24 Dez

Führungswechsel – Werden die Stadtwerke die Energiewende jetzt ernsthaft vorantreiben?

Stadtwerke-Chef und Trianel-Aufsichtsratsvorsitzender Dietmar Spohn geht zum Ende des Jahres in den Ruhestand. Zum Abschied gibt er der WAZ ein Interview, in dem sich zeigt, wie sehr er noch immer im fossilen Denken vergangener Zeiten gefangen ist. Und warum die Stadtwerke hunderte Mio. mit Kohle verbrannt und nicht in erneuerbare Energie investiert haben. Wird sich das mit der neuen Geschäftsführerin ändern?

2005 wird der ehemalige VEW bzw. RWE-Mann Spohn technischer Geschäftsführer der Stadtwerke. Zunächst an der Seite von Bernd Wilmert (SPD). Nach dessen Abtritt wird er selbst Sprecher der Geschäftsführung, an seine Seite rückt als kaufmännischer Geschäftsführer Frank Thiel.

Die Ära Spohn prägen misslungene Finanzabenteuer

Die Ära Spohn prägen besonders die misslungenen Kohle-Finanzabenteuer der Stadtwerke: Der Fehlkauf des Kohlekonzerns STEAG und die Fehlinvestitionen in die Kohlekraftwerke Hamm-Uentrop und Lünen (Kraftwerk Lünen könnte 50-70 Mio. Verlust bringen). Auch derhalbherzige Versuche mit dem Zukauf von Wind- und Solarparks, den Anschein zu erwecken, man setze verstärkt auf erneuerbare Energien, begann vor der Küste Borkums mit einem Finanzdebakel (Ein Darlehen für 18,5% – Bochumer Fehlinvestitionen in Kohle und Wind).

Immerhin versuchte Spohn in den letzten Jahren seiner Amtszeit den STEAG-Konzern wieder loszuwerden. Der Verkauf wird hoffentlich in Kürze endgültig abgeschlossen. Für die Stadtwerke wurde dabei die durch den Ukraine–Krieg verursachte Energiekrise zum unerwarteten Glücksfall. Auf Kosten der Energieverbraucher*innen konnte die STEAG mit ihren überholten fossilen Kohlekraftwerken als Krisengewinner 2022 gute Gewinne verbuchen. So werden die Stadtwerke beim Verkauf der STEAG voraussichtlich sogar noch einen Verkaufserlös in beträchtlicher Höhe erzielen. Mit mehr Glück als Verstand sind die Stadtwerke dem drohenden Finanzdesaster gerade noch entgangen.

Das fossile Denken des Dietmar Spohn

Angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Sachen Klimawandel und der weltweiten Klimapolitik seit Ende der 90er-Jahre erscheinen die Kohleinvestition der Bochumer Stadtwerke völlig absurd. 1997 beschließt im Kyoto-Protokoll die Staatengemeinschaft erstmals eine völkerrechtlich verbindliche Grenze für den Ausstoß von Treibhausgasen, Die Bundesregierung unter Kanzler Schröder bringt 1998 bis 2005 den Beginn der Energiewende auf den Weg. 2015 wird im Pariser-Abkommen das 1,5-Grad-Ziel vereinbart, die Klimaschutzkonzepte der Stadt von 2009 und 2014 sehen eine deutliche Reduzierung der Treibhausgase vor. Spätestens seit Ender der 90er-Jahre war also das Ende der Kohleverstromung absehbar und hätte der schrittweise Ausstieg aus der Kohle auch von den Stadtwerken eingeplant und vorangetrieben werden müssen, stattdessen gaben die Stadtwerke hunderte Millionen für neue Kohlekraftwerke und die Fortsetzung der Kohleverstromung aus.

Es stellt sich die Frage, wie konnte es zu den genannten Fehlentscheidungen kommen? War Spohn als maßgeblichem Entscheider bei den Stadtwerken wie der Trianel die bevorstehende Entwicklung der Energiewirtschaft nicht bewusst? Waren die wissenschaftlichen Erkenntnisse und politischen Entscheidungen der Weltgemeinschaft zum Klimawandel für ihn kein Entscheidungskriterium?

