die Bundesregierung unter Kanzler Schröder bringt 1998 bis 2005 den Beginn der Energiewende auf den Weg. 2015 wird im Pariser-Abkommen das 1,5-Grad-Ziel vereinbart, die Klimaschutzkonzepte der Stadt von 2009 und 2014 sehen eine deutliche Reduzierung der Treibhausgase vor. Spätestens seit Ender der 90er-Jahre war also das Ende der Kohleverstromung absehbar und hätte der schrittweise Ausstieg aus der Kohle auch von den Stadtwerken eingeplant und vorangetrieben werden müssen, stattdessen gaben die Stadtwerke hunderte Millionen für neue Kohlekraftwerke und die Fortsetzung der Kohleverstromung aus.

Es stellt sich die Frage, wie konnte es zu den genannten Fehlentscheidungen kommen? War Spohn als maßgeblichem Entscheider bei den Stadtwerken wie der Trianel die bevorstehende Entwicklung der Energiewirtschaft nicht bewusst? Waren die wissenschaftlichen Erkenntnisse und politischen Entscheidungen der Weltgemeinschaft zum Klimawandel für ihn kein Entscheidungskriterium?

Spohn: Die Politik ist schuld

Spohn sieht die Verantwortung nicht bei sich, im WAZ-Interview (WAZ vom 13.12.23) erklärt er: “Vor nicht allzu langer Zeit sind wir noch ermutigt worden, in Kohlekraftwerke zu investieren.” Welche Ermutigungen, von wem er meint, führt er leider nicht aus. Die Schuld für die anachronistische Kohlepolitik der Stadtwerke schiebt er auf die Politik.

Es war allerdings nicht die Idee der Politik in Kohlekraftwerke oder die STEAG zu investieren, sondern die von Bernd Willmert und seinem Co-Geschäftsführer Spohn. Man dachte, mit den Investitionen schnelles Geld machen zu können. Klimaschutz und Energiesicherheit spielten dabei keine Rolle. Die “Energieszene”, der sich Spohn gemäß Interview zugehörig fühlt, hielt trotz aller politischen Entscheidung zum Klimaschutz unbeirrt an der Verbrennung fossiler Energieträger als lukratives Geschäftsmodell fest. Nach fossiler Denkweise war keine Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energieträger möglich. Überall versuchte man die Energiewende aufzuhalten und wirkte ihr mit aller Macht entgegen.

Die von Spohn im Interview herbei geredeten Kurswechsel in der Energiepolitik gab es so nicht. Der Atomausstieg bis 2019 wurde bereits im Jahr 2002 beschossen. Die Verlängerung der Laufzeiten um weitere 17 Jahre 2010 und deren Rücknahme ein Jahr später, änderten daran nichts. Dass mit der Erreichung des 1,5-Grad-Ziels, ein Kohleausstieg bis 2030, spätestens 2040 verbunden sein würde, war mathematisch ausrechenbar und jedem bewusst, außer man wollte es nicht wahrhaben.

Die Ziele und was der Weg dahin bedeuten würde, waren immer klar. Allerdings haben die Stadtwerke, Wilmert, Spohn und Co., nie ernsthaft an deren Erreichung gearbeitet, sondern im Gegenteil alles dafür getan, die Energiewende auszubremsen und am fossilen Zeitalter so lange wie möglich festzuhalten.

Dass die Energiewende in Bochum immer noch am Anfang steht, liegt allein an der Geschäftsführung der Stadtwerke-Chefs sowie des politischen Aufsichtsrats, der mehrheitlich jederzeit willig abnickte, was die Geschäftsführung an fossilen Investitionen vorschlug. Mit wenigen Ausnahmen war und ist man der Aufgabe im Aufsichtsrat der Stadtwerkegesellschaften nicht gewachsen. Den meisten Mitglieder*innen fehlt jedes Grundverständnis von Energiepolitik und der entsprechenden volkswirtschaftlichen Zusammenhänge. In bespielloser Naivität war und ist man der Meinung die Geschäftsführung wüsste schon, was sie tut. Das von Spohn im Interview beklagte “Hin und Her der Politik”, das es der Geschäftsführung der Stadtwerke schwer gemacht habe, gab es nicht, schon gar nicht in der Lokalpolitik. Vielmehr traf die Geschäftsführung, weil man die absehbare Entwicklung der Energiewirtschaft nicht wahrhaben wollte, eine Fehlentscheidung nach der anderen.

Auch 2023 noch vertritt Spohn die Interessen der Fossil-Lobby

Vorausschauendes, weitsichtiges Handeln, war nie Spohns Sache. Es ging immer nur um kurzfristige Renditen und das Abgreifen von Subventionen wie Fördergeldern. Dass Spohn auch 2023 immer noch in seinen fossilen Denkmustern gefangen ist, zeigt sich an der Aussage “Wenn nicht wirklich schnell der Bau neuer Gaskraftwerke auf den Weg gebracht wird, ist der politisch gewünschte Kohleausstieg im Jahr 2030 nicht zu schaffen.” Alternative Lösungen wie das Vorhalten von grundlastfähigen Kraftwerken, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden (z.B. Biomassekraftwerke, Geothermiekraftwerke, Wasserkraftwerke und Solarthermiekraftwerke mit Wärmespeicher); der Ausbau von Stromspeichern sowie der Stromnetze zur weiträumigen Vernetzung von Regionen mit unterschiedlichen Wetterbedingungen, die Sektorenkopplung, der Einsatz von Energiespeichern sowie die Flexibilisierung von Verbrauchern, beispielsweise mit Smart Grids, kommen in der fossilen Welt des Dietmar Spohn nicht vor. Obwohl noch gar nicht klar ist, welche Kraftwerkskapazitäten für Dunkelflauten überhaupt erforderlich sind, wenn zeitweise kein Wind weht und keine Sonne scheint, sieht Spohn nur die schnelle fossile Lösung, die natürlich von der Politik großzügig subventioniert werden soll.

Wohl nicht ganz zufällig, übt die Kraftwerkssparte der RWE, RWE Generation, bei der Spohn auch zukünftig im Aufsichtsrat sitzen wird, gerade erheblichen Subventionsdruck auf den Bund für die Errichtung zumindest auf dem Papier wasserstofffähiger Gaskraftwerke an ihren Standorten aus. (Energie und Management von 28.07.23). Der Vorgang zeigt, Spohn stand und steht ganz fest auf der Seite der fossilen Energielobby.

Versäumte Transformation wird schweres Erbe sein

Das Erbe von Spohn und seines ehemaligen Kollegen Wilmert in der Geschäftsführung wird ein schweres sein. Für die über Jahrzehnte versäumte Transformation stehen jetzt nur noch 12 Jahre zur Verfügung. 2035 will Bochum klimaneutral sein. Bis dahin soll sowohl die gesamte Strom- wie Wärmeerzeugung auf erneuerbare, Treibhausgas freie Energieträger umgestellt werden.

Insbesondere bei der Wärmeplanung zeigt sich, dass die Erreichung des Klimaziels aufgrund der bisherigen Ausrichtungen auf fossile Energieträger, unmöglich sein dürfte.

Beispiel Fernwärme: Bisher werden 26.200 Haushalte in Bochum mit Fernwärme versorgt. Stadt und Stadtwerke streben bis 2035 eine Verdoppelung an. Jedoch wird die Fernwärme bisher ganz überwiegend fossil erzeugt. 45% des Bedarfs decken die Stadtwerke mit eigenen Gas- und Dampfkraftwerken in Hiltrop, an der RUB (Unique) und der ehemaligen Deponie Kornharpen. Die restlichen 55% der Fernwärme kommen aus dem Fernwärmenetz von Uniper, das über das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 mit Wärme versorgt wird. Das bedeutet, über 90% der Fernwärme werden fossil erzeugt, nur knapp 10% der Haushalte können mit der aus Deponiegas gewonnen Wärme versorgt werden.

Wenn 2030 das Kraftwerk in Datteln aufgrund des beabsichtigen vorgezogen Kohleausstieg wegfällt und 2035 aufgrund des Klimaschutzzieles auch die Gaskraftwerke die Verbrennung stoppen müssen, fehlt nach bisheriger Beschlusslage und Planung jede Alternative, wie die Wärme mittels erneuerbarer Energieträger erzeugt werden könnte. Stadtwerke und die im Stadtrat regierende Koalition von SPD und Grünen haben bisher den schnellen Aufbau von entsprechenden erneuerbaren Energiekapazitäten abgelehnt, Obwohl die Zeit drängt, weigert man sich bisher beharrlich die Wärmerzeugung aus Grubenwasser, Abwasser, Flusswärme, Agrothermie und Biogas auf den Weg zu bringen, zuletzt in der Ratssitzung im August 2023.

Spiel auf Zeit – Fernwärme aus Gas

Stadtwerke und Politik spielen auf Zeit. Man sitzt die Sache so lange aus, bis der Bau neuer Gaskraftwerke als Ersatz für die Kohleverstromung unumgänglich wird. Die wird man den Bürger*innen voraussichtlich als klimafreundlich, weil theoretisch mit Wasserstoff betreibbar, verkaufen.

Doch bekannt ist schon heute, nur wenn alle gut läuft, wird Bochum bis 2032 an das Wasserstoffnetz angeschlossen sein. Und selbst dann ist nicht davon auszugehen, dass bis 2032 ausreichend grüner Wasserstoff vorhanden ist, um die Gaskraftwerke umzustellen. Elektrolyseanlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff gibt es bis heute nur im Versuchsstadium.

Zudem sollen gemäß Wasserstoffstrategie der Bundesregierung 70% des Wasserstoffs aus dem Ausland importiert werden. Allerdings gibt es bisher weder Länder, die Wasserstoff industriell herstellen, schon gar nicht welche, die diesen exportieren. Zudem ist offen, wie der Wasserstoff nach Deutschland transportiert werden soll. 2035 wird es also weder genug Wasserstoff geben, um damit Fernwärme zu erzeugen, noch wird der verfügbare Wasserstoff aufgrund seiner Knappheit bezahlbar und damit ökonomisch zur Wärmeerzeugung sinnvoll nutzbar sein.

Auch eine geothermische Erzeugung der Wärme wird bis 2035 nicht möglich. Immerhin hat die Rot-Grüne Rathauskoalition 4 Jahre nachdem die STADTGESTALTER Gleiches bereits gemeinsam mit der FDP vorgeschlagen hatten (Masterplan für (Tiefen-)Geothermie in Bochum und dem Ruhrgebiet)., den Weg für die Erschließung von Tiefengeothermie frei gemacht, Aber auch das wird zu spät sein, wertvolle Zeit wurde verschwendet. Auch diese Technologie befindet sich noch im Versuchsstadium. Es gibt bisher nur Forschungsprojekte (Erdwärme – Bochums Energie der Zukunft). Zunächst ist zudem zu untersuchen, ob und wo im Stadtgebiet Tiefenwärme überhaupt angezapft werden kann. Dass bis 2035 eine Geothermieanlage bereitsteht, die nennenswert Fernwärme erzeugt, ist also ebenfalls unrealistisch.

