13 Aug

48 Klassen in Containern – Bochumer Schulpolitik an neuem Tiefpunkt

Nach der Fehlentscheidung zahlreiche Grundschulen zu schließen, hat es die Stadt versäumt rechtzeitig neue Klassenräume und Schulen zu bauen. So müssen viele Grundschulkinder jetzt in Containern unterrichtet werden, wobei selbst die an sechs Schulen fehlen. Wieder einmal zeigt sich das Desinteresse von Stadt und Stadtpolitik an Bildung und guten Schulen.

Wie viel Wert eine Stadt und die Stadtpolitik Bildung und Schulen beimessen, zeigt sich am Zustand und der Ausstattung der städtischen Schulen. Eine Stadt die Schulkinder in Containern unterbringt, weil sie es fahrlässig versäumt hat, entsprechend der prognostizierten Entwicklung der Schülerzahlen rechtzeitig die benötigten Klassenräume zu bauen, bringt deutlich zum Ausdruck, was von sie von Schulen und Bildung hält, nämlich wenig.

2012 – Der Auslöser des Problems: Schließung der Grundschulen

Das Problem von zu wenig Klassenräumen hat die Stadt selbst geschaffen. 2012 beschloss die Politik die Zahl der Grundschulen von 51 auf 43 zu reduzieren. Vorhersehbar falsche Annahmen über die Entwicklung der Schülerzahlen führten zu dieser folgenschweren Fehlentscheidung, Bei der Berechnung des Raumbedarfs war die Schulverwaltung im damaligen Schulentwicklungsplan von einer Schülerzahl von 28-30 Kindern für jede Klasse ausgegangen, obwohl vom Land längst eine Herabsetzung auf 22-23 Kinder pro Klasse beschlossen worden war (Das Märchen von Schulschließungen aufgrund abnehmender Schülerzahlen).

Obwohl sie es besser hätte wissen müssen, schloss die Bochumer Politik vier Grundschulen ganz, dazu drei Teilstandorte. Vier weitere Grundschulen wurden zu Teilstandorten anderer Schulen degradiert. In Summe fielen 76 Klassenräume für über 1.700 Schüler und Schülerinnen weg.

2018 – Die große Zahl fehlender Klassenräume wird erkannt

Im Verfahren zur Aufstellung des folgenden Schulentwicklungsplans bis zum Jahr 2018 stellt die Stadt wenig überraschend fest, dass die Zahl der benötigten Klassenräume in Folge der geschlossenen Schulen dramatisch zu niedrig lag. Auf einmal stellt man fest, dass in den nächsten 5 Jahren die Zahl der Grundschüler um 1.220 steigen würde und im Schuljahr 2022/23 in den städtischen Schulen insgesamt 12.025 Kinder unterrichtet werden müssten. Bei der angestrebten durchschnittlichen Klassengröße von 22,5 Schülern würden Räume für 534 Klassen benötigt. Übriggeblieben waren aber nur Räumlichkeiten für 447 Klassen (Entwicklungsplan für die Grundschulen ist unbrauchbar)

In der Stadt stellte also bereits 2018 fest, dass ein zusätzlicher Bedarf an Räumlichkeiten für 80 bis 90 Klassen bestehen würde. Wobei nur ein Teil des Bedarfs durch die Reaktivierung von Räumlichkeiten in bestehenden Grundschulen, besonders Teilstandorten befriedigt werden könne, Um die verbleibenden Räumlichkeiten bereitstellen zu können, müssten trotzdem vier bis fünf Grundschulen (= 48 bis 54 zusätzliche Klassenräume) neu gebaut werden oder die bestehenden Grundschulstandorte um entsprechend viele neue Klassenräume erweitert werden (Falsche Grundschulschließungen kosten die Stadt 50 Mio. Euro).

Der Neubau von zusätzlich vier 4-zügigen Grundschulen kostet bei derzeitigen Baukosten mindestens 90 Mio. Euro., denn die Kosten für den Ersatzneubau der Feldsieper Grundschule liegen aktuell bei 23 Mio. Euro (WAZ vom 06.09.21). Werden statt Schulneubau die bestehenden Schulen um neu zu bauende Klassenräume erweitert, wird das aufgrund der zusätzlichen Kosten für das Bauen im Bestand und der höheren Fixkosten aufgrund der höheren Zahl an Baustellen in Summe voraussichtlich nicht viel günstiger. Schon 2018 wurde also erkennbar, die politische Fehlentscheidung von 2012 würde für die Stadt ein sehr teures Nachspiel haben.

Bis 2023 – Die Schulverwaltung sitzt das Problem aus

Obwohl schon der Schulentwicklungsplan 2018 den umgehenden Neubau von mindestens 48 neuen Klassenräumen hätte zur Folge haben müssen, geschah in dieser Hinsicht in den folgenden 5 Jahren nichts. In der Stadt der gepflegten Langsamkeit blieb die Schulverwaltung untätig und hoffte, das Problem würde sich von selbst lösen.

Darüber hinaus weigerte sich die Politik von sich aus die erforderlichen Maßnahmen zu beschließen  und das nötige Geld bereit zu stellen. Entsprechende Anträge von STATGESTALTERn, CDU und FFB um Planung und Bau der benötigten Grundschulen endlich auf den Weg zu bringen, lehnte die Rot-Grüne-Koalition zuletzt 2022 in den Beratungen für den Stadthaushalt 2023/24 ab (Anträge 3a, 3b und 15).

Gleichzeitig musste die Stadtverwaltung aufgrund der Prognosen zu den Schülerzahlen für den neuen Schulentwicklungsplan 2022 erkennen, dass sich das Raumproblem an den Schulen nicht in Luft auflösen würde. Gemäß letzter Prognose soll die Zahl der Schulkinder bis zum Schuljahr 2025/26 auf fast 12.500 steigen und auch 10 Jahre später (2035/36) noch bei 11.200 liegen.

Notlösung Container

Da die Schulverwaltung es jedoch über 5 Jahre verpasst hatte vorausschauend zu handeln und rechtzeitig für eine ausreichende Zahl neuer Klassenräume zu sorgen, blieb nur Zeit für eine eilig zusammengeschusterte Notlösung. Bis zum Schuljahr 2022/23 brachte man 20 Klassen in Containern unter, bis 2023/24 sollten weitere 24 folgen und dann noch zwei weitere bis zum Ende des gleichen Schuljahrs (WAZ vom 25.04.23).

Allerdings gelang auch dieser Plan nicht. Zu Beginn dieses Schuljahrs blieben an sechs Grundschulstandorten die geplanten Containeraufstellplätze auf den Schulhöfen leer. Die Stadt hatte eine rechtzeitige Bestellung versäumt (WDR vom 09.08.23). Mangels Klassenräumen müssen die Schulen jetzt improvisieren.

Schulverwaltung unfähig

Die Schulverwaltung erwies sich erneut als unfähig ihre Aufgaben zu erfüllen. Zuletzt hatte man bei der neuen OGS-Vergabe für die Grundschulen, die Schulkonferenzen übergangen (Schulkonferenzen von über 50 Schulen bei OGS-Vergabe übergangen) und schafft es auch 24 Jahre nach Beauftragung nicht die Bochumer Schulen mit zeigemäßen Radständern auszustatten (Radständer für Bochumer Schulen kaufen und aufstellen überfordert Schulverwaltung).

Nachdem Grüne und SPD das Problem selbst verursacht haben, indem sie zunächst die Grundschulen geschlossen und dann die rechtzeitige Errichtung der erforderlichen Klassenräume verhindert hatten, zeigten sie sich jetzt scheinheilig verärgert darüber, dass die Kinder in Containern untergebracht werden müssen, bzw. gar die Container dafür fehlen. Zudem werden fehlende Sanitäreinrichtungen an den Container bemängelt (WAZ vom 23.05.23).

Nur mit guten Schulen lassen sich Lehrkräfte und Familien für die Stadt gewinnen

Die grundsätzliche Einsicht, dass man nur mit gut ausgestatteten Schulen im besten baulichen Zustand Familien und Lehrkräfte für die Stadt gewinnen kann und nicht mit im Hauruck-Verfahren auf dem Schulhof aufgebauten Containerklassen (Lehrkräftemangel in Bochum hat auch lokalpolitische Gründe), scheint bei den Verantwortlichen indes weiterhin zu fehlen. Auch das gerade für eine gute Integration und geringe Arbeitslosigkeit optimal ausgestattete Schulen die Voraussetzung sind (Alarmierende Zahlen – Höchste Zeit sich ernsthaft um Integration zu bemühen), scheint in der Stadtpolitik bisher nicht angekommen zu sein.

So wird die schlechte Schulpolitik der letzten Jahrzehnte auch in der Bochumer Sozialstatistik bei den Schulempfehlungen sichtbar. Bis zum Schuljahr 2019/20 erreichte in fünf Stadtbezirken (Westenfeld, Hamme, Werne, Kruppwerke, Wattenscheid-Mitte) die Mehrheit der Bochumer Grundschüler und -schülerinnen im Durchschnitt keine uneingeschränkte Empfehlung für die Realschule. Zum Schuljahr 2021/22 hat sich die Zahl um einen weiteren Bezirk (Günnigfeld) erhöht (Interaktive Sozialbericht Bochum). Anstatt sich zu verbessern, verschlechtert sich die Lage an den Grundschulen.

In Bochum ist die Stadtpolitik bisher nur bereit in Schulen zu investieren, wenn die Kosten dafür zu einem wesentlichen Teil von Land oder Bund übernommen werden.

Man gibt große Teile der Investitionen in Schulgebäude zudem für wenige Prestigeprojekte aus, die sich auch aufgrund von schlechtem Projektmanagement unfassbar verteuern. Allein das Schulzentrum Gehrte wird nach derzeitigem Stand um 69 Mio. Euro, teurer als ursprünglich geplant, das Projekt Gesamtschule Mitte/ Feldsieper Schule um 40,5 Mio. Euro (Kosten für Gesamtschule explodieren). Das Geld, das nur diesen beiden Bauprojekte zusätzlich kosten, hätte also locker ausgereicht, um die 48 zusätzlich erforderlichen Klassenräume an den Grundschulen im Zeitraum 2018-2023 zu errichten.

Zusammenfassung: 5 Ursachen für das Container-Desaster

Die Ursachen für das Container-Desaster lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Für Stadt und Stadtpolitik haben die Bedürfnisse von Schulkindern und Schulen keine Priorität.
2. Man ist nicht bereit, die nötigen Gelder für baulich gute und gut ausgestattete Schulen bereit zu stellen.
3. Vorhandene Gelder werden in außer Kostenkontrolle geratenen Bauprojekten verschwendet.
4. Die Stadt gefällt sich in gepflegter Langsamkeit. Man ist nicht bereit und in der Lage drängende Probleme wie die Unterbringung von Kindern in geeigneten Klassenräumen, rechtzeitig und vorausschauend zu organisieren.
5. Es fehlt die Bereitschaft, das Schulverwaltungsamt effizient zu organisieren, und Schulen und Bildung in den Mittelpunkt der Stadtpolitik zu stellen

Somit ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Schulverwaltung durch den nächsten Skandal auffällig wird.

06 Aug

In Bochum wurde in 5 Jahren eine Fläche von 125 Fußballfeldern versiegelt

Die zwischen 2016 und 2021 in Bochum versiegelte Fläche ist so groß wie 70 % des Gleisdreiecks. Besonders zur Versiegelung haben beigetragen der Wohnungsbau (224 Fußballfelder) und der zunehmende Straßenverkehr (184 Fußballfelder), während die versiegelten Flächen für Industrie-, Gewerbeflächen (-143 Fußballfelder) und Bahnverkehr (-245 Fußballfelder) stark abgenommen haben. Die Grün- und Naturflächen haben sich um die Größe von 122 Fußballfeldern verkleinert.

Die Daten des Statistikatlas NRW zeigen, wie sich die Nutzung der Bochumer Stadtfläche zwischen 2016 und 2021 verändert hat. Siedlungs- plus Verkehrsfläche machten 2016 insgesamt 69,6 % der Stadtfläche aus. 5 Jahre später, 2021 waren es 70,4 % (+0,8 %P), während Natur- Grün und Gewässerflächen entsprechend abgenommen haben.

Neuversiegelung 2016 – 2021

Änderungen bei den Flächennutzungen 2016 – 2021

Ein genauer Blick zeigt, dass bei den Siedlungsflächen insbesondere die Wohnfläche (160 ha) und die Erholungsflächen (204 ha) zugenommen haben, während Gewerbe- und Industrieflächen sowie sonstige Flächen (u.a. Brach- und Mischflächen) um jeweils 102 ha abgenommen haben.

Flächennutzung, Bochum 2016 – 2021

Im Bereich Verkehr hat die Fläche für den Straßenverkehr um 131 ha zugenommen, insgesamt aber haben die Gesamtflächen im Verkehr um 44 ha abgenommen, da insbesondere große Bahnareale stillgelegt wurden. Die Zunahme der Straßenverkehrsfläche ist insbesondere Folge der Zunahme des Fahrzeugbestands in der Stadt im Zeitraum 2016 und 2021. Der Fahrzeugbestand wuchs in diesem Zeitraum um 32.109 Fahrzeuge. Allein bei den versiegelten Abstellflächen bedeutet diese Zunahme einen zusätzlichen Flächenverbrauch von 40 ha, also 56 Fußballfeldern, wenn man davon ausgeht, dass jedes Fahrzeug eine Abstellfläche von 12.5 qm benötigt.

Bei der Vegetationsfläche (Grün- und Naturfläche) ist der Rückgang um 87 ha insbesondere auf eine Reduzierung der landwirtschaftlichen Fläche um 495 ha zurückzuführen. Aber auch die Waldfläche ist um immerhin 73 ha zurück gegangen.

Versiegelte Stadtfläche

2016 waren insgesamt 37,92 % der gesamten Stadtfläche versiegelt (Versiegelungskarte Bochum). Ausgehend davon, dass sich 2021 der Anteil der versiegelten Fläche an der Siedlungs- und Verkehrsfläche gegenüber 2016 nicht verändert hat, wird die beschrieben Zunahme von Siedlungs- und Verkehrsfläche eine entsprechende Zunahme der versiegelten Fläche nach sich gezogen haben. Rein rechnerisch ergeben sich damit für das Jahr 2021 5.612 ha versiegelte Fläche. Das ist eine Zunahme von 89 ha (+1,6 %) in nur 5 Jahren. Diese Fläche entspricht der Größe von 125 Fußballfeldern oder 70 % der Fläche des Gleisdreiecks, das fast 125 ha groß ist.

Im Sinne von Klimaschutz und Nachhaltigkeit ist es erforderlich, dass die Nettoneuversiegelung auf null gesenkt wird, denn würde das jetzige Versiegelungstempo anhalten, wären 2051 breits 6.146 ha Stadtfläche versiegelt, das wären dann 42,2% der Gesamtfläche (+9,6 %P).

Stadt Bochum benötigt eine Flächenbilanzierung

Bereits 2017 (Antrag 20172961) und dann erneut 2019 (Antrag 20190136 haben die STADTGESTALTER eine Flächenbilanzierung vorgeschlagen, um eine weitere Versiegelung der Stadtfläche zu verhindern. In beiden Fällen sind die Anträge am Widerstand von Rot-Grün gescheitert. Ebenso erging es 2023 einem Antrag der Linken mit gleichem Ziel (Antrag 20231069).

