23 Jul

Offener Brief – Was sagen Geschäftsleute und Immobilienbesitzer zum Zustand der Innenstadt?

Immer lauter beklagen sich die Menschen in Bochum über die Entwicklung der Innenstadt. Die STADTGESTALTER fragen bei den Geschäftsleuten und Immobilienbesitzern nach, wie sie die Lage einschätzen und was sie tun wollen, damit die City wieder in die Spur kommt

Liebe Geschäftsleute und Immobilienbesitzer der Innenstadt,

die Klagen der Menschen über die Entwicklung der Innenstadt werden immer lauter. In der City fehle es an guten Geschäften. Euroshops, Billigketten und Discounter würden die Stadt überschwemmen. Wirklich gute Einkaufsmöglichkeiten gäbe es kaum noch. Das Stadtbild der Innenstadt wird bemängelt. Die Menschen vermissen schöne Plätze, einladende Grünflächen, Sauberkeit und  ansprechende Stadtgestaltung. Auch das Service-Angebot wird bemängelt. So suche man z.B. Spielplätze und Toiletten oft vergeblich.

Die in den letzten Jahren umgesetzten Projekte wie Stadtbadgalerie, Sparkassengalerie, Einkaufszentrum Gerberviertel, Boulevard sowie die Schaffung von massenhaft Parkplätzen in unterirdischen Parkhäusern, heben nicht den Erfolg und nicht die Impulse für die Innenstadt gebracht, die die Stadt dazu in Aussicht gestellt hatte. Die gesetzten Ziele wurden in allen Fällen deutlich verfehlt. Auch das Projekt Husemann Karree, vormals Viktoria Karree, droht zu scheitern. Wie die Reaktionen zeigen, kann nach Ansicht der meisten Bochumer und Bochumerinnen ein weiterer Woolworth, der sich selbst als “Home of Discount” bezeichnet, die Innenstadt nicht positiv beleben, sondern steht vielmehr für einen weiteren Abstieg der Innenstadt.

Über die Jahre wurde die Bochumer Innenstadt einseitig auf Autokunden ausgerichtet, die in die Innenstadt kommen, dort einkaufen und schnell wieder wegfahren, deren Anspruch an Stadtgestaltung gering ist, die möglichst billig shoppen und wenn möglich umsonst parken möchten. Kunden, die mit anderen Verkehrsmitteln die Innenstadt erreichen wollen, einen hohen Anspruch an Stadtbild,, Stadtgestaltung, Verweilqualität und die Qualität der Geschäfte haben, meiden dagegen immer häufiger die Innenstadt,

Dabei zeigen alle Studien, dass die Kunden, die zu Fuß, mit dem ÖPNV oder dem Rad in die Innenstadt kommen, deutlich mehr in den Innenstädten ausgeben als die Kunden, die mit dem Auto kommen. Sollte nach 60 Jahren erfolgloser Fokussierung auf Autokunden, die Innenstadt jetzt nicht den roten Teppich für die Menschen ausrollen, die das meiste Geld in die Innenstädte bringen? Die Innenstadt ist zu Fuß und mit dem Rad schlecht, mit dem ÖPNV nur mäßig gut zu erreichen. Welche Initiativen wollen die Geschäftsleute und Immobilienbesitzer ergreifen, um diesen Zustand möglichst schnell abzustellen? Sollte eine Innenstadt nicht mit allen Verkehrsmittel komfortabel, sicher und schnell erreichbar sein?

Die Innenstadt weist unübersehbare Mängel im Stadtbild auf, das zeigt sich besonders auf den Plätzen. Statt ansehnlich gestalteter Orte, an denen sich Menschen gerne aufhalten und wohl fühlen, bietet die Innenstadt oft nur Ödnis und Trostlosigkeit (u.a. Rathausplatz, Dr.-Ruer-Platz, Propstei-Platz, Zugang Boulevard vom Hauptbahnhof, Buddenbergplatz). Den Husemannplatz bis 2025 umzugestalten ist viel zu wenig. Die Schaffung des 2019 vom Rat beschlossenen Spielplatzes am Kuhhirten wurde von der Stadt zunächst vergessen, die Gestaltungssatzung vor die Wand gefahren und vom Verwaltungsgericht gestoppt.

Punkten erfolgreiche Städte in ganz Europa gerade mit Flair, Ambiente und hoher Verweilqualität, tut sich nach wie vor in Bochum in diesem Bereich kaum Nennenswertes. Was sollte nach Ansicht der Geschäftsleute und Immobilienbesitzer geschehen, damit sich Stadtbild und Gestaltung der City endlich grundlegend ändern? Welche Initiativen planen Sie? Was ist hinsichtlich Stadtbilds und Stadtgestaltung ihr Anspruch? Wird dieser durch den neuen City-Tower oder das neue Sparkassen-Gebäude am Dr-Ruer-Platz erfüllt? Welche Orte müssen nach Ihrer Meinung dringend neugestaltet werden? Wie viel Zeit bleibt der Innenstadt dafür?

Der Bochumer Innenstadt fehlt es an Attraktionen, die Menschen in die Innenstadt locken. Markthalle und Haus des Wissens werden frühestens 2026 fertig. Doch ein einziges neues Highlight reicht nicht. Erfolgreiche Städte erfinden ständig neue Attraktionen, Rotterdam z.B. schuf den neuen Cool-Single und inszenierte 2022 einen spektakulären Rooftop-Walk. Auch wir hatten einen Dachpark für die Innenstadt vorgeschlagen, die Seilbahn, die Viktoria Promenade oder eine Virtual-Reality-Box. Solche dauerhaften Highlights würden sicher viele Menschen in die Innenstadt locken. Was sind ihre Ideen, Vorschläge und Initiativen zur Schaffung solcher Attraktionen und Kundenmagnete?

2014/15 hat der Ruhr Park über 150 Mio. in Flair, Ambiente, Aufenthaltsqualität und moderne Gestaltung gesteckt. Seitdem boomt er wieder. Könnte der Ruhr Park in dieser Hinsicht Vorbild für die Innenstadt sein? Ist der Ruhr Park immer noch Konkurrent der Innenstadt oder wären Innenstadt und Ruhr Park gemeinsam nicht viel stärker und würden sich ideal ergänzen?

Benötigt die Innenstadt nicht auch einen klaren Plan wie sie in den nächsten Jahren grundlegend umgestaltet wird, damit neue Investoren sehen, wie die City in 5 Jahren aussehen wird? Muss die Stadt nicht mit einer überzeugenden Vision für die Innenstadt begeistern, die Geschäftsleute anregt in die Bochumer Innenstadt zu investieren?

Die Umsetzung des ISEK-Innenstadt wird noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Aktuell ist auch nicht nennenswert Geld für die Umsetzung der ISEK-Projekte vorhanden, da die Stadtumbaumittel des Landes für Bochum fast gänzlich in den Umbau des Lorheidestadions fließen. Kann sich die Innenstadt mit der nötigen Umgestaltung noch Jahrzehnte Zeit lassen, wie das die Pläne der Stadt vorsehen? Halten die Geschäfte der Innenstadt noch so lange durch? Oder braucht die Innenstadt schnell einen Masterplan, der dann auch zeitnah und konsequent umgesetzt wird?

Nach unserer Ansicht ist schnelles Handeln ein wesentlicher Faktor, um die bestehenden Strukturen der Innenstadt zu sichern und darauf aufbauen zu können. Jedes Jahr, das ungenutzt verstreicht, verschwinden Geschäfte und Strukturen der Innenstadt, die sich kaum zurück holen lassen

Leerstände prägen das Bild der Innenstadt. Zwar kann durch den Tapetenwechsel das Überangebot an Ladenlokalen gegenüber der Nachfrage kurzfristig gut überspielt werden, doch ändert das an dem eigentlichen Problem nichts. Was soll mit den Ladenlokalen geschehen, die keine Mieter mehr finden? Welche Möglichkeiten der Umnutzung sehen die Geschäftsleute und Immobilienbesitzer der Innenstadt? Welche Ziele und Initiativen verfolgen Sie in diesem Bereich?

Nachdem die bisherige Ausrichtung der Innenstadt leider wenig erfolgreich war, sollte nach unserer Meinung eine konsequente Orientierung an Städten mit erfolgreichen Innenstädten erfolgen. Welche Innenstädte könnten nach Ihrer Ansicht für Bochum Vorbild sein? Was macht andere Innenstädte erfolgreich und gelingt in Bochum nicht? Inwieweit beschäftigen Sie sich bereits mit möglichen Vorbildern, haben entsprechende Innenstädte aufgesucht und findet ein Austausch mit Akteuren aus entsprechenden Städten statt?

Unsere große Befürchtung ist, dass in Bochum alles zu langsam und zu spät passiert. Die Zeit läuft ab. Teilen Sie diese Ansicht? Was könnten wir tun, um die Dinge deutlich zu beschleunigen? Sind Sie als Geschäftsleute und Immobilienbesitzer der Innenstadt für einen grundlegenden Wandel bereit und würden diesen aktiv unterstützen? Die Stimme der Geschäftsleute und Immobilienbesitzer der Innenstadt hat großes Gewicht. Bisher hört man Sie jedoch kaum. Soll sich wirklich substanziell etwas verändern, dann sollten Sie sich nach unserer Ansicht lautstark dafür einsetzen. Ihre Vorschläge, Ideen, ihr Anspruch an die Stadtgestaltung und ihr Engagement sind ausschlaggebend für die Zukunft der Innenstadt.

Sie sehen, für uns stellen sich viele Fragen. Wir würden uns freuen, wenn Sie einige beantworten oder dazu Stellung nehmen. Uns liegt die Innenstadt sehr am Herzen. Wir wollen die Innenstadt gemeinsam mit Ihnen und den Bürgern und Bürgerinnen wieder in die Spur bringen. Und stehen für einen Austausch gerne zur Verfügung.

Viele Grüße
Ihre STADTGESTALTER

PS: Wir veröffentlichen keine Antworten oder Auszüge daraus ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung.

Einige Beiträge und Vorschläge der STADTGESTALTER zur Innenstadt:

16 Jul

Bochumer Innenstadt: Mehr Wohnen – weniger Einkaufen

Bisher ist die Innenstadt in Bochum besonders ein Einkaufsort. Immer mehr Geschäftsräume stehen jedoch leer und sollten anders genutzt werden, doch wie? Nach den Vorstellungen der STADTGESTALTER sollte im Gleisdreieck eine große Zahl Ladenlokale zurück gebaut und Wohnraum für 1.000 Menschen geschaffen werden.

Im Bochumer Gleisdreieck, das die Innenstadt umfasst, leben derzeit (2022) 9.303 Menschen auf 1.25 qkm. Der Bevölkerungsanteil der 18 bis 60ig-Jährigen ist vergleichsweise hoch (69.4 %, Bochumer Durchschnitt: 56 %) ebenso der Ausländeranteil (30,3 %, Bochumer Durchschnitt: 16,5 %) (Bochumer Innenstad).

Das Ende der trostlosen “Shopping-City”

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Innenstadt im Hinblick auf Architektur und Stadtgestaltung im Wesentlichen anspruchslos und einseitig als “Shopping-City” wieder aufgebaut. Im Kernbereich des Gleisdreiecks, der eigentlichen Innenstadt, verfügt fast jedes Gebäude über ein Ladenlokal. Teilweise wurden Treppenhäuser zu oberen Stockwerken abgebrochen, um mehr Geschäftsfläche zu schaffen, so dass die Etagen über den Geschäften unbewohnbar wurden. Die zusätzliche Geschäftsfläche versprach mehr Mieteinnahmen als die Vermietung der oberen Etagen als Wohnraum.

Aufgrund mangelnder Attraktivität, fehlender Aufenthaltsqualität, Flair und Ambiente sowie der einseitigen Ausrichtung auf Autokunden, verliert die Innenstadt seit drei Jahrzehnten Kunden und Geschäfte. Immer mehr Geschäfte stehen leer oder müssen mit Programmen zur Zwischennutzung bespielt werden (Tapetenwechsel). Temporär sind solche zwischenzeitlichen Nutzungen durch Künstler, Initiativen oder StartUps sinnvoll. Sie lösen allerdings nicht das Problem eines Überangebots an Geschäften, bei immer weiter sinkender Nachfrage, in der Bochumer Innenstadt ein Geschäft neu zu eröffnen.

