Keine weiteren Provisorien und unausgegorenen Verkehrsversuche mehr
Die Stadt Bochum scheint Schilderwälder, Absperrungen und wirre Regeln zur Verkehrsführung zu lieben. Statt einfachen Lösungen, steht die Stadt offenbar auf teure und aufwändige Provisorien, die Fremden teilweise so vorkommen müssen, als hätten schildersüchtige Praktikanten die Verkehrsplanung übernommen.
Hans-Böckler-Straße – Eigentlich sind Rathausplätze in europäischen Großstädten, die zentral in der Innenstadt liegen, Orte, wo das städtische Leben tobt. Nicht so in Bochum, da fließt über den Rathausplatz der Verkehr und dient als Abkürzungsstrecke für den Autoverkehr. Andere umkurven das Rathaus immer wieder mit dem Auto auf der Suche nach einem freien oberirdischen Parkplatz, während die unterirdischen Parkhäuser halb leer stehen. Entsprechend ist der Rathausplatz in Bochum öd und leer, das Verkehrschaos vor dem Rathaus gefährlich. Die Verwaltung sieht Handlungsbedarf, die Kreuzung auf dem Platz sei nicht sicher für Radfahrer und Fußgänger (Mitteilung 20160171).
Entsprechend beantragte die Fraktion “FDP & Die STADTGESTALTER”die Verkehrsberuhigung des Rathausplatzes (Antrag 20170549). Doch die SPD traute sich nicht den Autoverkehr auf dem Platz wirksam einzuschränken. Lieber einen trostlosen Platz als die freie Fahrt der Autofahrer zu beschränken ist weiterhin die Devise. Eine Handlungsmaxime aus den 80ern, die wesentlich zum Niedergang der Innenstadt beigetragen hat.
Also musste die Verwaltung für eine andere Lösung sorgen. Das folgende Provisorium sah eine undurchsichtige Verkehrsregelung mit schwer durchschaubaren Schildern vor. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Verkehrsregelung wurde ignoriert. Die einen Autofahrer durchblickten nicht die Regelungen, manche übersahen sie, wieder andere ignorierten sie. Der Verkehrsversuch erwies sich als untauglich.
Anstatt aus den Fehlern zu lernen und nunmehr die Verkehrsberuhigung des Rathausplatzes durchzusetzen, erfand die Verwaltung eine neue, kaum verständlichere Regelung. Neue Schilder wurden bestellt und montiert. Zufahrtsstraßen wurden neu bepinselt. Nur an dem Verkehrschaos rund um den Rathausplatz änderte sich nichts.
Die Stadt hat nichts gewonnen. Der Rathausplatz ist weiter trostlos und öd. Das Verkehrschaos tobt und für Fußgänger und Radfahrer ist die Situation nicht sicherer geworden. Durch die neuen Schilder ist die Stadt kein bisschen hübscher geworden. Außenstehende fragen sich allerdings, ob und was die Verantwortlichen mit der Verkehrsführung erreichen wollten.
Es bleibt der Eindruck, Bochum ist unfähig, einen der schönsten Plätz der Stadt vom Verkehr zu entlasten und zu beleben.
Herner Straße – Unbedingt musste die Herner Straße zwischen A43 und A40 ausgebaut werden. Stadt und Politik entscheiden, dem Durchgangsverkehr sei gegenüber einem attraktiven Stadtteilzentrum Vorrang einzuräumen. Der Verkehr schwoll nach dem Umbau auf sagenhafte 14,7 Mio. Fahrzeuge im Jahr an, der Niedergang von Riemke setzte sich beschleunigt fort und die Luftschadstoffwerte stiegen satt zu sinken. Jetzt muss der Verkehr muss um 50% sinken, sonst droht ein Dieselfahrverbot.
Die erforderliche Verkehrsreduzierung lässt sich laut von der Stadt beauftragtem Gutachten nur durch einen Rückbau der Straße auf 2 Spuren oder eine (teilweise) Sperrung von Auf- und Abfahrten an den Autobahnen erreichen.
Doch die Verkehrsplanung setzte sich über diese Vorgaben hinweg, überlegte Mooswände aufzustellen, baute Tempo-30-Schilder samt Blitzer auf und pflanzte eine “Klimahecke” auf den Mittelstreifen, auf den wenigen Straßenabschnitten, wo dieser überhaupt vorhanden ist. Das Ergebnis: die Stadt verärgerte Anwohner, Durchfahrende und die, die sich für eine Einhaltung der Grenzwerte einsetzten. Einzig den Verkehr spürbar zu reduzieren gelang durch den sinnfreien Aktionismus nicht.