Bei der Flächenbilanzierung wird die Größe der Stadtfläche festgelegt, die maximal versiegelt werden darf. Sollen Flächen z.B. für neuen Wohnungsbau neu versiegelt werden, müssen dieser in der Flächenbilanz Flächen in mindestens gleicher Größe entgegenstehen, die im gleichen Zeitraum entsiegelt werden (z.B. ungenutzte Industrieflächen). So lässt sich mit Hilfe der Flächenbilanzierung das Ziel der Nettonullversiegelung erreichen.

Zusätzlich kann man bei der Flächenbilanzierung weitere Flächengrenzwerte festlegen, z.B. dass die Straßenfläche einen festgelegten Wert nicht überschreiten und Wald- und Naturflächen gewisse Werte nicht unterschreiten dürfen.

Flächenbilanzierung mit Flächenbewertung

Das Instrument ließe sich zudem erweitern um eine Komponente, die auch den Wert der Flächen erfasst. Auch dazu haben die STADTGESTALTER einen Vorschlag gemacht (Bochum braucht eine Flächenentwicklungsplanung). Flächen haben unterschiedliche soziale, ökologische und ökonomische Nutzenwerte. Wird zum Beispiel eine Waldfläche zur Wohnfläche umgenutzt, sinkt der ökologische Wert, steigt aber der soziale und ökonomische Wert der Fläche.

Jedem Quadratmeter Stadtfläche kann ein sozialer, ökologischer und ökonomischer Nutzwert zugeordnet werden. Auf dieser Basis können für die gesamte Stadtfläche die Quadratmeter-Nutzwerte aggregiert werden. Es ergibt sich für alle drei Nutzwerte jeweils ein Summenwert für die gesamte Stadtfläche. Das ermöglich der Politik für alle drei Bereiche Zielwerte festzulegen, die durch die städtische Flächenpolitik erreicht werden sollen. Um die gesetzten Ziele zu erfüllen, kann die Stadt dann gezielte Maßnahmen (z.B. Entsiegelung, Pflanzung von Bäumen, Wohnbebauung und andere Umnutzungen) auf den Weg bringen.

Eine Flächenbilanzierung besteht somit aus zwei Komponenten, quantitativen Flächenvorgaben für maximale Versiegelung und bestimmte Nutzungsarten und den qualitativen Zielwerten für die ökologische, soziale und ökonomische Nutzung der Flächen.

Das Zusammenspiel von Nettonullversiegelung, Flächenentwicklungsplan und Handlungskonzept Wohnen

Die beschriebene Flächenbilanzierung sollte Grundlage eines Flächenentwicklungsplans (Bochum braucht eine Flächenentwicklungsplanung) sein, der wiederum Basis des neuen Handlungskonzepts Wohnen (Klimaschutz muss Grundlage eines neuen Handlungskonzept Wohnen 2.0 werden) sowie weiterer Konzepte wie z.B. die Entwicklung von Gewerbe und Industrie sein sollte.

Damit die fortschreitende Versiegelung der Stadtfläche gestoppt wird, bedarf es aber zunächst eines Umdenkens in der Politik. SPD und Grüne müssen ihren Widerstand gegen entsprechende Instrumente aufgeben, mit denen das Ziel einer Nettonullversieglung erreicht werden kann.

11 Jun

Neue Bäder in Linden und Höntrop müssen klimaneutral sein

Die Bochumer Bäder werden neu gebaut bzw. grundlegend saniert und modernisiert. Geschieht dies nach bisher üblichem Standard, würden die Hallen-, Freibäder und Lehrschwimmbecken fast 40 Gigawattsunden Energie pro Jahr verbrauchen, das entspricht dem Energiebedarf von 3.130 Bochumer Haushalten

Angesichts dem 2019 vom Stadtrat ausgerufenen Klimanotstands und im Hinblick auf das Ziel der Stadt, bis 2035 klimaneutral zu sein, ist unumgänglich, dass die neuen Bäder in Linden und Höntrop klimaneutral gebaut und betrieben werden und alle weiteren Bäder und Lehrschwimmbecken bis 2035 so saniert und umgerüstet werden, dass mit ihrem Betrieb kein Ausstoß von Treibhausgasen mehr verbunden ist. Bei herkömmlicher Bauweise würden sonst allein durch die städtischen Bäder fast 14.000 t CO2 pro Jahr freigesetzt.

Städtische Bäder: 39.351 MWh Energiebedarf für Wärme und Strom

Nach dem Bäderkonzept der Bochumer WasserWelten soll die Wasserfläche in den Hallenbädern auf 3.434 qm ansteigen, 7.344 qm Wasserfläche in Freibädern soll erhalten bleiben. Dazu kommen 1.04.047 qm Wasserfläche für Lehrschwimmbecken. Bei Wassertemperaturen von 28°C und einer Raumlufttemperatur von 32°C ergibt sich für Hallenbäder ein Wärmebedarf von 6 kWh pro qm Wasserfläche, bei Freibädern von 0,7 kWh/qm sowie ein Strombedarf von 1,5 kWh/qm bzw. 0,175 kWh/qm (Wirtschaftliche Energieversorgung von Hallenbädern). Legt man diese Zahlen zugrunde, ergibt sich bei herkömmlicher Bauweise für alle Bochumer Hallen- und Freibäder bzw. Leerschwimmbecken insgesamt ein Energiebedarf für Wärme und Strom von 39.351 MWh.

Strom- und Wärmebedarf Bochumer Bäder

Lösung Teil1: Passivenergiehausstandard

Moderne Schwimmbäder können im Passivhaustandard gebaut werden. Dadurch kann der Wärmebedarf um 67% der Strombedarf 43% gesenkt werden (Hallenbad in Lünen zählt zu den energetisch sparsamsten in Europa). Übertragen auf Bochum verbliebe ein Gesamtenergiebedarf von 14.875 MWh (Wärme: 10.389 MWh, Strom: 4.486 MWh). Um alle Bäder klimaneutral zu betreiben, müsste diese verbleibende Energie zu 100% klimaneutral erzeugt werden.

“H2-ready”-Gasheizsysteme sind keine Lösung

Das sieht der Plan der Stadtwerke allerdings nicht vor, die WasserWelten schreiben zum Neubau des Schwimmbades Linden: “Teil der Modernisierung ist zudem ein innovatives Energiekonzept. Nach der Dämmung der Gebäudehülle sorgen künftig Wärmepumpen, die über eine PV-Anlage auf dem Dach des Hallenbades betrieben werden, sowie ein H2-ready Blockheizkraftwerk (BHKW) und eine Solarabsorber-Anlage für eine effiziente und klimafreundliche Energieversorgung.” (WasserWelten Bochum bauen nachhaltiges Hallen- und Naturfreibad in Linden). Im Wesentlichen basiert das Energiekonzept der Wasserwelten somit weiterhin auf der Verbrennung von Gas.

Das ist, anders als die Wasserwelten schreiben, aber weder innovativ noch nachhaltig. “H2-ready”-Gasheizsysteme sind bisher nichts weiter als ein Werbegag. Verbraucherschützer warnen vor solchen Angaben und entlarven sie als Verbrauchertäuschung (Spiegel vom 15.04.23): De facto könnten viele der “H2-ready”-Gasheizsysteme noch nicht einmal ausschließlich mit Wasserstoff befeuert werden, sondern lediglich mit einer Beimischung von maximal 20 bis 30 Prozent. Die Wissenschaft ist sich einig, “dass Wasserstoff für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors aufgrund der marginalen Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff auch in 2030, gegebenenfalls sogar auch noch in 2045 kaum eine Bedeutung haben wird”.

Auch die Versorgung der Bäder mit Wasserstoff wäre eine Herausforderung. Ein Wasserstoffnetz, wie das bestehende Gasnetz wird es auch in absehbarer Zukunft nicht geben. Der Wasserstoff müsste also mit Tankwagen angeliefert und in Tanks bei 300 bis 700 bar Druck gelagert werden. Diese Versorgungseinrichtungen müssten später an den einzelnen Badstandorten mit entsprechendem Kostenaufwand nachgerüstet werden.

Und wenn Wasserstoff statt Gas zur Wärmegewinnung eingesetzt wird, dann wird es richtig teuer. Denn benötigt man bei der Wärmeerzeugung mit einer Wärmepumpe eine Kilowattstunde Strom um drei Kilowattstunden Wärme zu erzeugen., braucht man, um ein Kilogramm Wasserstoff zu erzeugen, 53 kWh Strom und entstehen bei der Verbrennung eines Kilogramms Wasserstoff 33 kWh Wärme. In der Gesamtbilanz ist der Strombedarf für die Erzeugung einer Kilowattstunde Wärme mittels Wasserstoffes (53 kWh Strom für 33 kWh Wärme) also fast fünfmal höher als bei der Wärmeerzeugung mit Wärmepumpen (11 kWh Strom für 33 kWh Wärme).

Szenarien Kosten Energie 2035

Übertragen auf die zukünftige Bochumer Bäderlandschaft ist die Erzeugung der Wärme mittels Wasserstoffes und Gas 2,6- bis 2,8-mal teurer als die mit Wärmepumpen und Geothermie. Pro Jahr entspricht das höheren Energiekosten von 1,1 bis 1,3 Mio. Euro im Jahr. In 30 Jahren, der Lebensdauer eines Heizsystems, kommt für die Stadt auf diese Weise eine Mehrbelastung von 33 bis 39 Mio. Euro zusammen.

Eine Wärmeerzeugung mittels “H2-ready”-Gasheizsystemen ist also nicht nur im Hinblick auf die von der Stadt verfolgten Klimaneutralität, sondern auch in ökonomischer Hinsicht  keine sinnvolle Lösung für die Bochumer Bäder.

Lösung Teil 2: Geothermie

Die bessere Alternative ist auch für die Bochumer Bäder Geothermie (Erdwärme – Bochums Energie der Zukunft).

Aber welche Potenziale bestehen an den Badstandorten hinsichtlich der Erzeugung von Wärme mittels Geothermie? Zu betrachten wären dabei zunächst die beiden Schwimmbäder in Linden und Höntrop, die in den nächsten Jahren neu gebaut werden sollen sowie das Hallenbad in Langendreer, das parallel grundlegend saniert werden soll:

Hallenfreibad Linden – Nur 1.200 Meter vom Schwimmbad in Linden, betreibt die RAG auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Friedlicher Nachbar eine von sechs Grubenwasserentnahmen im Ruhrgebiet. 6,6 Mio. Kubikmeter 20-22°C warmes Wasser wird dort pro Jahr aus der Tiefe gepumpt. Dieses Wasser könnte mit relativem geringem Energieaufwand mit einer Wärmepumpenanlage auf die im Bad erforderlichen Temperaturen erhitzt werden. Mit Grubenwasser, das auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Robert Müser an die Oberfläche gepumpt wird, wird neben anderen Gebäuden bereits die Hauptfeuerwache in Werne geheizt.

Hallenbad Höntrop – In direkter Nähe zu diesem Bad bestehen gleich mehrere aufgegebene Bergwerkstandorte. Im Bereich des Bades vorhandene oberflächennahe Schächte könnten genutzt werden, um in diese mittels Solarthermie im Sommer aufgeheiztes Wasser zu pumpen, das im Winter genutzt werden kann den Wärmebedarf zu decken. Eine weitere Möglichkeit besteht darin. in der Tiefe bereits vorhandenes warmes Grubenwasser zur geothermischen Nutzung an die Oberfläche zu pumpen, so wie das auf Mark 51.°7 derzeit umgesetzt wird. Eine dritte Möglichkeit wäre die Nutzung von Agrothermie. Dabei wird Wasser über Erdwärmekollektoren unter den umliegenden Felder vorgewärmt.

Hallenbad Langendreer – Am Rande des Geländes enden die Schächte der ehemaligen Zeche Urbanus. Auch hier käme also eine geothermische Nutzung in Betracht.

In allen Fällen könnte mit Hilfe von Erdwärmesonden oder Erdwärmekollektoren vorgewärmtes Wasser genutzt werden, dass dann mittels Wärmepumpen weiter erhitzt wird.

Die klimaneutrale energetische Versorgung der Freibäder ist deutlich einfacher, da diese nur wenige Monate im Sommer geöffnet sind, in denen sich relativ leicht Energie mit Hilfe der Sonne erzeugen lässt (Beispiel Warmfreibad Körperich).

Klimaneutrale Bäder sind ein wichtiger Schritt zur Klimaneutralität der Stadt bis 2035

Insgesamt ergibt sich damit: Die neu zu bauenden Bäder in Linden und Höntrop sollten nach Passivenergiehausstandard geplant und errichtet werden. Der verbleibende deutlich geringere Strom- und Wärmebedarf sollte ausschließlich aus erneuerbaren Quellen (Solartherme, Geothermie, 100% Biogas, Photovoltaik) gedeckt werden. Bei allen weiteren Bädern wäre im Zuge der fortlaufenden energetischer Modernisierung bis 2035 Klimaneutralität herzustellen.

Angesichts des vom Stadtrat 2019 ausgerufenen Klimanotstands und um das Ziel der Stadt, bis 2035 klimaneutral zu sein, zu erreichen, erscheint keine andere Vorgehensweise möglich.

Damit wäre Bochum 2035 die erste deutsche Großstadt, in der alle städtischen Bäder klimaneutral betrieben würden. “Die Schaffung der ersten klimaneutralen städtischen Bäderlandschaft Deutschlands”, könnte daher Kernaktivität der Bochum-Strategie werden.

04 Jun

Bochum Strategie auf Abwegen – Mehr Marketingmaßnahmen als strategische Aktivitäten

Mit großen Ambitionen gestartet, entwickelt sich die Bochum Strategie leider immer mehr zu einem Marketingprojekt. Die neuen Kernaktivitäten sind wenig innovativ und haben kaum strategischen Wert. Mut und Kreativität scheinen die Stadtstrategen verlassen zu haben.

Eigentlich sollten im Rahmen der Bochum Strategie in jedem Jahr 25 Kernaktivitäten auf den Weg gebracht werden, um die Stadt in den fünf Kernkompetenzen der Strategie (Vorreiterin modernen Stadtmanagements, Großstadt mit Lebensgefühl, Hotspot der Live-Kultur, Talentschmiede im Ruhrgebiet, Shootingstar der Wissensarbeit) weiter voranzubringen.

Bochum-Strategie, Grafik

2023 wird es statt 25 jedoch nur 12 neue Kernaktivitäten geben. Als Hauptgrund wird genannt, die Verwaltung soll neben den bereits angestoßenen laufenden Kernaktivitäten nicht mit neuen Projekten überlastet werden. Die Überlegung in 2023 lieber 12 neue qualitativ hochwertige Kernaktivitäten zu starten als 25 beliebige, für deren konsequente Umsetzung das Personal fehlt, ist nachvollziehbar und richtig. Allerdings ist die strategische Qualität der jetzt neu vorgeschlagenen 12 Kernaktivitäten überraschend dürftig (Vorgang 20231337).

Was macht gute Kernaktivitäten aus?

Die Qualität der Kernaktivitäten lässt sich nach fünf Kriterien bewerten:

Potenzial – Ziel jeder Kernaktivität ist, mindestens eine der fünf besonderen Kompetenzen der Stadt nachhaltig zu stärken. Das Projekt, das sich hinter der Aktivität verbirgt, sollte also geeignet sein, die Stadt in dem Bereich, dem diese zugeordnet ist, relevant und sichtbar deutlich voranzubringen. Es reicht nicht aus, wenn der zu erwartende Effekt eher gering bis kaum wahrnehmbar ausfällt.