Nicht zu erwarten ist, dass die Attraktivität der Innenstadt in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird, so dass ein Umschwung bewirkt werden kann, dafür läuft der Transformationsprozess der Innenstadt viel zu langsam (Für die Innenstadt läuft die Zeit ab). Dazu mangelt es bei der Stadt an Bereitschaft massiv Geld in die Gestaltung der Innenstadt zu investieren Noch immer fließt das meiste Geld in Parkhäuser (Die Stadt gibt fast 10x mehr für Parkhäuser aus als für Stadtgestaltung). Auch fehlt eine treibende gesellschaftliche Kraft, die den dringend erforderlichen Umbau der Innenstadt fordert und lautstark vorantreibt. Der Großteil der Geschäftsleute nehmen die negative Entwicklung der Innenstadt weitgehend klaglos hin und haben sich mit der gepflegten Langsamkeit, mit der die Stadt darauf reagiert, abgefunden.

Zu viele Ladenlokale, bei weiter abnehmender Nachfrage

Während die Zahl der Ladenlokale in Bochum bisher nahezu konstant bleibt, wird die Nachfrage danach in Zukunft weiter abnehmen, zumal mangels Nachfrage und sinkender Mietpreise, auch die Bereitschaft abnimmt diese zu sanieren und zeitgemäß zu modernisieren. Es wäre also an der Zeit, die Zahl der Ladenlokale deutlich zu reduzieren, um das Angebot der sinkenden Nachfrage anzupassen. Anderenfalls ergibt sich das Problem, dass sich die genutzten Geschäftslokale über die ganze Innenstadt verteilen, daneben sich in allen Einkaufsstraßen aber immer wieder Leerstände befinden, die sich negativ auf die Attraktivität der Innenstadt auswirken. Für ein positives Stadtbild sollte es weniger Einkaufsstraßen geben, auf denen dann aber alle Ladenlokale vermietet sind.

Also sollte es Ziel der Stadt sein, die Zahl der Straßen, in denen Ladenlokale zu finden sind, deutlich zu reduzieren und die Nutzung von Gebäuden für Geschäfte auf einen Kernbereich der Innenstadt zu konzentrieren (siehe Karte), so dass das Angebot an Ladenlokalen der Nachfrage wieder entspricht.

Zukunft des Einzelhandels in der Bochumer Innenstadt

In Straßen, in denen Einzelhandel absehbar keine Zukunft hat, sollte dieser nicht gefördert werden und sollte die Nutzung der Immobilien als Einzelhandelsstandorte langfristig nicht mehr zugelassen werden. Im Kernbereich der Innenstadt kann man zwischen Haupt- und Nebeneinkaufsstraßen unterscheiden. In den Haupteinkaufsstraßen sollte bevorzugt die Ansiedlung von Geschäften mit hoher – wenn möglich überregionaler – Anziehungskraft vorgesehen werden, in den Nebeneinkaufsstraßen sollte dagegen der Fokus auf inhabergeführten Geschäften liegen, die sich durch eine gewisse Einzigartigkeit auszeichnen und sich positiv auf die Vielfalt der Geschäftsstruktur der Innenstadt auswirken. Städtische Förderungen sollten sich besonders darauf konzentrieren, diese Art Neuansiedlungen zu unterstützen.

Möglichkeiten der Umnutzung von Ladenlokalen

Fällt ein Großteil der Ladenlokale weg, stellt sich die Frage, wie diese Geschäftsflächen zukünftig genutzt werden sollen. In einigen Bereichen kommt eine neue Nutzung durch Gastronomie in Betracht. Im Bereich des Bermudadreiecks ist dieser Wandel bereits seit den 80er Jahren zu beobachten.

Für eine Umnutzung käme zudem eine Neunutzung als Büro- oder Wohnfläche in Betracht. Für eine Nachnutzung als Büroräumlichkeiten sind die Geschäfte jedoch häufig zu klein, auch nimmt die Nachfrage nach Büroflächen mit der Zunahme von Homeoffice eher ab als zu. Entsprechend gestaltet sich der Bau von Büroimmobilien in der Innenstadt, wie z.B. am City-Tor Süd zu sehen ist, zunehmend schwierig. So verbleibt die Nutzung als Wohnraum.

Schaffung von Wohnraum, gerade in der Innenstadt, hätte einen zusätzlichen Vorteil, zusätzliche Bewohner*innen bewirken eine zusätzliche Belebung. Und bedeuten auch mehr Kunden für den verbliebenen Einzelhandel. Ziel der Stadt sollte es daher nach Ansicht der STADTGESTALTER sein, die Zahl der Menschen, die im Gleisdreieck leben, deutlich zu erhöhen.

Maßnahmen zur Schaffung von mehr Wohnraum

Neben der Umwandlung von Ladenlokalen zu Wohnraum, sind zur Schaffung von mehr Wohnraum im Gleisdreieck eine Reihe weiterer Maßnahmen erforderlich:

  • Reaktivierung von Wohnraum, der durch Ausweitung von Geschäftsflächen unzugänglich gemacht wurde. Verbot von entsprechenden Maßnahmen, Gebot zum Rückbau.
  • Ausbau von Dachgeschossen und Umwandlung von Ladenlokalen in Wohnraum.
  • Umwandlung von Parkplatz-, Garagen- und Hofflächen in Flächen für neue Wohnbebauungen.
  • Systematische Erschließung von Entwicklungsflächen (siehe Karte) bevorzugt für den Wohnungsbau.
  • Erhöhung der Geschosszahl bei Neu- und Ersatzbauten.
  • Besondere Förderung der gemischten Nutzung für Wohnen und Arbeiten.
  • Weitgehende Verkehrsberuhigung zur Erhöhung der Wohnqualität, besonders auch des Innenstadtrings (Der Bochumer Innenstadtring als Einbahnstraße)
  • Weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Wohnqualität (Grünflächen, Parks. Spielflächen u.ä., z.B. Propstei-ParkDachpark)
Entwicklungsflächen in der Bochumer Innenstadt

Schaut man sich die Entwicklungsflächen an, die in der Innenstadt verfügbar sind (siehe Karte), so erkennt man, dass eine Vielzahl von Flächen für eine Wohnnutzung ganz oder teilweise geeignet sind. Teilweise böte es sich an die Wohnnutzung mit einer Büronutzung zu kombinieren, z.B. auf verschiedenen Stockwerken des gleichen Gebäudes. Bei einer Reihe von Flächen steht einer Wohnnutzung allerdings hoher Verkehrslärm entgegen. Diesen deutlich zu reduzieren, sollte daher ein zusätzliches Ziel sein, das parallel verfolgt wird.

Für eine effiziente Flächennutzung und um einen Anreiz für günstigen Wohnraum zu schaffen, sollte es  nach Vorstellungen der STADTGESTALTER in der Innenstadt möglich sein, neue Wohnungen ohne Stellplatznachweis zu schaffen, die von Haushalten genutzt werden, die sich verpflichten auf die Anschaffung eines Autos zu verzichten. Die zentrale Lage der Innenstadt macht es vielen möglich, auch ohne Auto auszukommen. Eine große Zahl Haushalte ohne Auto, senkt zudem die Verkehrsbelastung in der Innenstadt.

Zahl der Bewohner*innen des Gleisdreiecks auf 10.300 Menschen erhöhen

Die STADTTGESTALTER schlagen vor, dass die Stadt sich das Ziel setzt die Zahl der Bewohner*nnen des Gleisdreiecks langfristig auf 10.300 Menschen zu erhöhen (+1.000, +10,7 %). Das bedeutet, dass bei jedem Bauprojekt die Schaffung zusätzlichen Wohnraums mitgedacht werden musss. Dies ist bisher, z.B. beim Viktoria Karree, Bebauung Dr.-Ruer-Platz oder dem City-Tor Süd, leider nicht geschehen.

02 Jul

Innenstadt Bochum: Verbesserung der Erreichbarkeit zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV

Die STADTGESTALTER haben untersucht wie gut die Menschen zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV in die Innenstadt kommen. Viele Wege sind wenig attraktiv. Zudem fehlen Zuwegungen und Bahn-Halte. Die STADTGESTALTER machen dazu neun Vorschläge.

Üblicherweise versorgen sich in Großstädten die Menschen, die rund um den Stadtkern wohnen in der Innenstadt. Das ist in Bochum leider oft nicht der Fall. Ein großer Teil derer, die in den Stadtteilen um die Bochumer Innenstadt wohnen, nutzt die gut ausgebauten Straßen, um mit dem Auto in die Einkaufszentren der Umgebung (Hannibal, Ruhr Park, CentrO usw.), die Nachbarstädte oder gar bis nach Venlo zu fahren.

Erreichbarkeit der Innenstadt zu Fuß oder mit dem Rad

Selbst Menschen, die in einem Umkreis von bis zu 5 km um die Innenstadt wohnen, besuchen die City eher selten. Das liegt zum einen an fehlender Attraktivität und dem sich ausdünnenden Angebot, aber auch an der schlechten Erreichbarkeit der Innenstadt zu Fuß oder mit dem Rad. Wer einmal im Auto sitzt, um seine Besorgungen zu erledigen, fährt häufig dann gleich weiter weg und lässt die Innenstadt links liegen.

Neben Flair. Ambiente und besonderen Highlights ist die gute und attraktive Erreichbarkeit nicht nur mit dem Auto ein dritter wesentliche Punkt, um eine Innenstadt zu beleben (Strategie zur Belebung der Bochumer Innenstadt).

Um die Innenstadt aus den umliegenden Stadtteilen zu erreichen, müssen Menschen, die zu Fuß gehen oder das Rad nehmen in Bochum gleich zwei Barrieren überwinden, zum einen den Ring aus Bahnlinien (Gleisdreieck), der die Innenstadt umschließt sowie den 4-spurigen Innenstadtring. Beide Hindernisse zu queren, macht den Weg in die Innenstadt häufig unattraktiv.

Untersuchung der bestehenden Zuwegungen

17 Möglichkeiten gibt es derzeit, die Innenstadt von außerhalb der beiden Ringe zu erreichen.

Erreichbarkeit Innenstadt zu Fuß und mit dem Rad

Die STADTGESTALTER haben alle untersucht und getrennt nach Erreichbarkeit zu Fuß und mit dem Rad bewertet (siehe Karte). Dabei wurden 6 Kriterien angewendet:

Baulicher Zustand der Wege – Mit diesem Kriterium wurde bewertet, ob überhaupt ein (Rad)Weg vorhanden ist und in welchem baulichen Zustand der Weg ist. So fehlt an allen Zuwegungen, die teilweise über den Ring verlaufen, ein Radweg, ebenso an Allee- und Castroper Straße, der Radweg. Entlang der Viktoriastraße ist eine Zumutung. Das Erreichen der Innenstadt von der Uhlandstraße ist auch mit dem Rad nur über den Gehweg möglich. An der Zufahrt zum Boulevard müssen sich Radfahrende an den Bussen vorbeiquetschen., es fehlen separierte Radfahrspuren (Umgestaltung des Zugangs zum Bongard-Boulevard). Dazu behindert Kopfsteinpflaster die Zuwegung z. B. an der Diekamp- oder der Schillerstraße. Die Brücke über die Gleise zur Präsidentstraße und der Tunnel zum Bermuda3Ecke an der Hermannshöhe sind für Radfahrende ebenfalls nur sehr eingeschränkt nutzbar.

Wegeführung – Umständliche indirekte Wegführungen und nötige Umwege (u.a. Universitätsstraße, Rottstraße), insbesondere aufgrund fehlender Querungsmöglichkeiten (z.B. Schillerstraße) über den Ring führten bei diesem Kriterium zu Abwertungen, ebenso die Überbrückung des Rings für den Fußverkehr in mehr als zwei separierten Fahrbahnquerungen (z.B. Herner oder Wittener Straße).

Attraktivität des Weges – Wege durch dunkle, abgesiffte Unterführungen (z.B. Schillerstraße oder Viktoriastraße, Gehweg zum Boulevard oder entlang stark mit Autoverkehr belasteter Hauptverkehrsstraßen (Ring und Radialen) macht den Besuch der Innenstadt besonders für Fußgänger*innen wenig attraktiv. Viele Menschen tun sich solche Wege ungern an und verzichten lieber auf einen Weg in die City. Für Radfahrende sind besonders solche Wege unattraktiv, bei denen sie mitten im Autoverkehr mitfahren müssen oder gezwungen sind abzusteigen und zu schieben (z.B. Weg durch den Hauptbahnhof, Uhlandstraße).

Querungszeit Ring – Zu lange Ampelphasen für Menschen, die den Ring überqueren müssen, führten hier zur Abwertung, insbesondere an der Herner Straße, am Schwanenmarkt oder zur Hans-Böckler-Straße.

Verkehrssicherheit – Für Radfahrende sind insbesondere Zufahrten gefährlich, an denen Radwege oder Radfahrstreifen fehlen (z.B. Uhlandstraße-, Schillerstraße, Einfahrt Boulevard oder über den Ring) oder die Radwege eher provisorischer Natur sind (Viktoriastraße). Dagegen bestehen für den Fußverkehr kaum Probleme mit der Verkehrssicherheit.