Letztlich läuft alles darauf hinaus, dass in Bochum die Fernwärme auch noch weit über das Jahr 2035 zu einem großen Teil fossil mit klimaschädlichem LNG-Gas erzeugt wird.

Einseitige Ausrichtung auf fossile Energieträger wird noch teuer werden

Die einseitige strategische Ausrichtung der Stadtwerke auf fossile Energieträger die Dietmar Spohn und Bernd Wilmert über Jahrzehnte betrieben haben, wird für die Stadt noch teuer werden. Die rechtzeitige Transformation wurde verpasst (Stadtwerke müssen auf Klimakurs gebracht werden), sie jetzt im Hauruckverfahren durchzuziehen, würde bedeuten die in den letzten Jahren verpassten Investitionen in wenigen Jahren nachzuholen. Das werden Stadtwerke und Stadt kaum leisten können.

Am Ende wird man den Zeitpunkt, an dem die Stadtwerke klimaneutral werden sollen, deutlich nach hinten verschieben müssen. Ein Zeitpunkt vor 2045 wird kaum realistisch sein. Verantwortlich für die Verfehlung des selbst gesetzten Ziels um mindestens ein Jahrzehnt wird die fossile Denkweise der bisherigen Geschäftsführer sein und die Tatenlosigkeit des Aufsichtsrats, der in seiner Mehrheit ambitionslos bis naiv die fossile Energiepolitik der Geschäftsführung immer mitgetragen und unterstützt hat.

Titelbild: HanssPeter

24 Jul

Erdwärme – Bochums Energie der Zukunft

Mit der aktuellen Energiekrise und der Preisexplosion beim Erdgas zeigt sich, Heizen mit Gas hat keine Zukunft. Die Stadt hat zudem 2019 den Klimanotstand erklärt, Heizwärme soll zukünftig nicht mehr durch Verbrennung fossiler Brennstoffe erzeugt werden, sondern CO2-neutral mittels erneuerbarer Energie. Das größte Potential dabei hat die Geothermie. Doch eine echte Wärmewende, bei der Erdwärme systematisch Gas als Energieträger ablöst, ist in Bochum nicht in Sicht. Dafür tun Stadtwerke und Stadt immer noch zu wenig. Die STADTGESTALTER haben sich angeschaut, welche Möglichkeiten Erdwärme für die Stadt bieten könnte.

56% des deutschen Primärenergiebedarfs wird für die Erzeugung von Wärme benötigt. Der Gesamtwärmebedarf Bochums liegt derzeit bei ca. 3.200 Mio. KWh/Jahr (Vorlage 20221538). Die Erzeugung von Wärme geschieht dabei zu einem großen Teil durch die klimaschädliche Verbrennung von Erdgas. Nicht nur viele Heizungen in Privathaushalten werden mit Gas betrieben, sondern auch bei der Erzeugung von Fernwärme hat Gas den größten Anteil (deutschlandweit: Gas 42%, Kohle und Öl: 26%, erneuerbare Energieträger: 32%). Dies geschieht in Bochum in den Gas-Heizkraftwerken Hiltrop und Am Hain sowie weiteren kleineren Anlagen. Diese Anlagen allein emittieren rund 101.000 t CO2 im Jahr (Nachhaltigkeitsbericht 2020 Stadtwerke Bochum).

Beste Voraussetzung für die Nutzung von Geothermie

Bochum bietet zudem ideale Voraussetzungen für die Nutzung von Erdwärme, zum einen  kann der ehemalige Bergbau für Tiefengeothermie genutzt werden, zum anderen eignet sich der Lehmboden ideal für die Nutzung von oberflächennaher Geothermie. Zudem hat seit 2003 das Internationale Geothermiezentrum in Bochum seinen Sitz  dessen wissenschaftlichen Aktivitäten und Forschungsinfrastruktur das Fraunhofer IEG im Jahr 2020 übernommen hat. Das Fraunhofer-Institut verfolgt in Bochum insbesondere Forschungsprojekte zur geothermischen Nutzung der ehemaligen Bergwerke, die deutschlandweit, aber auch international große Beachtung finden.

Politik lehnte bisher Masterplan zur systematischen Nutzung von Geothermie ab

Stadt und Stadtwerke verfolgen bis heute allerdings kein Geothermie-Konzept zur systematischen, stadtweiten Nutzung von Erdwärme. Noch 2019 lehnte der Rat die Aufstellung eines entsprechenden Masterplans ab, wie ihn STADTGESTALTER und FDP vorgeschlagen hatten (Masterplan für (Tiefen-)geothermie in Bochum und dem Ruhrgebiet). Immerhin gibt es seit März 2022 die ebenfalls im gleichen Antrag 2019 vorgeschlagene Kooperation von Ruhrgebiets-Stadtwerken und Geothermiezentrum (Fünf kommunale Versorger und Fraunhofer gründen Allianz für Geothermie). Erfreulicher Weise haben sich die Stadtwerke hier gegen den Willen der Bochumer Politik doch noch durchgesetzt.

Es gibt viele Möglichkeiten Geothermie zu nutzen

Die Grundvoraussetzungen für eine systematischen und beschleunigten Ausbau der Nutzung von Erdwärme sind also in Bochum mittlerweile vorhanden. Doch die Nutzung der Erdwärme ist ein komplexes Vorhaben, denn es gibt viele Verfahren zur Geothermie-Nutzung und eine Vielzahl technischer Anforderungen sind zu erfüllen.

Bei der Erdwärmenutzung unterscheidet man Tiefen- und oberflächennahe Geothermie. In beiden Bereichen gibt es wiederum einige unterschiedliche technische Nutzungsmöglichkeiten. Ob und wie diese in Bochum Anwendung finden können, wird nachfolgend erläutert:

Tiefengeothermie

Thermalwasser (3.000-5.000 m, 170 °C) – In großer Tiefe wird unter dem Ruhrgebiet Thermalwasser vermutet. Solches Wasser wird z.B. in München zur Fernwärmeversorgung genutzt (Geothermie: Den Schatz aus der Tiefe sinnvoll nutzen). Im Forschungsprojekt TRUDI wird derzeit mit Tiefenbohrungen in Gelsenkirchen vom Fraunhofer Geothermiezentrum untersucht, ob die vermuteten Vorkommen wirklich vorhanden sind und sich eine Nutzung lohnt.

Eine Nutzung von 170° heißem Thermalwasser würde zwar hohe Potentiale bieten, doch das Projekt befindet sich ganz am Anfang. Ob und wann gegebenenfalls eine Nutzung möglich sein wird, ist noch völlig offen. Im besten Fall werden bis dahin noch mindestens 10-20 Jahre vergehen. Die Nutzung von Thermalwasser zur Wärmegewinnung ist daher aktuell noch keine Option.

Warmes Grubenwasser (800m, 22-28 °C) – Die Nutzung von Grubenwasser, das aus den ehemaligen Bergwerken abgepumpt wird, damit das Grubenwasser nicht mit dem Grundwasser in Kontakt kommt und dieses verschmutzt, geschieht in Bochum in kleinem Umfang bereits erfolgreich auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Robert-Müser. Mit dem Grubenwasser werden die Hauptfeuerwache wie zwei Schulen, samt schuleigener Schwimmhalle und Sporthalle mit Wärme versorgt.

Zukünftig wird die Ruhrkohle AG an nur noch 6 Orten das 22-28°C warme Grubenwasser an die Oberfläche pumpen, zwei davon liegen in Bochum (Grubenwasserkonzept RAG:). Neben Robert-Müser wird auch in Dahlhausen auf dem Gelände der ehemaligen Zeche friedlicher Nachbar Grubenwasser abgepumpt. Dieses Grubenwasser wird jedoch bisher nicht zur Wärmeerzeugung genutzt.

Bereits 2018 hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen eine Potenzialstudie zur Nutzung von warmem Grubenwasser vorgelegt (Potenzialstudie Warmes Grubenwasser). Die Studie empfiehlt einen Ausbau der Grubenwassernutzung auf Robert-Müser sowie eine Nutzung auf Friedlicher Nachbar in Dahlhausen. Ein konkretes Projekt, mit dem die Nutzung dieser Potentiale realisiert wird, liegt bisher allerdings bisher nicht vor.

Weiterhin kommt die Potenzialstudie zu dem Ergebnis, dass es sich an rd. 200 Standorten im Ruhrgebiet lohnt alte Kohleflöze anzubohren um von dort warmes Grubenwasser an die Oberfläche zu fördern, damit es dann für die Gewinnung von Wärme genutzt werden kann. Erstmalig wird ein solches Projekt aktuell auf dem Gelände Mark 51°7 umgesetzt. Dort wurde in 800 Meter Tiefe die 8. Sohle der ehemaligen Zeche Dannenbaum angebohrt, um von dort warmes Grubenwasser zur Wärmeversorgung des neuen Gewerbegebietes zu gewinnen (Geothermiebohrungen auf MARK 51°7 erfolgreich abgeschlossen). Ist dieses Forschungsprojekt, an dem auch die Stadtwerke maßgeblich beteiligt sind, erfolgreich, sollten in kurzer Zeit weitere Projekte dieser Art auf den Weg gebracht werden.

Untertagespeicherung solarthermisch erzeugter Wärme (100–1.500 m, bis 90 °C) – Ebenfalls in der Erforschung befindet sich diese technische Möglichkeit den ehemaligen Bergbau für die Wärmespeicherung zu nutzen (Projekt Heatstore) Auf dem Bochumer Hochschulcampus erhitzt das Fraunhofer Geothermiezentrum im Sommer mittels einer solarthermischen Anlage Wasser, um es im unterirdischen Grubengebäude einer aufgegebenen Kleinzeche bis zum Winter zu speichern. Wenn die Wärme benötigt wird, soll das warme Wasser wieder an die Oberfläche gefördert und zu Heizzwecken genutzt werden.

Auch dieses technische Verfahren befinden sich erst in der Entwicklungsphase, so dass eine flächendeckende Nutzung bei positiven Forschungsergebnissen erst in ein bis zwei Jahrzehnten zu erwarten ist.

Oberflächennahe Geothermie

Anders als bei der Tiefengeothermie sind die Verfahren zur Nutzung oberflächennaher Geothermie bereits ausgereift und seit Jahren erprobt.