Vorreiter – Im Idealfall sollte die Stadt mit der Kernaktivität ein Feld besetzen, dass bisher in anderen deutschen Großstädten noch nicht beackert wird. Mit dem Projekt sollte die Stadt eine Vorreiterrolle übernehmen, die auch in den Medien als solche wahr genommen wird.

Neuheit – Mit Kernaktivitäten sollten neue Projekte angestoßen werden, die es bisher in der Stadt noch nicht gibt. Bereits laufende Projekte formal zu Kernaktivitäten zu machen, spart der Verwaltung zwar Arbeit, bedeutet aber letztlich nur eine Vermarktung der Projekte unter dem Label “Bochum-Strategie”. Es spräche nichts dagegen solche Projekte mit dem Label “supported by Bochum-Strategie” auszuzeichnen, den Wert von echten Kernaktivitäten haben sie aber nicht.

Umfang – Eine Aktivität, die im Rahmen der Projekte aufgenommen werden soll, sollte einen relevanten Umfang haben, um das verfolgte strategische Ziel auch zu erreichen. Die Schaffung einer Personalstelle zur Koordinierung von Maßnahmen, die Einrichtung von Gesprächs- und Arbeitskreisen oder der bloße Aufbau einer Internetseite stellt keine echte Kernaktivität dar. Kernaktivitäten sollten zum einen immer eine reale Maßnahme darstellen, nicht nur deren Koordinierung oder Abstimmungsrunden dazu. Es sollte sich auch nicht nur um eine simple Arbeitstätigkeit handeln, die sich binnen weniger Wochen umsetzen lässt.

Substanz – Aktivitäten, die ohnehin aufgrund von geltenden oder zu erwartenden rechtlichen Vorgaben von der Stadt umgesetzt werden müssen oder in anderen Städten oder Unternehmen bereits gängige Praxis sind, sollten keine Kernaktivitäten sein, ihnen fehlt die erforderliche strategische Substanz. Solche Aktivitäten werden nicht aus strategischen Gründen angegangen, sondern weil der Gesetzgeber die Umsetzung verlangt oder sie bereits allgemein üblich sind.

Prüft man die von der Verwaltung vorgeschlagenen 12 neuen Kernaktivitäten (Vorgang 20231337) anhand der beschriebenen fünf Kriterien, ist das Ergebnis leider ernüchternd. Zwar ist das Ziel aller 12 Aktivitäten ohne Ausnahme verfolgenswert und spricht gegen ihre Umsetzung im Prinzip nichts, jedoch erfüllen die meisten die Anforderungen für eine Kernaktivität nicht.

Moderne Arbeitswelten@Stadt Bochum (Steckbrief) – Arbeits- und Büroräume der Stadt Bochum sollen so gestaltet und ausgestattet werden, dass die Beschäftigten dort gerne und kreativ arbeiten können.

Zum einen ist diese Aktivität der Stadt nicht neu, sondern wird bereits seit ein paar Jahren verfolgt, zum anderen ist sie in Unternehmen bereits seit langem üblich. Dass andere Städte in diesem Bereich bisher nur selten modern aufgestellt sind, kann Bochum in diesem Bereich nicht zum Vorreiter machen. Qualität von Arbeitsumfeld und –bedingungen sind am in Deutschland von Arbeitgebern üblicher Weise angebotenen Standard zu messen, nicht selektiv an den bei öffentlichen Arbeitgebern vorzufindenden Zuständen.

Das Projekt erfüllt die Bedingungen an Kernaktivitäten bei den Kriterien Neuheit und Vorreiter somit nicht. Auch fehlt die Substanz. Es wird ohnehin nur das gemacht, was eigentlich schon üblich ist.

Das Projekt, könnte als “supported by Bochum-Strategie” gekennzeichnet werden, als echte Kernaktivität taugt es eigentlich nicht.

Potenzial: +
Vorreiter: –
Neuheit: –
Umfang: +
Substanz: –

mission solar – Unsere Gebäude haben mehr drauf! (Steckbrief) Wo es möglich und sinnvoll ist, sollen städtische Freiflächen und Gebäudedächer mit Solaranlagen bestückt werden.

Auch diese Aktivität läuft bereits und die Umsetzung dieser Maßnahmen hätte gemäß Klimaschutzkonzept schon seit Jahren voran getrieben werden müssen. Auch ein Solarkataster und eine Studie zum Solarpotenzial (Energieatlas NRW) gibt es schon. Ebenso werden entsprechende Aktivitäten in allen deutschen Städten und Gemeinden gleichermaßen verfolgt.

Die Aktivität macht Bochum also weder zum Vorreiter in Sachen Photovoltaik, noch ist sie neu oder hat die für eine Kernaktivität nötige Substanz. Hier wird getan, was der Gesetzgeber in Kürze ohnehin vorschreiben wird.

Drei der fünf Kriterien erfüllt das Projekt also nicht, es wäre aber geeignet als “supported by Bochum-Strategie” ausgezeichnet zu werden.

Potenzial: +
Vorreiter: –
Neuheit: –
Umfang: +
Substanz: –

Smart City Bochum: CONSUL – Bochumer Beteiligungsplattform (Steckbrief) – Die bereits eingeführte (bochum-mitgestalten.de) und von den STADTGESTALTERn 2020 (Die Bürgerbeteiligung in Bochum auf ein neues Niveau heben) vorgeschlagene digitale Bürgerbeteiligungsplattform CONSUL soll ebenfalls als Kernaktivität –ausgewiesen werden.

Bochum zählt zu den ersten deutschen Städte die CONSUL als digitale Bürgerbeteiligungsplattform etabliert. Um die Bürgerbeteiligung auf ein neues Niveau zu heben, ist aber mehr erforderlich als diese Software einzuführen. So fehlt der Stadt z.B. ein zeitgemäßer Beteiligungsprozess bei städtischen Bauvorhaben. Auch die Mitwirkungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen sowie behinderten Menschen ist ausbaufähig.

Würde die Kernaktivität generell eine bessere Beteiligung der Bürger*innen zum Ziel haben, hätte sie das Potenzial für eine echte Kernaktivität, nur die Einführung von CONSUL erfüllt die Kriterien Neuheit und Substanz jedoch nicht.

Potenzial: +
Vorreiter: +
Neuheit: –
Umfang: +
Substanz: –

Bochumer Wärmewende (Steckbrief) – Bei diesem Projekt sollen Vertreter*innen von Stadt Bochum, Stadtwerken und der Bochumer Wohnungswirtschaft in einem Arbeitskreis sich zur Wärmewende austauschen und gemeinsame Pilotprojekte planen.

Auch hier besteht die Aktivität bereits, die Beteiligten haben sich im März 2023 zu einem Bündnis zusammengeschlossen (Wärmewende: Breites Bündnis zur Senkung der Emissionen).

Bei der Wärmewende liegt die Stadt wie fast alle deutschen Städte und Gemeinden weit hinter den in Sachen Klimaschutz erforderlichen Stand zurück. Eine erforderlich Kernaktivität wäre die konkrete Planung und der Bau eines Nahwärmenetzes mit Erschließung geothermischer Wärmequellen. Die bloße Gründung eines Bündnisses bzw. eines Arbeitskreises zur Planung von ersten Pilotprojekten bleibt weit hinter den Anforderungen an Kernaktivitäten zurück. Eine Vorreiterrolle nimmt Bochum mit der Aktivität ebenfalls nicht ein. Es wird eine vom Umfang her kleiner Teilaspekt der Wärmewende angegangen, entsprechend gering ist auch das Potenzial der Aktivität.

Potenzial: –
Vorreiter: –
Neuheit: –
Umfang: –
Substanz: –

Verwenden statt verschwenden – Nac–hhaltige Lebensmittelnutzung (Steckbrief) – Mit dieser Aktivität soll eine Strategie entwickelt werden, wie Lebensmittelverschwendung verhindert wird bzw. nicht genutzte Lebensmittel einer sinnvollen Nutzung (Zweitverwertung) zugeführt werden können, z.B. für bedürftige Menschen.

Möglichkeiten Lebensmittelverschwendung einzudämmen und nicht genutzte Lebensmittel einer Zweitverwertung zuzuführen liegt zu einem wesentlichen Teil nicht in der Hand der Stadt. Akteure sind im Bereich Verkauf und Herstellung von Lebensmitteln andere. Der Handlungsspielraum der Stadt ist auf Apelle, Information und Vernetzung der Akteure begrenzt. Das Potenzial mit städtischen Aktivitäten in diesem Bereich etwas zu bewirken ist somit relativ gering und hat kaum mehr als symbolischen bis informativen Charakter.

Die Kernaktivität ist schon aufgrund der sehr begrenzten städtischen Handlungsmöglichkeiten nicht geeignet, dass sich die Stadt damit als Vorreiter profiliert. Entsprechend gering ist das Potenzial, mit der Aktivität die Kernkompetenz “Großstadt mit Lebensgefühl” relevant zu stärken.

Potenzial: –
Vorreiter: –
Neuheit: –
Umfang: –
Substanz: –

Bermuda3Eck 4.0 (Steckbrief) – Mit der Interessengemeinschaft Bermuda3Eck (ISG) soll eine neue Entwicklungsvereinbarung zur Zukunftssicherung des 3Ecks geschlossen werden und für das 3Eck die Stelle eines/r Quartiersmanager*in geschaffen werden.

Die Schließung einer neuen Entwicklungsvereinbarung stellt eigentlich Tagesgeschäft der Stadt bzw. der städtischen Wirtschaftsentwicklung dar. Mit der bloßen Einstellung eines/r Quartiersmanager*in wird noch keine positive Entwicklung bewirkt.

Dagegen wäre eine echte Kernaktivität z.B. die Schaffung der Victoria-Promenade (Neues City-Highlight: Viktoria-Promenade vom Rathaus zum Schauspielhaus). Eine solche Aktivität könnte insbesondere hinsichtlich Umfangs, Potenzial und Substanz die Anforderungen an eine Kernaktivität erfüllen, die bloße Einstellung eines/r Quartiersmanager*in und der Abschluss einer Entwicklungsvereinbarung ist hingegen dazu nicht geeignet. Die Überschrift der Aktivität als “Bermuda3Eck 4.0” ist irreführend.

Potenzial: –
Vorreiter: –
Neuheit: –
Umfang: –
Substanz: –

Erinnern statt vergessen – Erinnerun–gskultur und Stadtgeschichte (Steckbrief) – Stadtgeschichte soll im öffentlichen Raum durch Forschungs- und Vermittlungsprojekte durch Erinnerungsorte sichtbarer werden, Dazu soll beim Stadtarchiv eine zusätzliche Stelle geschaffen werden.

Auch eine solche Aktivität ist nicht neu, in der Stadt entstehen seit Jahren neue Erinnerungsorte, derzeit am ehemaligen Zwangsarbeiterlager Bergener Straße, auf Friedhöfen und durch den „Stelenweg“, der die Geschichte des jüdischen Lebens in Bochum dokumentiert. Auch in diesem Fall soll also eine schon seit Jahren laufende Aktivität zu einer Maßnahme der Bochum-Strategie deklariert werden.

Die vorhandenen Aktivitäten sind durchaus geeignet als “supported by Bochum-Strategie” gekennzeichnet und ausgebaut zu werden. Um eine echte Kernaktivität handelt es sich aber nicht. Mit dieser Aktivität wird die Stadt nicht zum Vorreiter in Sachen Erinnerungskultur, zudem fehlt es sowohl an Umfang, Substanz und Neuheit. Anders sähe es aus, wenn sich die Stadt Bochum entschließen würde, ein zentrales innovatives ggf. immersives Museum für städtische Geschichte z.B. im Schlegelturm zu schaffen.

Potenzial: +
Vorreiter: –
Neuheit: –
Umfang: –
Substanz: –

Digitale Musikschule im Haus der Musik (Steckbrief)- Die Musikschule, die in ein neues Gebäude umzieht, soll in jeglicher Hinsicht digital werden.

Die Digitalisierung aller Bereiche der Stadt sollte für die Verwaltung schon lange eine Selbstverständlichkeit sein. Zieht die Musikschule in ein neues Gebäude um, dann ist es erst recht selbstverständlich, dass hier alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die Schule digital und zeitgemäß aufzustellen. Einer eignen Kernaktivität bedarf es zur Umsetzung dieser Selbstverständlichkeit nicht.

Mit Digitalisierung kann die Stadt keine Vorreiterrolle einnehmen. Eine digitalisierte Verwaltung ist mittlerweile Standard. Die Bürger*innen erwarten digitalisierte Angebote. Diese nicht zur Verfügung zu stellen, stößt auf Unverständnis und wird als rückständig empfunden.

Der Kernaktivität fehlt es an Potenzial und Substanz, sie ist nicht neu und mit ihr kann sich die Stadt auch nicht als Vorreiter profilieren.

Potenzial: –
Vorreiter: –
Neuheit: +
Umfang: +
Substanz: –

Gute Erziehung – Nachwuchskräfte gewinnen, Profis halten (Steckbrief). Mit der Aktivität sollen Fachkräfte an den Bochumer Kitas gewonnen bzw. In der Stadt gehalten werden, um dort die Betreuungssituation zu verbessern. Dazu soll mehr informiert, genetworkt und die Aus- und Fortbildungsangebote ausgebaut werden. Das ist weder neu noch innovativ. Ob mit diesen Maßnahmen das Ziel erreicht werden kann, ist zudem zu bezweifeln.

Die Arbeitslosigkeit betrug in Bochum 2022 im Schnitt 8,6 %. Das sind 3,1%P mehr als in Deutschland insgesamt. Das Potenzial, um neue Arbeitskräfte zu gewinnen ist in Bochum also vorhanden. Um mehr Menschen zu ermöglichen, mit einem geeigneten Schulabschluss einen Beruf wie der eine/s Erzieher*in zu ergreifen, müsste allerdings insbesondere die Schulbildung in der Stadt verbessert werden. Hier liegt das eigentliche Problem. An diesem geht die Kernaktivität jedoch vorbei.

Potenzial und Substanz der Kernaktivität sind gering, sie ist weder neu, noch wird die Stadt mit ihrer Realisierung in irgendeiner Weise zum Vorreiter.

Es fehlt dagegen eine Kernaktivität “Kindern mehr Chancen und Teilhabe durch bessere Schulbildung ermöglichen”.

Potenzial: –
Vorreiter: –
Neuheit: –
Umfang: –
Substanz: –

Vital. Digital. Bochumer Senior*innenportal (Steckbrief). Mit dieser Kernaktivität sollen die Angebote für Senior*innen, die bisher nur analog auf Papier verfügbar sind, digital auf einer eigenen Internet-Seite verfügbar gemacht werden.

Ein solches Projekt setzen versierte IT-Spezialisten in wenigen Wochen um. Schon der Umfang der Aktivität rechtfertigt nicht, eine eigene Kernaktivität dafür ins Leben zu rufen. Ebenfalls sollte es heute üblich sein, dass alle Angebote für Senior*innen auf einer zentralen Seite über das Internet auffindbar sind. Als Vorreiter kann sich die Stadt mit so einem Projekt nicht präsentieren. Einen nennenswerten Effekt auf das Lebensgefühl in der Stadt ist von dem Portal ebenso wenig zu erwarten.

Potenzial: –
Vorreiter: –
Neuheit: +
Umfang:  –
Substanz: –

Inkubator Grüne Chemie (Steckbrief) – Die Ruhr-Universität Bochum baut derzeit einen F&E-Inkubator aus dem Bereich Chemie auf (“start4chem”), um wissenschaftliche Forschungsergebnisse aus der Grünen Chemie in Gründungsvorhaben umzusetzen. An diesem Projekt will sich die Stadt unterstützend beteiligen.