Spohn: Die Politik ist schuld

Spohn sieht die Verantwortung nicht bei sich, im WAZ-Interview (WAZ vom 13.12.23) erklärt er: “Vor nicht allzu langer Zeit sind wir noch ermutigt worden, in Kohlekraftwerke zu investieren.” Welche Ermutigungen, von wem er meint, führt er leider nicht aus. Die Schuld für die anachronistische Kohlepolitik der Stadtwerke schiebt er auf die Politik.

Es war allerdings nicht die Idee der Politik in Kohlekraftwerke oder die STEAG zu investieren, sondern die von Bernd Willmert und seinem Co-Geschäftsführer Spohn. Man dachte, mit den Investitionen schnelles Geld machen zu können. Klimaschutz und Energiesicherheit spielten dabei keine Rolle. Die “Energieszene”, der sich Spohn gemäß Interview zugehörig fühlt, hielt trotz aller politischen Entscheidung zum Klimaschutz unbeirrt an der Verbrennung fossiler Energieträger als lukratives Geschäftsmodell fest. Nach fossiler Denkweise war keine Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energieträger möglich. Überall versuchte man die Energiewende aufzuhalten und wirkte ihr mit aller Macht entgegen.

Die von Spohn im Interview herbei geredeten Kurswechsel in der Energiepolitik gab es so nicht. Der Atomausstieg bis 2019 wurde bereits im Jahr 2002 beschossen. Die Verlängerung der Laufzeiten um weitere 17 Jahre 2010 und deren Rücknahme ein Jahr später, änderten daran nichts. Dass mit der Erreichung des 1,5-Grad-Ziels, ein Kohleausstieg bis 2030, spätestens 2040 verbunden sein würde, war mathematisch ausrechenbar und jedem bewusst, außer man wollte es nicht wahrhaben.

Die Ziele und was der Weg dahin bedeuten würde, waren immer klar. Allerdings haben die Stadtwerke, Wilmert, Spohn und Co., nie ernsthaft an deren Erreichung gearbeitet, sondern im Gegenteil alles dafür getan, die Energiewende auszubremsen und am fossilen Zeitalter so lange wie möglich festzuhalten.

Dass die Energiewende in Bochum immer noch am Anfang steht, liegt allein an der Geschäftsführung der Stadtwerke-Chefs sowie des politischen Aufsichtsrats, der mehrheitlich jederzeit willig abnickte, was die Geschäftsführung an fossilen Investitionen vorschlug. Mit wenigen Ausnahmen war und ist man der Aufgabe im Aufsichtsrat der Stadtwerkegesellschaften nicht gewachsen. Den meisten Mitglieder*innen fehlt jedes Grundverständnis von Energiepolitik und der entsprechenden volkswirtschaftlichen Zusammenhänge. In bespielloser Naivität war und ist man der Meinung die Geschäftsführung wüsste schon, was sie tut. Das von Spohn im Interview beklagte “Hin und Her der Politik”, das es der Geschäftsführung der Stadtwerke schwer gemacht habe, gab es nicht, schon gar nicht in der Lokalpolitik. Vielmehr traf die Geschäftsführung, weil man die absehbare Entwicklung der Energiewirtschaft nicht wahrhaben wollte, eine Fehlentscheidung nach der anderen.

