31 Aug.

Die Hälfte der Jugendlichen sieht die Zukunft des Ruhrgebiets eher düster

Nur 63% der Jugendlichen halten es für wahrscheinlich, dass sie langfristig im Ruhrgebiet bleiben, 50 % der Jugendlichen bewertet die Zukunftsperspektiven des Ruhrgebiets negativ. Die Jugendlichen sehen sich von der Politik übergangen. Politik wird überwiegend für alte Menschen gemacht, ihre Zukunft habe die Politik nicht im Blick.

Zu den Kommunalwahlen in NRW hat Civey im Auftrag des Jungen Initiativkreis Ruhr und der Initiative Ruhrpott eine repräsentative Umfrage unter jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren durchgeführt (Ergebnisse Civey-Umfrage).

Schlechtes Zeugnis für die Kommunalpolitik

Im Ergebnis zeigt sich, dass sich die Jugend im Ruhrgebiet abgehängt und von der Politik nicht ernst genommen fühlt. Die Umfrage zeigt, die politische Aufklärung bei den Jugendlichen ist mangelhaft, vielen jungen Menschen im Ruhrgebiet sind Politik Kommunalwahlen fremd (WAZ vom 28.08.2025). Nur 36 % bewerten die aktuelle Kommunalpolitik positiv, 48 % als negativ, 15 % der Befragten konnten die Frage nicht beantworten. Die jungen Menschen beschreiben ihre aktuelle Gefühlslage im Hinblick auf Politik überwiegend negativ, Angst (45 %), Misstrauen (43 %) und Frustration (39 %) bestimmen das Bild. Nur 15 % fühlten sich bei politischen Entscheidungen berücksichtigt.

Die Ursachen für die negativen Einschätzungen liegen zum einen darin, wie die jungen Menschen die Städte des Ruhrgebiets erleben, zum anderen wie sie sich verstanden und wahrgenommen fühlen.

Bochum ist nicht kinder- und jugendfreundlich

Schaut man sich Bochum im Einzelnen an, wie das die STADTGESTALTER bereits 2022 getan haben, ist festzustellen, dass Bochum keine kinder- und jugendfreundliche Stadt ist (Wie kinder- und jugendfreundlich ist Bochum?).

Schulen – Dass sieht man besonders am Zustand der Schulen und Bildungseinrichtungen. Diese wurden über Jahrzehnte vernachlässigt, Klassen in Containern sind die Regel, ebenso wie bauliche Missstände und schlechte Ausstattung. Geben Städte in NRW im Schnitt sind es in Bochum nur 4.240 Euro, liegen die Pro-Kopf-Ausgaben im Jahr 2022 in NRW bei durchschnittlich 8.600 Euro, wie eine Anfrage der STADTGESTALTER ergab (WAZ vom 26.09.2024). Für die jungen Menschen in Bochum gehören marode Schulen zu Alltag, wie die Schulen aussehen und ausgestattet sind bestimmt welche Wertschätzung ihnen beigemessen wird. Kein Wunder also, dass sich laut Civey-Umfrage 41 % der Jugendlichen schlecht auf das Berufsleben vorbereitet sehen.

Mobilität – Ähnlich sieht es beim Verkehr aus. Jugendliche bewegen sich mangels Führerscheins überwiegend mit dem Rad, zu Fuß oder dem ÖPNV durch die Stadt. Die Infrastruktur für diese Verkehrsmittel zeigt sich in Bochum wie dem Ruhrgebiet deutlich unterentwickelt.

Wer ein Auto fährt, hat im Ruhrgebiet und Bochum die volle Aufmerksamkeit. Ohne Auto ist man aus Sicht der Politik Mensch zweiter Klasse, so also auch die jungen Menschen. Jugendlichen wird von klein auf erklärt, dass der Verkehr für sie zu gefährlich ist, sie sich daher nicht allein und selbständig durch die Stadt bewegen können. Autoverkehr sei wichtiger, die jungen Menschen hätten sich dem unterzuordnen.

Die Bedürfnisse der Jugendlichen sich frei in der Stadt bewegen zu können, haben für die Bochumer Politik keinen erkennbaren Wert. Auch stellen die Jugendlichen fest, dass die Stadt zwar im großen Stil das Parken subventioniert, auf der anderen Seite aber erklärt, dass für bessere Schulen, das Geld fehle.

Stadtteile – Insgesamt hat sich bei den Menschen zwischen 16 und 24 Jahren eine generelle der Frustration über die Entwicklung vieler Stadtteile eingestellt (WAZ vom 28.08.2025). Viele stellen fest, dass sich die Stadtteile, in denen sie seit Kindesbeinen leben, seit Jahren negativ entwickeln. Die Nahversorgung in den Stadtteilzentren funktioniert nicht mehr, das Stadtbild hat sich verschlechtert, die Stadtteilzentren veröden. Der Kiez, den sie noch als lebenswerten Mittelpunkt ihrer Kindheit in Erinnerung haben, gibt es oft nicht mehr.

Jugendliche und Kinder werden unsichtbar

Jugendliche und Kinder sind in der Stadt auch immer seltener zu sehen. Die 55.000 Bochumer Kinder und Jugendlichen (15,1 % der Stadtbevölkerung) sind im Stadtbild von Bochum eher selten zu sehen, während sie in den Städten der Niederlande aber auch Skandinaviens viel mehr das Stadtbild prägen. Kinder und Jugendliche auf öffentlichen Plätzen sieht man in Bochum eher wenig.