Bei diesem Projekt handelt es sich somit um eine klassische Aktivität, die geeignet ist als “supported by Bochum-Strategie” gekennzeichnet und unterstützt zu werden. Die Anforderungen an eine echte Kernaktivität erfüllt das Projekt hingegen nicht. Es handelt sich weder um eine neue Aktivität, die im Rahmen der Bochum-Strategie initiiert wurde, noch verfügt sie über die erforderliche Substanz. Das entsprechende Gründungen von der Wirtschaftsentwicklung gefördert und begleitet werden, sollte selbstverständlich sein, auch dass die Wirtschaftsentwicklung dabei Fachbereich spezifische Schwerpunkte bildet.

Potenzial: +
Vorreiter: +
Neuheit: –
Umfang: +
Substanz: –

Gekommen um zu bleiben – Neue Einwohner*innen für Bochum (Steckbrief) – Mit dieser Aktivität soll die Anzahl von Zugezogenen in den Bochumer Arbeitsmarkt, derer, die in Bochum eine Ausbildung machen oder hier studieren sowie derer, die dauerhaft in Bochum bleiben, gesteigert werden.

Für die Umsetzung dieser Kernaktivität fehlt die grundlegende Voraussetzung. Die Bochumer Verwaltung müsste so aufgestellt sein, dass sie die Grundlagen schafft, dass Menschen aus anderen Ländern und Städten nach Bochum kommen und hier bleiben wollen. Das ist bisher nicht der Fall. Die Bearbeitungszeiten im Ausländerbüro sind unzumutbar lang. Eine respektvolle Behandlung ist nicht festzustellen. Der Wille, die Zustände verbessern zu wollen, ist nicht erkennbar. Die Verwaltung ist bereits mit der Bewältigung der aktuellen Aufgaben hoffnungslos überfordert (Zustände im Ausländerbüro sind seit drei Jahren untragbar).

Im Ergebnis werden in Bochum entgegen dem Landestrend nicht mehr, sondern immer weniger Menschen eingebürgert (WAZ vom 21.03.23). Die Bearbeitungszeit der Anträge dauert derzeit 18 Monate. Wer eingebürgert wurde, will häufig nur noch aus Bochum weg. Die schlechte Behandlung durch die Behörden schreckt die Menschen ab, in der Stadt zu bleiben. Die Art und Weise wie die Stadt die Probleme im Ausländerbüro behandelt, lässt nur den Schluss zu, dass sie am Zuzug von Menschen nach Bochum nicht ernsthaft interessiert ist.

Ohne dass in der Stadtverwaltung die Bereitschaft erkennbar ist, dass sie das mit der Aktivität verfolgte Ziel ernsthaft mittragen, ergibt es wenig Sinn eine entsprechende Kernaktivität auf den Weg zu bringen.

Potenzial: keine Bewertung
Vorreiter: keine Bewertung
Neuheit: keine Bewertung
Umfang: keine Bewertung
Substanz: keine Bewertung

Stadtstrategen mutlos und wenig kreativ

Insgesamt erfüllen also alle 12 vorgeschlagenen Projekte nicht die Anforderungen, die an Kernaktivitäten gestellt werden sollten. Die meisten Kernaktivitäten sind nichts mehr als bereits laufende Maßnahmen, die mit dem Label “Bochum Strategie” versehen werden sollen. Dazu werden Aktivitäten, die die Stadt ohnehin verfolgen muss, als strategisch ausgewiesen (PV-Mission, Wärmewende, Digitalisierung) und kleine Maßnahmen werden zu Kernaktivitäten aufgeblasen (Bermuda3Eck 4.0, Senior*innenportal).

Offenbar sind Stadt, Politik und Oberbürgermeister Mut und Innovationskraft abhanden gekommen, Kernaktivitäten auf den Weg zu bringen, die wirklich die Stadt voranbringen und mit denen sich die Stadt als echter Vorreiter profilieren könnte. Kernaktivitäten vom Kaliber “Haus des Wissens” sucht man unter den 12 vorgeschlagenen Aktivitäten vergeblich. Dabei gibt es in Bochum durchaus innovative Ideen mit Alleinstellungsmerkmal, die das Potential für durchschlagende Kernaktivitäten hätten, zum Beispiel:

– Seilbahn City – Ruhrpark – RUB
– Dachpark Innenstadt
– Virtual-Reality-Box
– Men’s Sheds

Es ist Zeit die Bochum-Strategie wieder auf Kurs zu bringen. Das Ziel sollte nicht sein, bereits laufende, wenig ambitionierte Maßnahmen unter dem Namen “Bochum Strategie” zu vermarkten. Vielmehr sollten im Rahmen der Bochum-Strategie einzigartige, ehrgeizige und innovative Kernaktivitäten initiiert und hochgesteckte Ziele verfolgt werden. Die Bochum-Strategie sollte zeigen, 08/15 kann jeder, Bochum kann mehr.

Die STADTGESTALTER

28 Mai

Mc Donalds und Co. sowie E-Scooter-Verleiher in Bochum zur Kasse bitten

Die STADTGESTALTER schlagen vor Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck für Lebensmittel mit einer städtischen Steuer zu belegen und den Verleihunternehmen von E-Scootern für die Nutzung öffentlicher Flächen Sondernutzungsgebühren abzuverlangen. Die eingenommenen Gelder sollen für die Anschaffung von Mehrwegsystemen und Scooter-Abstellplätze eingesetzt werden.

Rund um die Filialen von Starbucks, Mc Donalds und ähnlichen Gastrounternehmen quillen die Mülleimer über mit Kaffeebechern und Fastfood-Müll. Das, was nicht in die Abfallbehälter passt oder die Kunden nicht bereit waren in die Mülleimer zu werfen, findet sich auf den umliegenden Straßen, Gehwegen und Grünanlagen wieder, muss also teuer von der Stadt aufgesammelt und entsorgt werden.

Das Problem: Einwegverpackungen

In Deutschland werden jedes Jahr 2,8 Milliarden Einwegbecher verbraucht (Süddeutsche vom 21.05.19). Die Herstellung der Becher verbraucht Ressourcen wie z.B. Trinkwasser in besonders erheblichen Mengen. Die Nutzung allein von Einwegbechern für Heißgetränke in Deutschland entspricht umgerechnet den Umweltbelastungen von 5.000 Haushalten in Deutschland pro Jahr (Verbraucherzentrale vom 10.02.2021). Wohlgemerkt für eine Verpackung, die nach zirka 10 Minuten keinen Nutzen mehr hat und im Müll landet. Sorglos weggeworfene Einwegverpackungen verrotten nicht, sondern tragen über sehr lange Zeit Mikroplastik in den Boden ein.

Die Lösung: Verpackungssteuer

Dieses Problem wollen die STADTGESTALTER in Bochum jetzt mit einer Verpackungssteuer angehen (Antrag Steuer auf einwegverpackungen). Zwar müssen seit 01.01.23 alle Getränke und Speisen in Einwegplastik auch im Mehrwegbehälter angeboten werden (Handelsblatt vom 30.12.22), doch genutzt wird diese Möglichkeit kaum.

In der Stadt Tübingen wurde Anfang 2022 eine Verpackungssteuer eingeführt Mc Donalds, Starbucks und Co müssen dort je 50 Cent für Einweggeschirr und Einwegverpackungen sowie 20 Cent für Einwegbesteck zahlen, höchstens aber 1,50 Euro pro ausgegebenes Essen. Mc Donalds wollte die Verpackungssteuer nicht hinnehmen, scheiterte aber in allen Instanzen zuletzt vorm Bundesverwaltungsgericht (BVerwG: Tübingen darf Verpackungssteuer erheben).

Förderung von Mehrweg

Die Einnahmen, die durch die Einwegverpackungssteuer erzielt werden, sollen nach den Vorstellungen der STADTGESTALTER genutzt werden, um Bochumer Unternehmen aus der Gastronomie bei der Anschaffung von Mehrweg-Behältnissen und Mehrweg-Geschirr oder einer Gewerbespülmaschine bzw. bei der Teilnahme an einem Pfand-Poolsystem zu unterstützen.

Bisher zeigt sich Bochum beim Vorgehen gegen Einwegverpackungen wie in Umweltfragen generell wenig ambitioniert. Lediglich bei Großveranstaltungen soll es bisher kein Plastikgeschirr mehr geben. Ernsthaft durchgesetzt wird der Beschluss jedoch kaum, wie zuletzt auf dem Weihnachtsmarkt 2022 zu beobachten war.

Weiters Problem: Einwegverpackungen bei der Lieferung von Essen

Auch die Einwegverpackungen, die bei Lieferungen von Essen nach Hause anfallen, stellen ein großes Problem dar. Zwar müssen alle Gastronomen zu lieferndes Essen seit Anfang 2023 ebenfalls in Mehrweg- oder Nicht-Plastikverpackungen anbieten, Hinweise auf dieses Angebot, sucht man bei Lieferdiensten bisher aber oft vergeblich. Viele Gastronomen haben die Verpflichtung zu diesem Angebot bisher offenbar noch gar nicht umgesetzt (Greenpeace 29.03.23). Darüber hinaus nehmen bisher nur wenige Kunden das Angebot wahr.

Auch im Fall von Lieferungen ist nicht anzunehmen, dass der ausschließliche Einsatz von Mehrwegsystemen freiwillig erfolgen wird. In einem nächsten Schritt wäre daher zu überlegen, wie die Verpackungssteuer auf den Einwegmüll, der bei Lieferungen anfällt, ausgeweitet werden kann.

Sondernutzungsgebühr für Verleihroller

Auch bei den E-Scootern schlagen die STADTGESTALTER vor, die Verleihunternehmen zukünftig zur Kasse zu bitten, und zwar für die Nutzung des öffentlichen Raums zum Abstellen der Fahrzeuge (Antrag Sondernutzungsgebühr E-Scooter)). Für jeden E-Scooter soll dafür eine Gebühr zur Nutzung öffentlichen Raums erhoben werden. Die Stadt Köln erhebt 85 bis 130 pro E-Scooter. Das Oberverwaltungsgericht Münster entschied im Mai dieses Jahres, für das Abstellen von E-Scootern im öffentlichen Straßenraum darf die Stadt Köln von den Betreibern gewerblicher Verleihsysteme solche Sondernutzungsgebühren erheben. (StGB NRW-Mitteilung vom 22.05.2023)

Die Erhebung der Nutzungsgebühr ist nur konsequent. Wer eine öffentliche Fläche für private Zwecke nutzt bzw. mit Gewinnerzielungsabsicht, ohne dass dabei ein nennenswerter Nutzen für die Allgemeinheit entsteht, der sollte die Kosten tragen, die er dafür verursacht. Das sollte für E-Scooter wie für Autos gleichermaßen gelten (Bewohnerparken). Wie sich die STADTGESTALTER dafür einsetzen, dass für Autos, die im öffentlichen Straßenraum geparkt werden, eine kostendeckende jährliche Bewohnerparkgebühr von 250 Euro gezahlt werden sollte (Antrag Gebühren für Bewohnerparken), sollte das Abstellen von Leihrollern auf öffentlichen Gehwegen in gleicher Weise behandelt werden.

Durch den gewerblichen Verleih von E-Scootern kommt es zu einer zum Teil erheblichen Einschränkung des Gemeingebrauchs des öffentlichen Raums bei einem gleichzeitig realisierten wirtschaftlichen Vorteil für die Betreiber (VG Köln, Urteil 21 K 4874/22 vom 11.01.2023) Die zu entrichtende Gebühr ist die Gegenleistung für die erlaubte Sondernutzung der Straße als Privileg des Erlaubnisnehmers unter gleichzeitiger Inkaufnahme, dass die anderen Verkehrsteilnehmer dadurch in ihrem Gemeingebrauch der Straße beeinträchtigt werden können.

Weitere Maßnahmen gegen das E-Scooter-Chaos

Auch bei den E-Scootern, sollte die Stadt die eingenommenen Gebühren in Maßnahmen zur besseren Ordnung des E-Scooter Verkehrs investieren, z.B. in die Markierung spezieller Abstellflächen für die Leihroller. Bereits 2019 hatten die STADTGESTALTER noch 11 weitere Maßnahmen gegen das E-Scooter-Chaos vorgeschlagen (12 Maßnahmen gegen das E-Roller Chaos). Leider blieb die Stadt auch in diesem Bereich bisher weitgehend untätig.

Verpackungssteuer wie Sondernutzungsgebühr für E-Scooter würden dazu beitragen, etwas mehr Ordnung und Sauberkeit auf den Bochumer Straßen zu schaffen. Dazu muss es Ziel der Stadt sein, die in der Stadt erzeugte Müllmenge drastisch zu reduzieren, um Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen. Man darf gespannt sein, ob die Bochumer Politik sich diesmal durchringt in dieser Hinsicht das erforderliche zu tun.

Foto: Rupert Ganzer, Alexander Migl

21 Mai

Klimaneutral 2035? Bochum kann das Ziel nicht erreichen

2019 ruft Bochum den Klimanotstand aus. 2035 will die Stadt klimaneutral sein. Reichen die bisherigen Anstrengungen aus, um das Ziel zu erreichen? Die STADTGESTALTER haben untersucht, wie weit die Stadt bei den wichtigsten Maßnahmen ist. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Auf den Seiten der Stadtist zu lesen, Bochum will 2035 klimaneutral sein. Doch seit Ausrufung des Klimanotstandes durch den Stadtrat am 6 Juni 2019 hat sich in der Stadt wenig beim Klimaschutz getan. Die Stadt hat es in vier Jahren nicht mal hinbekommen ein aktualisiertes Klimaschutzkonzept aufzustellen, das eine Strategie festlegt, wie sie in den nächsten 13 Jahren bis 2035 den Ausstoß, von klimaschädlichen Treibhausgasen auf Null reduzieren will. Die Stadt handelt weiter planlos.

Doch auf welchem Stand ist sie vier Jahre nach Ausrufung des Klimanotstandes tatsächlich. Das haben die STADTGETALTER untersucht.

Was ist für Klimaneutralität nötig?

Um das Ziel Klimaneutralität zu erreichen, muss der Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen in der Stadt beendet werden. In Bochum entsteht klimaschädliches CO2 fast ausschließlich durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen: für die Stromerzeugung (30%), die Wärmeerzeugung (36%) und im Verkehr (Mobilität 34%). In allen drei Bereichen, muss also die Erzeugung der benötigten Energie auf erneuerbare Quellen umgestellt werden. Das kann nur gelingen, wenn die fossilen Brennstoffe durch erneuerbar erzeugte elektrische Energie ersetzt werden. Klimaneutralität ist also in Bochum dann erreicht, wenn der Strom, der in der Stadt verbraucht wird, zu 100% aus erneuerbaren Quellen kommt und die Energie zur Erzeugung von Wärme und Mobilität fast ausschließlich elektrischer Natur ist.

Energieverbrauch Stadt Bochum 2021

Die Untersuchung der STADTGESTALTER

Für alle drei Bereiche haben die STADTGESTALTER also untersucht, wie weit zum heutigen Zeitpunkt in Bochum bereits erneuerbare Energie zum Einsatz kommt und wie weit die Stadt vom selbst gesetzten Ziel davon 100% erneuerbare Energieträger einzusetzen entfernt ist. Grundlage der Untersuchung war zum einen der Energieatlas NRW, dem bis zum Jahr 2021 entnommen werden kann, welche Potenziale für die Nutzung erneuerbarer Energien in Bochum bestehen und wie diese in der Stadt bereits ausgenutzt werden, zum anderen eine Sondierungsstudie des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, wie die Stadt Wuppertal bis 2035 klimaneutral werden kann (Wuppertal klimaneutral 2035, Sondierungsstudie aus dem Jahr 2021).

