03 Aug.

Gartenstraßen für Bochum und Wattenscheid

Wohnstraßen werden zu öffentlichen Vorgärten. 500 neue Gartenstraße sollen in Paris geschaffen werden. In Antwerpen wurde 2021 die erste Gartenstraße eingeweiht. Gartenstraßen können auch in Bochum Teil der nachhaltigen Stadtentwicklung sein und für ein besseres Stadtklima sorgen.

In Bochum wird das Stadtbild immer noch durch viele Straßen geprägt, an denen man kein bisschen Grün und keinen Baum findet. In Bochum und Wattenscheid zählen zu diesen grauen und trostlosen Straßen unter anderem Franzstraße, Stühmeyerstraße, Sedanstraße, Johannesstraße und Kanalstraße.

Sedanstraße, Wattenscheid Foto: Google Maps

Das Potential ist groß

Der gesamte Straßenraum ist zugepflastert und zuasphaltiert, eine Versickerung des Regenwassers nicht möglich. Die Häuser stehen direkt an der Straße, Vorgärten gibt es nicht. Mangels Schatten und Grün heizen sich diese Straßen im Sommer extrem auf (Bäume und Schwammstraßen gegen Hitze) Niemand kann und möchte sich in solchen Straßen länger aufhalten, eine trostlos, graue und öde Straßengestaltung, wirkt sich negativ auf die Wohnqualität aus. Die Wohnlage wird als unattraktiv wahrgenommen.

Eine Straßengestaltung ohne Grün ist nicht mehr zeitgemäß, besonders dann nicht, wenn die Straßen eigentlich nur dem Anlieger- und Anwohnerverkehr dienen, also keine Funktion als Durchgangsstraße besitzen.

Was zeichnet Gartenstraßen aus?

Solche zumeist relativ schmalen Straßen, mit wenig Autoverkehr sind ideal geeignet für eine Umgestaltung zu Gartenstraßen. In Frankreich Rues Végétales (Les rues végétales) in Belgien und den Niederlanden Tuinstraten (Tuinstraten.be) genannt, zeichnen sich Gartenstraßen dadurch aus, dass sie den Anwohnerinnen und Anwohnerinnen primär als öffentliche Vorgärten dienen. Gras wächst entlang der Gehwege, die Fassaden sind begrünt, Bäume und Beete prägen den Straßenraum. Bänke und Spielgeräte machen die Straße zum Aufenthaltsraum und Treffpunkt für Kinder und die Nachbarschaft. In den Straßen gibt es Autoverkehr nur noch ausnahmsweise, für Anlieferungen, Baumaßnahmen und die Müllabfuhr, Menschen zu Fuß und sanfter Mobilität wird Vorrang eingeräumt. Autos werden außerhalb der Straßen, z.B. in Quartiersparkhäusern geparkt.

Rue Eugénie-Gérard, Paris Foto: Chabe01

Zudem sollten Gartenstraßen sind Schwammstraßen (Schwammstraßen-Konzept) sein, das Regenwasser wird auf der Straße gesammelt und versickert, um es zur Wasserversorgung der Pflanzen zu verwenden. Eine Gartenstraße speichert Wasser und sorgt für einen gesünderen Boden und Abkühlung in längeren Dürreperioden (Ridderstraat Antwerpen).

Gartenstraßen sind Gemeinschaftsprojekte

An der Schaffung von Gartenstraßen werden die Menschen, die an den Straßen wohnen, die umgestaltet werden sollen, intensiv beteiligt. Ihr Engagement während des gesamten Projekts ist wichtig: Sie bestimmen bei der Gestaltung der Straße mit. Sie werden an der Auswahl der Pflanzen beteiligt, übernehmen teilweise Pflege und Wartung der Bepflanzungen, werden angeregt und unterstützt ihre Fassaden und Balkone zu begrünen.

In vielen Städte und Gemeinden der Niederlande und Belgien wird die Fassadenbegrünung, das sogenannte “Tegelwippen” in großen Gemeinschaftsaktionen von den Anwohnern und Anwohnerinnen selbst übernommen. Gleiches hatten die STADTGESTALTER bereits für Bochum angeregt (Selbst machen: Fassadengärten auf Gehwegen anlegen).

Eine Gartenstraße wird als Gemeinschaftsraum wahrgenommen. Gartenstraßen sind Straßen, in denen Nachbarn zusammenarbeiten, um diese zu begrünen und blau (versickerungsfähig) zu machen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Nachbarschaft wird gefördert, die Menschen werden dazu angeregt, selbst etwas für mehr Wohn- und Lebensqualität direkt vor ihrer Haustür zu tun und das Verantwortungsbewusstsein für die “eigene” Straße wird gefördert. Gartenstraßen sind Orte des sozialen Austauschs und Miteinanders.