Auch 2023 noch vertritt Spohn die Interessen der Fossil-Lobby

Vorausschauendes, weitsichtiges Handeln, war nie Spohns Sache. Es ging immer nur um kurzfristige Renditen und das Abgreifen von Subventionen wie Fördergeldern. Dass Spohn auch 2023 immer noch in seinen fossilen Denkmustern gefangen ist, zeigt sich an der Aussage “Wenn nicht wirklich schnell der Bau neuer Gaskraftwerke auf den Weg gebracht wird, ist der politisch gewünschte Kohleausstieg im Jahr 2030 nicht zu schaffen.” Alternative Lösungen wie das Vorhalten von grundlastfähigen Kraftwerken, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden (z.B. Biomassekraftwerke, Geothermiekraftwerke, Wasserkraftwerke und Solarthermiekraftwerke mit Wärmespeicher); der Ausbau von Stromspeichern sowie der Stromnetze zur weiträumigen Vernetzung von Regionen mit unterschiedlichen Wetterbedingungen, die Sektorenkopplung, der Einsatz von Energiespeichern sowie die Flexibilisierung von Verbrauchern, beispielsweise mit Smart Grids, kommen in der fossilen Welt des Dietmar Spohn nicht vor. Obwohl noch gar nicht klar ist, welche Kraftwerkskapazitäten für Dunkelflauten überhaupt erforderlich sind, wenn zeitweise kein Wind weht und keine Sonne scheint, sieht Spohn nur die schnelle fossile Lösung, die natürlich von der Politik großzügig subventioniert werden soll.

Wohl nicht ganz zufällig, übt die Kraftwerkssparte der RWE, RWE Generation, bei der Spohn auch zukünftig im Aufsichtsrat sitzen wird, gerade erheblichen Subventionsdruck auf den Bund für die Errichtung zumindest auf dem Papier wasserstofffähiger Gaskraftwerke an ihren Standorten aus. (Energie und Management von 28.07.23). Der Vorgang zeigt, Spohn stand und steht ganz fest auf der Seite der fossilen Energielobby.

Versäumte Transformation wird schweres Erbe sein

Das Erbe von Spohn und seines ehemaligen Kollegen Wilmert in der Geschäftsführung wird ein schweres sein. Für die über Jahrzehnte versäumte Transformation stehen jetzt nur noch 12 Jahre zur Verfügung. 2035 will Bochum klimaneutral sein. Bis dahin soll sowohl die gesamte Strom- wie Wärmeerzeugung auf erneuerbare, Treibhausgas freie Energieträger umgestellt werden.

Insbesondere bei der Wärmeplanung zeigt sich, dass die Erreichung des Klimaziels aufgrund der bisherigen Ausrichtungen auf fossile Energieträger, unmöglich sein dürfte.

Beispiel Fernwärme: Bisher werden 26.200 Haushalte in Bochum mit Fernwärme versorgt. Stadt und Stadtwerke streben bis 2035 eine Verdoppelung an. Jedoch wird die Fernwärme bisher ganz überwiegend fossil erzeugt. 45% des Bedarfs decken die Stadtwerke mit eigenen Gas- und Dampfkraftwerken in Hiltrop, an der RUB (Unique) und der ehemaligen Deponie Kornharpen. Die restlichen 55% der Fernwärme kommen aus dem Fernwärmenetz von Uniper, das über das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 mit Wärme versorgt wird. Das bedeutet, über 90% der Fernwärme werden fossil erzeugt, nur knapp 10% der Haushalte können mit der aus Deponiegas gewonnen Wärme versorgt werden.

Wenn 2030 das Kraftwerk in Datteln aufgrund des beabsichtigen vorgezogen Kohleausstieg wegfällt und 2035 aufgrund des Klimaschutzzieles auch die Gaskraftwerke die Verbrennung stoppen müssen, fehlt nach bisheriger Beschlusslage und Planung jede Alternative, wie die Wärme mittels erneuerbarer Energieträger erzeugt werden könnte. Stadtwerke und die im Stadtrat regierende Koalition von SPD und Grünen haben bisher den schnellen Aufbau von entsprechenden erneuerbaren Energiekapazitäten abgelehnt, Obwohl die Zeit drängt, weigert man sich bisher beharrlich die Wärmerzeugung aus Grubenwasser, Abwasser, Flusswärme, Agrothermie und Biogas auf den Weg zu bringen, zuletzt in der Ratssitzung im August 2023.