In der Studie des Wuppertaler Instituts wird dargestellt, welche realen Möglichkeiten bestehen die theoretisch bestehenden Potenziale auszunutzen, um stadtweit fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen. Die Ergebnisse zur Stadt Wuppertal lassen sich gut auf Bochum übertragen, da beide Städte etwa die gleiche Einwohnerzahl wie Größe aufweisen und sich hinsichtlich Klimaneutralität im Jahr 2021 auf annähernd gleichen Stand befanden und etwa die gleichen Potenziale aufweisen, die genutzt werden müssten, um das Ziel bis 2035 klimaneutral zu werden, zu erreichen.

Strom – Wärme – Verkehr (Mobilität)

Der Energieatlas NRW gibt für Strom und Wärme folgende Potenziale für die erneuerbare Erzeugung in Bochum an:

Klimaschutz Potenziale, Stadt Bochum

Die ausgewiesenen Potenziale wurden in einer Reihe von Potenzialstudien ermittelt, die das Land NRW in den letzten Jahren in Auftrag gegeben hat.

Für die drei Bereiche Strom, Wärme und Mobilität (Verkehr) stellt sich damit der Sachstand für Bochum wie folgt dar:

Strom – 2021 lag der Gesamtverbrauch an Strom in Bochum bei 2.733 GWh. Um klimaneutral zu werden, geht das Wuppertal Institut davon aus, dass der Verbrauch ohne Wärme- und Verkehrsanwendung um 45% bis 2035 gesenkt werden muss. Durch den zunehmenden Einsatz von Strom zur Erzeugung von Wärme und im Verkehr wird in Summe bis 2035 eine Zunahme auf 110% gegenüber dem heutigen Verbrauch erwartet. Auf Bochum übertragen würde der Stromverbrauch 2035 somit bei 3.006 GWh liegen.

Klimaschutz Strom

Um dieses Ziel zu erreichen, müsste der Stromverbrauch (ohne Verkehr und Wärmeerzeugung) in Bochum von 2021 bis 2035, also in 14 Jahren, im Schnitt pro Jahr um 88 GWh abnehmen. Dies ist bisher nicht der Fall. Nennenswerte Bemühungen den Stromverbrauch in Bochum zu senken, gab es im Rahmen von Klimaschutzmaßnahmen bisher nicht. Erst durch die Energiekrise in Folge des Ukrainekriegs, wurde die Stadt genötigt, sich Maßnahmen zu überlegen, wie der Energieverbrauch der Stadt gesenkt werden kann.

Neben der Senkung des Verbrauchs ist die Umstellung der Stromerzeugung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energieträger für die Erreichung des Ziels Klimaneutralität entscheidend. 2014 wurde nur 11,5 % des Stroms, den die Stadtwerke Bochum an ihre Kunden verkauft haben, klimaneutral, auf Basis erneuerbaren Quellen erzeugt, 88,5 des Stroms wurden mit Gas, Kohle oder Atomkraft hergestellt. Der Anteil des erneuerbar erzeugten Stroms dürfte bis 2021 auf etwa 16% angewachsen sein. In Bochum selbst werden nur 2% des Stroms erneuerbar erzeugt.

Durch den Einkauf von norwegischen Ökostromzertifikaten geben die Stadtwerke zwar selbst an, 48,8% des Stroms stamme aus erneuerbaren Quellen (Strommix Stadtwerke Bochum) . Dies ist allerdings eine falsche Darstellung, die zwar legal ist, aber an den realen Daten nichts ändert. Die Stadtwerke kaufen in Norwegen Zertifikate für mit Wasserkraft erzeugten Strom ein, um damit tatsächlich fossil erzeugten Strom als erneuerbar ausweisen zu können (Bochum muss deutlich mehr tun fürs Klima). Das ist  Etikettenschwindel und wird als Greenwashing bezeichnet.

Der Energieatlas NRW weist für Bochum aus, dass auf den Dächern und Freiflächen der Stadt insgesamt 1.255 GWh Strom pro Jahr solar erzeugt werden könnten (Photovoltaik: PV). Das wären 45,9% des Gesamtstromverbrauchs von 2021. Mit anderen erneuerbaren Energieträgen (u.a. Biomasse, Wasserkraft) ließen sich weitere 3.2% des Verbrauchs erneuerbar herstellen. Für Windkraft besteht kein Potenzial in Bochum. Somit liegt das Hauptpotenzial zur Stromerzeugung in Bochum selbst bei PV-Anlagen. Im Jahr 2021 wurden nur 74,4 GWh Strom in Bochum erneuerbar erzeugt, davon 40 GWh solar. Vom bestehenden Gesamtpotenzial für erneuerbare Energieerzeugung wurden bisher nur 2,7% ausgenutzt.

Das Wuppertalinstitut geht davon aus, dass von dem ausgewiesenen PV-Potenzial bis 2035 80% nutzbar gemacht werden könnten, also 1.004 GWh pro Jahr. Um dieses Potenzial voll ausnutzen, müsste der mittels Photovoltaik auf Bochumer Dach- und Freiflächen erzeugte Strom im Jahr um 69 GWh steigen, 2022 konnte aber nur ein Ausbau um 8 GWh erreicht werden. Der Ausbau geschieht also viel zu langsam. Zwar werden auf öffentlichen Gebäuden mittlerweile PV-Anlagen aufgebaut doch werden teilweise immer noch, wie beispielsweise bei der Sporthalle in Linden, die Potenziale nicht voll ausgenutzt und nur ein Teil der Dachfläche mit PV-Modulen bestückt (Neue Zweifach-Sporthalle in Linden).

Auch fehlt der politische Wille den Ausbau von PV zu fördern. So lehnten SPD und Grüne sowohl eine Förderung von Balkonsolaranlagen ab (Vorlage 20211923) , ebenso wie eine Erhöhung der Vergütung von in das Bochumer Stromnetz einzuspeisenden Solarstrom (Vorlage 20222985/1). Beides wurde von den STADTGESTALTERn vorgeschlagen.

Stand heute ist somit als gänzlich unrealistisch anzusehen, dass Bochum bis 2035 den Stromverbrauch in der erforderlichen Weise wird senken können, noch, dass der nötige Zubau an PV-Anlagen in den verbleibenden 13 Jahren gelingen wird.

Wärme – Für die Erzeugung von Wärme werden in Bochum derzeit jedes Jahr 3.200 GWh Energie aufgewendet (Vorlage 20221538).

Klimaschutz Wärme

Das Wuppertalinstitut geht davon aus, dass der Wärmeverbrauch bis 2035 um 30% gesenkt werden sollte. Für Bochum würde das einen verbleibenden Wärmebedarf von 2.240 GWh im Jahr 2035 bedeuten. Damit der Wärmebedarf sinkt, müssten viele der in Bochum vorhandenen Gebäude energetische saniert werden. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar, denn die in Bochum vorhandenen Gebäude wurden zu einem großen Teil zu Zeiten gebaut, in denen eine Dämmung der Häuser nicht üblich war und insgesamt sehr kostengünstig. materialsparend und wenig energieeffizient gebaut wurde. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssten laut Wuppertal Institut pro Jahr 4% der Bestandsgebäude energetisch saniert werden. Bisher liegt die energetische Gebäudesanierungsrate in Bochum jedoch bei unter 1%.

Das Potenzial zur Erzeugung von Wärme liegt dagegen in Bochum bei 3.265 GWh pro Jahr. Die benötigte Wärme kann also in Bochum zu 100% erneuerbar erzeugt werden. Der größte Teil des Potenzials liegt bei der Geothermie (2.865 GWh). Eine nennenswerte Ausnutzung der erneuerbaren Quellen zur Wärmeerzeugung geschieht in Bochum jedoch bisher nicht, Im Klimaschutzkonzeot 2030 wird angegeben, dass der Wärmebedarf der privaten Haushalte zu 3% mit Holz gedeckt wird. Andere erneuerbare Quellen werden in keinem nennenswerten Umfang genutzt.

Das Wuppertal Institut geht davon aus, dass 50% des rechnerisch vorhandenen Potenzials für Geothermie bis 2035 auch tatsächlich genutzt werden könnte (1.427 GWh), das entspricht einem Anteil von 62% des Wärmebedarfs im Jahr 2035. Dieser teilt sich wiederum auf in Tiefen- und oberflächennahe Geothermie. Weitere Potenziale zur Deckung der verbleibenden 38% Wärmebedarf bestehen in der Nutzung von Solarthermie, Bio- und Syngas, Biomasse und Fernwärme.

Allerdings wird Fernwärme im Ruhrgebiet bisher nur zu 5% aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt (Fernwärme Ruhrgebiet). Dieser Anteil muss bis 2035 auf 100% steigen. Dies stellt eine weitere Herausforderung im Wärmebereich dar.

Im Bereich Geothermie sind in Bochum in letzter Zeit zwar einige vielversprechende Projekte auf den Weg gebracht worden (Erdwärme – Bochums Energie der Zukunft). Allerdings findet der erforderliche Ausbau bisher nicht halbwegs in dem Maße statt wie dies in den Jahren bis 2035 erforderlich wäre. Das gilt in gleicher Weise für die Energieträger Solarthermie, Bio- und Syngas, sowie Biomasse.

Die Politik blockiert auch hier mehr die Entwicklung, als dass sie diese fördert. In Bebauungsplänen für Neubaugebiete wird immer noch keine Verpflichtung zur Wärmeerzeugung mit erneuerbaren Energieträgern vorgeschrieben. Auch lehnten SPD und Grüne sowohl einen Masterplan Geothermie ab (Vorlage 20223026) wie auch den Ausbau von Agrothermie (Vorlage 20223067). Beide Anträge wurden von den STADTGESTALTERn gestellt.

Stand heute ist somit als gänzlich unrealistisch anzusehen, dass Bochum bis 2035 den Wärmeverbrauch in der erforderlichen Weise wird senken können, noch, dass der nötige Zubau an insbesondere Geothermie bis 2035 gelingen wird.

Verkehr (Mobilität) – Der Energieverbrauch des Verkehrs liegt in Bochum bei knapp über 3.000 GWh. Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, sollte laut Wuppertal Institut der Personenverkehr in der Stadt um 20% und der Güterverkehr um 10% sinken.

Klimaschutz Mobilität

Darüber hinaus sollte die Zahl der Wege, die mit dem Auto gefahren werden, um 29%P abnehmen. Im Gegenzug müssten die Anteile des Radverkehrs auf 25% (´+18%P) steigen, der Anteil des ÖPNV auf 26% (+11%P).

Für die verbleibenden Wege, die motorisiert zurückgelegt werden, sollten ganz überwiegend E-Fahrzeugen eingesetzt werden. Bei PKW wird eine Quote von 97% angestrebt bei leichten Nutzfahrzeugen von 80%, bei schweren von 70% und bei Bussen von 100%.

Um diese Ziele zu erreichen, tut Bochum jedoch fast nichts. Wirksame Maßnahmen, gezielt den Personen- und Güterverkehr zu senken, gibt es keine, ebenso wenig nennenswerte Projekte um den ÖPNV auszubauen, insbesondere um das Netz zu erweitern und zu verbessern. Das Ziel, den Radverkehr auf einen Anteil von 25% bis 2030 auszubauen, wurde im Rahmen des neuen Radverkehrskonzeptes erst kürzlich kassiert. Jetzt wird nur noch ein Zielwert von 15% verfolgt. Auch beim ÖPNV-Ausbau zeigen sich SPD und Grüne desinteressiert. Wie von den STADTGESTALLTERn vorgeschlagen, Vorplanungen zur Ausweitung des ÖPNV-Netzes (Vorgang 20213912) aufzunehmen, wurde von der Koalition abgelehnt.

Die Zahl der Fahrzeuge mit E-Antrieb nimmt ebenfalls nicht im erforderlichen Maß zu. In jedem Jahr müsste die Zahl der Elektrofahrzeuge bei den PKW um 11.623 zunehmen, bei den LKW um 938. 2022 wurden jedoch nur 4.062 neue E-PKW zugelassen. Die Zahl der E-LKW nahm sogar ab.

Stand heute ist somit als gänzlich unrealistisch anzusehen, dass Bochum bis 2035 den Energieverbrauch im Verkehr in der erforderlichen Weise wird senken können, noch, dass die erforderliche Verlagerung eines Großteils der Mobilität auf klimaneutrale Verkehrsmittel gelingen wird.

Insgesamt ist zu konstatieren, in den drei wichtigsten Bereichen Strom, Wärme und Verkehr (Mobilität) sind keine ausreichenden Anstrengungen der Stadt festzustellen, um das Ziel zu erreichen, dass die Stadt bis 2035 klimaneutral wird.

Weitere wichtige Bereiche zur Erreichung von Klimaneutralität

Aber auch in weiteren Bereichen, die zur Erreichung des Ziels Klimaneutralität wichtig sind, bleiben Anstrengungen in Richtung Klimaschutz aus.

Flächen und Versiegelung – So kann sich die Stadt weiterhin nicht durchringen die weitere Flächenversiegelung und den Neubau auf Frei- und Grünflächen zu stoppen. Auch durch den Abriss alter Gebäude und den Neubau werden große Mengen CO2 verbraucht (Darum brauchen wir eine Bauwende).

Bereits 2019 hatten die STADTGESTALTER die Einführung einer Flächenbilanzierung mit dem Ziel einer Nettonullneuversiegelung beantragt (Vorlage 2019016). Dieser Antrag scheiterte ebenso wie der 2023 von den Linken beantragte Flächenverbrauch-Stopp bis 2030 (Vorlage 20231069). Immer wieder stimmten SPD und Grüne dagegen.

Klimaschutz Flächen und Versiegelung/ Abfall

Abfall – Auch die Reduzierung des Restmüllvolumens und die optimale energetische Verwertung des Biomülls kommt in Bochum nicht voran. Die Restmüllmenge in Bochum müsste von 256 kg 2021 auf 50 kg 2035 pro Person sinken (Bochum macht zu viel Müll), tatsächlich erhöht sich die Menge von Jahr zu Jahr.

Auch zur effizienten Nutzung des Biomülls zur Wärme- und Stromerzeugung ist Bochum nicht gewillt. Der von den STADTGESTALTERn diesbezügliche Antrag (Vorgang 2023ß136) wird mit der fadenscheinigen Begründung hinausgezögert, man warte noch auf eine technische Möglichkeit den Biomüll vom Restmüll zu trennen, um eine Biotonnenpflicht zu vermeiden. Dass eine solche technische Möglichkeit bis 2035 entwickelt wird, die auch ökonomisch tragfähig ist, wird von Fachleuten allerdings nicht erwartet.

So versäumt es Bochum 4.800 Haushalte mit klimafreundlichem Strom und Wärme zu versorgen (Strom und Wärme aus Biomüll für 4.800 Haushalte – Bochum braucht eine Biogasanlage).

