Stadt und Politik blockieren Radwegeausbau
2014 und erneut 2017 hat der Rat der Stadt Bochum die Stadtverwaltung beauftragt das Radverkehrskonzept von 1999 fortzuschreiben. Die städtische Verkehrsplanung hat diesen politischen Auftrag ignoriert und die Umsetzung dieser Ratsbeschlüsse über nunmehr 6 Jahre verweigert. Die rot-grüne Mehrheit in der Bochumer Politik hat die Verwaltung gewähren lassen, da sie offensichtlich ohnehin nicht ernsthaften an einem Ausbau des Radwegenetzes interessiert ist.
Die Weigerung das Radverkehrskonzept fortzuschreiben war nur mit politischer Unterstützung möglich
Dass die Stadt Bochum seit 1999 ein Radverkehrskonzept besitzt und dieses über 20 Jahre nicht ernsthaft umgesetzt wurde, ist bekannt und in der Stadt unübersehbar. Ein Radwegenetz ist in Bochum allenfalls bruchstückhaft vorhanden (Die Umsetzung des Radverkehrskonzepts wird in Bochum seit 20 Jahren verschleppt). Doch dass die Verwaltung die Fortschreibung des Radverkehrskonzeptes und die Umsetzung der entsprechenden Ratsbeschlüsse verweigert ist neu und hat eine neue Qualität.
2013 bereits hat die Stadt das Klimaschutzteilkonzept „Klimafreundlicher Verkehr“ erarbeiten lassen, dass u.a. die Maßnahme “Radverkehrskonzept überarbeiten und fortschreiben” vorsieht (Maßnahme 5 Klimaschutzteilkonzept „Klimafreundlicher Verkehr“). Die Realisierung des Konzepts wurde im Februar 2014 vom Stadtrat beschlossen. Die Maßnahme wurde jedoch bis heute nicht umgesetzt, der Beschluss von der Verwaltung ignoriert, die Bearbeitung verweigert.
Die Politik interessierte das wenig. Nie hakte man nach, nie wurde gefragt, wann denn die Fortschreibung endlich vorliegen würde, lediglich die Fraktion „FDP und Die STADTGESTALTER“ fragte immer wieder nach (Anfragen 20160173, Anfrage 20193513). Wie so häufig, war Rot-Grün an der Sache wenig interessiert. Wichtig war nur, dass die Koalition der Presse ein tolles Konzept mit viel heißer Luft vorlegen konnte.
2017 verfuhr die rot-grüne Koalition nach gleichem Muster, wieder stellte die Koalition im Rat publikumswirksam einen Antrag, die Verwaltung solle das Radverkehrskonzept fortschreiben und einen neuen Netzplan sowie einen Maßnahmenkatalog (Antrag 20173105) erarbeiten. Wieder ließen sich die beiden Fraktionen von der Presse dafür loben was sie doch alles für den Radverkehr auf den Weg bringen.
Doch wie immer interessierten sich SPD und Grüne nicht für die Umsetzung. Wieder ignorierte die Verwaltung den politischen Auftrag und verweigerte die Umsetzung. Wieder fragten die Fraktionen erst gar nicht nach, ob denn der eigene Auftrag umgesetzt würde. Offenbar rechnete Rot-Grün selbst nicht mit einer Umsetzung.
Im November 2019 fragte die Fraktion “FDP und Die STADTGESTALTER” wieder nach, wann denn das bereits 2017 beschlossene neue Radverkehrskonzept, dem Rat endlich vorgelegt würde (Anfrage 20193513). die Verwaltung verweigerte beharrlich die Antwort, bis die Fraktion diese Ende Februar 2020 vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erfolgreich erzwang.
Verwaltung muss 6 Jahre Untätigkeit bei der Fortschreibung des Radverkehrskonzeotes einräumen
In der Antwort (Mitteilung 20200541) musste die Verwaltung eingestehen, dass sie wiederum nichts relevantes für die Umsetzung des Beschlusses aus 2017 getan hatte. Erst auf die Anfrage der Fraktion “FDP und Die STADTGESTALTER” hin wurde im Januar 2020 angeblich ein Mitarbeiter beauftragt, jetzt doch endlich eine Ausschreibung für die Fortschreibung des Radverkehrsplanes durch ein externes Planungsbüro auf den Weg zu bringen. Zugesichert wird jetzt, dass die Ausschreibung im Juni 2020 dem Ausschuss für Infrastruktur und Mobilität zum Beschluss orligen sn soll. Danach würde dann das Vergabefahren folgen, die Planungen durch das externe Planungsbüro, die Bewertung durch die Verwaltung und das politische Beratungsverfahren. Vor Mitte 2021 ist also nicht mit einem politischen Beschluss zur Umsetzung des neuen Radverkehrskonzept zu rechnen.
Die Ausrede der Stadt Bochum, warum man die Ratsbeschlüsse zum Radverkehrskonzept nicht bearbeitet habe, ist immer die gleiche. Man habe kein geeignetes Personal. Wenn man das allerdings über 6 Jahre behauptet, dann ist das nicht mehr glaubwürdig. Richtig ist, dass die Verkehrsplanung für die Erarbeitung des Radverkehrskonzepts über Jahre bewusst kein Personal abgestellt und so eine Bearbeitung unmöglich gemacht hat.