Erdwärmesonde (40-150 m, 10-13 °C) – Bei diesem Verfahren wird Wasser als Wärmemedium (Sole) in 40 bis 150 Meter tiefe Erdbohrungen gepumpt, so dass sich dieses aufgrund der konstanten Temperatur in den entsprechenden Tiefen auf 10 bis 13 °C erwärmt. Mittels Wärmepumpen wird der Sole Wärme entzogen, um die für den Heizkreis der angeschlossenen Heizanlage erforderliche Heizungs- sowie die nötige Warmwassertemperatur zu erreichen (bis 45°C). Die erforderlichen Wärmepumpen werden im  Idealfall mit Strom aus einer Photovoltaik-Anlage betrieben.

In dieser Weise sollen zukünftig alle neuen städtischen Gebäude mit Wärme versorgt werden, u.a. das Haus des Wissens, das Schulzentrum Gerthe und die neue Feldsieper Grundschule. Im neuen Wohngebiet Ostpark wollen die Stadtwerke ebenfalls Wärme aus Geothermie anbieten, untersucht wird auch eine Geothermieversorgung des Areals der ehemaligen Erich-Kästner-Schule. Bereits versorgt mit Geothermie wird eine KiTa im Zillertal.

Die erste so genannte “Klimaschutzsiedlung” hat allerdings nicht die Stadt realisiert, diese haben private Bauinvestoren und Projektentwickler verwirklicht (Neue Klimaschutzsiedlung in Bochum produziert grünen Strom)

Grundwasser (15-20 m, 8-12 °C) – Auch Grundwasser kann zur Wärmeerzeugung genutzt werden. Über einen Brunnen wird es an die Oberfläche gepumpt, wie beim Einsatz von Erdwärmesonden entzieht eine Wärmepumpe dem Grundwasser die Wärme. Anschließend wird das genutzte Grundwasser über einen zweiten Brunnen wieder in die Erde gepumpt. Solche Anlagen sind jedoch relativ aufwändig und bei kleinen Einfamilienhäusern fallen die Investitionskosten unter Umständen ungünstig hoch aus. Auch können ungünstige hydrogeologischen Verhältnisse die Nutzung einschränken. Bei entsprechende Anlagengröße ist es aber möglich mehrere Gebäude oder Quartiere über ein Wärmenetz wirtschaftlich mit Wärme aus Grundwasser zu versorgen

Erdwärmekollektor (1-1,5 m, 5-10 °C) – Bei diesem Verfahren wird das Wasser zur Erwärmung statt in eine Tiefenbohrung in einen Flächenkollektor geleitet, der auf einer entsprechend großen Fläche in einer Tiefe von 1 bis 1,5 Meter unter der Erdoberfläche verbaut wird. Die im ganzen Stadtgebiet anzutreffenden lehmigen Böden sind zur Nutzung solcher Anlagen besonders gut geeignet. Allerdings erfordern die Kollektoren eine Fläche, auf der keine Bäume wachsen dürfen, weil die Wurzeln den Kollektor beschädigen könnten. Diese Anforderung schränkt die Nutzungsmöglichkeiten deutlich ein. Lohnenswert ist diese Form der Wärmegewinnung insbesondere zur Wärmeversorgung von Niedrigenergiegebäuden, die über relativ große Gartenflächen ohne Baumbestand verfügen.

Agrothermie (1,5-3 m, 10-12 °C) – Bei der Agrothermie wird eine besondere Form der Erdwärmekollektoren genutzt (Agrothermie − Wärme aus dem Acker). Diese werden in 1,5 bis 3 Meter unterhalb von Ackerflächen verlegt. Das hat den Vorteil, dass die Äcker doppelt genutzt werden können, wobei die Wärmenutzung keine Einschränkung für die landwirtschaftliche Nutzung bedeutet. Über große Kollektoren unter Ackerflächen können ganze Quartiere mit einer Grundwärme versorgt werden. In den Gebäuden wird anschließend das vorgewärmte Wasser mittels dezentraler Wärmepumpen auf die erforderliche Heiz- und Warmwassertemperatur gebracht.

Die Wärmeversorgung mittels Agrothermie ist in Deutschland bisher selten, in Bochum gar nicht vorhanden. Die Einrichtung einer entsprechenden Anlage lohnt sich regelmäßig nur in der Verbindung mit der Errichtung von Neubausiedlungen, da neben dem Kollektor unter der Ackerfläche ein kaltes Nahwärmenetz und entsprechende Wärmepumpenanlagen in den zu versorgenden Gebäuden zu errichten sind.

Zu wenige städtische Geothermie-Projekte

Insgesamt ist festzustellen, dass die Zahl städtischer Geothermie-Projekte in Bochum trotz des hohen nutzbaren Potentials noch sehr überschaubar und ausbaufähig ist. Erst spät erkennen Stadt und Stadtwerke die Möglichkeiten von Erdwärmenutzung. Man stelle sich vor, die Stadtwerke hätten nicht einen 3-stelligen Millionenbetrag in fossilen Kraftwerksprojekten und der STEAG versenkt (Fossile Verlustgeschäfte der Bochumer Stadtwerke), sondern hätten diese Beträge in erneuerbare Energie, insbesondere Solarenergie und Geothermie investiert. Bochum wäre bei der Energie- und Wärmewende mindestens 10 Jahre weiter.

Das Wärmenetzproblem

Doch die Herausforderung bei der Geothermie besteht nicht nur im Bau von Anlagen zur Förderung, Speicherung und Erzeugung warmen Wassers. Es fehlen bisher auch geeignete Netze zur Versorgung der Gebäude mit geothermisch erzeugter Wärme. Zwar verfügt Bochum über ein weit verzweigtes Fernwärmenetz, dieses wird aber mit Temperaturen von 50 bis 100 °C heißem Wasser betrieben.

Geothermisch erwärmtes Wasser hat bei den aktuell nutzbaren Verfahren dagegen nur Temperaturen von 10-50 °C. Eine weitere Erhöhung der Temperatur mittels Wärmepumpen wäre Energieverschwendung und daher wirtschaftlich und ökologisch nicht sinnvoll. Auch benötigen Heizungen von Niedrigenergiehäusern nur Heizungswasser mit einer Vorlauftemperatur von maximal 30°C und Warmwasser mit maximal 45° C. Zur Versorgung der Abnehmer mit geothermischer Energie können Teile des Fernwärmenetzes also nur genutzt werden, wenn die Netztemperatur abgesenkt würde. Das bedeutet aber, alle die mit dem Netz bisher versorgt werden, müssten auch mit geringeren Temperaturen auskommen. Das dürfte häufig aufgrund älterer Heizungsanlagen und schlechter Dämmung in der Regel nicht möglich sein.

Ein anderer Weg ist, neben dem bestehenden Fernwärmenetz, ein zweites Wärmenetz aufzubauen. Das dürfte in bestehenden Wohnsiedlungen und Gewerbegebieten aber aufwändig und teuer sein. Auch gibt es zwei Möglichkeiten von Wärmenetzen für niedrigere Temperaturen, diejenigen, mit denen 30 bis 50°C warmes Wasser verteilt wird oder so genannte kalte Wärmenetze mit nur um die 10°C kaltem Wasser, das nur die Grundwärme liefert, aus dem dann dezentral mittels Wärmepumpen in den Gebäuden die benötigten Temperaturen gewonnen werden. Je nach Art der Gewinnung der Geothermie wird somit ein anderes Netz benötigt. Das macht die Geothermienutzung noch eine Stufe komplexer.

Die Stadt benötigt einen Geothermie-Masterplan

Insgesamt gibt es also nicht den einen Weg und das eine Verfahren um Geothermie zur Wärmeerzeugung zu nutzen, sondern ganz unterschiedliche. Um die Nutzung von Erdwärme gezielt auszubauen wird daher ein Masterplan benötigt, der die systematische und bedarfsgerechte Nutzung aller Verfahren und Potentiale zum Ziel hat.

  • Bei allen Neubauten und Neubaugebieten, muss die geothermische Versorgung mitgedacht werden. Die Stadtwerke sollten die entsprechenden Versorgungsmöglichkeiten schaffen und der Bebauungsplan sollte einen Energiestandard vorgeben, der die Nutzung attraktiv macht.
  • Alle öffentlichen Gebäude sollten nach und nach energetisch saniert und auf die Nutzung von geothermischer Wärme umgerüstet werden.
  • Die VBW als kommunaler Wohnungsanbieter sollte ebenfalls verpflichtet werden bei zukünftigen energetischen Sanierungen die Voraussetzungen zu schaffen geothermisch gewonnene Wärme zu nutzen.
  • Es sollte untersucht werden, bei welchen Gewerbegebieten und Wohnquartieren sich bereits heute eine geothermische Versorgung lohnen würde oder mit wie viel Aufwand eine energetische Sanierung verbunden wäre um eine Nutzung geothermisch erzeugter Wärme zu ermöglichen. So könnte Erdwärme zunächst da in der Stadt gezielt angeboten werden, wo sich diese mit dem geringsten Aufwand bei tragbaren Kosten einsetzen lässt.
  • Die Stadtwerke sollten weitere Referenzprojekte entwickeln, die bespielhaft die verschiedenen Möglichkeiten der Nutzung von Geothermie aufzeigen. Das ermöglicht den Stadtwerken auch die erforderlichen Erfahrungen mit den verschiedenen Verfahren und Technologien zu sammeln.
  • Die Grubenwassernutzung sollte gezielt ausgebaut werden, insbesondere an den beiden Grubenwassserpumpstellen der RAG auf Bochumer Stadtgebiet.

Auch bei der Nutzung der Geothermie hat die Stadt unnötig viel Zeit verstreichen lassen, ehe sie die Zeichen der Zeit erkannt hat. Jetzt ist es nötig verlorene Zeit wieder gut zu machen und den Ausbau der Geothermie auf allen Ebenen zielgerichtet zu beschleunigen.

24 Jun

Ein Darlehen für 18,5% – Bochumer Fehlinvestitionen in Kohle und Wind

Ein Kommentar zu den Bochumer Fehlinvestitionen in Kohle und Wind

Ratssäle und Rathäuser werden häufig zum Bullerbü der Politik verklärt. Gegenüber dem Donner-Spektakel auf den Bühnen in Berlin und Brüssel attestiert man der Kommunalpolitik gerne eine gewisse Allürenfreiheit. Diese Schneekugelwelt der Bürgermeister verantwortet keine Milliarden an Rentenlöcher. Die Verwalter der Parkbänke und Gullideckel machen keinen Dritten Weltkrieg. Prekär wurde es in unserer Stadt höchstens mal als Wattenscheider Bürger die Forken spitzen, um ihre Stadtrechte zu verteidigen.

