Drei Ansätze für mehr Bürgerbeteiligung
Zur Aldi-Neueröffnung kommen hunderte, weil es die Bananen 5 Cent billiger als üblich gibt, wenn es um eine Veranstaltung geht, bei denen Bürger die Zukunft ihres Stadtteils mitgestalten können, kommen selten mehr als hundert und die Hälfte der Anwesenden gehören zur Verwaltung oder zu politischen Gruppierungen.
Die Verwaltung bemüht sich mit allen möglichen Formaten die Menschen zur Beteiligung anzuregen, doch wirklich durchschlagenden Erfolg hat sie nicht.
Warum beteiligen sich nur so wenig Bürger?
Das hat zum einen historische Gründe. Es gibt im Ruhrgebiet keine gewachsenen Beteiligungsstrukturen. In Städten, die über Jahrhunderte gewachsen sind, waren die dort lebenden Menschen und Familien über Jahrhunderte an der Entwicklung der Stadt beteiligt, haben diese befördert, darüber mitbestimmt und sich immer eingemischt. Veränderungen in einer Innenstadt waren z.B. in gewachsenen Städten wie Aachen oder Münster nie ohne die Kaufleute möglich, viele Entwicklungen haben die Kaufleute selbst angestoßen.
Im Ruhrgebiet war das anders. Industriebetriebe haben lange bestimmt, wo was gebaut wird, wo gearbeitet wird, wo gewohnt und wo die Verkehrslinien lang führen. Die Menschen, die zum Arbeiten herkamen, waren nie an den Entscheidungen beteiligt. Sie sind es gewöhnt, dass immer jemand anders entscheidet, was auf der Arbeit getan wird, am Wohnort oder im Stadtviertel. Daraus wiederum folgt die Haltung, dass der Arbeitgeber, der Vermieter oder die Politik, dafür zu sorgen haben, dass die Dinge laufen, die Bürger sehen sich daran nicht beteiligt, auch nicht in der Pflicht sich selbst einzubringen oder einzumischen.
Auf der anderen Seite hat auch die Politik sich bis vor kurzem nie in einer gestaltenden Rolle gesehen. Die haben die Unternehmen übernommen oder die Verwaltung. Die Politik hat über Jahrzehnte kaum mehr getan, als das abgenickt, was ihr vorgelegt wurde. Dabei war die Qualität der Stadtplanung häufig unterirdisch, wie man an vielen Orten der Stadt sehen kann. Beispielhaft seien August-Bebel-Platz, Buddenbergplatz oder das in jeder Hinsicht unzureichende ÖPNV-Netz genannt.
Die mangelnde Qualität der Stadtplanung, die zu einem wesentlichen Teil dem mangelnden Gestaltungswillen der Politik und der geringen Qualität der Stadtbauräte geschuldet ist, führte bei der Bevölkerung wiederum zu dem Eindruck, dass Politik und Verwaltung gar nicht in der Lage sind die Entwicklung der Stadt- und die Stadtviertel positiv zu beeinflussen. Der über Jahrzehnte ungebremste Niedergang vieler Stadtviertel, insbesondere Stadtteilzentren, ließ für viele Einwohner nur diesen Schluss zu, Politik und Verwaltung könnten daran nichts ändern.
In der Folge fehlt es heute bei den Einwohner auch an Vertrauen in die Fähigkeiten von Verwaltung und Politik wirklich etwas in ihrem Sinne für die Zukunft zu planen und zu entwickeln. Dieses Vertrauen zurück zu gewinnen ist schwierig. Auch sehen viele Bürger bisher nicht, dass ihre Ideen und Vorschläge aufgenommen werden, dass die Bürgerbeteiligung nicht nur eine Alibiveranstaltung ist, weil Politik und Politik damit gut in die Presse kommen.
Hatten die Stadtplaner, wie man es der Stadt an vielen Orten ansieht, offenbar zu wenig Kompetenz, so besitzen die Bürger diese als Laien allerdings ebenfalls nicht. Häufig sind die Probleme komplex und vielschichtig. Viele Bürger sehen und engagieren sich bisher nur bei persönlicher Betroffenheit. Geht es um Dinge, die Menschen vor Ort direkt angehen, wird etwa die Grünfläche in der Nachbarschaft bebaut, dann bildet sich schnell eine Bürgerinitiative, die die Interessen der Menschen vor Ort vertritt. Geht es um die Wohnungsbau- und Flächenpolitik der Stadt allgemein, ist das Thema sehr abstrakt und interessiert kaum jemanden.
Politik und Verwaltung bemühen um sich Bürgerbeteiligung, doch der große Erfolg bleibt aus
Die Gründe, warum Bürgerbeteiligung nicht so funktioniert, wie sich das Politik, Verwaltung aber insbesondere auch die Bürger wünschen, sind also vielfältig. Hervor zu heben ist, dass sich die Stadtplanung mittlerweile nach Kräften bemüht immer neue Beteiligungsformate anzubieten. Doch der durchschlagende Erfolg bleibt aus. Das Beteiligungsformat, das alle Bürger anspricht sich mit Ideen und Vorschlägen an Planungen mitzuwirken gibt es nicht. Aber es gibt auch Formate, wie die jährliche Bürgerkonferenz, die von den Beteiligten gut angenommen werden und die bei den Menschen eine positive Resonanz hinterlassen.