Spiel auf Zeit – Fernwärme aus Gas

Stadtwerke und Politik spielen auf Zeit. Man sitzt die Sache so lange aus, bis der Bau neuer Gaskraftwerke als Ersatz für die Kohleverstromung unumgänglich wird. Die wird man den Bürger*innen voraussichtlich als klimafreundlich, weil theoretisch mit Wasserstoff betreibbar, verkaufen.

Doch bekannt ist schon heute, nur wenn alle gut läuft, wird Bochum bis 2032 an das Wasserstoffnetz angeschlossen sein. Und selbst dann ist nicht davon auszugehen, dass bis 2032 ausreichend grüner Wasserstoff vorhanden ist, um die Gaskraftwerke umzustellen. Elektrolyseanlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff gibt es bis heute nur im Versuchsstadium.

Zudem sollen gemäß Wasserstoffstrategie der Bundesregierung 70% des Wasserstoffs aus dem Ausland importiert werden. Allerdings gibt es bisher weder Länder, die Wasserstoff industriell herstellen, schon gar nicht welche, die diesen exportieren. Zudem ist offen, wie der Wasserstoff nach Deutschland transportiert werden soll. 2035 wird es also weder genug Wasserstoff geben, um damit Fernwärme zu erzeugen, noch wird der verfügbare Wasserstoff aufgrund seiner Knappheit bezahlbar und damit ökonomisch zur Wärmeerzeugung sinnvoll nutzbar sein.

Auch eine geothermische Erzeugung der Wärme wird bis 2035 nicht möglich. Immerhin hat die Rot-Grüne Rathauskoalition 4 Jahre nachdem die STADTGESTALTER Gleiches bereits gemeinsam mit der FDP vorgeschlagen hatten (Masterplan für (Tiefen-)Geothermie in Bochum und dem Ruhrgebiet)., den Weg für die Erschließung von Tiefengeothermie frei gemacht, Aber auch das wird zu spät sein, wertvolle Zeit wurde verschwendet. Auch diese Technologie befindet sich noch im Versuchsstadium. Es gibt bisher nur Forschungsprojekte (Erdwärme – Bochums Energie der Zukunft). Zunächst ist zudem zu untersuchen, ob und wo im Stadtgebiet Tiefenwärme überhaupt angezapft werden kann. Dass bis 2035 eine Geothermieanlage bereitsteht, die nennenswert Fernwärme erzeugt, ist also ebenfalls unrealistisch.

Letztlich läuft alles darauf hinaus, dass in Bochum die Fernwärme auch noch weit über das Jahr 2035 zu einem großen Teil fossil mit klimaschädlichem LNG-Gas erzeugt wird.

Einseitige Ausrichtung auf fossile Energieträger wird noch teuer werden

Die einseitige strategische Ausrichtung der Stadtwerke auf fossile Energieträger die Dietmar Spohn und Bernd Wilmert über Jahrzehnte betrieben haben, wird für die Stadt noch teuer werden. Die rechtzeitige Transformation wurde verpasst (Stadtwerke müssen auf Klimakurs gebracht werden), sie jetzt im Hauruckverfahren durchzuziehen, würde bedeuten die in den letzten Jahren verpassten Investitionen in wenigen Jahren nachzuholen. Das werden Stadtwerke und Stadt kaum leisten können.

Am Ende wird man den Zeitpunkt, an dem die Stadtwerke klimaneutral werden sollen, deutlich nach hinten verschieben müssen. Ein Zeitpunkt vor 2045 wird kaum realistisch sein. Verantwortlich für die Verfehlung des selbst gesetzten Ziels um mindestens ein Jahrzehnt wird die fossile Denkweise der bisherigen Geschäftsführer sein und die Tatenlosigkeit des Aufsichtsrats, der in seiner Mehrheit ambitionslos bis naiv die fossile Energiepolitik der Geschäftsführung immer mitgetragen und unterstützt hat.