Doch sind die Zeiten, in denen die Rathauspolitik ihre Hände in der Unschuld von Suppenküchen und Freibädern waschen konnte, schon lange vorbei – Nicht nur, weil manche davon bereits geschlossen wurden. Die Ruhrgebietsstädte, die immer schon Metropole sein, aber nie eigene Kirchtürme opfern wollten, fanden ihre Einheit im Big Business der Energiewirtschaft. Die Töchter der Städte, die Stadtwerke, wurden in großen Beteiligungen verheiratet. Tu felix Kohlenpott nūbe. Dass die Mitgift nur geliehen war, vergisst man dabei schnell. Neben RWE und Steag bekommt nun auch die volkseigene Trianel Probleme.

Tria-was? Die Trianel existiert seit 1997 und bildet das Dach, unter dem mehrere Dutzend Stadtwerke in Vielehe leben. Haushaltsvorstand sind dabei die Bochumer Stadtwerke, die mit 14% den größten Anteil halten. Die Trianel setzt 3 Milliarden Euro um und erreicht trotz dieses ganzen Aufwandes eine Umsatzrendite von weniger als mickrige 0,5%. Wenn ungeplant eine Schraube aus einem Bürostuhl rausflutscht, rutscht die Gesellschaft ins Minus. Über die Trianel wird nicht nur der Strom auf den internationalen Märkten eingekauft, der von den Stadtwerken in die guten Stuben der Bochumer gebracht wird. Über die Trianel produzieren die beteiligten Stadtwerke auch selbst Energie. Leider klappt das, große Überraschung, nicht so gut, wie geplant. Problemkinder sind hier der Trianel Windpark Borkum (TWB I) und das Trianel Kohlekraftwerk Lünen (TKL).

Im Jahr 2008 war absehbar, dass die CO2-Emissionen der Kohleenergie nicht mehr tragbar sind, wenn Deutschland die Klimaziele einhalten will. Dennoch legte man feierlich den Grundstein für das Kohlekraftwerk in Lünen und investierte 1,4 Milliarden frische Euros in die fossile Vergangenheit. Klagen und Proteste verzögerten den Bau und so ging die TKL erst 2013 ans Netz. Hurra. Keine 10 Jahre später ist der sich abzeichnende Ausstieg aus der Kohle beschlossene Sache und man muss sprichwörtliche die Hütte wieder abreißen, obwohl man noch die Hypothek dafür abstottern muss. Unterm Strich war die TKL eine katastrophale Fehlleistung.

Dann wären da noch Windmühlen im Meer. Was wie der Titel eines schnulzen Romans klingt, ist ein weiteres Vorhaben der Trianel in Sachen Energie. Immerhin hat man kein schwimmendes Kohlekraftwerk vor Borkum vor Anker gelegt, sondern baute dort den ersten rein kommunalen Offshore-Windenergiepark in der Nordsee mit 40 einzelnen Windenergieanlagen (TWB1). Damit sich die 33 beteiligten Stadtwerke nicht streiten, bekommt also jeder mindestens einen eigenen Propeller. Spaß bei Seite. Auch hier zog sich das 2009 gestartete Projekt in die Länge und ging statt 2011 erst 2015 ans Netz.

Als das Geld alle war, aber der Windpark nur halb fertig hat sich die Betreibergesellschaft TWB für frisches Geld zum brüderlichen Zinssatz von 18,5% bei der Trianel für 32,9 Mio. EUR verschuldet. Diese Schulden können seit Jahren nicht bedient werden. Statt Moskau Inkasso klopfen nun die freundlichen Stadtwerke Uelzen an die Tür. Diese kaufen einen Teil des Kredits bei der Trianel auf und lösen die aufgelaufenen Zinsen zum Teil ab. Weil das aber nicht reicht und man im Lüner Hinterhof noch das stinkende Kohlekraftwerk bollern hat, musste das Management eine kreative Leistung erbringen. Praktisch, dass man im 20 km entfernten Hamm auch noch ein Gaskraftwerk betreibt, bei dem niederländische Unternehmen ihre Anteile an die Trianel verkaufen wollen. Zwar wird wieder in fossile Energie investiert. aber egal, auf dem Papier bedeutet mehr Geld im Gasverbrennungswerk, der Anteil der Fehlinvestitionen in Lünen und in der Nordsee am Kraftwerkeportfolio der Trianel sinkt. Und nur darum geht es, Bilanz aufhübschen und Trianel retten. Für das eigentliche Ziel, Energiewende, bleibt da keine Zeit und kein Geld mehr (Wie viele Millionen kostet die Stadt Bochum die Rettung der Trianel?).

Der Bochumer Stadtrat spielte bei dem Trauerspiel leider wieder mit. So blieb eine kritische Diskussion über die bedrohliche Lage bei der Trianel in der letzten Ratssitzung aus. Stattdessen gab es Beschwichtigungsversuche durch den Oberbürgermeister. Der allerdings lag schon mit seinen früheren Einschätzungen zur Lage bei der STEAG immer wieder daneben. Und wie jedes Mal, wenn Stadtwerke und Oberbürgermeister es verlangen, hoben auch diesmal die Ratsmitglieder*innen brav die Hand, denn wieder mal hofft man im Rat, dass es diesmal doch noch gut für die Stadt ausgehen wird.

10 Jun

Wie viele Millionen kostet die Stadt Bochum die Rettung der Trianel?

Die Vernichtung von städtischem Geld durch die Bochumer Stadtwerke geht in eine weitere Runde. Nach den hunderte Millionen teuren Fehlinvestitionen der Stadtwerke in die Steinkohlekraftwerke in Hamm und Lünen sowie in die STEAG, kommt nun ein weiteres Millionengrab hinzu, der Windpark Borkum I.

Diese Fehlinvestition bringt zudem den Betreiber von Windpark und Kraftwerk Lünen, die Trianel GmbH, an der die Stadtwerke Bochum mit rund 14% beteiligt sind, in eine existenziell bedrohliche Schieflage, was weitere finanzielle Risiken für Stadt und Stadtwerke bedeutet.

Eigentlich wurde die Trianel im Jahr 1999 als Gemeinschaftsunternehmen von Stadtwerken, kommunalen und regionalen Versorgungsunternehmen gegründet, um eine gemeinsame Beschaffung auf den liberalisierten deutschen und europäischen Energiemärkten zu organisieren und Synergien zu erschließen (Trianel).

Trianel – eine Fehlinvestition nach der anderen

Neben dem Handel wurde die Trianel zudem im Bereich der Energieerzeugung als Betreiber von Kraftwerken und anderen Energieanlagen aktiv. Diese Engagements endeten allerdings regelmäßig in finanziellen Desastern. Nachdem bereits das Kohlekraftwerk Lünen für die Trianel und die daran beteiligten Stadtwerke nur Verluste gebracht hat (Stadt verbrennt 87 Mio. im Kohlekraftwerk Lünen), wird nun klar, der Windpark Bochum I, ist für Trianel und die Stadtwerke ebenfalls ein finanzieller Alptraum.

Mal wieder erweisen sich die Zahlenmärchen über die erfolgreichen Stadtwerkeinvestitionen der Pressestelle der Stadtwerke als heiße Luft. Jetzt kommt ans Licht, die Trianel hat beim angeblich so erfolgreichen Windparkprojekt Borkum I bereits das gesamte Eigenkapital in Höhe von ursprünglich 8 Mio. auf null Euro abgeschrieben. Offen sind noch Darlehen im Wert von 42,4 Mio. Euro, die ebenfalls schon um 9,7 Mio. wertberichtigt wurden. Der Windpark steht somit noch mit 32,9 Mio. in den Büchern der Trianel. An die Darlehensgeber zu zahlen sind jedoch Zinsen und Tilgung in Höhe von 77,4 Mio. Euro. Der größte Teil davon (64,4 Mio.) resultiert aus einem Darlehen mit dem sagenhaften Zinssatz von 18%. Dieser extrem hohe, marktunübliche Zinssatz lässt das Risiko erkennen, dass die Geldgeber in dem Geschäft sahen (Vorlage 20221344).

Windpark Borkum I

Mittlerweile wurden die Zinszahlungen für die Windparkdarlehen ausgesetzt, da die Trianel diese nicht mehr bedienen konnte. Klar ist, aus dem Geschäft des Windparks lassen sich die aktuell offenen 77,4 Mio. niemals refinanzieren. Durch die extrem hohen Zinsen wächst der Verlust aber immer weiter, da die Erlöse aus dem Windenergiegeschäft den jährlich zusätzlich zu entrichtenden Zinsaufwand nicht decken können. Der Windpark Borkum bringt die Trianel zusammen mit den Millionenverlusten aus Kraftwerk Lünen in eine wirtschaftliche Notlage. Er stellt trotz bereits getätigter erheblicher Wertberichtigungen mit einem Anteil von 39,5 % am Beteiligungsportfolio der Tianel immer noch das größte Einzelrisiko dar (Vorlage 20221344).

Steinkohlekraftwerk Lünen

Ein weiterer Verlustbringer bei der Trianel ist das von ihr betriebene Steinkohlekraftwerk Lünen. Da Trianel selbst nicht in der Lage war, die Verluste des Kraftwerks aufzufangen, musste die Stadt das Kraftwerk bereits 2019 mit 25 Mio. Euro stützen (Bochum muss Kohlekraftwerk mit 25 Mio. stützen). Bis zur Stilllegung ist bei dem Kraftwerk mit Verlusten in Höhe von 570 bis 800 Mio. Euro zu rechnen (Kraftwerk Lünen könnte 50-70 Mio. Verlust bringen).

Beteiligungsrisiko gefährdet operatives Geschäft der Trianel

Nur das Trianel Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in Hamm-Uentrop steht in der Bilanz der Trianel noch relativ positiv dar. Ein Stresstest zur Einschätzung der Risikobeteiligung bei der Trianel ergab, dass sich die Trianel insgesamt finanziell hinsichtlich Ergebnis, Bilanz und Liquidität in erheblicher Schieflage befindet und bei Eintreten ungünstiger Szenarien, das operative Geschäft erheblich gefährdet ist. Das heißt im Klartext nicht anderes, dass es im schlimmsten, aber durchaus nicht unrealistischen Fall zu einer Insolvenz und damit zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs bei der Trianel kommen könnte (Vorlage 20221396). Im Falle einer Insolvenz müssten die Gesellschafter, also auch die Stadtwerke Bochum, für alle Verbindlichkeiten der Trianel eintreten. Dies würde angesichts der fatalen Situation bei den Beteiligungen der Trianel für die Stadtwerke Bochum zu einem weiteren mindestens zweistelligen Verlustbetrag führen.