Sie werden auf speziell für sie geschaffene Orten, wie Spiel-, Sport- und Bolzplätzen oder Grünanlagen mit Einrichtungen für Kinder sowie Jugendhäuser und Ähnlichem verwiesen. Die Flächen, wo sich Kinder und Jugendliche frei bewegen dürfen, liegen wie Inseln über das Stadtgebiet verteilt und sind nicht durch Wege, die sie gefahrlos und eigenständig benutzen können, verbunden. Nicht Mal die Wege zur Schule sind durchgehend sicher. Oft fahren die Eltern ihre Kinder mit dem Auto an die Orte, die für Kinder und Jugendliche bestimmt sind. Im Auto bleiben sie unsichtbar.  Dabei haben auch Jugendliche das Bedürfnis als fester Teil der Stadtgesellschaft präsent und sichtbar zu sein.

Stadtpolitik orientiert sich an den Älteren

Zudem nehmen die jungen Menschen ein Desinteresse der Politik an Zukunftsthemen war. Die Politik orientiert sich an den Interessen der älteren Generationen. Denn die sind in der Mehrheit. Auf fast 200 Menschen im Alter von 60 Jahren und älter kommen in Bochum hundert junge Menschen unter 18 Jahren (197: Alt-Jung Koeffizient 2023). Es gibt in der Stadt also fast doppelt so viele alte wie junge Menschen.

Streben ältere Menschen eher keine Veränderungen an, wollen das alles so bleibt, wie es war, und messen z.B. Themen wie Klimakrise, Entwicklungen von Zukunftstechnologien, moderner Stadtentwicklung oft nur eine geringe Bedeutung zu, machen sich die jungen Menschen intensive Gedanken über ihre Zukunft und die Zukunft der Stadt, in der sie leben. Eine Veränderung der Lebensbedingung aufgrund des Klimawandels, eine Wirtschaft, die im Wettbewerb um Zukunftstechnologien nicht konkurrenzfähig aufgestellt ist, oder eine Stadt, die bei der Stadtentwicklung nicht Schritt halten kann, macht ihnen Angst. Sie sehen, eine rückwärtsgewandte Politik, die Veränderungen ablehnt, wirkt sich zum Nachteil auf die Zukunftsperspektiven der jungen Generationen aus. Entsprechend düster sieht die Hälfte der jungen Menschen die Zukunft des Ruhrgebiets.

Städtische Finanzen – Auch die bedenkliche Schieflage der Stadtfinanzen der Stadt zeigt, dass die Politik in Bochum die Interessen der jungen Menschen nicht im Blick hat, ja sogar missachtet. Wer zwei Mrd. städtische Schulden aufhäuft, die nachfolgende Generationen bezahlen sollen, bürdet den jungen Generationen kaum tragbare Lasten auf, schränkt deren Handlungsfähigkeit in der Zukunft wissentlich ein und beeinträchtigt damit erheblich deren Lebensperspektiven in der Stadt.

Wenn Parteien oder Wählergruppen bei der Kommunalwahl propagieren, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur für Fahrräder und E-Scooter zurückzufahren oder gar zu stoppen und die E-Roller am liebsten verbieten möchten, erklären, den Klimanotstand nicht weiter ernst nehmen zu wollen, keine ernsthaften Anstrengungen unternehmen wollen, die Investitionen in Schulen und Bildung massiv zu erhöhen, sich gegen Projekte wenden, wie das Haus des Wissens oder Konzepte und Investitionen ablehnen, die Stadtteilzentren wieder aufzuwerten, erkennen die jungen Menschen, dass ihre Interessen nicht vertreten und ihre Bedürfnisse nicht gesehen und beachtet werden.

Beteiligung – Das zeigt sich auch in der ablehnenden Haltung der politischen Gruppierungen, den jungen Menschen mehr Mitsprache bei den Themen zu ermöglichen, die sie besonders betreffen.

Anders als in anderen Städten, gibt es in Bochum weder ein Jugendparlament oder einen Jugendstadtrat noch eine Jugendkonferenz oder einen Jugendcheck, wie das z.B. die STADTGSTALTER seit Jahren fordern (Wie kinder- und jugendfreundlich ist Bochum). Die Mehrheit der Parteien in Bochum lehnt solche Institutionen und Projekte ab.

Jugend in Bochum ohne Lobby

Die Jugend hat in der Stadt keine Lobby. Die Politik ist nicht auf die Gestaltung der Zukunft ausgerichtet, so kommt der Strukturwandel kaum voran und dauert schon 65 Jahre. Große Teile der Politik sind immer noch im Denken gefangen, dass am besten alles so bleiben soll, wie es früher nie war.

Der Mut zu elementaren Veränderungen fehlt. Mit dieser Grundhaltung wird man junge Menschen nicht für die Stadt und das Ruhrgebiet gewinnen können. Wie von der Hälfte der Jugendlichen angenommen, sind die Zukunftsaussichten des Ruhrgebiets und der Ruhrstadt wohl daher eher düster einzuschätzen.

Immerhin gibt es in Bochum den Kinder- und Jugendring, der immer wieder die jungen Menschen zu ihren Anliegen und politischen Themen befragt und ihre Meinung einholt und der zur Kommunalwahl einen Wahlomaten speziell für Jugendthemen geschaffen hat: Kommunal-O-Mat