Titelbild: HanssPeter

15 Okt

Stadt will mit “Stadtradeln” und Foodsharing Klimaneutralität erreichen

Über vier Jahre benötigte die Stadt, um einen neuen Klimaplan zu erarbeiten, wie bis 2035 Klimaneutralität erreicht werden soll. Doch ein Plan, wann welche stadtspezifischen Maßnahmen realisiert werden sollen, um welche Treibhausgasreduktion zu erreichen, findet sich im Klimaplan nicht. Stattdessen soll mit 22 Alibimaßnahmen Klimaaktionismus vorgetäuscht werden.

Am 06. Juni 2019 beschloss der Rat der Stadt Bochum die Resolution zum Klimanotstand. Einen Monat später erhielt die Verwaltung (am 11. Juli 2019) vom Stadtrat den Auftrag, das bis dahin geltende Klimaschutzkonzept sowie das vorhandene Klimaanpassungskonzept fortzuschreiben.

Verwaltung verschleppt Auftrag zur Fortschreibung der Klimakonzepte

Für die Umsetzung dieses Auftrags hat die Verwaltung, wenn der neue Klimaplan wie beabsichtigt im Dezember 2023 vom Stadtrat beschlossen wird, sage und schreibe viereinhalb Jahre gebraucht. Angesichts dessen, dass der Stadtrat im Juni 2019 einen “Notstand” ausgerufen hat und jedes Jahr zählt, um bis 2035 Klimaneutralität zu erreichen, ist diese Verschleppung der in höchstem Maße dringlichen Angelegenheit in jeder Hinsicht inakzeptabel.

Fast 2 Jahre brauchte die Verwaltung, um die Neuerstellung des Klimaplans im Jahr 2021 auszuschreiben (Leistungsbeschreibung zur Ausschreibung Klimaplan Bochum 2035). Etwas später im gleichen Jahr verknüpfte man die Erarbeitung des Klimaschutzplans mit der Erstellung einer Nachhaltigkeitsstrategie um für die Erstellung aus dem Projekt „Global Nachhaltige Kommune NRW” Landesfördermittel abzuschöpfen.

Klimaplan 2035 viel heiße Luft, wenig Neues

Seit Ende September 2023 liegt das Ergebnis der Ausschreibungen, das Gesamtgutachten “Nachhaltigkeitsstrategie Bochum”, zumindest den Fraktionen des Bochumer Stadtrats vor. Der Öffentlichkeit wird es aber aus nicht bekannten Gründen bisher vorenthalten, im Ratsinformationssystem ist es nicht zu finden.

Das Gutachten umfasst 374 Seiten und ist in 3 Teile gegliedert: Globale nachhaltige Kommune NRW, Klimaplan 2035 und Zielkonzept. Wesentliche Teile des Gutachtens beschreiben allgemeine Zusammenhänge wie die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, das Vorgehen zu Erstellung des Konzepts oder bestehen aus Verzeichnissen sowie Angaben zu Quellen und Verfassern. Substanziell mit dem eigentlichen Thema beschäftigen sich weniger als die Hälfte der Seiten (167, siehe Tabelle). Wie üblich wurde das Konzept mit viel heißer Luft aufgebläht, um die die Länge und die Kosten der Bearbeitung zu rechtfertigen.

Gesamtgutachten Nachhaltigkeitsstrategie, Inhalt und Substanz

Eine Evaluation der Umsetzung der Klimaschutzkonzepte aus den Jahren 2009 bis 2015 fehlt dagegen (Klimaschutz, viel Papier, wenig Greifbares). Schaut man sich an, welche 10 Projekte die Stadt in der Ausschreibung zum Klimaplan 2035 als von ihr betriebene “thematisch relevante Aktivitäten” auflistet, fällt auf, dass die Stadt sich bisher besonders auf pressewirksame und symbolische Projekte wie der Teilnahme an Wettbewerben wie Klimaawards und Stadtradeln konzentriert hat, Projekte mit Substanz und hohem Zielbeitrag zur Reduzierung von Treibhausgasen wurden dagegen nicht in Angriff genommen. Bei einer Evaluation wäre das deutlich geworden und wurde daher lieber unterlassen.