Eine Fehlinvestition nach der anderen

Nachdem die Stadtwerke bereits für das Kraftwerkabenteuer Hamm-Uentrop (65 Mio. Euro Verluste abgeschrieben haben (Weitere 65 Mio. Euro bei Bochumer Stadtwerken vernichtet) und das STEAG-Desaster voraussichtlich am Ende sogar einen 3-stelligen Millionenbetrag kosten wird (Kein Geld der Stadt für die Sanierung der STEAG), kommen zu den bisherigen Verlusten, die die Trianel über das Kraftwerk Lünen bereits eingebracht hat, weitere Millionenschäden für Stadtwerke und Stadt hinzu.

Gaskraftwerk Hamm-Uentrop iat auch keine gute Investition

Um die Risiken, die von den Trianel-Beteiligungen am Kraftwerke Lünen und dem Windpark Bochum I ausgehen, abzufedern und zu begrenzen, will die Trianel jetzt weitere Anteile des Gas- und Dampfturbinenkraftwerks in Hamm-Uentrop erwerben und ihre Beteiligung durch die Ausübung einer Kaufoption von 6,12% auf 11,01% erhöhen. Aktuell steht das Gaskraftwerk in der Bilanz der Trianel noch relativ gut da. Immerhin weist der Geschäftsbericht 2019 für das Gaskraftwerk noch einen Jahresüberschuss von 3,4 Mio. Euro (Trianel Geschäftsbericht 2019)., aus, für das Geschäftsjahr 2020 wird jedoch ein Fehlbetrag von 30,6 Mio. Euro festgestellt (Trianel Geschäftsbericht 2020). Im Jahr 2022 liegen bisher die prozentualen Volllaststunden unter 20%. Dass der Betrieb bei dieser Auslastung wirtschaftlich sein kann, darf bezweifelt werden.

Hinzu kommt, der fossile Energieträger Gas wird im Rahmen der Energiewende auf dem Weg zur Energieerzeugung allein aus erneuerbaren Energiequellen nur eine Übergangslösung sein. Absehbar ist also, dass auch das Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in Hamm-Uentrop nicht langfristig Energie erzeugen wird.

Stadtwerke sollten Ausstieg bei der Trianel erwägen

Der Erwerb weiterer Anteile scheint also, wenn überhaupt, zur kurzfristigen Aufhübschung der Trianel Bilanz und der Risikominimierung bei den Beteiligungen der Trianel geeignet zu sein, eine strategische Investition in die Zukunft ist die Transaktion jedoch nicht. Auch steht der Erwerb von weiteren Anteilen an fossilen Kraftwerken im Gegensatz zu dem von der Stadt im Juni 2019 ausgerufenen Klimanotstand.

Eigentlich sollten die millionenschweren Fehlinvestitionen der Trianel gezeigt haben, dass dies kein geeignetes Unternehmen ist, um sich erfolgreich an Kraftwerken und Energieerzeugunganlagen zu beteiligen. 2019 musste bereits die niederländische Vertriebsgesellschaft Trianel Energie B.V aufgrund von Kundenausfällen einen Antrag auf Insolvenz stellen (Trianel Geschäftsbericht 2019). Das Geschäftsmodell Trianel ist gescheitert. Der Geschäftsbetrieb der Trianel auf das Kerngeschäft beschränkt werden und zukünftig nur noch als Gemeinschaftsunternehmen von Stadtwerken, kommunalen und regionalen Versorgungsunternehmen tätig sein, das eine gemeinsame Energiebeschaffung auf den deutschen und europäischen Energiemärkten organisiert.

Sollte man weiterhin Beteiligungen an Energieerzeugungsanlagen in Erwägung ziehen, dann allenfalls an solchen, bei denen erneuerbare Energie als Quelle genutzt wird. Wie jedoch das finanziell gescheiterte Projekt Windpark Borkum I zeigt, scheint Trianel auch für die Durchführung dieser Projekte wenig geeignet.

Für die Stadt Bochum stellt sich somit die generelle Frage, ob es nicht die beste Lösung ist, die Geschäftsanteile an der Trianel (14,07%) abzustoßen, um nicht am Ende für weitere Verluste der Trianelgeschäfte gerade stehen zu müssen. Die Umsatzrendite von unter 0,5% ist jedenfalls kein Argument die Anteile weiter zu halten. Fraglich ist allerdings, ob sich für die Geschäftsanteile überhaupt noch ein Käufer findet. Denn so rosig, wie von den Stadtwerken bisher dargestellt ist die Beteiligung an der Trianel, wie jetzt öffentlich wird, leider nicht. Die Beteiligung ist vielmehr eine Risikoanlage mit der Gefahr weiterer hoher finanzieller Verluste für Stadt und Stadtwerke.

Der Erwerb von zusätzlichen Anteilen am Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in Hamm-Uentrop sowie der Verkauf eines relativ kleinen Teils der Darlehen, die auf dem Windpark Borkum lasten, an die Stadtwerke Uelzen, scheinen nicht geeignet, die finanzielle Schieflage bei der Trianel dauerhaft zu beseitigen. Eine strategische Ausrichtung, die das Unternehmen in die Lage versetzt, die zukünftigen Herausforderungen der Energiewende erfolgreich zu meistern, ist überdies nicht erkennbar.

Informationen zu den Maßnahmen zur Rettung der Trianel unzureichend

Die zur Rettung der Trianel vorgelegten von der Verwaltung vorgelegten Beschlussvorlagen sind unzureichend (Vorlagen 20221396 und 20221344). Die STADTGESTALTER haben zur vollständigen Aufklärung der wirtschaftlichen Lage der Trianel daher einige Fragen nachgereicht. Auch liegen Stresstest und Risikoanalyse zu den Beteiligungen der Trianel, auf denen beide Beschlussvorlagen aufbauen, dem Rat bisher nicht vor. Auch diese wurden von den STADTGESTALTERn angefordert. Die Informationspolitik der Stadtwerke ist ungenügend. Die Zahlenmärchen zu den Projekten der Stadtwerke sollte sich das städtische Unternehmen zukünftig sparen. Nur mit weniger, dafür fundierten Zahlen und ehrlichen Einschätzungen zur Lage der Projekte können die Stadtwerke die verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.

Stadtpolitik kommt Aufgabe, die Geschäfte der Stadtwerke zu kontrollieren, nur unzureichend nach

Letztlich bleibt festzuhalten, die umfangreichen Fehlinvestitionen des Ex-Stadtwerkechefs mit SPD-Parteibuch Bernd Wilmert kostet die Stadt und die Stadtwerke in Summe einen noch genau zu beziffernden 3-stelligen Millionenbetrag. SPD und Grüne im Stadtrat haben ihm blind vertraut und sind ihrer Aufgabe, die Geschäfte der städtischen Unternehmen zu kontrollieren im Fall Stadtwerke nicht nachgekommen. Das bei den Stadtwerken verloren gegangene Geld fehlt der Stadt heute und ist eine der wesentlichen Ursache für die hohe Stadtverschuldung.

05 Dez

Ruhr Park und Hannibal Center könnten viel Sonnenstrom erzeugen

Die Bochumer Einkaufszentren Ruhr Park und Hannibal Center verfügen über riesige Dach- und Parkplatzflächen, die zur Erzeugung von Sonnenstrom genutzt werden könnten. Die STADTGESTALTER haben errechnet, was maximal möglich wäre. Es könnte so viel Strom erzeugt werden wie 6.200 Bochumer Haushalte im Jahr verbrauchen.

Die Stadt Bochum will bis 2035 klimaneutral sein. Dafür muss der gesamte Strom, der in der Stadt verbraucht wird, mittels erneuerbarer Quellen erzeugt werden. Darüber hinaus sollte angestrebt werden, dass der Strom, der in der Stadt verbraucht wird, möglichst vor Ort gewonnen wird. Grüner Strom kann auf verschiedene Weisen erzeugt werden, insbesondere aus Wasser- und Windkraft, mittels Geothermie, Biomasse oder durch die Kraft der Sonne. Tatsächlich kann in Bochum Strom in großem Maßstab nur aus Sonne gewonnen werden. Geothermie ist besser für die Wärmeerzeugung geeignet, Windräder lassen sich in Bochum wegen der nötigen Abstandsflächen zu Wohnbebauung nicht aufstellen, Biomasse und Wasserkraft stehen nur in überschaubarer Menge zur Verfügung.

Sonnenstrom hat in Bochum zur Stromerzeugung das größte Potential

Um Strom aus Sonne zu gewinnen, können Solaranlagen auf Dächer montiert werden, auf Freiland-, Wasser- oder Parkplatzflächen. Jedoch stehen Frei- und Grünflächen in Bochum für eine solare Nutzung nur wenige zur Verfügung. Regelmäßig stehen dem großflächigen Aufbau von Solarfarmen eine andere Nutzung, z.B als Acker oder Weideland, eine Ausweisung als Naturschutzgebiet oder optische Gründe entgegen. Die Nutzung der Bochumer Seen für schwimmende Solaranlagen hatten die STADTGESTALTER schon vorgeschlagen (Schwimmende Solaranlagen auf Bochumer Seen). Auf dem Wasser könnte so viel Strom erzeugt werden, wie 11% der Bochumer Haushalte im Jahr verbrauchen. Das ist schon eine Menge. Das Potential in Bochum lässt sich aber noch deutlich vergrößern, wenn zusätzlich Dach und Parkplatzflächen genutzt werden. Aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen sollte sich die Stadt dabei zunächst auf die Nutzung von besonders großen Flächen konzentrieren, wie sie zum Beispiel bei Einkaufszentren vorzufinden sind. Entsprechend wird auf dem Dach des Hannibal Centers bereits seit 2009 Sonnenenergie in Strom umgewandelt.

Wieviel Sonnenstrom könnte auf den Geländen von Ruhr Park und Hannibal Center erzeugt werden?

Doch wie groß ist das Potential bei der Stromerzeugung aus Sonnenkraft zum Beispiel bei Hannibal Center und Ruhr-Park, den beiden größten Einkaufszentrum auf dem Stadtgebiet? Die STADTGESTALTER haben untersucht, in welcher Weise die Flächen beider Einkaufszenten für die Erzeugung von Sonnenstrom genutzt werden könnten und welche Menge Strom sich maximal im Jahr erzeugen ließe. Dabei wurde nicht nur das Hannibal-Center an sich betrachtet, sondern auch angrenzende Flächen. Zum einen das Gelände, auf dem sich auch der Prater befindet, sowie die Fläche des gegenüberliegenden Hellweg-Baumarktes und die im Osten angrenzende Brachfläche. Beim Ruhr Park wurde die Parkplatzfläche der Medi Therme in die Betrachtungen einbezogen. 