Gefühlte Sicherheit – Auf dem Buddenbergplatz oder in den Unterführungen von Wittener, Universitäts- , Schiller- und Viktoriastraße wie dem Tunnel an der Hemannshöhe fühlen sich Fußgänger*innen besonders nachts gefühlt unsicher. Auch wenn real das Risiko von Übergriffen gering ist, besteht eine subjektive Angst, Opfer eines Überfalls zu werden. Diese gefühlte Unsicherheit, kommt dagegen bei Radfahrenden selten vor, das sie entsprechende Orte schnell durchfahren.

Gesamtbewertung aller 17 Zuwegungen, Erreichbarkeit zu Fuß und mit dem Rad

Insgesamt schneiden von 17 Zuwegungen zur Innenstadt 2 für den Fußverkehr und 12 für den Radverkehr mit der Gesamtbewertung “schlecht” bis “sehr schlecht” ab. Nur jeweils zwei der Zuwege sind für Fußgänger*innen und Radfahrende als “gut” zu bewerten. Alle anderen sind nur Mittelmaß (13 beim Fußverkehr, 3 beim Radverkehr). Für eine attraktive Innenstadt müssten alle Zuwegungen mit “gut” bis “sehr gut” bewertet werden.

Handlungsbedarf und drei zusätzliche Zuwegungen

Es gibt also viel zu tun. Besonders wäre es wichtig, die Querungsmöglichkeiten des Rings zu verbessern und den Ring selbst attraktiver zu machen. Wie von den STADTGSTALTERn vorgeschlagen, den Innenstadtring zu Einbahnstraße zu machen, würde zu erheblichen Verbesserungen bei fast allen Zuwegungen und Zufahrten zur City führen (Der Bochumer Innenstadtring als Einbahnstraße).

Auch gibt es drei Stellen, an denen Zuwegungen zur Innenstadt fehlen:

Aus Richtung Westpark und Seilfahrt (A) – Bisher nur schlecht und auf Umwegen erreichbar ist die Innenstadt von Nord-Osten. Eine Zuwegung zur Erzbahntrasse und zum Westpark, aber auch nach Hamme über die Seilfahrt fehlt. Nach einer Überbrückung der Bahnlinie entlang der Malteserstraße sollten nach den Überlegungen der STADTGESTALTER neue Rad- und Fußwege Richtung Westpark angelegt werden. An ein Brückenbauwerk an der Malteserstraße könnte auch der von den STADTGSTALTERn 2020 vorgeschlagene Radweg aus Riemke und Hofstede angeschlossen werden (Ein kreuzungsfreier Radweg von Riemke in die City).

Aus Richtung Süd-West (B) – Vom Stadtviertel nördlich der Gleise am ehemaligen Nordbahnhof ist die Innenstadt ebenfalls  nur über Umwege erreichbar, ebenso wie aus Altenbochum aus Richtung Lohberg. Zu Verbesserung dieser Zuwegung hatten die STADTGESTALTER 2019 eine Verlängerung der Springorumtrasse bis zum ehemaligen Nordbahnhof vorgeschlagen (Springorum-Radweg an die City anbinden). Eine weitere Idee der STADTGESTALTER ist, die Innenstadt über einer Brücke für den Fuß- und Radverkehr an das Stadtviertel nördlich der Blumenstraße anzubinden. Die Brücke würde neben dem ehemaligen Nordbahnhof beginnen und südlich des Finanzamtes enden.

Aus Richtung Griesenbruch und Bessemerstraße (C) – Auch von hier fehlen direkte Wegeverbindungen. in die Innenstadt Über das Gelände des City-Tor-Süd sollte zu Fuß und mit dem Rad die Bessemerstraße erreichbar sein, von der Katharinenstraße aus dem Griesenbruch die Humboldtstraße Richtung Bermudadreieck. Damit mehr Menschen aus diesen Stadtteilen in die Innenstadt kommen, ist eine gute Wegeverbindung Voraussetzung.

Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem ÖPNV (ohne Busse)

Auch bei einer genaueren Untersuchung der Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem ÖPNV zeigen sich Defizite. Zwar laufen fast alle Verbindungen des Bochumer Straßen- und Stadtbahnnetzes über den Hauptbahnhof bzw. Haltestellen am Rathaus, geht man jedoch davon aus, dass bei einem guten Nahverkehr Halte im Kernbereich von Großstädten einen Umkreis von 200 Metern erschließen, Bahnknotenpunkte ein Gebiet von 300 Metern, ist die Abdeckung des Innenstadtgebiets mit Bahnhalten in Bochum eher dürftig. Neben den genannten Knotenpunkten des städtischen Bahnverkehrs gibt es in der Innenstadt nur vier weitere Bahnhalte (Bermuda3Eck, Bergbaumuseum, Präsident und Brückstraße), die jeweils nur von einer Bahnlinie angefahren werden.

Erreichbarkeit Innenstadt mit dem ÖPNV (ohne Busse)

Die wenigen Bahnhalte in der Innenstadt bedeuten für Fahrgäste des ÖPNVs oft weite Fußwege zu den Haltestellen. Dies ist besonders für mobilitätseingeschränkte und ältere Menschen ein Problem.

Buslinien spielen bei der Attraktivität von ÖPNV-Netzen aufgrund ihrer mangelnden Zuverlässigkeit, des eingeschränkten Komforts, des wenig dichten Taktes und der überlangen Fahrtdauern nur eine sehr untergeordnet Rolle. Zumeist fahren Buslinien in Bochum jede Gieskanne an. Busfahren ist in Bochum ganz überwiegend etwas für Menschen mit viel Zeit, denen kein anderes Verkehrsmittel zur Verfügung steht. Die Erschließung der Innenstadt mit Bussen wird daher an dieser Stelle nicht betrachtet.

Neue Bahnhalte und Bahnlinien

In der Innenstadt fehlen Bahnhalte, die von Linien angefahren werden, die aus Stadtteilen kommen, die bisher nicht oder nur schlecht mit der Bahn an die Innenstadt angeschlossen sind.

Die STADTGESTALTER schlagen daher vor, an der Trasse der Glück-Auf-Bahn (RB 46) einen neuen Halt an der Maltesterstraße einzurichten und den Halt Bochum West nach Süden zwischen Diekamp- und Rottstraße zu verlegen. Alternativ wäre es ebenfalls denkbar. die Haltestelle Bochum-West zu erhalten und eine weitere Haltestelle südlich der Rottstraße einzurichten. Die zusätzlichen Haltestellen würden die Abdeckung im Westen der Innenstadt deutlich verbessern. Kunden aus Hamme, Hofstede und Riemke kämen einfacher und schneller in die Innenstadt, besonders wenn zusätzlich noch ein weiterer Halt in Hofstede geschaffen würde (Eine neue Haltestelle für Hofstede).

Die genannten Halte in der Innenstadt könnten zudem von der Regiotram (Bahnanbindung für Leithe und Günnigfeld) angefahren werden, die die STADTGESTALTER 2020 vorgeschlagen haben. Die Regiotram würde besonders Leithe, Günnigfeld, Südfeldmark und Goldhamme und mit einem neuen Halt auch die Jahrhunderthalle besser  besser mit der Innenstadt verbinden.

Die STADTGESTALTER schlagen zudem vor, jede zweite Regiotram-Bahn nördlich der Innenstadt über drei neue Halte (Präsident/TH Agricola, Kortum und Justizzentrum (Nordbahnhof)) bis nach Witten fahren zu lassen. Auf diese Weise würden auch die Stadtteile nördliche und östliche Innenstadt besser an das Bahnnetz angebunden.

Eine weitere Idee der STADTGESTLATER ist, für die Straßenbahnlinien 308, 316 und 318 einen neuen Halt am Justizzentrum (Nordbahnhof) zu schaffen. Dieser Bereich der Innenstadt könnte dann auch direkt aus dem Bochumer Norden und vom Hauptbahnhof angefahren werden.

Mit den neuen Halten würde der Innenstadtbereich im Gleisdreieck zu ca. 90% mit Bahnstationen abgedeckt. Die Erreichbarkeit der Innenstadt im Schienenverkehr, besonders aus dem Norden, Nordosten, Nordwesten, wie Osten der Stadt würde sich wesentlich verbessern.

Besser spät als nie

Eigentlich hätte die Stadt sich schon spätestens seit den 80ern systematisch Gedanken um eine bessere Erreichbarkeit der Innenstadt zu Fuß, mit dem Rad und dem ÖPNV machen müssen. Dies ist jedoch bis heute nicht geschehen. Stadt und Geschäftsleute haben sich über Jahrzehnte einseitig allein um die bessere Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Auto gekümmert. Das Ergebnis ist fatal, der City fehlen insbesondere Kunden, die im Umkreis von bis zu 5 km um die Innenstadt wohnen. Erfolgreiche Innenstädte profitieren besonders, von der großen Zahl Kunden, die mit anderen Verkehrsmitteln als dem Auto in die Innenstadt kommen und dort auch nachweisbar mehr ausgeben als Autokunden (Die besten Kunden kommen zu Fuß). Diese Kunden fehlen der Bochumer City.

25 Dez

Neues City-Highlight: Viktoria-Promenade vom Rathaus zum Schauspielhaus

Auch die Bochumer Innenstadt entwickelt sich von der Einkaufs- zur Erlebnisstadt. Fast alle Zukunftsprojekte der Innenstadt vom Haus des Wissens, dem Viktoria Karree, dem neuen Husemannplatz, dem Haus der Musik bis zum City-Tor-Süd entstehen an der Nord-Süd-Achse der Stadt. Zeit, dass die Viktoriastraße zur Fußgängerpromenade wird. Die STADTGESTALTER haben dazu einen Vorschlag entwickelt

Erfolgreiche Innenstädte besuchen die Menschen, weil sie sich dort gerne aufhalten, um Freunde zu treffen oder einfach, weil sie in der Innenstadt gerne Zeit verbringen. Das bedeutet, die City sollte so gestaltet werden, dass die Menschen stolz auf die Innenstadt sind und jenen gerne zeigen, die sie in Bochum besuchen. Denn mit spannenden Plätzen, ansehnlichen Gebäuden, kleinen, netten Parks und Straßen, die zum Flanieren einladen, lassen sich die Menschen in die Innenstadt locken.

Innenstadt sollte zum Erlebnis werden

Als Shoppingmeile funktioniert die City schon lange nicht mehr. Mit dem Ruhr Park kann sie nicht mithalten. Einkaufen wird weiterhin zum Erlebnis Innenstadt gehören, aber das Einkaufserlebnis wird nicht mehr dominieren. Die Menschen werden in die Innenstadt fahren, um dort nett Essen zu gehen, Vorstellungen im Musikforum oder Schauspielhaus zu besuchen, die Markthalle zu erleben oder einfach nur um durch die Stadt zu Flanieren und Flair und Ambiente zu genießen. Ist die Innenstadt attraktiv, spielt sich im Zentrum der Stadt das gesellschaftliche Leben ab, in die Innenstadt kommt man zum Sehen und Gesehen werden.

Von der Nord-Süd-Straße zur Viktoria-Promenade

Die enge Kortumstraße wird zukünftig weiter an Bedeutung verlieren, fast alle Zukunftsprojekte der Innenstadt wie Haus des Wissens, Viktoria Karree, der neue Husemannplatz, das Haus der Musik und City-Tor-Süd entstehen an der Nord-Süd-Achse der Stadt zwischen Rat- und Schauspielhaus. Diese Achse, zunächst “Nord-Süd-Straße” genannt, entstand direkt nach dem Krieg (Baubeginn 1951). Durchweg 30 Meter breit, mit vier Fahrspuren, beidseitigen Parkstreifen, einer zentralen Straßenbahnachse und breiten Gehwegen, jedoch ohne Bäume (Nord-Süd-Straße), sollte sie die das neue Großstadtflair von Bochum widerspiegeln.

Nach Fertigstellung konnte die neue Achse jedoch nie die Bedeutung gewinnen, die ihr die Stadtplaner*innen nach dem Krieg zugedacht hatten. Ab den 70er-Jahren wich die Straßenbahn einem schmalen Grünstreifen mit Bäumen. Die Verkehrsplanung verschlimmbesserte die Straßenführung mit typisch Bochumer Provisorien und unprofessionellen Wurschtelplanungen. In über 50 Jahren brachte man nicht mal eine durchgängige Radwegeführung zustande. Der Charakter einer durchgehenden City-Magistrale ging so verloren. Dabei verbindet die Nord-Süd-Achse vier der fünf wichtigsten Plätze der Innenstadt: Rathausplatz, Husemannplatz, Konrad-Adenauer-Platz (KAP), und den Hans-Schalla-Platz vor dem Schauspielhaus. Doch die Plätze zeigen sich bisher ebenso trostlos und öde wie die gesamte Achse.