Städtische Gebäude und Infrastruktur – Auch die Stadt selbst tut immer noch zu wenig in Sachen Klimaschutz. Immerhin führte der Ukrainiekrieg dazu, dass die Stadt aufgrund von Vorgaben des Bundes Maßnahmen ergreifen musste, um den Energieverbrauch städtischer Gebäude um 12% zu senken. Darauf war man mit dem Ziel des Klimaschutzes bisher nicht gekommen. Eine weitere Senkung des Energieverbrauchs ist bisher nicht beabsichtigt, obwohl das Wuppertal Institut insgesamt 40% im Zeitraum 2021 bis 2035 für nötig hält.

Klimaschutz städtische Gebäude und Infrastruktur

Um Klimaneutralität zu erreichen, müsste der gesamte Gebäudebestand der Stadt bis 2035 energetisch saniert werden. Hinzu kommt, dass der gesamte Strom- und Wärmebedarf für die städtischen Liegenschaften bis 2035 zu 100% mit erneuerbaren Energien bereitgestellt werden müsste. Ebenfalls müssten alle städtischen Fahrzeuge durch solche mit E-Antrieb ersetzt werden, inklusive der Busse der BOGESTRA. Wie weit die Stadt in diesen Punkten ist, dazu liegen derzeit allerdings keine Daten vor. Diese werden die STADTGESTLATER in der nächsten Ratssitzung erfragen.

Bei der Senkung des Stromverbrauchs der Straßenbeleuchtung durch die Umrüstung auf LEDs lässt sich bei derzeitigem Tempo das Ziel 2035 alle Leuchten umgerüstet zu haben, nicht erreichen. 400 Laternen werden derzeit pro Jahr umgerüstet, 1.857 müssten es sein. Auch hier tut die Stadt somit zu wenig.

Fazit: Anstrengungen reichen niemals aus, um Klimaneutralität 2035 zu erreichen

In fast allen Bereichen reichen die Anstrengungen nicht ansatzweise aus, um das Ziel, Klimaneutralität bis 2035, zu erreichen. Während die wichtigen Maßnahmen liegen bleiben, ist die städtische Stabsstelle Klima und Nachhaltigkeit vorwiegend mit Klimamarketing beschäftigt. Worte ersetzen Taten: 200 obdachlose Menschen erhalten ÖPNV-Tickets, der Oberbürgermeister unterschreibt Resolutionen, Studien werden verfasst. Sonst passiert wenig bis gar nichts (Stabsstelle Klima und Nachhaltigkeit).

Klimaschutz Anstrengungen

Die Grünen haben unterdessen festgestellt, dass für den Klimaschutz zu wenig Stellen in der Verwaltung vorhanden sind. Im November haben sie noch den Haushalt für 2023 und 2024 sowie den dazu gehörigen Stellenplan gemeinsam mit der SPD beschlossen und alle Anträge der Opposition, die Mittel für den Klimaschutz zu erhöhen, abgelehnt, jetzt fordern sie selbst mehr Personal (Personalnotstand: Wir fordern mehr Arbeitskräfte in der Stabsstelle Klima und Nachhaltigkeit).

Eigentlich legt man zunächst fest, welche Maßnahmen zur Erreichung den Klimaneutralität 2035 erforderlich sind. Leitet daraus ab, wie viele Beschäftigte man in der Verwaltung für die Umsetzung benötigt und schafft diese Stellen dann und setzt danach die beschlossenen Maßnahmen konsequent um.

In Bochum läuft das anders. Erst setzt man sich ohne groß nachzudenken, wie man es realisieren will, ein Ziel. Dann passiert vier Jahre nichts Nennenswertes. Über vier Jahre braucht man allein dafür ein Konzept zu erarbeiten, obwohl man auch ohne aufgeblasenes Konzept lange weiß, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Stadt klimaneutral zu machen. Noch ehe das Konzept fertig ist, beschließt man wie viel Personal man benötigt, um das noch nicht vorhandene Konzept umzusetzen, um dann sechs Monate später zu der Erkenntnis zu kommen, das Personal reiche nicht ansatzweise aus, obwohl immer noch weder ein Konzept vorliegt, noch Bereitschaft erkennbar ist, wirklich zu tun, was erforderlich ist, um das gesetzte Ziel zu erreichen.

Kein Wunder, dass es schwierig ist die Stellen in der Stabstelle Klima und Nachhaltigkeit überhaupt zu besetzen bzw. viele Beschäftige es dort nicht lange aushalten und sich nach kurzer Zeit wieder wegbewerben. Wer will schon unter solch chaotisch anmutenden Rahmenbedingungen arbeiten und sich für ein Ziel einsetzen, das offenbar weder von Oberbürgermeister, Stadtbaurat, noch von SPD und auch nicht von den Grünen mit der notwenigen Entschlossenheit verfolgt wird?

Beitragsbild: Claus Ableiter

14 Mai

Gestaltungssatzung absurd: Wenn die Markise nicht mit der Gestaltung der Tanke harmoniert

Nach Jahrzehnten Desinteresse an der optischen Gestaltung der Innenstadt wollte Bochum mit einer Gestaltungssatzung die bauliche Verunstaltung beenden und auf lange Sicht wirksame einheitliche Gestaltungsstandards einführen. Doch das Projekt scheiterte vor Gericht an übertriebener bürokratischer Regelungswut, genauer an der Markise einer Shisha- und Cocktailbar, die nicht mit der Tanke, dem grauen Schotter auf dem Parkplatz und dem trostlosen Innenstadtring harmonierte.

Über Jahrzehnte zeigten sich Stadt und Politik an einer ansprechenden Gestaltung der Bochumer Innenstadt bewusst desinteressiert. Jedes Bauprojekt wurde durchgewunken, egal in welcher Weise es die Innenstadt verschandelte. Anders lässt sich die Verunstaltungen des Stadtbildes mit Bausünden wie Deutsche Bank, Witteler Passage, Dr.-Ruer-Platz, Einkaufszentrum Gerberviertel einschließlich Bebauung Große Beckstraße, Stadtbadgalerie (jetzt Bochumer Fenster) und “Boulevard”, von Jochen Malmsheimer spöttisch als “längs halbierte Schuttrutsche” bezeichnet, nicht erklären. Lange war allen Beteiligten völlig egal, wie es in der Innenstadt aussah. Mit “Woanders ist auch scheiße” wurde jede Kritik an optischen Missständen in der City vom Tisch gewischt.

Gestaltungssatzung, eigentlich eine gute Initiative

Initiiert von einigen maßgeblichen Geschäftsleuten der Innenstadt, sollte diese Gleichgültigkeit gegenüber einer ansprechenden Gestaltung der Innenstadt durch die Einführung einer Gestaltungssatzung beendet werden. Eine gute und lange überfällige Initiative, die bei Stadt, insbesondere dem Stadtbaurat auf fruchtbaren Boden fiel.

Doch die Stadt schüttete das Kind mit dem Bade aus. Statt sich in der Gestaltungssatzung auf die Festlegung wesentlicher Standards für die zukünftige Gestaltung der Stadt zu beschränken, wollte man jede erdenkliche Kleinigkeit regeln. Die Stadt beauftragte für ein sechsstelliges Honorar zunächst ein Dortmunder Architekturbüro ein Handbuch zu verfassen, dass auf 260 Seiten verbindlich festlegte, wie Fassaden, Schaufenster, Außengastronomie und Werbeträger zukünftig auszusehen hätten (Stadtplanung: Ausufernde Konzeptflut sorgt für Zeit- und Geldverschwendung)..Darauf aufbauend erstellte die Verwaltung die eigentliche Gestaltungssatzung, die besonders durch eine übertriebene bürokratische Regelungswut auffällt.

So wird etwa für die “Fassadenfarbigkeit” festgelegt: “
1. Für Putzfassaden sind helle Farben mit einem Weißanteil von mind. 80 %, einem Schwarzanteil von max. 10 % und einem Buntanteil von max.10 % nach dem Natural

Color System (NCS) zu verwenden. Gliedernde oder plastische Fassadenteile können farblich durch Beimischung von Schwarz- oder Weißanteilen abgesetzt werden.

2. Abweichungen von dem unter Nr. 1 festgesetzten NCS-Farbspektrum sind bei Fassaden aus Naturstein, Betonwerkstein oder Ziegel zulässig, wenn rotoranger, rotbrauner, dunkelroter, hellgelber, hellbeiger oder sandfarbener Ziegel bzw. hellgelber, hellbeiger oder sandfarbener Naturstein/Betonwerkstein verwendet wird.

3. Bei Gebäuden der Nachkriegsmoderne sind bauzeitlich vorhandene farbliche Akzentuierungen durch keramische Bekleidungen (z. B. Brüstungsfelder aus Kleinmosaik) ausnahmsweise zulässig.

Der Bochumer Stadtrat stimmte dem Regelungswerk im Vertrauen darauf zu, dass die Verwaltung deren Rechtmäßigkeit hinreichend geprüft hätte. Zwar bereitete die Detailverliebt der Regelungen insbesondere der Fraktion von STADTGESTALTERn und FDP erhebliche Bauchschmerzen, doch war man froh, dass überhaupt endlich was in Sachen Verbesserung der Gestaltung der Innenstadt auf den Weg gebracht werden sollte. Zudem sicherte der Oberbürgermeister zu, die Verwaltung werde die Regelungen großzügig auslegen.

Satzung ist wegen mehreren inhaltlichen Mängeln unwirksam

Beides bewahrheitete sich jedoch nicht. Das Verwaltungsgericht kam zu der Einschätzung, die Gestaltungssatzung sei aufgrund gleich mehrerer inhaltlicher Mängel unwirksam. Insbesondere bemängelt das Gericht:
1. Die Satzung müsse jedem Adressaten klar zu erkennen geben, was von ihm gefordert werde. Dass sei bei der Bochumer Gestaltungssatzung nicht der Fall.

2. Die Satzung lege für den gesamten Innenstadtbereich (Bebauung entlang des Rings und innerhalb des Rings: Geltungsbereich Gestaltungssatzung) wahllos die gleichen Gestaltungsregeln fest und missachte damit die örtlichen Besonderheiten und die teilweise massive Heterogenität der unterschiedlichen Stadtbereiche (ehemalige Altstadt, Kortländer Kiez,, Einkaufszonen usw.), aus denen sich die Innenstadt zusammen setze.

3. Eine angemessene Abwägung zwischen den privaten Interessen der von der Gestaltungsatzung Betroffenen und dem öffentlichen Interesse, das die Gestaltungssatzungsatzung verfolgt, sei nicht erfolgt.

4. Den Gestaltungsregeln der Gestaltungsatzung fehle ein Anknüpfungspunkt an örtliche Gegebenheiten. Eine Rechtfertigung, warum bestimmte bauliche Anlagen kategorisch an allen Orten im Bereich der Gestaltungssatzung kategorisch unzulässig sein sollen, sei nicht erkennbar..

Eine sorgfältige Prüfung der Gestaltungssatzung im Hinblick auf die geltende Rechtsprechung insbesondere der deutschen Oberverwaltungsgerichte, dürfte nicht erfolgt sein (Woran muss der Satzungsgeber am Anfang denken?), anders lässt sich nicht erklären, warum die Satzung gleich in mehrfacher Hinsicht den von den Verwaltungsgerichten aufgestellten Grundsätzen zur Aufstellung von Gestaltungssatzungen nicht entspricht.

Eine Markise, die nicht mit der Tanke harmoniert

Auch zu der vom Oberbürgermeister avisierten großzügigen Umsetzung der Satzung kam es nicht, wie der geradezu groteske Fall zeigt, an dem letztlich die Gestaltungssatzung vor Gericht scheiterte (WAZ vom 13.04.23).

Gestaltungssatzung verbietet Ersatz durch Markise

Ausgerechnet da, wo die Bochumer Innenstadt am schönsten ist, dort wo die Schillerstraße vom Bergbaumuseum kommend nach Unterquerung der Bahnlinie auf den Nordring stößt, setzte die Verwaltung alles daran einer Shisha- und Cocktailbar den Bau einer Markisenanlage zu versagen. Die städtischen Bürokraten ließen nichts unversucht dieses Kleinod Bochumer Stadtplanung, das sich bereits in der famosen Kurvenführung, des mit zartem Begleitgrün wohltariert ausgestalteten vierspurigen Rings zeigt, vor der Verunstaltung durch die Überdachung einer 12 Meter von der Straße entfernten Außenterrasse mit einer Pergola-Markise zu retten. Die geplante 100 qm große Überdachung der Außenterrasse hätte so überhaupt nicht zu dem von zahllosen stadtbaulichen Highlights gesäumten Nordring gepasst, wie etwa dem fein gegliederten Autoabstellplatz eines Autohändlers, der liebevoll geschotterten Brachfläche, die als Parkplatz dient und dem 80er-Jahre-Charme einer besonders beliebigen Tankstellenanlage. Das in seiner Erscheinung einzigartige Ensemble aus grauem Asphalt, grauem Parkplatzschotter, fensterloser Häuserfassade mit greller Großflächenwerbung und  solidem Tankenflair wäre durch den Ersatz der abgesifften Terrassenschirme durch eine neue, schnöde, einfältige Markise nachhaltig negativ beeinträchtigt worden. Der typische trostlos, öde, leicht gammelige Charme der Bochumer Innenstadt hätte massiv gelitten, so dass eine optische Aufwertung dieser Ecke unbedingt zu verhindern war. Erst vor wenigen Jahren hatte die Stadt noch zugelassen, dass ein bekanntes Werbeunternehmen das unvergleichlich symbiotische Ensemble mit dem Aufbau einer überdimensionierten digitalen Werbetafel vervollständigt hatte.

Gestaltungssatzung verbietet Ersatz durch Markise

Vermutlich ohne es selbst zu bemerken, hat die Verwaltung die Gestaltungssatzung genutzt, um Verbesserungen der optischen Gestaltung der Innenstadt zu unterbinden und alles dafür getan, um die selbst maßgeblich vorangetriebene Verunstaltung zu erhalten. Die Gestaltungssatzung wurde damit ad absurdum geführt. Unverständlich, dass Stadtbaurat und Oberbürgermeiste die Bürokraten gewähren ließen und nicht die Reißleine zogen, spätestens als ein Verfahren vor Gericht drohte. So fuhr man die Gestaltungssatzung mit Vollkaracho gegen die Wand. Im Juni 2022 wurde die Anwendung der Satzung vom Rat wegen der eklatanten rechtlichen Mängel aufgehoben.

Die Stadt selbst hat wesentliche Teile der Innenstadt verschandelt

Letztlich zeigt auch das geschilderte Beispiel auf, dass die Verunstaltung der Innenstadt in vielen Fällen nicht von privaten Geschäftsleuten, Gastronomen oder Immobilienbesitzern der Innenstadt betrieben wurde, sondern regelmäßig durch die Stadt selbst. Auch Imbuschplatz, Neumarkt, Schwanenmarkt, Markt- und Propsteiplatz hat die Stadt höchstselbst verschandelt bzw. in trostlose Straßenkreuzungen transformiert.

Eine Gestaltungssatzung hilft sicher das Stadtbild zu verbessern, noch weit wichtiger wäre aber, dass die Stadt selbst sehr viel mehr Wert auf hochwertige Stadtgestaltung legt. Davon zeugen aktuell laufende Bauprojekte wie City-Tower (Vom architektonischen Highlight zum trostlosen Klotz) und Sparkassenneubau am Dr.-Ruer-Platz (Chance verpasst: Gähn-Moment statt Wow-Effekt) allerdings nicht.