Dachflächen: Zwar erscheinen die Dachflächen beider Einkaufszentren auf den ersten Blick groß, doch besonders beim Ruhr Park sind diese nur begrenzt nutzbar. Dachaufbauten für Lüftungs- und Klimaanlagen lassen beim Ruhr Park nur eine solare Nutzung zu maximal 60% zu. Beim Hannibal Center wurden auf dem Dach des Supermarktes sowie der östlichen Gebäuden bereits Solarmodule aufgestellt.  Hier sind maximal 80% der Dachflächen nutzbar. Bei Solaranlagen auf Dächern muss zudem geklärt werden, in wieweit die Gebäude über die für den Aufbau von Solaranlagen nötige Statik verfügen. Unter Umständen verkleinert sich die mit Solaranlagen bebaubare Dachflächen aufgrund fehlender statischer Voraussetzungen weiter. Ohne Betrachtung der Statik wäre maximal eine Dachfläche von 4,36 ha für die Montage von Solaranlagen auf beiden Einkaufszentren nutzbar.

Freilandflächen: Beide Einkaufszentren verfügen eigentlich nicht über ungenutzte Freilandflächen, sämtliche Flächen werden als Park- und Verkehrsflächen genutzt oder sind mit Gebäuden überbaut. Angrenzend an das Hannibal Center befindet sich jedoch eine rund 10 ha große Brachfläche, ein ehemaliges Zechengelände, auf dem später eine Schwefelsäurefabrik betrieben wurde, und das seit über 30 Jahren erfolglos saniert wird. Aufgrund der Umweltschäden ist diese Fläche bisher weder zu Wohn- noch zu Gewebezwecken nutzbar. Eine Nutzung für eine Freiflächen-Solaranlage böte sich daher an.

Park- und Verkehrsflächen: Der größte Flächenanteil wird bei Einkaufszentren für das Parken und den Verkehr bereitgestellt. So verfügen Ruhr Park und Hannibal Center über insgesamt 23.3 ha Parkplatz-und Straßenflächen. Es bestehen zwei Möglichkeiten diese solar zu nutzen. Die Stellplätze können überdacht werden oder es könnten Solar-Tracker (Solar-Tracker: Nachführsysteme für Photovoltaik-Anlagen) aufgestellt werden. Bei Solar-Trackern werden Solarmodule drehbar auf einen mehrere Meter hohen Mast montiert und dann nach dem jeweiligen Sonnenstand ausgerichtet. Dies ermöglicht eine zusätzliche Stromausbeute von bis zu 45% gegenüber starren Freiland- oder Dachanlagen. So wird es möglich selbst bei schlechtem, bewölktem Wetter mittels Solar-Trackern noch eine erkleckliche Menge Strom zu gewinnen.

Solar-Tracker, Foto Parucom:

Problem der Überdachung von Stellplätzen mit Solardächern ist bei Ruhr Park wie Hannibal Center, dass die Parkplätze nur teilweise nach Süden ausgerichtet sind. Dazu können nur die Stellplätze aber nicht die Verkehrsflächen überdacht und solar genutzt werden. Zwar ist auch bei Solar-Trackern der Bedarf an Aufstellfläche gegenüber starren Freilandanlagen höher, da diese untereinander einen recht großen Abstand benötigen um gegenseitige Verschattung ganztägig auszuschließen, dafür aber liefern sie deutlich höhere Erträge.

Aus diesen Gründen haben die STADTGESTALTER eine solare Nutzung durch Solar-Tracker betrachtet, wie sie z.B. bereits auf dem Parkplatz des Amazon-Lagers FRA3 in Bad Hersfeld besteht.

Solar-Tracker ermöglichen eine unproblematische doppelte Nutzung der Park- und Verkehrsflächen zum Parken und zur Erzeugung von Strom, ohne dass eine Nutzung die andere nennenswert einschränkt.

Bis zu 620 Solar-Tracker könnten auf dem Gelände von Ruhr Park und Hannibal Center zur Erzeugung von Sonnenstrom aufgestellt werden.

Solarpotential von Ruhr Park und Hannibal Center

Nutzt man die genannten Flächen vollständig für die Erzeugung von Sonnenstrom, wäre die Erzeugung von maximal 15.000 MWh Strom pro Jahr möglich. Das entspräche dem Jahresbedarf von 6.200 Bochumer Haushalten (3,1% aller Bochumer Haushalte). 7.300 t CO2 könnten so pro Jahr eingespart werden.

Es würde sich anbieten mit dem erzeugten Strom zunächst den Stromverbrauch der Einkaufszentren selbst abzudecken, der aufgrund von zu versorgenden umfangreicher Beleuchtungs-, Lüftungs-, Klima- und Kühlungsanlagen ebenfalls erheblich sein dürfte.

Modelle zu Aufbau, Unterhaltung und Betrieb sowie Wirtschaftlichkeit

Zum Aufbau, der Unterhaltung und dem Betrieb der Solaranlagen wären besondere zwei Modelle denkbar. Die Einkaufszentren selbst bauen und betreiben die Anlagen oder ein Energieunternehmen wie die Stadtwerke übernehmen Bau und Betrieb der Solaranlagen und verkaufen dann den Strom zu einem Vorzugspreis an die Einkaufszentren und übernehmen die Vermarktung des überschüssigen Stroms.

Trotzdem das Stromerzeugungspotential im Vergleich zu zum Beispiel schwimmenden Solaranlagen (Schwimmende Solaranlagen auf Bochumer Seen) deutlich geringer ist, sind Konzepte zur solaren Nutzung der Flächen von Einkaufszentren wirtschaftlich sinnvoll, denn sonst sind in der Stadt kaum derart große, zusammenhängende Flächen vorhanden, die mit Solaranlagen bestückt werden könnten. Die Montage von vielen vergleichsweise kleinen Solaranlagen auf vielen durchweg kleineren Dächern und Parkplätzen erzeugt ungleich höhere Kosten, sowohl beim Bau, wie hinsichtlich der Unterhaltung.

Bis 2035 klimaneutral

Will Bochum bis 2035 klimaneutral sein, muss jede Anstrengung unternommen werden Teile des Stroms aus erneuerbaren Quellen in Bochum selbst zu erzeugen. Die Einkaufszentren bieten für diesen Zweck ein herausragendes Potential und können damit einen bedeutenden zur klimaneutralen Stromproduktion leisten. Die STADTGESTALTER regen daher an, dass sich Stadt, Stadtwerke, Ruhr Park und Hannibal Center zusammensetzen um zu erörtern, wie sie das dargestellte Potential zum Wohl der Stadt möglichst vollständig ausschöpfen können.

17 Okt

Schwimmende Solaranlagen auf Bochumer Seen könnten bis zu 11% des Strombedarfs der Haushalte in Bochum decken

Bis 2035 sollen die Stadtwerke Bochum nur noch Strom aus erneuerbaren Energiequellen liefern. Doch wo soll der Strom herkommen? Die STADTGESTALTER schlagen jetzt vor schwimmende Solaranlagen auf dem Kemnader, dem Ümminger See und den Ölbachteichen zu errichten. Auf diese Weise könnte der Strombedarf von bis zu 11% der Bochumer Haushalte gedeckt werden.

Gemäß des Energie- und Klimaschutzkonzeptes 2030 erzeugen die Stadtwerke Bochum nur 2% des verkauften Stroms aus eigenen erneuerbaren Energiequellen. Vom eingekauften Strom stammte 2018 11.3 % aus regenerativen Quellen (Stadtwerke müssen auf Klimakurs gebracht werden). Diese Anteile versuchen die Stadtwerke in den letzten Jahren durch Beteiligung an Windparks in der Nordsee (WAZ vom 10.09.2020) und Solarparks auf Agrarflächen (WAZ vom 25.08.2021) massiv auszubauen. Denn 2035 will die Stadt Bochum klimaneutral sein und sollen die Stadtwerke nur noch klimaneutral erzeugten Strom verkaufen.

Schwimmende Solaranlagen auf dem Kemnader, dem Ümminger See und den Ölbachteichen

Somit stellt sich in Bochum die Frage, wie können die Stadtwerke mehr regenerativen Strom in Bochum selbst erzeugen?

Als Antwort schlagen Die STADTGESTALTER jetzt vor, für diesen Zweck die Wasserflächen der Stadt zu nutzen: Auf dem Wasser, insbesondere auf dem Kemnader, dem Ümminger See und den Ölbachteichen, könnten schwimmende Solaranlagen (Floating PV – Solaranlagen) errichtet werden.

Mögliche Flächennutzung für schwimmende Solaranlagen auf Bochumer Seen

Auf den genannten Gewässern könnten nach den Berechnungen der STADTGESTALTER bis zu 38 ha Fläche für die Erzeugung von Sonnenstrom genutzt werden. Auf einer Fläche dieser Größe könnten pro Jahr 52.700 MWh Strom generiert werden. Der erzeugte Strom würde den Bedarf von 21.800 Haushalten decken, das entspräche 11% aller Bochumer Haushalte. Die CO2-Einsparung pro Jahr läge bei beeindruckenden 25.500 t.

Schwimmende Photovoltaik-Anlagen werden bereits sehr erfolgreich in Asien (Schwimmende Solaranlage: Ener­gie­gewin­nung auf dem Wasser), den Niederlanden, (Bomhofsplas-Projekt) aber auch schon in Deutschland (Schwim­mende Photo­voltaik­anlage Renchen) betrieben.

Vor- und Nachteile von schwimmenden Solaranlagen

Die Vorteile von schwimmenden Solaranlagen, liegen auf der Hand:

  • Höherer Ertrag durch die Kühlung der PV Module durch das Wasser
  • Hohe Flächennutzungseffizienz
  • Keine Flächennutzungskonflikte bei Baggerseen, Tagebauseen oder Klärteichen
  • Verschattung des Gewässers und damit weniger Verdunstung
  • Risiko von Algenbildung verringert sich durch niedrigere Wassertemperatur
  • Kostengünstiger Aufbau
  • Rückstandsfreier Rückbau möglich
  • Keine Einzäunung zum Schutz vor Diebstahl notwendig

Ein weiterer Vorteil der Nutzung der Bochumer Seeflächen besteht darin, dass der Strom in direkter Nähe der Verbraucher in der Stadt erzeugt würde, also kein Stromtransport über lange Strecken erforderlich ist und so die sonst unvermeidlichen Übertragungsverluste vermieden würden.