Vorbilder: Paris und Antwerpen

Ab 2016 werden in Paris Gartenstraßen angelegt, 120 Straßen erhielten in Pflanzsaison 2024/25 neue Bepflanzungen (La saison des plantations 2024/2025 est lancée : 120 nouvelles rues et places végétalisées !). Gerade haben die Bewohnerinnen und Bewohner der Pariser Cité, die von der Fläche etwas kleiner als Bochum ist, in einer Bürgerkonsultation für die Anlage von weiteren 500 Gartenstraßen gestimmt (Paris setzt auf „rues végétales“: 500 neue autofreie Straßen beschlossen).

In Antwerpen wurde die erste Gartenstraße 2021 realisiert. In diesem Jahr wurden drei neue offiziell eingeweiht (Drei nieuwe tuinstraten feestelijk geopend), elf Gartenstraßen gab es bereits.

Vorschlag der STADTGESTALTEER: Gartenstraßen-Programm

Die STADTGESTALTER schlagen vor, auch in Bochum und Wattenscheid, bisher trostlos, graue und öde Wohnstraßen ohne Durchgangsverkehr zusammen mit den Anwohnern und Anwohnerinnen systematisch in Gartenstraße umzuwandeln. Die Stadt sollte ein erstes Programm auflegen, dass zunächst die Umgestaltung von drei bis fünf Straßen pro Jahr vorsieht.

Foto: OVB, Google Maps

Um eine intensive Beteiligung der Anwohner und Anwohnerinnen an den Gartenstraßen-Projekten sicher zu stellen, sollten sich Straßen und Nachbarschaften für eine Umgestaltung ihrer Straße bewerben können. Bereits in der Bewerbung können die Nachbarschaften dann Vorschläge zur Begrünung machen und darstellen, wie sie sich selbst in das vorgeschlagene Begrünungsprojekt einbringen möchten.

Gartenstraßen sind gut für das Stadtklima, fördern die Straßengemeinschaft, schaffen neue Räume für Kinder und die Nachbarschaft, sie verbessern das Stadtbild, steigern erheblich die Wohnqualität und machen die Stadt grüner und ökologischer. Dafür müssen lediglich die Autos umgeparkt werden. Das sollte es wert sein.

11 Sep.

Selbst machen: Fassadengärten auf Gehwegen anlegen

Alle können mitmachen. Zwei Reihen Gehwegpflaster an der Hauswand entfernen, Beet ausheben, mit Blumenerde befüllen, Pflanzen zur Fassadenbegrünung einpflanzen. In vielen niederländischen und flämischen Städten braucht man dafür nicht mal eine Genehmigung. Wie das in Bochum funktionieren könnte, darüber haben sich die STADTGESTALTER Gedanken gemacht.

“Geveltuinen” heißen auf Niederländisch die 30 bis 60 cm breiten Pflanzstreifen entlang von Hausfassaden, die sich direkt am Bürgersteig befinden. Die Blumen und Pflanzen, die vom Gehweg die Fassade hochranken, sorgen für ein schönes, grünes, in der Blütezeit buntes Straßenbild.

Fassadengarten, Geveltuin, Foto: Opuntie

Übersetzt ins Deutsche bedeutet “Geveltuin” Fassadengarten. In den Niederlanden und Belgien legen diese Gärten die Einwohner*innen im ganzen Land selbst an. Es gibt Förderprogramme, städtische und landesweite Wettbewerbe, welcher Ort die meisten, den längsten oder den schönsten “Geveltuin” anlegt (Tegelwippen- Gewinner).

Geveltuin-Kultur in Belgien und den Niederlanden

Das Gießen der Pflanzen und die Pflege der schmalen Gärten übernehmen die Hausbewohner*innen, vor deren Häusern die Fassadengärten angelegt wurden. Die Gemeinden und Städte beschränken sich darauf die zukünftige Fassadengärtner*innen bei der Anlage der Gärten sowie der Bepflanzung zu beraten. Manche Kommunen geben einen Zuschuss für den Kauf von Erde und Pflanzen (Förderung Rotterdam). In vielen Städten ist für die Anlage einer Geveltuin nicht mal eine Genehmigung erforderlich. Es gibt Kommunen, die bitten um eine Anmeldung, Für Fälle, in denen man nicht selbst einen Fassadengarten anlegen kann oder möchte, gibt es in einigen Städten ehrenamtliche “Geveltuinbrigaden”, die beauftragt werden können, einen Fassadengarten (Geveltuinbrigade Gent) zu bauen. In diesem Fall müssen sich die Bewohner*innen nur noch um die Pflege der fertigen Beete kümmern.

Das Anlegen von mehreren Geveltuins geschieht in den Niederländen und Belgien oft als Gemeinschaftsprojekt von Menschen, die in der gleichen Straße wohnen. Nachbar*innen tun sich zusammen und begrünen in Gemeinschaftsaktionen ganze Straßenzüge (1.000 Geveltuinen). Erst werden an den Hauswänden gemeinsam die Fassadengärten angelegt und bepflanzt, danach wird auf dem Straßenfest die Verschönerung der Straße gefeiert. Solche Projekte stärken die Nachbarschaft und fördern die Identifikation mit Straße und Viertel.