Stadtpolitik müsste Leitlinien vorgeben

Hinsichtlich der nun erforderlichen Überarbeitung der rechtswidrigen Gestaltungssatzung wäre die Stadtpolitik aufgefordert gewesen nunmehr der Stadt Leitlinien vorzugeben, die bei der Neufassung von der Verwaltung zu berücksichtigen wären. Diese Chance ließ die Politik ungenutzt. Ein entsprechender Antrag der STADTGESTALTER wurde abgelehnt (Antrag 20231071), man zeigte sich desinteressiert, selbst aktiv auf die Neufassung der Satzung einzuwirken. So sollte man sich nicht wundern, wenn auch der zweite Anlauf schief geht, für die Bochumer Innenstadt eine rechtlich haltbare und im gewünschten Maß wirksame Gestaltungssatzung aufzustellen.

07 Mai

Gericht: Die Behandlung von Bürgeranregungen im Rat einzuschränken ist rechtswidrig

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen stellt fest, der Versuch von OB und Verwaltung sowie Teilen der Politik die Befassung des Rats und seiner Ausschüsse mit Anregungen und -Beschwerden von Einwohnern und Einwohner*innen einzudämmen, ist rechtswidrig.

Wieder zeigt sich, dass Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, Teilen des Rates wie der Verwaltung offenbar ein gesundes Rechtsempfinden fehlt einzuschätzen, wie sie mit den Rechten von Einwohnern und Einwohnerinnen umgehen können, ohne gegen Gemeindeordnung und grundlegende demokratische Rechte bürgerlicher Partizipation zu verstoßen. Wieder musste ein Gericht einschreiten, um die Rechte der Einwohner*innen zu wahren.

Bochumer Politik schätzt Rechtslage immer wieder falsch ein

Schon bei den rechtlichen Einschätzungen zu der beabsichtigten Sperrklausel bei Kommunalwahlen (Die Ret­tung des Wahl­rechts) wie bei der Absicht Fraktionen des Bochumer Stadtrates stimmberechtigte Sitze in Ausschüssen des Rates vorzuenthalten (WAZ vom 27.01.21) standen die Ansichten der Bochumer Fraktionen von SPD, Grünen und CDU nicht mit den demokratischen Grundsätzen des Landes in Einklang. Verfassungs- und Verwaltungsgericht kippten die entsprechenden Vorhaben, mit Verweis auf deren Unvereinbarkeit mit Gemeindeordnung und Grundgesetz.

Der Plan: Bürgerbeteiligungsrechte einschränken

Zu Beginn der laufenden Wahlperiode fassten Oberbürgermeister und seine Verwaltung, offenbar im Einvernehmen mit SPD, Grünen und CDU, den Plan, die Rechte der Bochumer Einwohner und Einwohnerinnen, Anregungen und Beschwerden gemäß §24 GO-NRW im Rat und seinen Ausschüssen vorbringen zu dürfen, deutlich einzuschränken. Für die Ratssitzung vom 25.03.21 legte der OB dem Stadtrat eine Beschlussvorlage zur Änderung der Hauptsatzung (Vorlage 20210976) mit dem Passus vor, dass Anregungen nicht zu behandeln seien, wenn “für die Behandlung des Sachverhaltes besondere Verfahren vorgeschrieben sind und/oder gesetzliche und/oder freiwillige Beteiligungsverfahren vorgegeben sind oder durchgeführt wurden“ (§9 (4) Satz 2 h) Hauptsatzung). Der vorgeschlagenen Änderung der Hauptsatzung stimmten alle Fraktionen des Bochumer Rates zu, nur STADTGESTALTER & PARTEI, sowie Die Linke stimmten dagegen (Niederschrift Ratssitzung vom 21.03,21).

Obwohl § 24 (2) GO-NRW den Städten und Gemeinden des Landes hinsichtlich des Anregungs- und Beschwerderechts der Einwohner*innen ausdrücklich nur das Recht gibt “Einzelheiten” in der Hauptsatzung zu regeln, meinten OB, Verwaltung und Teile der Politik, man könne mit der Hauptsatzung auch Sachverhalte festlegen, zu denen Anregungen und Beschwerden der Einwohner *innen gar nicht erst zulässig seien.

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: Einschränkung ist nicht zulässig

Ein Rechtsverständnis, das das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seinem Beschluss vom 27.04.23 deutlich zurückwies. Zuvor hatte in der Ratssitzung am 30.03.2023 bereits der Vorsitzende der Fraktion “PARTEI und STADTGESTALTER” in einer persönlichen Erklärung ausgeführt, dass seine Fraktion und er die Entscheidung des Oberbürgermeisters für rechtswidrig halten (Stream der Ratssitzung vom 30.03.2023.

OB und Verwaltung hatten zuvor die Behandlung einer Anregung des Netzwerks für Bürgernahe Stadtentwicklung und sieben weitere Bürgerinitiativen im Stadtrat mit Verweis auf den in die Hauptsatzung 2021 eingefügten Unterpunkts abgelehnt (24iger Eingabe abgelehnt) Daraufhin entschieden sich die Initiativen gegen diese Entscheidung gerichtlich vorzugehen. Beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wurde, beantragte im Rahmen einer Einstweiligen Verfügung den Oberbürgermeiste zu verpflichten, die Anregung im Rat der Stadt behandeln zu lassen und damit seine Verweigerungshaltung aufzugeben.

Auszug Beschluss VG Gelsenkirchen, 15 L 549/23 vom 27.04.2023

Das Verwaltungsgericht folgte dem Antrag und verpflichtete den OB die Anregung des Bürgernetzwerkes in der nächsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses auf die Tagesordnung zu setzen (Beschluss vom 27.04.2023). Im entsprechenden Beschluss wird das Gericht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des in die Hauptsatzung eingefügten Unterpunkts sehr deutlich: “§ 9 Abs. 4 Satz 2 lit. h der Hauptsatzung ist bereits als solcher nicht geeignet, das Recht der Antragstellerin auf sachliche Befassung mit ihrer Eingabe einzuschränken oder gar auszuschließen. Die Vorschrift erlaubt angesichts ihres ungenauen und beinahe uferlos-umfassenden Anwendungsbereichs keine klare Bestimmung der konkreten Verfahren, die einer sachlichen Befassung einer Eingabe durch das angegangene Gremium entgegenstehen sollen. … In dieser Pauschalität ist die in § 9 Abs. 4 Satz 2 lit. h der Hauptsatzung getroffene Regelung, auch angesichts der Bedeutung des an Art. 17 GG angelehnten kommunalen Petitionsrechts, weder mit § 24 GO NRW vereinbar noch wahrt sie den Grundsatz der Normenklarheit und -bestimmtheit.

§ 9 (4) Satz 2 h) der Hauptsatzung der Stadt Bochum ist somit nicht nur mit § 24 GO-NRW nicht vereinbar, sondern auch nicht mit Art. 17 Grundgesetzes. Die Einfügung des Unterpunkts in die Hauptsatzung war unzulässig, weil er das Anregungs- und Beschwerderecht der Bochumer Einwohner*innen unangemessen einschränkt.

Politik sollte Einstellung zu Bürgerbeteiligung überdenken

Der Rat der Stadt muss somit die Hauptsatzung der Stadt umgehend ändern, um diesen eklatanten Rechtsmangel zu beheben. Der Unterpunkt sollte nach Meinung der STADTGESTALTER ersatzlos gestrichen werden. Alle Fraktionen, die für seine Einführung gestimmt haben, einschließlich dem Oberbürgermeister, sollten zudem ihre Einstellung zu Bürgerbeteiligung überdenken, und zwar nicht nur in rechtlicher Hinsicht, sondern auch ganz allgemein, welche Wertschätzung sie Menschen entgegenbringen, die sich für die Stadt außerhalb politischer Organisationen engagieren.

Denn es fragt sich, warum OB und die entsprechenden Fraktionen, es überhaupt für nötig erachtet haben die Anregungs- und Beschwerderechte der Einwohner*innen rechtswidrig einzuschränken. Die Behandlung einer Anregung oder Beschwerde jede zweite bis dritte Ratssitzung sollte die Mitglieder und Mitglieder*innen nicht überfordern. Dagegen könnte es vielmehr so sein, als wollten Oberbürgermeister Eiskirch und manche Fraktionen mit unliebsamen Anregungen und Beschwerden, die ihren politischen Ansichten entgegen stehen, nicht konfrontiert werden. Es fehlt offenbar an Kritikfähigkeit. Es scheint so, als hinge so manche/r noch in einem Politikverständnis aus den 50er-Jahren fest, wo die von der Verwaltung ausgearbeiteten Beschlussvorlagen ohne echte Diskussion im Rat von der immer wieder gleichen Mehrheitsfraktion durchgewunken wurden.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Stadtgesellschaft und die politische Landschaft in Bochum jedoch erheblich verändert Die Politik ist pluralistischer geworden, mittlerweile sitzen statt nur drei Fraktionen acht im Stadtrat, immer mehr Menschen und Initiativen wollen direkt an Entscheidungen über das Leben in ihrer Stadt beteiligt werden und darauf Einfluss nehmen. Diesen Ansprüchen wird man nicht gerecht, in dem man versucht die Beteiligungsrechte der Einwohner*innen in unzulässiger Weise einzuschränken oder man meint, statt echter Bürgerbeteiligung würde eine alibimäßige Beteiligung der Menschen ausreichen, wie das z.B. bei der Trassenfindung zum Radschnellweg geschehen ist (RS1-Trassensuchshow).

Die rechtswidrige Einschränkung von Bürgerbeteiligung war also kein handwerklicher Fehler von Oberbürgermeister und Verwaltung, sie ist Folge einer in der Bochumer Politik leider immer noch weit verbreiten Geisteshaltung, die echte Bürgerbeteiligung als lästig und überflüssig ansieht.

23 Apr

Zeche-Holland Gelände verkommt immer mehr

2021 wurde der Platz rund um das Fördergerüst der ehemaligen Zeche Holland eingeweiht. Kaum zwei Jahre später sind die meisten Missstände immer noch nicht beseitigt. Darüber hinaus verschandeln Müll, Schmierereien, Unkrautwildwuchs und hässliche Provisorien den Platz und seine Umgebung. Die Bilder im Beitrag sprechen Bände.

Kommt man auf den Zeche-Holland-Platz und weiß wie engagiert einige Bürger und Bürgerinnen sich in einer Initiative dafür eingesetzt haben, dass hier ein freundlicher und vorzeigbarer Ort geschaffen wird, an dem sich Menschen aus Wattenscheid und Umgebung treffen können, ist man geschockt. Der Zustand des Platzes ist traurig.

Seitdem 2022 bereits über die Mängel auf dem Platz berichtet wurde (Trauerspiel am Zeche-Holland-Turm) hat sich der Zustand des Platzes nicht etwa verbessert, sondern noch weiter verschlechtert.

Gastro-Container – Immer noch hat es die Verwaltung nicht geschafft, den Gastro-Container vernünftig aufzustellen zu lassen. Statt neben, steht der Container immer noch zu fast einem Drittel auf der gepflasterten Fläche, die eigentlich erst vor dem Container beginnen sollte. Der Container wurde zudem abenteuerlich mit allem aufgebockt, was sich in der Gegend um den Platz so fand. Eigentlich sollte der Container auf einem ordentlichen Fundament stehen. Doch das fehlt weiterhin.

Falsch aufgestellter Gastro-Container

Zudem hat es die Stadt auch in zwei Jahren nicht hinbekommen einen Wasseranschluss zu legen. Das Wasser für die Gastronomie kommt aus einem Hydranten der Nebenstraße und wird dann mit einer fliegenden Leitung über die den Platz umgebende Haldenaufschüttung bis zum Container geleitet. Die Konstruktion, die den Hydranten vor fremden Zugriffen schützen soll, versperrt den Gehweg. Statt endlich Abhilfe zu schaffen und die beim Bau des Platzes vergessene Wasserleitung zum Gastro-Container zu legen, ignoriert die Verwaltung das Problem und tut so, als gäbe es das nicht.

Provisorische Wasserentnahme für Gastro-Container

Gehweg  – Der Bürgersteig, der am Rand des Platzes entlang läuft, wurde immer noch nicht fertiggestellt. Es fehlt der Oberflächenbelag. Die Menschen müssen über den groben Schotter laufen. Die Stadt ist offenbar nicht in der Lage den Gehweg endlich zu Ende zu bauen.

Gehweg, Deckschicht fehlt

Platzbelag, Treppenanlage und Bänke – Währenddessen wird der Dolmitboden auf dem Platz bei Regen weiterhin in die Senke vor dem Turm gespült, Wo der Dolomitoberboden wegeschwemmt wurde, sind gefährliche Stolperkanten entstanden. An anderen Stellen versinkt man im matschigen Boden. Der Boden ist so weich, dass Hunde dort Löcher graben. Der Einbau einer zusätzlichen Überlaufrinne, konnte gegen das Wegspülen des Dolomits nur bedingt Abhilfe schaffen. Das Wasser, das sich sich bei jedem Regen wasserfallartig über die Treppenanlage ergießt, hat auch dort bereits Spuren hinterlassen. Die Treppensteine sehen versifft aus.

Schäden durch Regen

Die Sitzhölzer der Steinbänke sind schon binnen zwei Jahren spröde geworden, den Kalk drückt es aus den Fugen der Ziegelsteine. Die Mülleimer zieren die in Bochum und Wattenscheid üblichen Mülltütenkragen. Der Müllsack wird zu groß gewählt, in den Müllbehälter eingelassen und nach außen noch 20 cm übergestülpt. Sieht hässlich aus und zeigt, dass auf ein gutes Platzbild wenig Wert gelegt wird.

Zustand Bänke

Bäume und Pflanzen – Zu befürchten ist, dass die Bäume unterhalb von Gastro-Container und Boule-Bahn geschädigt sind. Einige treiben bisher kaum aus, Zu sehen sind nur wenige Knospen, während die Bäume am Platzrand und auf dem oberen Platzteil schon blühen und kleine Blätter haben.

Mangelnder Baumwuchs

Die für den Haldenraum typische Bepflanzung auf den aufgeschütteten Hügeln, die dem Platz einen besonderen Charakter geben sollte, kann dagegen die von den Freiraumplaner*innen vorgesehene Wuchshöhe von 60 cm nie erreichen. Die technischen Betriebe mähen die entsprechenden Flächen regelmäßig ab, als handle es sich um Wiesen. Dafür wächst auf der Dolomitfläche unkontrolliert, teilweise schon flächendeckend das Unkraut.

Unkrautwuchs

Schmierereien, Müll und Rost– Am Zechengerüst selbst zeigen sich erste Roststellen. Noch ließen sich die Schäden leicht beseitigen, frisst sich der Rost allerdings tiefer in das Eisen, ist eine erneute und teure Sanierung der gesamten Konstruktion erforderlich. Die in drei Zentimeter Höhe über den Betonfundamenten der Stützpfeiler des Fördergerüsts gezogenen Blitzableiter stellen immer noch erstklassige Stolperfallen da.

Rost und Blitzableiter

Die Fundamente des Fördergerüsts wurden mittlerweile mit Schmierereien verunstaltet, rund herum liegen Scherben und Müll. Besonders vermüllt ist der Bereich hinter den Parkplätzen am Turm und die bereits halb verfallene Anlage an der Einfahrt zum Zeche-Holland Gelände. Hier scheint die Stadt jede Pflege aufgegeben zu haben.

Müll und Schmierereien

Auf dem Nachbargrundstück, das die Stadt an die dort ansässige Druckerei verkauft hat, wurde ein abenteuerlicher Steg aus Paletten aufgebaut, um nach Regenfällen das Wasser aus dem sich bildenden See abzupumpen. Solche Konstruktionen sind sonst eigentlich vorwiegend in Favelas vorzufinden. 