Infografik, schwimmende Solaranlagen, Quelle Erdgas Südwest

Aber es sind auch Nachteile zu bedenken:

  • Stromgestehungskosten 10 bis 15 Prozent höher als bei Freiflächen Solar-Kraftwerken an Land
  • Erhöhter Aufwand für Montage und Wartung
  • Flächennutzungskonflikt bei Seen mit Freizeitnutzung

Es ist also zu überlegen, wie viel Fläche des Kemnader Sees lässt sich für schwimmende Solaranlagen nutzen, ohne dass dadurch die Freizeitnutzung und die Fahrwege der MS Kemnade spürbar eingeschränkt werden. Die STADTGESTALTER sehen auf dem Kemnader See grundsätzlich Möglichkeiten für zwei Solarfelder, das eine 13, das andere 16 ha groß. Zusammen würden beide rund 23% des Sees bedecken. Ebenso wäre denkbar, nur eines der beiden Felder zu realisieren oder diese wie andere Felder in abweichender Form und Größe zu errichten. Die Nutzung des Sees als Solarfläche müsste also mit der Freizeitnutzung abgewogen werden, so dass eine für beide Seiten optimale Lösung gefunden wird.

Auch wäre zumindest bei einem Solarfeld eine Absprache bzw. Kooperation mit der Stadt Witten anzustreben, da auch Seeflächen genutzt würden, die auf dem Stadtgebiet von Witten liegen.

Umweltverträglichkeit

Untersuchungen zur Umweltverträglichkeit von schwimmenden Solaranlagen belegen die Annahme, dass durch solche Anlagen keine Umweltschäden verursacht werden. Die ersten Ergebnisse einer aktuellen Studie der Hanze University of Aplied Science im niederländischen Groningen bestätigen, dass keinerlei Schäden an Flora, Fauna und Wasserqualität bewirkt werden (Keine Umweltschäden durch schwimmende Solaranlagen). Am Kemnader See wäre im Gegenteil zu erwarten, dass durch die Verhinderung von direkter Sonneneinstrahlung und die damit verbundene Reduzierung der Wassertemperatur die schwimmenden Anlagen helfen würden die Ausbreitung der Wasserpest einzudämmen.

Ein großer Schritt für Bochum in Richtung Klimaneutralität

Die Nutzung der Seeflächen für die Stromerzeugung würde Bochum dem Ziel Klimaneutralität also einen großen Schritt näherbringen ohne dass dadurch große Nachteile für die Stadt zu erwarten wären. Eine Umsetzung ist schnell und vergleichsweise unkompliziert möglich. Nachdem die rechtlichen Fragen geklärt und eine Baugenehmigung erteilt ist (Rechtliche Rahmenbedingungen für schwimmende Solaranlagen), dauert der Aufbau der Anlagen nur wenige Wochen (Aufbau einer schwimmenden PV-Anlage).

Die Kosten für den Bau von schwimmenden Solaranlagen mit einer Flächen von 38 ha kann derzeit mit 40 – 65 Mio. Euro kalkuliert werden (0,7 bis 1,05 Euro/Wpeak). Das entspricht dem Verlust, den die Bochumer Stadtwerke derzeit in 2 bis 4 Jahren mit dem Kohlekraftwerk Lünen erwirtschaften. Die Investitionssumme ist für den Kraftwerksbereich also vergleichsweise gering.

Grundsätzlich sollten die Stadtwerke Bochum nach Ansicht der STADTGESTALTER eine Energieerzeugung aus regenerativen Quellen soweit möglich in Bochum selbst anstreben. Schwimmende Solaranlagen bieten dazu eine ideale Möglichkeit. Zu einer weiteren Möglichkeit werden die STADTGESTALTER in Kürze einen zweiten Vorschlag präsentieren. Wichtig ist, dass Stadt und Stadtwerke, die entsprechenden Potentiale nunmehr gezielt suchen und eine Nutzung ohne weitere Verzögerungen auf den Weg bringen.

23 Mai

Klimaneutralität bis 2045 – Ohne drastische und unbequeme Maßnahmen kaum zu schaffen

Verfassungsgericht und Bundesregierung haben eine unverrückbare Vorgabe gemacht: Klimaneutralität ist bis 2045 zu erreichen. Das gilt auch für Bochum. Damit ist der Plan von Rot-Grün gescheitert, die wesentlichen Klimaschutzmaßnahmen nachfolgenden Generationen aufzubürden. Doch wie will Bochum in nur 24 Jahren Klimaneutralität erreichen, wo bisher in Sachen Klimaschutz kaum Nennenswertes unternommen wurde?

Eigentlich war der Plan von SPD und Grünen in Sachen Klimaschutz die Füße still zu halten und zu hoffen, das Problem würde sich von allein erledigen. Entsprechend hatte die Stadt sich im Energie- und Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2015 das unambitionierte Ziel gesetzt, bis 2050 solle der CO2-Ausstoß der Stadt auf 80% (ggü. 1990) reduziert werden.

Rot-Grün wollte das Problem aussitzen statt zu handeln

Das Kalkül und die Hoffnung waren: Angesichts dessen, dass bis 2014 die CO2-Emissionen in der Stadt aufgrund der Abwanderung von energieintensiven Industriebetrieben wie Outokumpu und Opel ohnehin schon auf 50% gesunken war, würde sich eine Senkung um weitere 30%P voraussichtlich aufgrund der fortschreitenden Deindustrialisierung und des zu erwartenden technischen Fortschritts bis 2050, also in weiteren 36 Jahren, ohne größere städtische Maßnahmen schon von selbst ergeben. Die letzte und schwierigste Senkung von 80 auf 100% Senkung könnte man dann Kindern und Enkeln überlassen und wäre so das Problem für diese Generation los.

Verfassungsgericht und Regierung geben vor: Klimaneutralität bis 2045

Doch das Verfassungsgericht hat jetzt einen Strich durch dieses Ansinnen gemacht. Das Gericht urteilte, es gehe nicht an, dass die nach dem Pariser Klimaschutzabkommen notwendigen CO2-Reduktionen weitgehend in die Zukunft verlagert werden, um die Gegenwart mit politisch mutmaßlich unbequemen, drastischen Maßnahmen zu verschonen. Konkret erklärten die Richter, es dürfe nicht einer Generation zugestanden werden, “unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde” (1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 288/20 vom 24. März 2021).

Klimaschutzpolitik in Bochum ist gescheitert. Viel Zeit vertan. Neuanfang bei Null.

Eine schallende Ohrfeige auch für die städtische Klimapolitik von SPD und Grünen, die sich bisher darauf beschränkt hatte, symbolisch und öffentlichkeitswirksam 2019 den Klimanotstand auszurufen, ohne irgendwelche Taten folgen zu lassen.

Zwar hatte man in Bochum bis 2015 viel Papier für Klimaschutzkonzepte vollgeschrieben und dort eine schier endlose Zahl an Maßnahmen werbewirksam angekündigt, doch umgesetzt wurden davon bisher nur die wenigsten (Klimaschutz, viel Papier, wenig Greifbares). Welche Maßnahmen wie mit welcher Wirkung umgesetzt wurden und werden, weiß die Stadt zudem selbst nicht, denn eine geordnete Abarbeitung der Maßnahmen gab es nie. Ein Controlling, mit dem gesteuert und kontrolliert wird, welche Maßnahme sich in welchem Umsetzungsstadium befindet, wurde mangels Interesses an solchen Informationen nie eingerichtet. Klimaschutzpolitik wurde in Bochum immer nur für die Galerie betrieben, ernsthaft etwas für den Klimaschutz zu tun, war nie das Ziel.

Auf diese Weise wurde viel Zeit vertan. Spätestens seit den 90er Jahren war das Klimaerwärmungsproblem und der dringende Handlungsbedarf bekannt. Erst 2009 reagierte die Stadt mit einem wenig ambitionierten Klimaschutzkonzept, dass dann 2015 fortgeschrieben wurde. Das 2-Grad-Ziel wurde bereits Ende der 90er-Jahre formuliert. Ab 2000 hätte eine konsequente städtische Klimapolitik mit dem Ziel Klimaneutralität bis spätestens Mitte des Jahrhunderts zu erreichen, verfolgt werden müssen. Bis heute, 2021 passierte nichts Nennenswertes (Bochum muss deutlich mehr tun fürs KlimaWas muss Bochum tun, damit die Stadt bis 2040 klimaneutral ist). Über zwei Jahrzehnte wurden vergeudet. Jetzt verbleiben nur noch 24 Jahre um das Ziel zu erreichen, für dessen Erreichung man eigentlich mindestens 45 Jahre Zeit gehabt hätte.

Andere Städte zeigen, dass es auch anders gegangen wäre, hätte die Stadt frühzeitig und ernsthaft das Ziel verfolgt, alles dafür zu tun, kein CO2 mehr zu emittieren. So wird Kopenhagen bereits 2025 klimaneutral sein (Klimaneutral bis 2025 – was die Welt von Kopenhagen lernen kann).

Die unnötige Zeitvergeudung in Bochum hat zur Folge, dass es in der noch verbleibenden stark verkürzten Zeit zu unbequemen, drastischen Maßnahmen kommen muss, um das Ziel zu erreichen. Die Maßnahmen, die SPD und Grüne den nachfolgenden Generationen aufbürden wollten, müssen jetzt noch in unserer Generation umgesetzt werden. Die fehlende Bereitschaft von Rot-Grün rechtzeitig zu handeln hat die Stadt in eine Notlage gebracht. Jetzt muss überstürzt mit riesigem Finanzaufwand in kaum mehr als zwei Jahrzehnten umgesetzt werden, was eigentlich mindestens das doppelte an Zeit benötigen würde. Ein Kraftakt ohne gleichen ist erforderlich, um das vorgegebene Ziel, Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen.

Was muss jetzt in Bochum in Sachen Klimaschutz dringend geschehen?

In Bochum entfallen 39% des CO2-Ausstoßes auf den Verkehr. 31% auf die Wirtschaft, 28% auf die Haushalte, 2% auf städtische Gebäude. Auf den Anteil, den die Wirtschaft erzeugt, hat die Stadt so gut wie keinen Einfluss, dieser sinkt aber kontinuierlich aufgrund der fortschreitenden Deindustrialisierung und steigendem technologischem Fortschritt.

CO2-Emissionen nach Sektoren, Stadt Bochum

Bei den Haushalten ist der Einfluss der Stadt größer, aber auch begrenzt. Bei der Stromerzeugung kann die Stadt darauf hinwirken, dass die Stadtwerke nur noch klimaneutral erzeugten Strom verkaufen. Bei der Wärmeerzeugung für das Heizen wird es schon schwieriger. Eine Umstellung aller Heizungsanlagen, die heute noch mittels Verbrennung fossiler Brennstoffe funktionieren, insbesondere auf Erdwärmepumpen, Solarthermie und regenerativ erzeugte Fernwärme, kann die Stadt nicht erzwingen. Sie kann die Umstellung nur fördern und beste Voraussetzungen schaffen, dass möglichst viele private Eigentümer*innen sich dafür entscheiden eine solche Umstellung vornehmen.