Ebenso liegen fast alle markanten Gebäude der Stadt an dieser Nord-Süd-Verbindung, Zu Rathaus, Telekom-Gebäude (zukünftig Haus des Wissens), Musikforum und Schauspielhaus kommen in den nächsten Jahren noch das Viktoria Karree, das Haus der Musik und die Gebäude des City-Tor-Süd hinzu. Dazu verbindet die Achse City und Bermuda3Eck sowie die aufstrebenden Stadtviertel Ehrenfeld und Kortländer Kiez. Wer Besucher*innen Bochum zeigen will, könnte die heutige Viktoriastraße/ Königsallee vom Rathaus bis zum Schauspielhaus entlang gehen und kommt an fast allen wichtigen Orten der Stadt vorbei. Doch leider ist diese Strecke bisher aus touristischer Sicht wenig vorzeigbar und taugt allenfalls als negatives Anschauungsobjekt für verfehlte Stadt- und Verkehrsplanung.

Sehenswürdigkeiten und Plätze

    Vorbild Coolsingle, Rotterdam

    Die STADTGESTALTER schlagen vor das Bild der Nord-Süd-Verbindung deutlich aufzuwerten und die Achse Rathaus bis Schauspielhaus zu einer ansehnlichen Fußgängerpromenade umzugestalten. Vorbild für die Vorschläge ist die Revitalisierung des Coolsingle in Rotterdam (Revitalization of the Coolsingle), die 2021 mit großem Erfolg abgeschlossen wurde. Der Coolsingle stellt die zentrale Verkehrsader der Rotterdamer Innenstadt dar. Er verbindet die Erasmusbrücke mit dem Hofplein und teilt die Innenstadt in einen Ost- und einen Westteil. Am Coolsingle liegen mit Rathaus, Hauptpostamt, Fremdenverkehrsamt und de Bijenkorf die wichtigsten Gebäude der Stadt Bis zum zweiten Weltkrieg noch ein Kanal, danach umgebaut zu einer 4-spurigen Straße mit Straßenbahntrasse in der Mitte (Coolsingle Wikipedia), entschloss man sich 2016 den Coolsingle als Rotterdams Hauptboulevard, neu entstehen zu lassen. Ziel war es den öffentlichen Raum wiederzubeleben und zu attraktiveren. Mit der Revitalisierung sollte die Bekanntheit und Anziehungskraft des Coolsingle wiederhergestellt werden, die mit seinem Umbau zur vielspurigen Autostraße im überbordenden Verkehrslärm verloren gegangen war.

    Der Mut der Stadt- und Verkehrsplaner*innen wurde belohnt. Heute gilt das revolutionäre Projekt weltweit als vorbildlich gelungenes Stadtentwicklungsprojekt zur Wiederbelebung einer Innenstadt.

    On Top: Der Rooftop-Walk

    2022 setzte Rotterdam noch einen drauf. Der Coolsingle wurde um einen einzigartigen Rooftop-Walk ergänzt, den in nur einem Monat über 200.000 Besucher*innen aus aller Welt als einmaliges Erlebnis abfeierten (Rotterdam Rooftop Walk). Was die STADTGESTALTER bereits 2017 für Bochum vorgeschlagen haben (Innenstadt-Dachpark – Aufbruch in die 3. Stadtdimension) begeisterte in Rotterdam die Menschen und zog sie zu tausenden in die Innenstadt.

    Verpasste Bochum auch bei der Dachparkidee bisher die Chance Vorreiter zu sein, ist es nach Ansicht der STADTGESTALTER umso wichtiger, die Nord-Süd-Achse vom Rathaus bis zum Schauspielhaus zeitnah zu einer attraktiven und einzigartigen Flaniermeile umzugestalten.

    Visualisierung Viktoria-Promenade

      Die Vorschläge der STADTGESTALTER

      Analog zur Neuplanung des Coolsingle schlagen die STADTGESTALTER vor, den Autoverkehr auf Viktoriastraße und Königsallee von Südring bis Schauspielhaus zukünftig statt auf vier auf nur noch zwei Fahrspuren zu führen. Die beiden verbleibenden Fahrbahnen (Tempo 30) sollen auf der Westseite der neuen Viktoria-Promenade verlaufen, in Blickrichtung Rathaus folgt rechts daneben ein rund zwei Meter breiter Baum- und Grünstreifen, dann ein vier Meter breiter Zwei-Richtungsradweg sowie eine 13 Meter breite Fußgängerpromenade, auf der insbesondere im Bereich Südring bis KAP, großzügige Flächen für Außengastronomien entstehen sollen.

      Querschnitt Viktoria-Promenade

        Die neue Viktoria Promenade besteht nach den Plänen der STADTGESTALTER aus drei Abschnitten:

        Technisches Rathaus bis Südring – Nach den Vorstellungen der STADTGESTALTER soll nach Abriss des BVZ der Platz vor dem Technischen Rathaus, der sich bis zum historischen Rathaus, der Tunneleinfahrt der Straßenbahn und der City-Passage erstreckt, neugestaltet werden. Insbesondere soll die Fläche dabei einen echten Platzcharakter erhalten und zu Fuß Gehenden eine gefahrlose Querung von der Passage bis zum Rathaus ermöglichen. Thema des Platzes könnten die Städtepartnerschaften sein. So könnte auf dem Platz jede Partnerstadt mit einem typischen Bauwerk in verkleinertem Maßstab vorgestellt werden.

        1. Abschnitt Viktoria-Promenade

          Im weiteren Verlauf sollen Hans-Böckler- wie Viktoriastraße bis zur Parkhauseinfahrt am Südring als Fußgängerzone ausgebaut werden. Die aktuell noch vorhandene Fahrspur müsste dazu einer durchgehenden Pflasterung weichen. Der Rathausplatz sollte, wie von den STADTGESTALTERn bereits 2018 vorgeschlagen ebenfalls zu einem lebendigen Platz umgestaltet werden (Der neue Rathausplatz).

          2025 soll der neue Husemannplatz eröffnet werden (Husemannplatz – zwei Jahre zu spät fertig und 4 Mio. teurer als geplant), schon 2023 das neue Viktoria Karee auf der Westseite des Platzes.

          Ebenfalls neu gestaltet werden sollte die Kreuzung neue Viktoria-Promenade und Innenstadtring. Diese gelingt am fußgängerfreundlichsten, wenn der Verkehr über den Innenstadtring zukünftig nur noch in einer Richtung fließt (Der Bochumer Innenstadtring als Einbahnstraße).

          Südring bis Konrad-Adenauer-Platz (KAP) – In diesem Abschnitt sehen die Planungen der STADTGESTALTER auf der Seite des Bermuda3Ecks viele neue Außengastronomien vor. In den dortigen Gastronomiebetrieben sollen die Menschen auch tagsüber Brunchen, Mittag essen und Cafétrinken können. Es sollte nicht nur das bisher typische Partyangebot des 3Ecks geben. Dazu soll die Fußgängerpromenade mit vielen zusätzlichen Bäumen aufgelockert werden, deren Baumscheiben mit entsprechenden Steinringen wie in Rotterdam als zusätzliche Sitzgelegenheiten ausgestaltet werden könnten.

          2. Abschnitt Viktoria-Promenade

            Kerkwege und Brüderstraße sollten Teil der Fußgängerzone werden. Die Umgestaltung ist schon lange überfällig (Verkehrs- und Umgestaltungskonzept Bermuda3Eck). Ebenfalls einer Neugestaltung bedarf das KAP am Südende des 3Ecks (Konrad-Adenauer-Platz). Mit der Promenade kann der Platz im Westen bis zum heutigen Grünstreifen der Viktoriastraße erweitert werden. Er gewinnt damit an Weiläufigkeit. Auch sollte eine attraktive Verbindung vom Platz zur neuen Bebauung auf dem City-Tor-Süd-Gelände geschaffen werden.

            Die südlich des KAP gelegene 50 Meter lange Eisenbahnunterführung könnte zu einer neuen Attraktion werden. Die STADTGESTALTER schlagen vor, im Bereich der Unterführung den Autoverkehr vom Fuß- und Radverkehr mit einer Wand abzutrennen und auf die Wände des entstehenden Tunnels Videokunst zu projizieren. Auf den Wänden könnten so Blumen blühen, Löwen, Giraffen und Elefanten entlanglaufen oder beim Durchqueren der Unterführung könnte ein virtuelles Aquarium durchlaufen werden. Auf diese Weise würde aus dem Angstraum Unterführung ein angesagter, spannender Anziehungspunkt, der sich mit ständig wechselnden Animationen immer wieder neu erfindet. Vorbild für die Videoinstallation könnten die Animationen im Rad- und Fußgängertunnel de la Croix Rousse in Lyon sein.

            Tunnel de la Croix Rousse

            Ebenfalls würde die Unterführung so zu einem Spielort des “Festivals der immersiven Kunst”, das die Stadt im Rahmen der Bochum Strategie etablieren möchte (Kurzbeschreibung der 50 Kernaktivitäten der Bochum-Strategie).

            Konrad-Adenauer-Platz (KAP) bis Schauspielhaus – Im letzten Abschnitt der Viktoria-Promenade ist insbesondere ein guter Anschluss an das Ehrenfeld wichtig. Dazu schlagen die STADTGESTLTER vor, zu prüfen, ob der Tunnel vom alten Bahnhof (heute Riff) zur Alten Hattinger Straße, der früher die verschiedenen Bahnsteige verband, als zusätzliche Verbindung vom City-Tor-Süd zum Ehrenfeld wieder in Betrieb genommen werden könnte.

            3. Abschnitt Viktoria-Promenade

              Nach den bisherigen Planungen der Stadt würde auf Höhe der Clemensstraße der Radschnellweg (RS1) die neue Promenade queren. Der vorgesehene Zwei-Richtungsradweg entlang der Promenade würde den Radfahrenden eine schnelle Anbindung vom RS1 zum 3Eck, City, Rathaus und dem Viertel rund um den Kortländer ermöglichen.

              Weiterhin sehen die Pläne der STADTGESTALTER eine Erweiterung des Tana-Schanzara-Platzes nach Norden vor. Hier befand sich vor dem Krieg der Westfalenplatz (Westfalenplatz – Historisches Ehrenfeld), den man in den 50er Jahren aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht wieder hergestellt und stattdessen unter Missachtung aller städtebaulichen Leitbilder teilweise überbaut hat. Die Pläne der STADTGESTALTER sehen vor den bereits 2016 angelegten und sehr beliebte Tana-Schanzara-Platz als Pocket-Park bis zur Clemensstraße auszudehnen. Die Fläche des Platzes würde sich damit verdreifachen.

              Auch der vor dem Schauspielplatz liegende Hans-Schalla-Platz bedarf dringend einer Neugestaltung. Der besonderes an Sommerabenden bei jungen Menschen beliebte Platz, stellt bisher eines von vielen Beispielen für die Ideenlosigkeit Bochumer Stadtplanung dar. Zukünftig dagegen sollte der Platz als Endpunkt der Viktoria-Promenade unter Einbeziehung des markanten Theatergebäudes besonders attraktiv ausfallen, damit es sich für die Menschen lohnt vom Rathaus die gesamten 1.000 Meter auf der Promenade bis zum Schauspielhaus entlang zu spazieren.

              Zusätzlich schlagen die STADTGESTALTER vor, die Plätze und Sehenswürdigkeiten, die entlang der Promenade liegen, mit ihrer Meterzahl zu markieren. Bei Meter Null befände sich dann das Rathaus und bei Meter 1.000 das Schauspielhaus. Mit den Meterangaben ließe sich die Wahrnehmung der gesamten Promenade als Einheit verstärken.

              Vielleicht wichtigstes Städtebauprojekt in der Innenstadt

              Gelingt die Umgestaltung der Nord-Süd-Achse zu einer attraktiven, einladenden Promenade, wird diese zu dem Anziehungspunkt der Innenstadt, der alle wichtigen Gebäude, Plätze und Orte verbindet. Die Viktoria-Promenade als wichtigste Ache der Innenstadt wird das zukünftige Stadtbild entscheidend prägen. Es reicht nicht neue markante Orte und Plätze in der Stadt zu schaffen, ebenso wichtig ist eine attraktive, fußläufige Verbindung. Die städtebauliche Neugestaltung der Achse zwischen Rat- und Schauspielhaus sollte daher mit besonderer Priorität verfolgt werden. Auch sollte die Stadt sich um eine zeitnahe Realisierung bemühen. Für die  City läuft die Zeit ab, je länger die Stadt zuwartet, um so schwieriger wird es die anhaltend negative Entwicklung der Innenstadt noch aufzuhalten (Für die Innenstadt läuft die Zeit ab),.