Relevante Aktivitäten zum Klimaschutz, Ausschreibung zum Klimaplan 2035

Kein verbindlicher Plan und Beschluss wie Treibhausgase bis 2035 auf null reduziert werden sollen

Das beschriebene Vorgehen scheint die Stadt auch nach 2023 weiter verfolgen zu wollen. So soll der Stadtrat am 14.12.2023 nicht etwa die Umsetzung des Klimaplans 2035 beschließen, sondern nur dessen Kenntnisnahme. Beschlossen werden sollen lediglich 22 Starteraktivitäten symbolischer Art, von denen die Hälfte ohnehin schon läuft und nur sechs einen nennenswerten Beitrag zur Reduzierung der städtischen Treibhausgase bewirken können.

Aktivitäten Starterpaket, Potenzial Treibhausgassenkung

Zwar sieht das Gesamtgutachten einen Entwicklungspfad vor, in welchen Schritten die Treibhausgase bis 2035 auf null reduziert werden sollen. Doch ein Plan, wann welche stadtspezifischen Maßnahmen realisiert werden sollen, um welche Treibhausgasreduktion zu erreichen, findet sich im Klimaplan nicht.

Zwar werden in dem Gutachten auf 74 Seiten allgemeine Maßnahmen” aufgelistet, mit denen Städte die Treibhausgase senken können. Doch einen Zeitplan, wann mit der Umsetzung in Bochum begonnen werden soll, ist nicht vorhanden. Ebenso fehlt ein Konzept welche personellen Ressourcen in der Verwaltung erforderlich sind, um die erforderlichen Maßnahmen auszuarbeiten und umzusetzen. Die entsprechenden Maßnahmen finden sich ebenfalls in einem so genannten Aktivitätenprogramm wieder, das aber ebenfalls nicht mehr bietet als eine weitere Auflistung und Beschreibung der Aktivitäten. Jegliche Informationen zu Umsetzungszeitraum, Ressourcenerfordernis und Zielerreichungsgrad fehlen auch hier.

Viele der Maßnahmen, wie der Aufbau von Mobilstationen (In Bochum besteht bei Car- und Bike-Sharing immenser Nachholbedarf) oder das Aufstellen von Fahrradständern an Schulen (Radständer für Bochumer Schulen kaufen und aufstellen überfordert Schulverwaltung) wurden zudem bereits vor Jahren vom Stadtrat beschlossen, aber aufgrund Inkompetenz in der Verwaltung bis heute nicht umgesetzt.

Die bloße Auflistung der Maßnahmen hat für die Stadt und die Erreichung der Klimaneutralität keinen Nutzen. Was zu tun ist und welche Maßnahmen, wie Aufbau von PV-Anlagen, energetischen Sanierung von Gebäuden usw., die Städte umsetzen müssen, ist seit Jahrzehnten bekannt. Der entscheidende Punkt ist, in welchem Zeitraum setzt Bochum mit welchen Ressourcen welche Maßnahme um. Dazu bleibt die Nachhaltigkeitsstrategie jedoch jede Antwort schuldig.

Entwicklungspfad zur Reduzierung der Treibhausgase ist unrealistisch

Immerhin schlägt das Gutachten einen Entwicklungspfad vor, wie die städtischen Treibhausgase von 2021 bis 2035 auf null reduziert werden sollen. Rund 2.000 kt CO2eq/a wurden in Bochum pro Jahr 2021 erzeugt. Diese sollen 2022 um 2% gesunken sein, von 2023 bis 2030 um jeweils 10% pro Jahr sinken und danach bis 2034 um je 2% reduziert werden. Die verbleibenden etwa 180 kt CO2eq/a sollen dann bis 2035 kalkulatorisch kompensiert werden.