Auch die junge Generation der Stadtpolitiker versucht die Menschen besser in die Entscheidungsprozesse einzubinden, es wird mehr informiert, mehr Veranstaltungen werden angeboten, die Politiker stehen in den sozialen Medien Rede und Antwort, man setzt sich mehr mit den Bürgern und deren Anliegen auseinander. Dirk Meyer (SPD) macht das zum Beispiel mit seiner Fraktion im Bochumer Osten vorbildlich.
Zu mehr Bürgerbeteiligung wird man nicht von heute auf morgen kommen. Der Weg ist lang und nur Schritt für Schritt werden sich mehr Einwohner für eine Beteiligung gewinnen lassen.
Wichtig ist, dass Bürgerbeteiligung nicht nur sporadisch, sondern systematisch erfolgt. Damit die Kompetenzen der Bürger wachsen können, sollten die Beteiligungsangebote zunächst niederschwellig sein und den vorrangigen Interessen der Bürger entsprechen.
Drei Ansatzpunkte für mehr Bürgerbeteiligung
Wie von der Fraktion “FDP und Die STADTGESTALTER” vorgeschlagen (Mehr Bürgerbeteiligung bei Straßenbaumaßnahmen gefordert), sollten z.B. die Bewohner an jeder wesentlichen Umgestaltung der Straße, an der sie wohnen, schon vor den ersten konkreten Planungen beteiligt werden. Gleiches sollte gelten wenn eine größere Grün- oder Freifläche in ihrer Nachbarschaft bebaut werden soll. Der Umbau der Straße ist für jeden Anwohner von Interesse. Die Anwohner kennen sich am besten in ihrer Straße aus. Umbaumaßnahmen, an denen die Anwohner mitgewirkt haben, werden besser akzeptiert und es erfüllt viele Anwohner auch mit ein klein wenig Stolz etwas zu der Umgestaltung ihrer Straße beigetragen zu haben.
Auch für die Beteiligung an der Fortentwicklung ihres Stadtviertels werden sich die Menschen relativ einfach gewinnen lassen. Wie von der Fraktion “FDP und Die STADTGESTALTER” vorgeschlagen (Gesamtstrategie für weitere Stadtteilentwicklungskonzepte notwendig), braucht die Stadt für jedes Stadtviertel einen Stadtteilentwicklungsplan, in diesem legen Politik, Verwaltung gemeinsam mit den Bürgern fest, was sich in den nächsten Jahren im Stadtviertel tun soll. Eine neue KiTa, die Umgestaltung einer Grünfläche, ein neuer Radweg, die Einführung von Bewohnerparken oder ein neuer Zebrastreifen können Ziele sein. Jedes Jahr oder aller zwei Jahre schauen Politik, Verwaltung und Bürger, was wurde umgesetzt, was gibt es für neue Ziele, welche Ziele sollten revidiert werden, was hat sich bewährt, was nicht. Auf diese Weise entsteht ein festes Bürgerbeteiligungsformat, in dem sich um die Fortentwicklung des Stadtviertels gekümmert wird. Sehen die Bürger, dass über dieses Format ihre Vorschläge und Ideen aufgenommen werden, wird sich sukzessive die Zahl der Bürger, die sich beteiligen, erhöhen. Wichtig ist, dass die Bereiche, für die ein Stadtteilentwicklungsplan aufgestellt wird, nicht zu groß sind, sondern für die Bürger überschaubar bleiben.
Ein dritter Ansatzpunkt sind Bürgerentscheide. In wichtigen stadtpolitischen Fragen an zwei bis drei zentralen Terminen im Jahr, insbesondere dann, wenn ohnehin Wahlen anstehen, sollten die Bürger entscheiden, bzw. nach ihrer Einschätzung gefragt werden. “Soll in der Innenstadt ein weiteres Einkaufszentrum entstehen?”, “Soll die Stadt eine Begrenzung bei der Bebauung von Grün- und Freiflächen einführen?”, “Soll die Stadt ein Bäderkonzept mit einem zentralen Schwimmbad umsetzen?” oder “Soll die Stadt Anteile am Energieunternehmen STEAG kaufen?”, sind zum Beispiel grundlegende Fragen, zu denen man die Meinung der Bürgern einholen sollte.
Solche Bürgerentscheide zwingen die Stadtgesellschaft zu einer intensiven Diskussion über die entsprechenden Themen, Politiker müssen Bürger überzeugen, die Bürger müssen sich über die Themen informieren, damit sie eine kompetente Entscheidung treffen können. Auf diese Weise entsteht eine Bürgerentscheidungskultur, die den Respekt und das Vertrauen zwischen Politik und Bürgern stärkt, der Politik einen Teil der Verantwortung abnimmt, das Interesse der Bürger an der Entwicklung ihrer Stadt erhöht und die Identifikation mit der Stadt stärkt.
Wichtig ist, die Stadt benötigt neben der Bürgerkonferenz feste, wiederkehrende und klar geregelte Bürgerbeteiligungsformate. Eine Beteiligung der Bürger darf nicht nur projektbezogen organisiert werden, wenn zum Beispiel ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK) aufzustellen ist, ein neues Stadtviertel entsteht (Ostpark) oder der Parkraum rund um die Innenstadt bewirtschaftet werden soll, sie muss systematisch, regelmäßig und kontinuierlich erfolgen.
Auch geht Bürgerbeteiligung über die Information der Bürger und die reine Abfrage von deren Ideen und Vorschlägen hinaus, wirkliche Beteiligung sieht auch eine Mitwirkung in Form von Diskussion der Planungen und die Mitplanung z.B. bei der eigenen Straße vor.
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