              28 Aug

              Fehlende Toiletten in Bochum – Lösung: autarke Trockentoiletten

              Ümminger See, Kirchviertel, Monte Schlacko, Schmechtingwiese. Dort und nicht nur da fehlen öffentliche Toiletten. Die sind allerdings teuer, wenn sie an das Wasser- und Abwassernetz angeschlossen werden müssen. Viel günstiger sind Trockentoiletten. Die lassen sich fast überall schnell und flexibel aufstellen. Die STADTGESTALTER erläutern Funktionsweise und Vorteile.

              In Bochum fehlen an vielen Orten Toiletten. Das haben Stadt und Politik erkannt und wollen in den nächsten Jahren die vorhandenen “Versorgungslücken” schließen. Teil der Bochum-Strategie ist daher die Kernaktivität “Bochums stille Örtchen”.

              Herkömmliche Wassertoiletten sind teuer und es ist schwer passende Aufstellorte zu finden

              Jedoch ist es an vielen Standorten, an denen Toiletten benötigt werden, schwierig dort die bei herkömmlichen Toiletten erforderlichen Wasser- und Abwasseranschlüsse herzustellen. Diese sind zum Beispiel am Ümminger See oder der Ruhr-Badestelle nicht vorhanden. Die Anschlüsse zu schaffen, macht die Errichtung der Toiletten sehr teuer und schränkt die Zahl der Standorte, an denen die Toiletten aufgestellt werden können, stark ein.

              Die genannten Probleme bestehen bei autarken Trockentoiletten nicht. Trockentoiletten arbeiten, wie der Name schon sagt, nicht mit Wasser. Bei den meisten Systemen werden Urin und Feststoffe getrennt und mit Separatoren und Einstreu eine Geruchsbelästigung verhindert. Dafür ist kein Chemieeinsatz erforderlich. Durch die Trennung wird der typisch unangenehme Toilettengeruch verhindert. Trockentoiletten funktionieren also ohne Gestank, Wasser und Chemie. Die anfallenden Fäkalien können in einer Biogasanlage vergoren und kompostiert werden und  können auf diese Weise  für die Energieerzeugung und als Rohstoff für hochwertigen Dünger genutzt werden (Bochum braucht eine Biogasanlage).

              Barrierefreie Trockentoilette außen, Foto: EcoToiletten GmbH

              Vorteile von Trockentoiletten

              Das führt zu einer Reihe von Vorteilen von Trockentoiletten:

              • Kein Wasser- oder Abwasseranschluss erforderlich
              • Kreislaufverwertung der Fäkalien als Kompost und Nutzung zur Energieerzeugung
              • Geruchlos, kein Chemieeinsatz
              • Barrierefreie Ausführung problemlos möglich
              • Betrieb von Handwaschbecken mit Regenwasser oder Grauwasser
              • Stromversorgung über Solarpanele
              • Individuelle Außengestaltung passend zum Standort möglich
              • Aufstellung, wenn ausreichend Platz vorhanden ist, fast überall möglich
              • Keine Bodenversiegelung für Aufstellung erforderlich
              • Aufbauzeit in ein bis zwei Tagen
              • Kleinere Toiletten-Module können im Winter abgebaut und eingelagert werden
              • Wartung und Service mit dem Einsatz von Fahrrädern möglich
              • Geringe Investitions-, Betriebs- und Unterhaltungskosten

              Vorteilhaft für den Einsatz im öffentlichen Raum ist insbesondere, dass Trockentoiletten autark betrieben werden können. Für die Aufstellung wird prinzipiell nicht mehr benötigt als eine ausreichend große ebene Fläche. Es müssen keine Anschlüsse vorhanden sein oder gelegt werden. Es ist kein Fundament erforderlich, mit dem Fläche versiegelt wird. Die Toiletten können auch saisonal aufgestellt werden. Für Zeiten, wo die Toiletten nicht benötigt werden, zum Beispiel in Parks im Winter oder an der Ruhr-Badestelle, wenn keine Bade-Saison ist, können die Toilettenmodule im Ganzen abgebaut und zentral eingelagert werden.

              Trockentoiletten sind kostengünstig und können nachhaltig betrieben werden

              Wartung, Betrieb und Unterhaltung der Trockentoiletten übernehmen spezialisierte Unternehmen, die täglich für Sauberkeit sorgen, die Fäkalienbehälter tauschen und Reparaturen vornehmen. Diese Dienste können mit dem Fahrrad abgewickelt werden. Volle Fäkalienbehälter werden geruchsdicht verschlossen im Serviceraum der Toilette zwischengelagert und dann gesammelt mit einem größeren Fahrzeug abgeholt und zur fachgerechten Kompostierung in Biogasanlagen gebracht.

              Da für Anschlüsse, Fundament, Wasser und Abwasser keine Kosten anfallen, sind Trockentoiletten sowohl hinsichtlich Investition, Unterhaltung und Betrieb deutlich günstiger als herkömmliche Toiletten.

              Barrierefreie Trockentoilette innen, Foto: EcoToiletten GmbH

              Selbstverständlich lassen sich Trockentoiletten auch barrierefrei bauen und ausstatten. Die Außengestaltung kann den Bedürfnissen des Aufstellortes individuell angepasst werden. Die Toiletten können als bunter Hingucker für einen belebten Platz gestaltet werden, ebenso wie mit natürlichen Holzfassaden für Parks und Grünflächen (Beispiele für öffentliche Trockentoilettenanlagen).

              Mögliche Aufstellorte von Trockentoiletten in Bochum

              Für Bochum könnten sich die STADTGESTALTER folgende Aufstellorte vorstellen:

              Ümminger See – Immer wieder werden am See fehlende Toiletten bemängelt (WAZ 26.05.22). An diesem Standort bietet sich eine saisonale Aufstellung an.

              Ruhr-Badestelle – Die aktuell aufgestellten mobilen Chemietoiletten passen sich weder in das Landschaftsbild ein, noch sind sie komfortabel, umweltfreundlich oder behindertengerecht. Die Aufstellung einer Trockentoilette während der Badesaison böte eine ideale Lösung

              Schmechtingwiese – Das vormals feste Toilettenhaus wurde vor ein paar Jahren abgerissen. Bisher gibt es keinen Ersatz. Der Einsatz mobiler Toiletten scheiterte, diese wurden als ekelig empfunden und angezündet. Auch an diesem Standort bietet sich eine saisonale Aufstellung an.

              Eine Toilettenanlage an der Schmechtingwiese sollte zudem vom Europaplatz gut erreichbar sein und ausgeschildert werden. Denn auch die Wiese vor dem Bergbaumuseum ist bei gutem Wetter sehr gut besucht und bisher gibt es auch dort keine Toiletten.. 

              Monte Schlacko – Auch hier war der Einsatz mobiler Chemietoiletten nicht erfolgreich, eine Alternative fehlt aber. Eine saisonale Bereitstellung der Toiletten wäre am Monte Schlack ebenfalls ausreichend.

              Stadtgarten Wattenscheid – Die bestehende Toilettenanlage befindet sich seit Jahren in einem unakzeptablen Zustand. Diese zu sanieren und zu modernisieren würde Unsummen kosten. Die Aufstellung einer Toilettenanlage mit Trockentoiletten könnte eine schnell zu realisierende, saubere und kostensparende Lösung darstellen.

              Kirchviertel – Immer wieder fordern die Bewohner*innen des Kirchviertels eine Toilettenanlage auf dem zentralen Platz des Stadtteils (WAZ vom 21.01.21). Bisher scheitert eine Aufstellung insbesondere an den nicht vorhandenen Anschlüssen für Wasser und Abwasser. Diese Anschlüsse benötigt eine Trockentoilette nicht. Mit einer Trockentoilette könnten die Wünsche der Bürger*innen endlich erfüllt werden.

              Friedhof Grumme – Die Toilettenanlage auf dem Friedhof ist aufgrund unterlassener Instandhaltung aktuell nicht mehr nutzbar (WAZ vom 03.08.22). Die alternativ aufgestellten Dixie-Klos empfinden die Friedhofsbesucher*innen als Zumutung. Die Aufstellung eines ansprechenden Trockentoilettenmoduls böte einen guten Ersatz.

              Auch auf anderen Friedhöfen, auf denen der bauliche Zustand der bestehenden Toilettenanlage ein Problemfall darstellt, sollte über den Ersatz durch Trockentoiletten nachgedacht werden.

              Friemannplatz – Auf diesem Platz in Altenbochum, der auch als Marktplatz genutzt wird, wünschen sich die Menschen ebenfalls eine Toilettenanlage. Mit einer Trockentoiletten-Anlage könnte dem Wunsch unkompliziert bei vergleichsweise geringen Kosten nachgekommen werden. Fläche für eine solche Anlage ist auf dem Platz genug vorhanden. Spätestens im Rahmen der geplanten Umgestaltung sollte die Einrichtung erfolgen (Neugestaltung Friemannplatz, Vorschlag STADTGESTALTER)

              Grundsätzlich sollte es an jedem Marktplatz in Bochum eine Toilettenanlage geben. Wo solche Anlagen bisher fehlen, ließe sich mit Trockentoiletten eine günstige und attraktive Lösung realisieren.

              Westpark – Zwar bieten Pumpenhaus und Jahrhunderthalle Toilettenanlagen an, doch sind diese nicht immer geöffnet. Die Besucher*innen des Parks beklagen insbesondere das Fehlen von barrierefreien Toiletten (WAZ vom 11.10.21). Eine entsprechend barrierefrei ausgebaute Trockentoilettenanlage könnte im Westpark Abhilfe schaffen.

              Waldbühne Höntrop – Im Rahmen der Sanierung der Waldbühne beabsichtigt die Stadt auch den Neubau einer Toilettenanlage (Vorlage 20222004). Bei einer Anlage, die naturnah im Wald liegt, sollte den Belangen Nachhaltigkeit und Naturschutz besondere Beachtung geschenkt werden. Entsprechend wäre es sinnvoll, wenn die Planungen die Ausführung der entsprechenden Anlage mit Trockentoiletten vorsehen würden.

              Hans-Schalla-Platz – Die Jugend der Stadt versammelt sich an Sommerabenden besonders gerne auf dem Platz vor dem Schauspielhaus und dem auf der anderen Seite der Oskar-Hoffmann-Straße befindlichen Tana-Schanzara-Platz, Doch auch hier fehlen Toiletten. Die Anwohner*innen beschweren sich, dass manche Platzbesucher*innen ihre Notdurft in den wenigen Grünbereichen verrichten und über die daraus resultierenden unzumutbaren Geruchsbelästigungen. Dieses Problem ließe sich ebenfalls mit einer Trockentoilette lösen.

              Gustav-Heinemann-Platz – Die in die Jahre gekommene, zum Himmel stinkende Toilettenanlage am “Schmuddel-Durchgang” vom Willy-Brandt-Platz zum Platz neben der Christuskirche soll eigentlich geschlossen werden um die Passage aufzuwerten (WAZ vom 10.05.22). Für die Toiletten sollte dann an einer besser einsehbaren Stelle Ersatz geschaffen werden. Eine attraktiv gestaltete Trockentoilettenanlage könnte direkt hinter dem Rathaus auf den Gustav-Heinemann-Platz gestellt werden. Für diese Anlage wäre eine belebte Stelle mit guter sozialer Kontrolle wichtig,

              Wird in ein paar Jahren wie geplant das BVZ (Gebäude der Stadtbücherei und VHS) abgerissen, könnte diese Anlage in die neue Platz- und Parkgestaltung integriert und ohne Probleme an einen neuen Standort umgestellt werden.

              Neben den zwölf in diesem Beitrag beispielhaft vorgeschlagenen Standorten gibt es sicher noch weitere Orte im Stadtgebiet, an denen sich der Einsatz von öffentlichen Trockentoiletten lohnen würde.

              Nachhaltigkeit und Klimaschutz

              Angesichts des 2019 vom Bochumer Stadtrat festgestellten Klimanotstands und dem von der Stadt verfolgten Ziels besonders nachhaltig zu sein, sollte der Bau herkömmlicher Wassertoiletten aufgrund des Wasserverbrauchs, der ungenutzt abgespülten Fäkalien, wo immer es möglich ist, vermieden werden. Gleiches gilt für die Aufstellung von mobilen Chemieklos. Der durchgehende Einsatz von öffentlichen Trockentoiletten ist letztlich ein klares Statement der Stadt, dass Bochum das Thema Nachhaltigkeit ernsthaft verfolgt.

              14 Aug

              Für die Innenstadt läuft die Zeit ab

              Bochum hat die Zeichen der Zeit erkannt, man will die City attraktiver machen, schöne Plätze schaffen, auf denen man sich gerne aufhält, will spannende Dinge bauen, wie Markthalle oder Dachpark, die Menschen in die Stadt locken. Die Umsetzung der Projekte kommt allerdings nur im Schneckentempo voran und wird Jahre länger dauern als geplant. Für viele Geschäfte wird das zu spät sein. Die Stadt muss ihr Arbeitstempo der Dringlichkeit der Probleme anpassen.