Paletten-Steg

Technischer Betrieb und Verwaltung schauen weg

Die Beschäftigten des technischen Betriebs treffen sich an jedem Arbeitstag mit ihren orangen Dienstfahrzeugen auf dem Parkplatz hinter dem Holland-Gelände zu ausgiebigen Pausen, fahren also jeden Tag mehrfach an dem neuen Platz vorbei. Für die fortschreitende Verwahrlosung des Platzes und der Umgebung interessieren sie sich anscheinend jedoch nicht, wie offenbar auch sonst niemand in der Verwaltung. Hat man sich bereits an solche Zustände gewöhnt und hält sie in Wattenscheid für normal? „Woanders ist auch scheiße,“ der Spruch mag auch hier stimmen – denn an manchen Orten in Wattenscheid Mitte sieht es teilweise noch schlimmer aus – doch eine Rechtfertigung Dinge verkommen zu lassen und Mängel nicht zu beseitigen, ist der Spruch dennoch nicht.

Was ist das Ziel der Verwaltung? Den Platz weiter verkommen zu lassen, dann für Jahre einen Bauzaun drum zu stellen und auf neue Fördermittel zu warten, um Turm und Platz ein weiteres Mal zu sanieren? Der Platz wurde erst im Juni 2021 eröffnet. Wie er nach nur zwei Jahren aussieht und dass die Verwaltung es immer noch nicht geschafft hat, die diversen Baumängel und Provisorien zu beseitigen, ist ein Armutszeugnis.

Leider zeigt auch dieses Beispiel wie wenig zielgerichtet in manchen Bereichen der Stadt gearbeitet wird und wie gering offenbar der Ehrgeiz ist, das Stadtbild in einem vorzeigbaren Zustand zu erhalten.

Nach Fertigstellung treten bei fast jedem Bauprojekt Mängel auf. Bei gutem Projektmanagement  werden diese  dann schnell beseitigt. Nacharbeiten gehören dazu, wenn Dinge neu gebaut werden und sind entschuldbar. Wenn eklatante Mängel aber auch zwei Jahre später immer noch bestehen und sich offenbar um eine Abstellung nicht gekümmert wird, dann müssen sich die Verantwortlichen Unfähigkeit vorwerfen lassen. Es sieht leider nicht so aus, als sei die Stadt in der Lage, die bekannten Missstände endlich abzustellen und den Platz auf Dauer in einem vorzeigbaren Zustand zu erhalten.

Bürgerinitiative verprellt

Zudem hat die Stadt diejenigen verprellt, die sich für die Schaffung des Platzes eingesetzt und angeboten hatten, den Platz mit Veranstaltungen. Turmevents und Besichtigungstouren zu bespielen. Turmbesichtigungen dürfen exklusiv nur von BO-Marketing durchgeführt werden, die Bürgerinitiative bleibt außen vor.

Die Bürgerinitiative hatte sogar eine alte Zechenlore organisiert, die sie herrichten und der Stadt spenden wollte, damit diese auf dem Platz hätte aufgestellt werden können, Das Stadtteilbüro setzte sich sehr für die Aufstellung ein, doch die selbsternannte „Ermöglicherstadt“ Bochum scheiterte mal wieder am eigenen Anspruch. Die Verwaltung komplizierte das Aufstellungsverfahren derart, dass die Spende der Lore der Bürgerinitiative unmöglich gemacht wurde. Die Stadt wollte die Initiative mittels Vertrag für die Kosten von Instandhaltung und einen späteren Abbau oder eine Umsetzung der Lore in Haftung nehmen. Statt, wie Oberbürgermeister Eiskirch es bei jeder Gelegenheit darstellt, präsentierte sich die Stadt mal wieder nicht als „Ermöglicher“ sondern zeigte die Verwaltung dem OB, dass eine ihrer wahren Stärken im Verhindern liegt. Die Zechenlore ziert jetzt in Wattenscheid-Westenfeld den evangelischen Friedhof. Anders als die Stadt ermöglichte die Kirche eine schnelle und reibungslose Aufstellung. Anschließend wurde gemeinsam mit der Bürgerinitiative eine würdige Einweihungsveranstaltung organisiert. Die Lore erinnert jetzt an die im Steinkohlenbergbau verstorbenen Wattenscheider Bergleute.

Lore, die eigentlich auf dem Zeche-Holland Gelände stehen sollte

Bei den von der Initiative initiierten und mit organisierten Beleuchtungsaktionen des Fördergerüsts bleibt die Stadt so weit wie möglich außen vor. Anderenfalls ist zu befürchten, dass die Verwaltung auch hier noch Mittel und Wege findet diese zu torpedieren.

Die Kritik der Initiative am Zustand des Platzes und der Umgebung wird ignoriert. Die Chance, die Initiative zu unterstützen Veranstaltungen auf dem Platz durchzuführen, wurde vertan. Wer die Stadt deutlich und völlig zu Recht kritisiert, wird aufs Abstellgleis gestellt. Kritikfähig zeigt sich die Verwaltung nicht. Bürgerbeteiligung kann nicht funktionieren, so lange sich die Stadt in der Rolle des Verhinderers gefällt und sich kaum Mühe gibt Dinge zu ermöglichen, die die Menschen aus Wattenscheid vorschlagen und umsetzen möchten.

09 Apr

Geplanter Ausbau A40: Teuer und schädlich für Stadt und Bewohner*innen

Ab Westkreuz soll die A40 über 8,5 km Richtung Dortmund auf 6 Fahrspuren ausgebaut werden. Aktuell werden die Kosten auf 360 Mio. Euro geschätzt. Ein Nutzen für die Stadt ist nicht erkennbar, die zusätzlichen Belastungen für Anwohner*innen und Stadt dagegen wären hoch. Fast 20% des Stadtgebietes sind zum Wohnen aufgrund der Autobahnen ungeeignet.

Von Duisburg aus ist die A40 bereits bis zum Westkreuz auf 6 Fahrspuren ausgebaut. Jetzt will der Bundesverkehrsminister die A40 bis zum Kreuz Bochum um weitere 8,5 km ausbauen. Ist das sinnvoll? Was bedeutet der Ausbau für die Stadt, besonders für die Menschen, die in der Nähe der A40 wohnen?

Ausbau hat keinen Nutzen

Sobald die A448 vom Westkreuz bis zu A43 fertig gestellt ist, kann man vom Westkreuz südlich um das Zentrum zur A43 und weiter zur A45 fahren wie auch nördlich über die A40. Der Verkehr wird sich also  auf A40 und A448 aufteilen. Insgesamt stehen dann ab Westkreuz acht Spuren zur Verfügung. Welchen Nutzen zwei weitere Fahrspuren haben sollen, ist nicht erkennbar.

Allerdings führt jeder Ausbau einer Autobahn zu mehr Autoverkehr und damit mehr Verkehrsbelastungen. Verkehr funktioniert nachfrageinduziert (Das Prinzip induzierter Nachfrage). Ein Ausbau von Straßen führt dazu, dass mehr Menschen längere Strecken zur Arbeit pendeln, vermehrt weiter entfernt einkaufen und Unternehmen Dinge in größerer Zahl von weiter entfernten Orten beziehen. Der Verkehr nimmt zu, so lange bis die Straßen wieder überlastet sind, und der Verkehr durch zunehmend auftretende Staus erneut zum Erliegen kommt. Das Anfügen weiterer Fahrspuren lässt Staus nur für eine kurze Zeit verschwinden, nur so lange bis auf mehr Fahrspuren der Verkehr soweit zugenommen hat, dass die Kapazitätsgrenze der Straße wiederum überschritten wird und der Verkehr wieder im Stau stecken bleibt. Selbst ein Ausbau auf 40 Fahrspuren wie sie etwa in Houston, Texas vorzufinden sind, lösen das Stauproblem nicht. In keiner Stadt wurden jemals Stauprobleme durch den Zubau von Fahrspuren gelöst. Immer nur nahm der Verkehr zu und damit die Verkehrsbelastungen.

Große Belastungen durch Autobahnen

In Bochum und dem Ruhrgebiet führen die Autobahnen direkt durch dicht besiedelte Stadtgebiete. In unmittelbarer Nähe zu den Autobahnen wohnen tausende Menschen, deren Lebensqualität auf vielfältige Weise massiv durch den Autobahnverkehr beeinträchtigt wird.

Lärm – An Autobahnen liegt der Lärmpegel ohne Lärmschutzmaßnahmen regelmäßig bei über 80 dB(A). In Wohngebieten liegen die Lärmgrenzwerte in Deutschland tagsüber bei 59 db(A) und nachts bei 49 dB(A). Die WHO empfiehlt Grenzwerte von 53 db(A) tags und 45 dB(A) nachts, da oberhalb dieser Grenzen, der Lärm für die Menschen gesundheitsschädlich sei (Fast die Hälfte der Menschen in Bochum ist gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt).

Selbst um die in Deutschland zu hoch angesetzten Lärmgrenzwerte einzuhalten bedarf es an Autobahnen hoher Lärmschutzwände, Lärmschutzfenster usw.. Zig Meter hohe Lärmschutzwände und die Unmöglichkeit die Fenster öffnen zu können, wirken sich jedoch negativ auf die Lebensqualität der betroffenen Hausbewohner*innen aus.

Anbauverbot – In 40 Meter breiten, so genannten Anbauverbotszonen auf beiden Seiten von Autobahnen, soll grundsätzlich niemand wohnen. Dort ist der Neubau von Wohnhäusern verboten. Bestehende Wohnhäuser in dieser Zone dürfen weder an- noch substanziell umgebaut werden. In einem Abstand bis zu 100 Metern zu einer Autobahn bedarf jede bauliche Veränderung der Zustimmung durch die Straßenbaubehörden. Der Wert von Immobilien in diesem Abstand zu Autobahnen wird daher deutlich gemindert. Wird eine Autobahn um 2 Fahrspuren erweitert, dehnt sich die Anbauverbotszone auf jeder Seite um weitere 3 bis 5 Meter aus. Immobilien die neu in die Zone fallen, werden auf einen Schlag entschädigungslos entwertet. Für die Betroffenen ist das wirtschaftlich ein schwerer Schlag.

Andere Anwohner*innen an Autobahnen werden im Zuge des Ausbaus enteignet, müssen Teile ihrer Grundstücke abgeben oder sich mit einer zig Meter hohen, das Grundstück verunstaltenden, das Haus verschattenden und die Sicht behindernden Lärmschutzwänden in ihrem Garten arrangieren.

Wertminderung – Erhebliche Wertminderungen treffen nicht nur diejenigen, die direkt in der Anbauverbotszone Immobilien besitzen, sondern alle die von Autobahnlärm, Verschattung und Sichtbehinderungen von Lärmschutzwänden und anderen Umweltbeeinträchtigungen betroffen sind.

Luftverschmutzung – Autobahnen beeinträchtigen insbesondere die Luftqualität in der direkten Nähe. insbesondere durch NOx- und Feinstaub-Emissionen. Nach Angaben des Asthma-Fonds sollten zwischen einer Schule und einer Autobahn mindestens 300 Meter liegen. Der gleiche Abstand gilt für Wohngebiete. Menschen, die weniger als 300 Meter von einer Autobahn entfernt wohnen, sind sonst ungeschützt gegen Feinstaub in Autobahnnähe (Lungenärzte im Netz). Für Bochum bedeutet das, Schulen wie an der Feldsieper Straße oder die Heinrich-Böll-Gesamtschule liegen schon heute viel zu nah an der A40.

Barrierewirkung – Autobahnen stellen sich auch mit nur 4 Spuren als an nur wenigen Stellen zu querende Barrieren im Stadtgebiet dar. Wohnquartiere an Autobahnen sind in der Regel von Quartieren auf der anderen Autobahnseite abgeschnitten. Viertel wie Kornharpen liegen isoliert im Stadtgebiet, sie sind aufgrund der umgebenden Autobahnen nur über wenige Straßen zu erreichen. Der soziale Austausch zwischen Nachbarschaften und Vierteln kommt zum Erliegen. Menschen, die das Rad nehmen oder zu Fuß gehen, müssen teilweise große Umwege in Kauf nehmen, weil der direkte Weg durch eine Autobahn versperrt ist. Umso breiter eine Autobahn wird, desto mehr verstärkt sich die Barrierewirkung.

Trading-Down – Aufgrund der schlechten Wohn- und Lebensqualität entwickeln sich Stadtviertel in direkter Nähe zu Autobahnen regelmäßig negativ. Besonders in Wattenscheid und Hamme sind die Trading-Down-Effekte in Autobahnnähe bereits heute unübersehbar.

Mikroklima – Werden A40 und A43 sechsspurig ausgebaut und verbleiben A448 und das Reststück der NS7 (“Sheffieldring”) vierspurig, bedeutet das ohne Berücksichtigung von Auf- und Abfahrten die Asphaltierung einer Fläche von 1,5 Quadratkilometern. Jede asphaltierte Fläche heizt sich im Sommer auf und wird zur Hitzeinsel, die das Mikroklima in der Stadt negativ beeinflusst. Autobahnen stellen nicht nur eine physische, sondern auch eine thermische Zerschneidung dar. Sie erhöhen die auftretenden Maximaltemperaturen sowie die Wasserverdunstung und bedingen zusätzlichen Hitze- und Trocknisstress für die im Stadtraum wachsenden Bäume (Thermische Wirkungen von Autobahnen unter den Bedingungen des Klimawandels).

Flächenverbrauch Autobahnen

Gesamtbetrachtung

Betrachtet man die Belastungen, die von Autobahnen auf das Stadtgebiet und die Stadtbewohner*innen ausgehen, im Gesamten, sollte 300 Meter rechts und links jeder Autobahn niemand wohnen, zur Schule gehen, kleinen Kleingarten haben oder dauerhaft im Freien Sport treiben. Die in Bochum betroffene Fläche ist entsprechend groß: Die Stadt wird von rund 45 Kilometern Autobahn durchquert (inkl. NS7). Das bedeutet aufgrund der Autobahnen sind über 28 Quadratkilometer der Stadtfläche nicht für Wohnzwecke nutzbar, das entspricht fast 20% des gesamten Stadtgebietes. Die Belastungen der Stadt und der Lebensqualität der Einwohner*innen durch die Autobahnen ist also riesig.

Gebiete an Autobahnen, die zum Wohnen ungeeignet sind

Ein weiterer Ausbau der A40, der keinen nennenswerten Nutzen bietet, wird aufgrund der damit verbundenen erheblichen zusätzlichen Belastungen für die Bochumer Stadtbewohner*innen von den STADTGESTALTERn abgelehnt.

Geld besser in den Nahverkehr investieren

Hinzu kommen die enormen Kosten, von aktuell geschätzten 360 Mio. Euro für nur 8,5 km Ausbau. Kommt es zur Realisierung der Ausbaupläne, ist vermutlich mit Kosten von über 500 Mio. zu rechnen. Dieses Geld fehlt insbesondere beim Ausbau des ÖPNV im Ruhrgebiet. In diesem Bereich wäre es viel besser angelegt. Ein massiver Ausbau des ÖPNV im Ruhrgebiet würde dazu führen, dass mehr Menschen Bus und Bahn benutzen statt dem Auto. Dadurch würden die Autobahnen entlastet. Mit einer entsprechenden Investition in den öffentlichen Nahverkehr könnte die Zahl der  Staus auf der A40 wirksam vermindert werden, mit einem durchgehenden Ausbau auf 6 Spuren jedoch nicht.