Der im Gutachten vorgeschlagene Pfad (grüne Darstellung) würde bedeuten, dass schon im laufenden Jahr, 2023, Maßnahmen, die eine Reduktion der Treibhausgase um 10% (200 kt CO2/eq) bewirken sollen, umgesetzt werden müssten. Doch welche sollen das sein? Diese Maßnahmen gibt es nicht. In ihrer gepflegten Langsamkeit hat die Verwaltung die Vorlage des Klimaplans an die politischen Gremien um über ein Jahr verschleppt, so dass anders als im seit 2022 der Verwaltung vorliegenden Gutachten, Maßnahmen überhaupt erst ab 2024 auf den Weg gebracht werden können. Bedenkt man die üblichen langwierigen Vorlaufzeiten in der Verwaltung, kann mit der Umsetzung von für 2024 beschlossenen Maßnahmen frühestens 2025 begonnen werden, es folgt die Umsetzungszeit und erst danach entfalten die Maßnahmen ihre Wirkung.

Senkung Treibhausgase bis 2035, Entwicklungspfad

Die Verfolgung des im Klimaplan 2035 vorgeschlagenen Entwicklungspfads zur Reduzierung der Treibhausgase ist also bereits heute an der gepflegten Langsamkeit der Bochumer Verwaltung gescheitert. Der Entwicklungspfad muss somit wie von den STADTGESTALTERn beispielhaft vorgeschlagen (orange Darstellung) an die Realitäten angepasst werden.

Weiterhin müsste die Verwaltung für jedes Jahr eine Tranche Maßnahmen vorlegen, mit denen die gemäß Entwicklungspfad beabsichtigte Reduktion erreicht werden kann. Auch für das Jahr 2024, in dem die Treibhausgase gemäß Gutachten wiederum um 10% abnehmen sollen, fehlt der Vorschlag für ein entsprechendes Maßnahmenbündel.

Starterpaket ist reiner Aktionismus

Zu den Maßnahmen des Starterpakets gibt die Verwaltung nicht mal an, welche Treibhausgasreduktion sie mit der Umsetzung der Maßnahmen erwartet. Ob die Aktivitäten überhaupt alle wirklich umgesetzt werden, ist zudem offen, die Umsetzung von sechs der 22 Maßnahmen hängt wesentlich davon ab, ob Fördermittel eingeworben werden können. 16 Maßnahmen haben keine bis kaum nennenswerte Auswirkung auf die Menge Treibhausgase, die in der Stadt erzeugt werden. Wieder einmal täuscht die Stadt Aktionismus vor, statt reale, substanziell wirksame Maßnahmen vorzuschlagen und anzugehen.

Das zeigt sich auch in einem weiteren Punkt der “Nachhaltigkeitsstrategie”, 31 Seiten befassen sich mit einer Kommunikationsstrategie. Zum Vergleich, auf nur je 17 Seite werden die Energie- und Treibhausgas Bilanzierung, sowie die Zielformulierung und Entwicklungspfade abgehandelt. Beim Klima-Marketing geht das Gutachten ausnahmsweise ins Detail, Vorschläge für Werbekampagnen, Social Media Aktivitäten usw. werden vorgeschlagen, sogar Plakatvorschläge werden gemacht. Werbung für den Klimaschutz ist vergleichsweise billig und spiegelt Aktivität vor, die zu erwartende Wirkung auf die städtischen Treibhausgasemissionen ist ohne echte substanzielle Maßnahmen dahinter, allerdings stark begrenzt.

Stadt verfolgt das Ziel Klimaneutralität bis 2035 nicht ernsthaft

Insgesamt ist zu erkennen, dass die Stadt die Erreichung des Ziels, bis 2035 klimaneutral zu sein, nicht ernsthaft verfolgt. Ohne Vorgabe eines konkreten Entwicklungspfads zur Minderung der Treibhausgase und dessen konsequente Umsetzung, ist das unmöglich. Die Vortäuschung von Aktivität mit Maßnahmen wie Stadtradeln und Foodsharing bestätigt das.