              5.000 Kunden pro Tag wurden noch 2011 auf der Kortumstraße gezählt. Heute ist die Stadt froh, wenn am verkaufsstärksten Samstag noch 3.000 Menschen gezählt werden. “Bummeln in der City ist in Bochum nicht mehr angesagt” schreibt die WAZ (WAZ vom 22.06.22).

              Der Innenstadt fehlt es an Flair, Ambiente und Aufenthaltsqualität sowie Attraktionen, die Menschen dazu animieren sich länger in der Innenstadt aufzuhalten. Hinfahren, das kaufen, was man benötigt und wieder wegfahren, mehr tun viele Kunden in der City nicht. Die Innenstadt ist nicht mehr attraktiv genug, damit die Menschen sie aufsuchen, um sich zu treffen, bummeln zu gehen, Zeit zu verbringen und es sich einfach nur gut gehen zu lassen. Erfolgreiche Innenstädte leben gerade von diesen “Erlebniskunden”, die selbst Teil des Flairs sind, die die Innenstadt beleben und auch spontan das ein oder andere einkaufen.

              Eine Strategie zur Belebung der Innenstadt basiert auf drei Punkten

              Zwar hat die Stadt erkannt, dass sie etwas tun muss. Doch die Erneuerung der Innenstadt geht viel zu langsam voran und die auf den Weg gebrachten Maßnahmen reichen lange nicht aus, das Blatt zu wenden.

              Bei der Strategie zur Attraktivierung der Innenstadt sind drei Punkte entscheidend (Strategie zur Belebung der Bochumer Innenstadt):

              1. Die Innenstadt muss auch zu Fuß, mit dem Rad und dem ÖPNV sehr gut erreichbar sein. Bisher ist sie das nur mit dem Auto und eingeschränkt mit Bus und Bahn.

              2. Die Innenstadt muss mehr Aufenthaltsqualität, Flair und Ambiente bieten. Das bedeutet insbesondere schöne Plätze, auf denen sich Menschen gerne aufhalten, aber auch Spielflächen, nette Freisitze und andere attraktive Aufenthaltsorte.

              3. Die City sollte sich mit unverwechselbaren Highlights von Innenstädten anderer Städte abheben. Solche besonderen Attraktionen sind z.B. die geplante Markthalle, ein Dachpark oder eine Seilbahn.

              Zumindest zu den Punkten 2 und 3 hat die Stadt, wenn auch spät, die Zeichen der Zeit erkannt und einige wichtige Projekte auf den Weg gebracht, doch deren Umsetzung geht nur schleppend voran.

              Bestehende & mögliche City-Attraktionen

              Laufende Projekte

              Viktoria Karee – Das neue Gebäude am Husemannplatz wird aufgrund von Problemen mit der Baugenehmigung, die allerdings nicht von der Stadt zu verantworten sind, sondern durch eine Gesetzesänderung des Landes NRW zum Brandschutz  mindestens ein halbes Jahr später, im zweiten Quartal 2023 fertig (WAZ vom 06.08.22).

              Neugestaltung Husemannplatz – Die sollte bereits Ende 2022 beendet sein. Jetzt soll sie erst in diesem Jahr beginnen. Die vorgesehene Umgestaltung wird wegweisend für Bochum sein, doch wird sie 2 Jahre zu spät fertig und wird 4 Mio. Euro teurer als geplant (Husemannplatz – zwei Jahre zu spät fertig und 4 Mio. teurer als geplant)

              Haus des Wissens mit Markthalle und Dachpark – Hier beträgt der Zeitverzug aktuell 3 Jahre. Statt 2023 soll das Projekt jetzt 2026 fertig werden. Auch dieses neue Highlight für die Innenstadt kann seine Wirkung nicht in absehbarer Zeit entfalten

              Spielplatz für die Innenstadt – Ein attraktives Spielareal für die Innenstadt ist seit Jahren im Gespräch, seit 2016 verspricht der Oberbürgermeister die Realisierung. 2016 und 2018 hatten die STADTGESTALTER gemeinsam mit der FDP Anträge dazu gestellt, 2019 wurde endlich beschlossen den Kuhhirtenplatz zum Spielplatz zu machen (Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz im Stadtrat beschlossen). Doch nichts tut sich. Ob die Verwaltung unfähig oder unwillig ist, die Beschlüsse des Rates umzusetzen, ist nicht bekannt.

              Musikforum und Haus der Musik – Als einziges neues Highlight für die Innenstadt ist das Musikforum in den letzten Jahren entstanden. Eine wirkliche Attraktion für die Innenstadt ist es allerdings nicht geworden. Belebt wird es nur zu Konzerten der Bochumer Symphoniker (BoSy). Das Konzept “Musikzentrum” ist gescheitert. Entgegen des ursprünglichen Konzeptes hat das Musikforum nicht jeden Tag auf und bietet keine täglichen Veranstaltungen. Die Konzerte der BoSy finden während der Spielzeiten nur an zwei bis vier Abenden die Woche statt.

              Das dem Musikforum benachbarte Haus der Musik, in das die Musikschule umziehen soll, wurde gerade beschlossen. Wegen einer Kostenexplosion bei der Planung wurde das Projekt vor der Beschlussfassung abgespeckt (WAZ vom 28.02.22). Nach derzeitigen Planungen soll es 2027 bezogen werden. Auch bei diesem Projekt wird eine Wirkung also auf sich warten lassen.

              Dringende Projekte, die bisher nicht angegangen wurden

              Andere Projekte, die schon seit Jahren diskutiert werden und für die Attraktivität der Innenstadt von zentraler Bedeutung sind, wurden bis heute nicht angegangen:

              Neugestaltung (Dr.)Otto-Ruer-Platz – Der trostloseste Platz der Innenstadt müsste dringend ein grundlegend neues Gesicht bekommen. Bisher ist aber nur vorgesehen die Platzoberfläche zu erneuern, um das darunter liegende Parkhaus statisch zu entlasten.

              Umgestaltung Rathausplatz – In den meisten Städten ist der Rathausplatz das Schmuckkästchen der Innenstadt, in Bochum kaum mehr als eine unfallträchtige Kreuzung. Auch hier sind sich alle einig, eine Umgestaltung sollte möglichst schnell erfolgen. Doch bisher sieht der Zeitplan der Stadt vor, erst nach Fertigstellung des Haus des Wissens soll was geschehen, das wäre frühestens 2026.

              Propstei-Platz und Park – Die Herstellung dieses Platzes (Ein neuer Platz für Bochum) sollte eigentlich im Anschluss an die Neuanlage des Kuhhirtenplatzes erfolgen. Bis heute ist man in der Stadt aber nicht über das Diskussionsstadium hinweggekommen. So wird seit Jahren die Chance vertan mit vergleichsweise geringen Mitteln, einen neuen Anziehungspunkt in der Innenstadt zu schaffen.

              Viktoria-Promenade – Entlang der Ostseite der Viktoriastraße vom KAP bis zum Südring eine breite Fußgängerpromenade mit großzügigen Freisitzen für Gastronomie zu schaffen, ist ebenfalls seit Jahren im Gespräch (Verkehrs- und Umgestaltungskonzept Bermuda3Eck). Doch zu einer Umsetzung kann sich die Stadt nicht durchringen, weil dazu mindestens eine Autofahrspur wegfallen müsste.

              Statt endlich Pläne für eine grundlegende Umgestaltung vorzulegen, verschwendet die Verwaltung an der Viktoriastraße ihre Zeit darauf immer neue Provisorien einzurichten, die in der Umsetzung mehr schlecht als recht funktionieren und dann wieder neue Wurschtelplanungen nach sich ziehen.

              Seilbahn City – Ruhr Park – Viele Gastronomen und Geschäftsleute würden diese Attraktion begrüßen und fragen sich, warum die Stadt nicht mindestens mal die Machbarkeit prüft (Betrieb Seilbahn vom Ruhr Park zur Bochumer City mit Gewinn möglich). Eigentlich wäre es naheliegend die Schaffung einer Attraktion, die zu 80 bis 90% von Land und Bund finanziert und dazu noch das ÖPNV-Netz der Stadt deutlich aufwerten würde, mit Prioritär voran zu treiben. Bisher wird in der Stadt zwar viel davon geredet Vorreiter seien zu wollen und Landmarken zu schaffen, doch wird es konkret, fehlt zu oft der Mut, solche Projekte anzugehen.

              Betrachtet man die laufenden und notwendigen Projekte, wird klar, vor 2026 wird in der Innenstadt nicht viel passieren, was dem aktuellen Negativtrend entgegenwirken kann. Viele angedachten Projekte befinden sich noch nicht mal in der Planungsphase.

              Da die Stadt erst Jahre zu spät auf die negative Entwicklung der Innenstadt reagiert hat, müsste jetzt alles darangesetzt werden, das Versäumte aufzuholen und die Planungen und Realisierungen zu beschleunigen. Doch in der Verwaltung geht alles seinen gewohnten Gang. Die gemächliche Geschwindigkeit, mit der die Projekte realisiert werden, wird der Dringlichkeit, mit der sich die Probleme stellen, nicht mehr gerecht. Für die Innenstadt ist es fünf vor Zwölf, die Stadt aber verhält sich so, als habe man noch alle Zeit der Welt.

              Es reicht nicht zu erkennen, was zu tun ist, Es muss auch rechtzeitig getan werden. Selbst wenn die Stadt das richtige zu spät tut, hilft das der Innenstadt nicht mehr.

              Zu viele Chancen werden vertan

              Hinzu kommt, bei der baulichen Gestaltung der Innenstadt liegt einiges im Argen. Es gelingt der Stadt aber nicht, hier qualitative Verbesserungen zu erreichen:

              Gestaltungssatzung – Das von den Geschäftsleuten sehr forcierte Projekt ist zunächst gescheitert. Die Gestaltungssatzung musste der Stadtrat in seiner Juni-Sitzung wegen erheblicher rechtlicher Mängel aufheben.

              Das Problem, die Innenstadt ist total verbaut, über Jahrzehnte wurde nicht auf eine einheitliche, qualitativ hochwertige Bebauung geachtet. Das Gericht fragte sich zu Recht, welche Art von Gestaltung soll in der Innenstadt mit der kleinteiligen Gestaltungssatzung eigentlich bewahrt werden. Jetzt fallen Politik und Verwaltung die Versäumnisse der Vergangenheit auf die Füße. In Bochum wurde nie eine Gestaltung nach einem einheitlichen Konzept verfolgt auf ein einheitliches Stadtbild wurde nicht geachtet. Man hat alles genehmigt, egal was gebaut werden sollte, Also ist es jetzt kaum möglich, Eigentümer*innen zu verpflichten, die Fassade so zu gestalten wie dies sonst in der Innenstadt üblich ist. Eine bestimmte Art der Bebauung ist in der Innenstadt gerade nicht üblich, fast jeder Bau sieht anders aus.

              Das Ziel, die Innenstadt mit hochwertig gestalteten und als Blickfang geeigneten Gebäuden aufzuwerten verfolgt die Stadt bisher leider nur auf dem Papier:

              Stadtturm am Hauptbahnhof – Bei diesem Projekt ist nach vier Umplanungen ein uninspiriert gestalteter Klotz übriggeblieben, der von den Bochumern und Bochumerinnen schon als “Käsereibe” verspottet wird und dessen Gestaltung in den Architekturforen zerrissen wird (City-Tower – Vom architektonischen Highlight zum trostlosen Klotz). Obwohl die aktuellen Planungen fast keine der im Bebauungsplanverfahren vollmundig angegebenen Gestaltungsanforderungen mehr erfüllen kann, wird die Realisierung des 08/15-Turms von der Stadt jetzt durchgeboxt.

              Sparkassenneubau am Dr.-Ruer-Platz – auch hier wird die Chance vertan, ein architektonisches Highlight zu schaffen. Der belanglose Bau passt sich an den trostlosen Platz, an dem er entsteht, an (Chance verpasst: Gähn-Moment statt Wow-Effekt – Neubau der Sparkasse am Dr.-Ruer-Platz).

              Will man etwas positiv für die Innenstadt bewirken, darf man solche einmaligen Chancen Gebäude mit Strahlkraft zu schaffen nicht liegen lassen. Aber leider werden nicht nur bei der baulichen Gestaltung Chancen für die Innenstadt verspielt, sondern auch bei der verkehrlichen Erschließung der City.