Im Bereich der Abfallwirtschaft wiederum hat die Stadt die Fäden selbst in der Hand. Es ist nur eine Frage der Zeit bis der bisher von SPD und Grünen abgelehnte von STADTGESTALTERn und FDP vorgeschlagene Plan, Bochum zur “Zero-Waste-City” zu machen, vom Stadtrat beschlossen wird (Bochum soll “Zero-Waste-City” werden).

Auch bei den städtischen Gebäuden kann die Stadt alle erforderlichen Maßnahmen selbst beschließen, damit auf auf diesem Gebiet bis 2045 Klimaneutralität erreicht wird. Das wird allerdings teuer. Städtische Neubauten können noch recht einfach gleich klimaneutral gebaut werden. Die städtischen Altbauten alle umzurüsten um den Ausstoß von CO2 zu minimieren, wird allerdings ein gigantisches Sanierungsprogramm erfordern. Hier rächt sich, dass man nicht schon seit Jahren möglichst klimaneutral baut. Denn jetzt müssen selbst städtische Gebäude mit hohem Finanzaufwand saniert und umgerüstet werden, die vor nicht mal 10 Jahren gebaut wurden.

Der größte Knackpunkt bei den CO2-Einsparungen stellt der Verkehr dar. Bis 2045 muss der Anteil am Modalsplit bei Radverkehr und ÖPNV erheblich gesteigert werden. Anzustreben wäre, den Anteil beim Rad von 7 auf 25% zu steigern und den des ÖPNV von knapp über 15% auf 30% zu verdoppeln. Damit würde sich der Anteil des Autoverkehrs auf 24% reduzieren. Diesen Anteil ab 2045 mit E-Fahrzeugen zurück zu legen, für die der Strom CO2-neutral erzeugt wird, erscheint realistisch.

Auch sollte es möglich sein in 5-10 Jahren ein komfortables Radwegenetz aus dem Boden zu stampfen, mit dem der Radverkehrsanteil auf 25% gesteigert werden kann. Der Finanzaufwand ist überschaubar. Mit 100 Mio. Euro in 10 Jahren, sollte sich dieses Ziel erreichen lassen.

Beim ÖPNV sieht es anders aus. Planung und Bau von schnellen und leistungsfähigen neuen ÖPNV-Linien ist erheblich teurer und dauert 7-15 Jahre. Damit der Anteil des ÖPNV am Modalsplit bis 2045 verdoppelt werden kann, müssen schon heute die Planungen für ein stark erweitertes ÖPNV-Netz auf den Weg gebracht werden. In diesem Bereich herrscht in Bochum allerdings seit Jahrzehnten Stillstand. Die Bogestra ist bisher an einer Ausweitung des Netzes desinteressiert. Das ÖPNV-Netz der Bogestra basiert bis heute im Kern auf Buslinien, also einem Verkehrsmittel, dass bei den Nutzern, wegen seiner Unzuverlässigkeit, mangelndem Fahrtkomfort und seiner Langsamkeit unbeliebt ist und mit dem man keine neuen Fahrgäste für den ÖPNV gewinnen kann. Die Schaffung eines leistungsfähigen Schnellverkehrsnetzes auf Basis von Straßen-, Stadt- und Seilbahnen wie es in Großstädten sonst üblich ist, ist aufgrund der baulich engen Gegebenheiten in der Stadt jedoch langwierig und mit besonderen Herausforderungen verbunden.

Die Stadt muss den öffentlichen Nahverkehr in der Stadt quasi neu erfinden und das wird 3-stellige Millionenbeträge kosten. Da in den letzten Jahrzehnten versäumt wurde erste neue Linien zu planen und zu bauen und die dafür verfügbaren Fördermittel (in der Regel 90% der Baukosten) beim Land abzugreifen, müssen jetzt aufgrund des Zeitdrucks viele Neubauprojekt parallel in Angriff genommen werden. Es ist nicht anzunehmen, dass die Stadt für alle Projekte Fördergelder erhält. Weil der Ausbau des ÖPNV-Netzes Jahrzehnte zu spät beginnt, wird die Stadt erhebliche Beträge selbst aufbringen müssen.

PARTEI und STADTGESTALTER wollen in der nächsten Ratssitzung Weichen für Klimaneutralität bis spätestens 2040 stellen

2021 steht die Stadt also an einem Wendepunkt, die Rot-Grüne Politik, die wesentlichen Klimaschutzmaßnahmen auf die nachfolgenden Generationen zu verschieben ist gescheitert. Die Stadt steht wieder am Anfang. Da der Stadt nur 24 Jahre Zeit verbleiben, um die Stadt klimaneutral zu gestalten, muss sofort gehandelt, weitere Monate und Jahre mit Däumchen drehen vergehen zu lassen wie nach Ausrufung des Klimanotstandes, kann sich die Stadt nicht mehr leisten.

Die Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” hat für die Ratssitzung im Mai einen Antrag auf den Weg gebracht, mit dem die Stadt verbindlich verpflichtet wird alle Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die zur Erreichung des Ziels einer klimaneutralen Stadt bis spätestens 2040 erforderlich sind (Antrag 20211586). Zusätzlich wird die Fraktion einen Haushaltsantrag einbringen, mit ab 2022 die insbesondere zur Umsetzung der Verkehrswende erforderlichen Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Das sollen zunächst 20 Mio. Euro pro Jahr sein. In der Ratssitzung am 27.05 werden die Bürger*innen sehen, ob die Bochumer Stadtpolitik in Sachen Klimaschutz endlich bereit ist zu handeln.

17 Nov

Leben in einer klimaneutralen Stadt

Wie lebte es sich in einer klimaneutralen Stadt? Viele Menschen befürchten, dass sie dafür ihre gewohnte Lebensweise radikal umstellen müssen. doch ist das wirklich so? Wie verändert sich unsere Lebensweise im Vergleich zu heute in einem klimaneutralen Bochum im Jahr 2040?

Kopenhagen will als erste Stadt der Welt bereits 2025 klimaneutral sein. Dann werden die Stadt und die Einwohner nur so viel Treibhausgase ausstoßen, wie die Natur in der Stadt absorbieren kann. Bochum will das bis 2050 schaffen. Um das 1,5°-Ziel (Sonderbericht 1,5 °C globale Erwärmung) zu erreichen, wäre es besser, das Ziel mindestens 10 Jahre früher zu erreichen.

Wohnen

Wie lebt es sich in einem klimaneutralen Bochum und Wattenscheid? Wagen wir einen Blick in die Zukunft. 2040 – die 4-köpfige Familie Nowak lebt im Erdgeschoss eines 6-Parteien Wohnhauses in Bochum-Laer. Vermieter ist die VBW. Das Haus wurde energetisch saniert. Seitdem benötigt es 20 % weniger Energie. Weiterlesen

12 Mai

Stadtwerke müssen auf Klimakurs gebracht werden

Nur 11,3% des Stroms der Bochumer Stadtwerke stammt aus erneuerbaren Energiequellen. Ein Bemühen der Stadtwerke einen anspruchsvollen Beitrag für die EU-weit angestrebte Energiewende zu leisten ist nicht erkennbar.

Klimaneutral bis 2050

Die Bundesumweltministerin wie die Umweltminister der Ländern haben sich dafür ausgesprochen dass die EU bis 2050 klimaneutral ist (Deutschlandfunk 10.05.19).

Um dieses Ziel zu erreichen dürften auch in Bochum bis spätestens 2050 keine nennenswerten Treibhausgase mehr ausgestoßen werden. Bisher besteht nur das Ziel die Emissionen auf 85 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren.

Stadtwerke haben über Jahrzehnte voll auf Kohle gesetzt

Um den Ausstoß von Treibhausgasen in den nächsten 30 Jahren auf Null zu drücken müssen besonders die Stadtwerke völlig neu aufgestellt werden. Bisher wurde dort fast ausschließlich auf fossile Energie gesetzt. So beteiligten sich die Stadtwerke mit jeweils 50 Mio. Euro am Bau der Kohlekraftwerke Hamm-Uentrop und Lünen und kauften im Auftrag der Stadt für fast 200 Mio. Euro Anteile des Kohleverstromers STEAG. Immerhin haben sich die Stadtwerke zuletzt auch an den Windparks Borkum I und II sowie weiteren an Land beteiligt, halten jedoch noch immer 2,2 Mio. Aktien von RWE, obwohl den klimaschädlichsten Strom aller Versorger laut Untersuchung des Ökostromunternehmens Lichtblick (Deutschlands dreckige Stromanbieter, 31.01.18) die RWE-Tochter innogy liefert. Im Durchschnitt aller von innogy angebotenen Tarife verursacht jede Kilowattstunde Strom 813 Gramm klimaschädliches CO2.

Nur 11,3% Strom aus erneuerbaren Energiequellen

Aber auch die Stadtwerke selbst sind kein Vorzeigeunternehmen. Nur 2% des verkauften Stroms wurden selbst aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt (Energie- und Klimaschutzkonzept 2030). Vom eingekauften Strom stammt nur 11.3 % aus regenerativen Quellen. Weiterlesen

27 Apr

Bochum muss deutlich mehr tun fürs Klima

Wissenschaftler aus aller Welt fordern, dass alles unternommen werden muss, damit sich das Klima der Erde nicht um 2°C, besser noch um weniger als 1,5° C, erwärmt. Tut die Stadt Bochum genug um ihren Beitrag zu leisten, dieses Ziel zu erreichen? Die Antwort ist: Leider nein, die Stadt tut viel zu wenig.

Das 1,5-Grad-Ziel, vereinbart im Pariser Klimaschutzabkommen

Im Pariser Klimaschutzabkommen wurde vereinbart, die durch Treibhausgase verursachte Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit zu beschränken. Zusätzlich sollen Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen.

Die Zwei-Grad-Grenze ist ein Wert, bei dem angenommen wird, dass globale Schäden für Ökosysteme und die Nahrungsmittelproduktion noch reduziert werden können. Einigkeit herrscht darüber, dass grundsätzlich die Risiken und Auswirkungen bei 1,5 °C Klimaerwärmung erheblich geringer ausfallen als bei 2 °C. Erwärmt sich die Erde durchschnittlich stärker als diese zwei Grad, kommt es nach Meinung der Forscher zu drastischen und unumkehrbaren Umweltveränderungen (1,5 Grad-Ziel, Max-Planck-Institut für Meteorologie).

Die Forderung der Wissenschaftler – Scientists4Future

Um mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Erwärmung von 1,5 °C nicht zu überschreiten, müssen die Nettoemissionen von Treibhausgasen (insbesondere CO2) sehr rasch sinken und in den nächsten 20 bis 30 Jahren weltweit auf null reduziert werden. Weiterlesen