Durch die Verschleppung des Verfahrens zur Aufstellung des Klimaplans seit Ausrufung des Klimanotstandes 2019, ist die verbleibenden Zeit bis 2035 (12 Jahre) auch angesichts der gepflegten Langsamkeit mit der die Verwaltung in Bochum arbeitet, viel zu kurz, um das Ziel noch erreichen zu können (Klimaneutral 2035? Bochum kann das Ziel nicht erreichen).

Auch die Schaffung der personellen Kapazitäten, die nötig wären, um die erforderlichen substanziellen Maßnahmen zu entwickelt und umzusetzen, kann nicht vor 2025 angegangen werden. Eine Kalkulation, wie hoch der Personalaufwand ist, gibt es noch gar nicht. Im Haushalt 2023/24 hat man Haushaltsmittel für solches Personal fälschlicherweise nicht eingeplant. Sind die Mittel dann im Stadthaushalt 2025 endlich vorhanden, müssen die Stellen erst ausgeschrieben und besetzt werden. Wirklich einsatzbereit. werden die neuen Kräfte also kaum vor 2026 sein. Dann sind es nur noch 10 Jahre bis 2035.

Entsprechend verzichtet die Verwaltung bewusst darauf einen Entwicklungspfad zur Senkung der Treibhausgase vom Rat beschließen zu lassen, denn dass würde sie zwingen  substanzielle Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase anzugehen. Der Rat soll die im Klimaplan 2035 vorgeschlagene Zielsetzungen und den möglichen Weg dahin nur zur Kenntnis nehmen.

Eigentlich wäre es die Aufgabe von SPD und Grünen, die den Menschen versprochen haben, dass Bochum 2035 klimaneutral sein wird, die Verwaltung so auszustatten und deren Handeln so zu beschleunigen, dass das Ziel mit einem beispiellosen Kraftakt doch noch erreicht wird. Ob die Rot-grüne Koalition das Ziel noch ernsthaft verfolgt, wird sich also daran ablesen lassen, wie sie mit der vorgelegten Nachhaltigkeitsstrategie umgeht.

27 Apr

Bochum muss deutlich mehr tun fürs Klima

Wissenschaftler aus aller Welt fordern, dass alles unternommen werden muss, damit sich das Klima der Erde nicht um 2°C, besser noch um weniger als 1,5° C, erwärmt. Tut die Stadt Bochum genug um ihren Beitrag zu leisten, dieses Ziel zu erreichen? Die Antwort ist: Leider nein, die Stadt tut viel zu wenig.

Das 1,5-Grad-Ziel, vereinbart im Pariser Klimaschutzabkommen

Im Pariser Klimaschutzabkommen wurde vereinbart, die durch Treibhausgase verursachte Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit zu beschränken. Zusätzlich sollen Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen.

Die Zwei-Grad-Grenze ist ein Wert, bei dem angenommen wird, dass globale Schäden für Ökosysteme und die Nahrungsmittelproduktion noch reduziert werden können. Einigkeit herrscht darüber, dass grundsätzlich die Risiken und Auswirkungen bei 1,5 °C Klimaerwärmung erheblich geringer ausfallen als bei 2 °C. Erwärmt sich die Erde durchschnittlich stärker als diese zwei Grad, kommt es nach Meinung der Forscher zu drastischen und unumkehrbaren Umweltveränderungen (1,5 Grad-Ziel, Max-Planck-Institut für Meteorologie).

Die Forderung der Wissenschaftler – Scientists4Future

Um mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Erwärmung von 1,5 °C nicht zu überschreiten, müssen die Nettoemissionen von Treibhausgasen (insbesondere CO2) sehr rasch sinken und in den nächsten 20 bis 30 Jahren weltweit auf null reduziert werden. Weiterlesen