              Radschnellweg durch die Innenstadt – So verpasst die Stadt die einmalige Gelegenheit den Radschnellweg direkt durch die City zu führen um so die zukünftigen Nutzer*innen der Radverbindung als Kunden für die Innenstadt zu gewinnen. Stattdessen will man mit Millionenaufwand den Radverkehr im großen Bogen um die City herumführen (Akteneinsicht: Verwaltung “lenkt” große RS1-Trassensuchshow zum gewünschten Ergebnis).

              Dabei kann es sich die Innenstadt nicht leisten weiterhin auf die Kunden zu verzichten, die gerne mit dem Rad oder zu Fuß in die Innenstadt kommen würden. Die Innenstadt muss mit allen Verkehrsmitteln sehr gut erreichbar sein. Sich allein auf Autokunden zu fokussieren, hat sich als Irrweg herausgestellt, in der Folge hat die Kundenfrequenz in der Innenstadt ab- und nicht zugenommen. Wenn in ein paar Jahren die Radfahrenden zu einem großen Teil an der City vorbei fahren, anstatt mitten durch, wird man sich fragen, wie man auf die Idee kommen konnte, diese riesige Chance für die Innenstadt leichtfertig zu vertun.

              Fehlplanungen, die mit viel Geld korrigiert werden müssen

              So wie man sich bei anderen Bauprojekten heute fragt, wie es dazu kommen konnte:

              Hans-Böckler-Straße zwischen Brückstraße und Rathausplatz – Statt einer Aufwertung der Straßensituation zwischen Innenstadt und Rathausgebäuden schuf die Verwaltung einen Unfallschwerpunkt. Die Radwege wurden bei den Planungen vergessen, die Schienenquerung für Radfahrende in Richtung City auf Höhe des Technischen Rathauses ebenso wie die Übergangssituation von der City-Passage Richtung BVZ und die Integration der Straßenbahnhaltestelle sind Fehlplanungen. Für 230.000 Euro wird jetzt versucht zumindest die Unfallschwerpunkte zu entschärfen. Eine vollständige Überplanung und Neugestaltung wäre zu teuer.

              Brüderstraße – Die Vorbehalte der Kritiker zu dieser Umgestaltung erwiesen sich als richtig. Zu den damaligen Planungen wurde eingewendet, den Autoverkehr in der Straße zu belassen, würde zu einer B-Lage im 3Eck führen und damit zu negativen Entwicklungen. Die Stadt war jedoch der Ansicht der (Poser-)Verkehr durch das 3Eck sei ein wichtiges Merkmal für das Szeneviertel und dürfe nicht unterbunden werden. Sie wurde eines Besseren belehrt. Jetzt versucht man mit Shishabar-Verbot und einer abendlichen Verkehrsberuhigung der negativen Entwicklung entgegen zu wirken. Auf Dauer wird nur eine weitere kostenintensive Umgestaltung helfen, die aber erst nach Ablauf des Förderzeitraums für die letzte Umgestaltung möglich ist.

              Zugang Bongard-Boulevard vom Ostring – Auch mindestens der obere Teil des “Bongard-Boulevard” ist eine teure Fehlplanung. Um eine großzügig breite Tiefgarageneinfahrt herstellen zu können, quetschte man die zu Fuß Gehenden auf einen schmalen unattraktiven Fußweg und machte die Ein- und Ausfahrt für Radfahrende zum Sicherheitsrisiko. Entsprechend blieben auf der Pflasterwüste hinter der Tiefgarageneinfahrt die Kunden aus. Will man den oberen Teil des “Boulevards” beleben, wird die Stadt auch hier nicht um eine kostenintensive Umgestaltung der Tiefgaragenzufahrt samt der umgebenden Wegesituation herumkommen (Umgestaltung des Zugangs zum Bongard-Boulevard).

              Fazit

              Betrachtet man zusammenfassend die Projekte, die die Stadt in den letzten Jahren in der Innenstadt umgesetzt hat, so waren diese zu einem nicht unwesentlichen Teil leider nicht erfolgreich und einige müssen jetzt mit immensem Kostenaufwand korrigiert werden.

              Seit 2015 wurden wenige, aber vielversprechende Projekte angestoßen, deren Umsetzung aufgrund der gemächlichen Geschwindigkeit bei den Abläufen in der Verwaltung allerdings viel zu lange dauert und der Innenstadt vor 2026 kaum helfen werden. Zu befürchten ist, dass bis dahin die Strukturen der Innenstadt weiter nachhaltigen Schaden nehmen werden und Strukturen verloren gehen, die sich nicht mehr ohne weiteres zurück holen lassen werden.

              Weiterhin wurden wichtige Projekte bisher noch gar nicht angegangen, so dass mit einer Realisierung selbst in 10 Jahren kaum zu rechnen ist. Hinzu kommt, dass man bei einigen laufenden Bauprojekten leichtfertig Chancen vergeben hat, die man unbedingt hätte nutzen müssen.

              Für die Innenstadt läuft die Zeit ab. In Anbetracht der Dringlichkeit der Problemlage tut die Stadt zu wenig und was sie tut, dauert viel zu lange. Die Stadt wird sich überlegen müssen wie sie die laufenden Projekte und die Aufnahme neuer Projekte erheblich beschleunigen kann, sonst werden die Projekte, wenn sie endlich umgesetzt worden sind, der Innenstadt nicht mehr helfen können.

              18 Jun

              Husemannplatz – zwei Jahre zu spät fertig und 4 Mio. teurer als geplant

              Kaum wird das Viktoria Karree am Husemannplatz Ende 2022 eröffnet sein, wird die Stadt davor für zwei Jahre eine Großbaustelle zur Umgestaltung des Platzes einrichten. Eigentlich hatte der Stadtrat beschlossen, Karree und Platz sollen gleichzeitig fertig werden, aber die Stadt hat es mal wieder nicht hinbekommen. Das Projektmanagement ist zu schlecht.

              Man sollte meinen, bei jedem Projekt stellt die Stadt zu Beginn der Planungen einen Projektstrukturplan auf, in dem alle Aufgaben und Gewerke aufgelistet werden, die voraussichtlich im Rahmen des Bauprojekts abgearbeitet werden müssen. Auf dieser Basis werden dann die Gesamtkosten für das Projekt geschätzt sowie die voraussichtliche Durchführungsdauer. In einem weiteren Schritt werden dann die Aufgaben und Gewerke identifiziert, die besonders zeitkritisch  oder mit hohen Kostenrisiken verbunden sind und bei denen die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sich die in der ersten Schätzung vermuteten Kosten- und Zeitannahmen noch deutlich ändern können. Doch so ist es nicht.

              Projekt “Husemannplatz” – Kosten- und Zeitschätzung sowie Risikobetrachtung

              Das Projekt Husemannplatz besteht aus drei wesentlichen Teilen:
              1. Abbruch des bestehenden Platzes, samt Aufbauten
              2. Neue Abdichtung der Tiefgarage sowie Erneuerung der Ver-, Entsorgungs- sowie Entwässerungsleitungen und -anlagen.
              3. Bau des neuen Platzes.

              Hohe Kosten- und Zeitrisiken bestehen insbesondere beim zweiten Projektteil. Bis der alte Platz  nicht entfernt worden ist, wird nicht klar sein, wie es unter dem jetzigen Platz aussieht und wie umfangreich die Arbeiten zur Abdichtung des Parkhauses sein werden. Auch kann nur schwer abgesehen werden, in welchem Zustand sich die Ver-, Entsorgungs- sowie Entwässerungsanlagen befinden und in welchem Maß eine Erneuerung erforderlich ist. Für solche Gewerke wäre es also sinnvoll zu abzuschätzen, welche Kosten sie im günstigsten und welche sie im schlechtesten Fall nach sich ziehen könnten (Worstcase-Betrachtung).

              Den vielen Beschlussvorlagen zum Husemannplatz ist leider nicht zu entnehmen, dass in der beschriebenen Weise vorgegangen wurde. In den Jahren 2019 bis heute werden immer wieder viele Kosten- und Zeitzahlen genannt. Doch es fehlt von Anfang an die Angabe einer eindeutigen Zahl für die Gesamtkosten. Kostenangaben für den Platz wechseln mit solchen für die Abdichtung, die Abrissarbeiten und anderen Gewerke. Eine stringente Kosten- und Zeitplanung ist nicht erkennbar. Bereits die Vorlagen zeigen wie ineffizient die Verwaltung arbeitet. Zeitaufwendig werden über Seiten immer neu Informationen und Daten ausgewalzt, die bereits bekannt sind, während wesentliche Daten fehlen oder im Textwust versteckt werden. Eine wiederkehrende in gleicher Struktur dargestellte Auflistung der zentralen Projektdaten, insbesondere zu Gesamtkosten und Projektdauer sowie deren Entwicklung fehlt.

              Obwohl das Projekt bereits seit 2019 läuft, wird es bis heute in den Quartalsberichten zum Projektcontrolling städtischer Projekte mit Kostenvolumen über 1 Mio. Euro. (Bericht zum Bauprojektcontrolling – 4. Quartal 2021) nicht aufgelistet.

              Stadt bekommt den Umbau nicht rechtzeitig hin

              Mit dem Beschluss, die alten Gerichtsgebäude abzureißen und dort das Viktoria Karree zu bauen, verband der Stadtrat den ausdrücklichen Wunsch, dass der Husemannplatz ebenfalls neugestaltet und unbedingt zeitgleich mit dem Karree neu eröffnet werden sollte. Trotz 4 Jahren Zeit für Planung und Bau, war die Verwaltung nicht in der Lage diese Aufgabe zu erfüllen. Das Viktoria Karree wird Ende 2022 eröffnet, der Platz wird frühestens im ersten Quartal 2025 fertig. Eine über zwei Jahre andauernde Dauerbaustelle vor dem neuen Gebäudekomplex wird für die neuen Geschäfte im Karree zur harten Belastungsprobe werden. Zu hoffen ist, dass sie diese Zeit überleben. Die Verwaltung schreibt dazu selbst noch Anfang 2021 “Der wirtschaftliche Erfolg des Gesamtprojektes ist stark von dieser gemeinsamen Umsetzung beeinflusst, da Doppelkosten und die gegenseitige Behinderung beider Maßnahmen vermieden werden.” (Vorlage 20210124).
              Dass die Stadt erst heute eingesteht, das ausgegebene Ziel um über 2 Jahre zu verfehlen und sich darauf rausredet sie habe ja bereits Mitte 2021 angegeben, der Platz werde “zu einem späteren Zeitpunkt” fertig, spricht nicht für einen professionellem Umgang der Beteiligten mit dem Stadtrat und der Öffentlichkeit (Antwort der Verwaltung 20221660f).

              Kosten für den eigentlichen Platzumbau verdreifachen sich

              Ähnliches zeigt sich bei den Kostenzahlen. 2019 legt die Verwaltung im Rahmen des ISEK-Innenstadt eine erste Kostenschätzung für die Gesamtkosten des Projekts vor (Maßnahme B3 – ISEK Innenstadt – Vorlage 20192419). 3,75 Mio. (4,14. Mio. inkl. Kosten für den Qualifizierungswettverb) soll die Maßnahme insgesamt kosten, ausdrücklich inklusive Abdichtung Tiefgarage, Erneuerung der Leitungen und des Rückbaus des alten Platzes. Die “Kostenkalkulation” erfolgt auf Basis eines Kostensatzes pro Quadratmeter Platzfläche (500 Euro/qm) und offensichtlich nicht auf Grundlage eines ersten Projektstrukturplans mit Auflistung aller erforderlichen Aufgaben und Gewerke sowie einer Risikoabschätzung. Den Grundsätzen eines professionellen Projektmanagements entsprach diese Vorgehensweise also nicht.

              In den folgenden beiden Jahren konzentrierten sich die Vorlagen dann nicht mehr auf die Gesamtkosten des Projekts. Es wurden nicht mehr alle drei Projektteile betrachtet, sondern im Wesentlichen nur  die Kosten der Erstellung des eigentlichen Platzes (Teil 3) betrachtet. Dafür nahm man im Rahmen der Ausschreibung des Planungswettbewerbs 2019 noch 2 Mio.. Euro an (Auslobung Realisierungswettbewerb – Vorlage 20193885). Nach dem Wettbewerb im Mai 2020 wurden dann die Kosten auf 3,7 Mio. korrigiert. Eine Kostensteigerung beim Platzbelag (Grauwacke) führte im 2021 zu Kosten von fast 3,9 Mio. Die neuste Kostenschätzung aus dem April 2022 ergab schließlich eine Verdreifachung der Kosten im Vergleich zur Ausgangsschätzung von 2019. Jetzt werden fast 6,1 Mio. Euro angegeben (Anlage 3 zu Vorgang 20221173).