Sollten Planungsstellen im Bereich Radverkehrs fehlen, dann wurden diese von Rot-Grün wider besseren Wissens nicht geschaffen. Wenn es aber tatsächlich an ausreichend Stellen mangelt, fragt sich zudem, warum der Stadtbaurat diese während der Haushaltsberatungen in 6 Jahren nie eingefordert hat.
Es stellt sich zudem die Frage, wie die Stadt Bochum fähige Radverkehrsplaner verpflichten will, wenn bei der Radverkehrsplanung kaum Nennenswertes passiert, die Qualität der Planungen häufig schlecht ist (Haupt-/ Unterstraße, Ortsumgehung Gerthe, Hans-Böckler-Straße u.v.a.m.) und offenbar Desinteresse besteht, die Beschlüsse des Rates zum Radverkehr umzusetzen.
Welcher Radverkehrsplaner will unter diesen Umständen bei einer Stadt wie Bochum arbeiten? Wer als Radverkehrsplaner etwas auf sich hält, geht in Städte, wo Verwaltung und Politik ernsthaft den Ausbau des Radwegenetzes vorantreiben, nicht nach Bochum, wo sich die Verkehrsplaner stattdessen an unausgegoreneen Planungen wie der Dahlhausener Schwimmbrücke oder der Hans- Böckler-Straße abarbeiten müssen (Keine weiteren Provisorien und unausgegorenen Verkehrsversuche mehr) oder über Monate und Jahre an Planungen für den Radschnellweg beschäftigt sind, die später eingestampft werden müssen, weil man vor den Planungen neben den Bahngleisen nicht den Eigentümer, die DB-Netz AG, mit ins Boot geholt hat,
Nur 12,3 km Ausbau des Radwegenetzes pro Jahr sind mehr als dürftig
Dass Verwaltung und Politik nicht ernsthaft am Ausbau eines flächendeckenden Netzes sicherer Radwege interessiert sind, zeigt sich leider auch an anderer Stelle. Bis 2022 plant die Stadt das Netz um spärliche 37 km auszubauen (WAZ vom 27.02.20). Das sind 12,3 km pro Jahr. Geht man von Kosten von 400.000 Euro pro Kilometer (133.000 Euro/km, Kosten Radwege, Aufbruch Fahrrad) aus, dann werden in Bochum pro Jahr lächerliche 1.64 Mio. Euro in den Radwegebau investiert. Das sind gerade mal 4,4 Euro pro Einwohner.
Zum Vergleich, Paris, das nur über etwas mehr als 72% der Fläche von Bochum verfügt, baut in 6 Jahren, von 2015 bis 2020, 700 km neue Radwege und setzt dafür 63 Mio. Euro ein (Paris will Fahrradwelthauptstadt werden). Pro Jahr entstehen also fast 117 km Radwege und nicht nur 12,3 wie in Bochum. Das kostet die Stadt Paris 10,5 Mio. Euro pro Jahr. Das wären bezogen auf Bochum 28 Euro pro Einwohner im Jahr. Das ist vergleichsweise wenig, die Stadt Kopenhagen investiert für den Radverkehr 35,60 Euro pro Kopf und Jahr, in Oslo sind es 70 Euro in Utrecht sogar 132 Euro (Wieviel investieren deutsche Städte in sichere Radwege).
SPD und Grüne sind nicht ernsthaft am Ausbau des Radwegenetzes interessiert
Was zeigt der Skandal um das Radwegekonzept? SPD und Grüne erzählen viel, was sie zum Radwegeausbau machen wollen. Ernsthaft vorantreiben tun sie den Ausbau der Radwege jedoch nicht. Da das immer wieder passiert, ist davon auszugehen, dass Rot-Grün sich hinsichtlich der Weigerung der Verwaltung, die Ratsbeschlüsse der eigenen Koalition umzusetzen, von Anfang an im Klaren war und beide Fraktionen dieses Verhallten sowohl toleriert wie gebilligt haben.
Ohne aktualisiertes Radverkehrskonzept ist ein gezielter Ausbau des Radwegenetzes unmöglich. Dass der Politik bereits das Interesse und der Wille fehlt, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um das Netz auszubauen, belegt, dass die Erklärungen der Politiker von SPD und Grünen nichts mehr als heiße Luft sind. „Verkehrswende“ und „Klimanotstand“ sind nur hohle Phrasen. Der unambitionierte Plan das Radwegenetz um mehr als dürftige 12,3 km pro Jahr auszubauen, bestätigt das.
Auch bei der von Rot-Grün favorisierten Streckenführung des Radschnellweges (RS1), im weiten Bogen südlich um die Innenstadt herum, sowie am traurigen Zustand der Radstation am Hauptbahnhof, zeigt sich das Desinteresse beider Parteien, wirklich etwas für den Radverkehr zu tun.
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