Fassadengärten in Bochum

Auch in Bochum gibt es viele trostlos graue Straßen, deren Anblick sich durch Beete an den Häusern und die Begrünungen von Fassaden deutlich aufbessern ließe. Gerade in Straßen, an denen die Häuser ohne Vorgärten direkt an der Straße stehen, fehlt in Bochum und Wattenscheid oft Grün. Die Stadt sollte mehr für eine Begrünung tun, Die STADTGESTALTER haben dazu schon verschiedene Vorschläge gemacht (Mehr Grün für die Stadt).

Eigentlich spricht nichts dagegen auch in Bochum, die Anlage von Fassadengärten zu erlauben. Auf eine Genehmigung sollte nach Ansicht der STADTGESTALTER verzichtet werden, eine Online-Anmeldung, in der angegeben wird, wo welcher Garten geschaffen wurde und wer den pflegt, sollte genügen.

Voraussetzung und Bauanleitung zur Anlage von Fassadengärten

Für die Anlage eines Fassadengartens müssen allerdings trotzdem einige Regeln beachtet werden: Der Garten darf nur maximal zwei Gehwegplatten breit und maximal 30-40 cm tief werden. Auf dem Gehweg muss für die Fußgänger*innen und Rollstuhlfahrer*innen eine Lauffläche von 1,8 Metern verbleiben. Auch dürfen nur Pflanzen eingesetzt werden, die mit ihren Wurzeln nicht Fassade oder Gehweg zerstören können. Wenn man nicht selbst Eigentümer*in des Hauses ist, an dem der Fassadengarten angelegt werden soll, muss vor Baubeginn eine Genehmigung des oder der Hauseigentümer*in eingeholt werden.

Sind die genannten Voraussetzungen geklärt. Ist die Anlage des Fassadengartens sehr einfach:

Schritt1: Pflaster entfernen.
Schritt2: Beet mit Tiefe von 30-40 cm ausheben.
Schritt 3: Mit den herausgenommenen Pflasterplatten Kante zum verbliebenen Gehwegpflaster setzen, damit Pflaster nicht absackt.
Schritt 4: Beet mit Erde befüllen.
Schritt 5: Blumen und andere Pflanzen eingraben.
Schritt 6: Pflanzen wässern..

Mögliche Unterstützung durch die Stadt

Was kann die Stadt tun, um die Anlage von Fassadengärten zu fördern? Zum einen kann sie Menschen informieren und beraten, die gerne Geveltuinen anlegen möchten. Sie kann die Anlage mit Zuschüssen fördern. Dazu kann Sie ehrenamtliche “Geveltuinbrigaden” finanziell unterstützen, die von Stadtbewohner*innen mit der Anlage von Fassadengärten beauftragt werden können. Die Stadt, städtische Einrichtungen und Unternehmen können sich selbst verpflichten an Gebäuden, die direkt an Gehwegen liegen, Fassadengärten anzulegen. Nicht zuletzt kann die Stadt Aktionstage veranstalten, an denen in bestimmten Straßen und Vierteln Fassadengärten angelegt werden (Geveltuinendag). Für solche Tage kann die Stadt Erde, Pflanzen und Werkzeuge bereitstellen sowie eine Beratung vor Ort anbieten. In den Stadterneuerungsgebieten (ISEK) Laer, Langendreer West/ Werne, Wattenscheid, Hamme und Innenstadt könnte die Anlage von Fassadengärten eine eigene Maßnahme werden.

Kaum Kosten – viele Vorteile

Idealer Weise könnte die Stadt Bochum zudem Aktionen zum Bau von Geveltuinen in die bereits bestehende Kampagne “Bochum blüht und summt” aufnehmen, denn mit Fassadengärten werden auch neue Lebensräume für Insekten geschaffen.

Fassadengärten haben darüber hinaus noch weitere Vorteile, sie leisten einen kleinen Beitrag für ein besseres Mikroklima und dienen dem Starkregenschutz. Über sie kann ein Teil des Regenwassers versickert werden und muss so nicht mehr über die Abwasserkanäle abgeleitet werden.

Fassadengärten sehen also nicht nur schön aus, erfreuen die Menschen und werten das Straßenbild, auf, sie haben auch sonst viele Vorteile. Dazu sind sie bei großer Wirkung so kostengünstig wie sonst keine Maßnahme der Stadtgestaltung und -begrünung. Die Anlage durch die Bewohner*innen selbst fördert zudem den Zusammenhalt in den Nachbarschaften sowie die Identifikation mit Straße und Viertel, wo die Menschen leben.

Bochum könnte Vorreiter werden

Bisher gibt es in Deutschland noch keine Großstadt, die sich die Initiativen der belgischen und niederländischen Städten zur Fassadenbegrünung zum Vorbild genommen hat. Bochum könnte in diesem Bereich der Stadtbegrünung eine Vorreiterrolle übernehmen. Sofern der Stadt der Mut fehlt gleich stadtweit die Anlage von Fassadengärten zu erlauben und zu fördern, schlagen die STADTGESTALTER vor, den Bau von Geveltuinen zunächst in einem Stadtteil auszuprobieren und Erfahrungen sammeln, wie man die Anlage von Fassadengärten am besten organisiert und fördert.