Auch hier ersetzt eine Flut von Schildern, die eigentlich erforderlich Lösung. Auch ist klar, wird die Stadt gerichtlich verpflichtet wirksame Maßnahmen zu ergreifen, den Verkehr so zu reduzieren, dass die Schadstoffgrenzwerte eingehalten werden, muss das bestehende Provisorium wieder abgebaut und durch eine echte Lösung ersetzt werden.
Brüderstraße – Als die Kortumstraße im Bermuda3Eck neu gestaltet wurde, konnten sich Stadt und Verwaltung nicht durchringen auch Brüderstraße und Kerkwege für den Verkehr zu sperren um dort mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen. Die Warnung, wenn der Verkehr weiter durch bei Straßen rollen würde, käme es an den beiden Straßen gegenüber der Kortumstraße zu B- bzw C-Lagen, verhallte. Das Gegenargument von Politik und Verwaltung, angeblich sei es für das Bermuda3Eck wichtig, dass Autofreaks mit Testosteronüberhang auf der Brüderstraße ihre Protzkarren präsentieren könnten.
Kaum zeigte sich die Kortumstraße in neuem Glanz ging es mit der Brüderstraße bergab. Viele Kneipen gaben auf, Shisha-Bars übernahmen. Jetzt erkannte auch die Stadt das Problem, den Durchgangsverkehr. Konsequent wurde auch hier mit neuen Schildern, Absperrungen ein neues Provisorium geschaffen, um den Verkehr zumindest zeitweise aus der Brüderstraße fern zu halten. Konsequent ignorierten die Betroffenen die Sperrung, im ersten Monat kam es zu 300 Verwarngeldern, immer wieder schoben dreiste Autofahrer die Absperrungen beiseite und fuhren einfach weiter durch die Straße. (Der Westen vom 03.04.18).
Statt die Straße endlich komplett für den Verkehr zu schließen (Ausnahme Anwohner und Lieferverkehr), wie man es schon im Zuge der Neugestaltung hätte machen müssen, war auch hier die Stadt nur zu Provisorien fähig und konnte sich zu einer klaren und endgültigen Lösungen nicht durchringen.
Pontonbrücke – Auch bei der Schwimmbrücke in Dahlhausen hangelt sich die Stadt von einem teuren Provisorium zum nächsten (Die Pontonbrücke des kommunalen Grauens). Ein Schilderwald folgt auf den nächsten.
Der letzte Verkehrsversuch ist grandios gescheitert. Auch die Erhöhung der Betonblockdichte und die Aufstellung von noch mehr Schildern, Signalanlagen und zugehörigem Beiwerk konnten Auto- und Radfahrer nicht daran hindern die beschilderten Regeln in den Wind zu schlagen und sich nach ihren eigenen Regeln zu verhalten.
Statt endlich die Brücke neu zu bauen und die alte zu verschieben wie u.a. von den STADTGESTALTERNvorgeschlagen (Vorschlag STADTGESTALTER), wird es nun einen Verkehrsversuch geben. Dieser wird weitere 615.000 Euro kosten. Bis Ende April werden neue Ampeln und neue Blitzer aufgestellt. Dann kann zwar wieder der Autoverkehr über die Brücke fahren, die Busverbindung von Linden nach Hattingen über Burgaltendorf, bleibt jedoch weiterhin unterbrochen.
Die Realisierung einer endgültigen Lösung ist trotzdem nicht in Sicht. Bis diese kommt, werden die Provisorien und die verworfenen Planungen vermutlich so viel Kosten verschlungen haben wie es gekostet hätte, wenn man die marode Brücke gleich durch eine neue ersetzt hätte.
Alle geschilderten Provisorien habe die Stadt eine Menge Geld gekostet und können doch dauerhafte Lösungen nicht ersetzen. Irgendwann wird die Stadt diese umsetzen müssen, ob sie will oder nicht. Mit den Provisorien, den gescheiterten Verkehrsversuchen, den aberwitzigen Schilderwäldern und Verkehrsführungen verscherzt sich die Verkehrsplanung allerdings immer weiter das Vertrauen der Bürger.
Auch wenn die Politik die Verwaltung teilweise zu solchen abenteuerlichen Provisorien drängt, muss die Verkehrsplanung bereits sein sich mit Hinweis auf die Verkehrssicherheit und die vorhersehbare mangelnde Akzeptanz solchen Wünschen zu widersetzen. Denn am Ende ist es die Verkehrsplanung selbst, die sich gegenüber den Bürgern rechtfertigen muss, warum das x-te Provisorium mal wieder nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat.
Schlüssige endgültige Lösungen sind gefragt, halbherzige und unausgegorene Provisorien sollte sich die Stadt zukünftig sparen.
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