              Die Kosten für die Projektteile 1 und 2 (Abriss alter Platz, Abdichtung Tiefgarage und Erneuerung Leitungen) blieben dagegen relativ unverändert: Von 2019 bis 2022 stiegen die Kosten für diese beiden Posten nur von 1,7 Mio. auf rund 1,9 Mio.

              Die Verschleierung der Ursachen für die Kostenexplosion

              Die Darstellung in der Vorlage 20221173 zur Kostenentwicklung, man habe 2020 die Finanzmittel in Höhe von 3,7 Mio. Euro nur für die Schaffung des neuen Platzes bereitgestellt, aber bewusst die Einstellung von Mitteln für die Abdichtung der Tiefgarage und Rückbauarbeiten unterlassen (Vorlage 20221173), ist somit falsch. Eine solche Vorgehensweise, nur einen Teil der Gesamtkosten eines Projektes in den Haushalt einzustellen, wäre zum einen unprofessionell, da sie  den Regeln der ordnungsgemäßen Buchführung widersprechen würde, zum anderen hatte die Verwaltung die Gesamtkosten des Projekts über alle drei Teile im Rahmen der ISEK-Innenstadt bereits 2019 auf 3,75 Mio. beziffert und entsprechend war dieser Betrag als Gesamtkosten in den Haushalt einzustellen. In der Vorlage 20210124, heißt es zudem wörtlich “Die Gesamtkosten [sic!] für die Neugestaltung des Husemannplatzes belaufen sich inkl. Planungskosten auf ca. 4 Mio. EUR.”

              Grundsätzlich und ohne Ausnahme sind als “Gesamtkosten” für ein Projekt immer sämtliche Kosten über alle Projektteile und alle -phasen zu verstehen. Die Darstellung der Verwaltung man könne die Gesamtkosten Scheibchen für Scheibchen ausweisen und einstellen sowie nach Belieben auch wesentliche Teil weglassen, zeugt von einem groben Missverständnis der Grundsätze von Projektmanagement. Tatsächlich sind die Kosten für den eigentlichen Neubau des Platzes explodiert und haben sich verdreifacht. Im Klartext gesprochen: Die Begründung, die Kostensteigerung sei darauf zurück zu führen, dass die Verwaltung bei der Kalkulation der Gesamtkosten bewusst Kosten für wesentliche Projektteile weggelassen habe, ist unwahr und dient allein der Verschleierung der Verdreifachung der Kosten bei der eigentlichen Platzneugestaltung. Hier wird der Stadtrat bewusst in die Irre geführt werden.

              Es wird Zeit, dass die Verwaltung ihre Zeit dazu nutzt ein effektives Projektmanagement aufzuziehen und ihre Projektkommunikation gegenüber dem Rat überdenkt, statt mit nachweisbar falschen Darstellungen zu versuchen, die Mängel bei den Kosten- und Zeitkalkulationen zu verschleiern. Darüber hinaus beschädigen solche Tricksereien massiv die Glaubwürdigkeit der Beteiligten in der Verwaltung.

              Defizite im städtischen Projektmanagement

              Wie andere Projekte zuvor, Haus des Wissens, Feldsieper Grundschule u.a. (Städtische Bauprojekte im Schnitt 0,8 Mio. teurer sowie 1 Jahr und 3 Monate später fertig als geplant), zeigt das Projekt Husemannplatz, die Verwaltung verwendet den Begriff “Gesamtkosten” willkürlich. Obwohl er nach den Regeln eines geordneten Projektmanagements ohne Ausnahme zu jedem Zeitpunkt eines Projekts sämtliche Projektkosten über alle Projektteile und alle Kostengruppen der HOAI auszuweisen hat, definiert die Verwaltung den Begriff gerne so wie es ihr gerade passt. Zudem sind die Grundlagen, auf denen bei der Stadt erste Kostenschätzungen erfolgen, unzureichend. Eine erste grobe Kostenschätzungen sollte bereits auf Basis eines Projektstrukturplans erfolgen. Eine Kostenschätzung aufgrund von Quadratmeterpreisen ist nicht ausreichend. Weiterhin sollten bereits im Rahmen der ersten Kalkulationen Risiko- und Worstcase-Betrachtungen erfolgen. Schließlich werden die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Risiken offenbar systematisch unterschätzt, ebenso wie die Komplexität der Projekte, daraufhin deuten die immer wieder zu beobachtenden extremen Projektzeitüberschreitungen.

              Politik muss eindeutige Vorgaben zum Projektmanagement machen

              Die Bochumer Politik ist bisher nicht bereit der Verwaltung eindeutige Vorgaben zu machen, wie die Stadt bei der Planung von Projekten zu verfahren hat. So lange Rot-Grün im Stadtrat die Bereitschaft das zu ändern, ist nicht zu erwarten, dass die Zahl der Fälle von Kostenexplosionen und extremen Terminüberschreitungen bei städtischen Bauprojekten abnehmen wird.

              01 Mai

              City-Tower – Vom architektonischen Highlight zum trostlosen Klotz

              Eigentlich sollte der neue City-Tower am Hauptbahnhof ein spannendes architektonisches Highlight werden, um auch optisch den Eingang zur Innenstadt aufzuwerten. Doch dann wurde der ambitionierte Entwurf immer weiter abgespeckt, bis jetzt nur noch ein trostloser Klotz gebaut werden soll, wie er in jedem Gewerbegebiet zu finden ist. Wieder wird eine Chance vertan, der Stadt ein besonderes Gesicht zu geben.

              Bochum, “Leider total verbaut Aber g’rade das macht dich aus “, heißt es in der Stadthymne von Grönemeyer. Eigentlich will die Stadt von der belang- und ideenlosen 08/15 Architektur weg, mit der über Jahrzehnte die Stadt zugebaut wurde. Als neues Ziel wurde ausgegeben, architektonisch hochwertige, das Stadtbild prägende Gebäude zu bauen, die Bochum unverwechselbar machen.

              Ziel: Landmarken und das Stadtbild prägende Architektur

              Ausdrücklicher Wunsch die Stadtpolitik ist es in der Stadt augenfälligen Landmarken zu schaffen, damit Besuchern und Besucherinnen wie auch Durchfahrende sofort erkennen, dass sie sich in Bochum befinden. Eine solche Landmarke hätte der City-Tower sein können, wenn nicht müssen. Die Stadt selbst spricht von einer “herausragenden städtebaulichen Funktion des Gebäudes und dessen künftig weithin sichtbaren Figur” und stellt im Bebauungsplan fest, der äußeren Fassadengestaltung käme eine besondere Bedeutung zu (Begründung Bebauungsplan 31.01.2019)

              Direkt am Hauptbahnhof, am Eingang zur Innenstadt gelegen, soll das Hochhaus als erstes von denen, die in die City kommen oder mit der Bahn die Stadt durchfahren, gesehen werden. Der erste Eindruck von einer Stadt ist prägend. Ist der Bau gelungen sorgt er für einen Aha-Effekt, die Besucher*innen werden neugierig auf die Stadt und wollen mit einer positiven Grundstimmung die weitere Stadt entdecken. Ist das Gebäude dagegen langweilig und strahlt schnöde Belanglosigkeit aus, werden alle gegenüber Bochum bestehende Vorurteile bestätigt. Die Grundstimmung gegenüber der Stadt ist dann im besten Fall gleichgültig, eher sogar negativ. Um das zu vermeiden, sollte der City-Tower ein besonderes Bauwerk werden. Die Wirtschaftsentwicklung verkündete, der Stadtturm werrde das neue Tor zur Innenstadt. Mit diesem Vorsatz sollte der City-Tower am Hauptbahnhof konzipiert werden.

              Stadtturm Bochum. Gerhard Spangenberg

              105 Meter hoher Glasturm – Die lange Planungsgeschichte des Turms begann 2013 mit der Vorstellung eines 105 Meter hohen Hochturms. Als Mieter im Gespräch war die Europazentrale von BP/Aral, später die Sparkassen-Akademie. Der Entwurf des Architekten Gerhard Spangenberg, der schon das Exzenter-Haus entworfen hat, sah einen futuristisch anmutenden Glasbau mit verschiedenen Schrägebenen vor (Gerhard Spangenberg Stadtturm Bochum). Durch seine markante Bauform hätte der Turm einen einmaligen Blickfang dargestellt. Doch die gewünschten Mieter für den Stadtturm fanden sich nicht, das Projekt konnte nicht realisiert werden.

              Basecamp Tower, Gerber Architekten

              Hochhaus für Studierende und Hotelgäste – 2017 wurde ein 60 Meter hohes Gebäude geplant, das 400 Studierenden und zusätzlich den Gästen eines Hotels zur Verfügung stehen sollte (Planung City Tower Basecamp). Die Architektur sollte besondere Akzente setzen und sich optisch in die vorhandene Umgebungsbebauung einfügen.

              Im Hinblick auf diese Planung wurde 2019 der Bebauungsplan in Kraft gesetzt, der seitdem den Bau eines Stadtturms bis zu einer maximalen Höhe von 69 Metern zulässt. Der neue Entwurf erhob den Anspruch einen “hohen, städtebaulich deutlichen Akzent” zu setzen. Gerber Architekten ersetzten den eher futuristischen Stadtturm von Spangenberg durch eine um 40 Meter geschrumpfte solide Architektur, die durch ausgeklinkte verglaste Eck- und Fassadenteile optisch gewinnende Akzente versprach. Im Bebauungsplan wird der Entwurf wie folgt beschrieben. “Aufgrund der herausragenden städtebaulichen Funktion des Gebäudes und dessen künftig weithin sichtbaren Figur, besitzt die äußere Fassadengestaltung eine besondere Bedeutung. Zur deutlichen Akzentuierung des Hochhauses ist – nach aktuellem Planungsstand eine Loch-Fassade bestehend aus Glaselementen und Beton/Stein – vorgesehen. Hierdurch soll die Wirkung einer aufgelockerten Fassade entstehen. Durch größere, eingeschobene Öffnungen soll diese Wirkung weiter verstärkt werden, indem Glaselemente zwei Geschosse überspannen und den dahinterliegenden Gemeinschaftsräumen eine besondere Akzentuierung in der Fassade verleihen.” Doch auch dieses Projekt scheiterte, der Investor sprang ab. Er sah sich aufgrund steigender Baupreise nicht mehr in der Lage das Projekt zu realisieren.

              City Tower & City Garden, mo.studio

              Mix-Use-City-Tower – 2020 findet sich ein neuer Investor. Im Tower sollen jetzt auf 21 Ebenen Nutzungen von Hotel, Büro, Serviced Apartments, Gastronomie bis Handel untergebracht werden. Vom Investor wird dieses Konzept als Mix-Use bezeichnet.

              Im Juli 2020 stellen die Architekten von mo.studio unter dem Namen “City Tower & City Garden Bochum” neue Planungsentwürfe sowie ein neues Planungskonzept für den Turm vor (Planung City Tower Bochum). Highlight diesmal: auf den Etagen 2 bis 4 sowie der obersten, 20. Etage sollen Bäume und große Büsche in die Fassade integriert werden, ein vertikaler Garten soll entstehen. Es wird zunächst vermutet der Investor wolle jetzt diesen Entwurf realisieren, aber das Konzept kommt nicht zum Zug,

              Der aktuelle Planungsentwurf ist belang- und anspruchslos

              Letzten Endes wird doch wieder auf den Planungsentwurf der Gerber Architekten aus dem Jahr 2017 zurückgegriffen. Allerdings wurde dieser zwei Mal abgespeckt, zunächst 2020 und nunmehr erneut.

              City-Tower-BO, Gerber Architekten

              Der gerade veröffentlichte Entwurf sieht nur noch einen 60 Meter hohen gesichtslosen Klotz vor, an dem man sich spätestens nach 10 Jahren satt gesehen hat. Jede architektonische Finesse ist verschwunden. Was die Stadt noch versucht als neues Wahrzeichen zu verkaufen (Der City-Tower-BO). ist nicht mehr als ein ideenloser Büroturm, wie man ihn in jedem großstädtischen Gewerbegebiet im Dutzend findet. Zwar wird der jetzt City-Tower-BO genannte Turm weithin sichtbar sein, doch das Zeug zum Hingucker hat er nicht. Er wird nach Vonovia-Hauptverwaltung (Vonovia-Zentrale – eine neue Bausünde) und Sparkassenneubau am Dr.-Ruer-Platz (Gähn-Moment statt Wow-Effekt – Neubau der Sparkasse am Dr.-Ruer-Platz) ein weiteres sichtbares Zeichen dafür sein, dass beim Bau markanter Gebäude in Bochum viel zu häufig nur unterer Durchschnitt realisiert wird. Mal wieder klaffen der ursprüngliche Anspruch an das Projekt und das, was dann realisiert werden soll, weit auseinander. Nach jetzigem Stand wird der Kurt-Schumacher-Platz nach dem billig aussehenden Hotel-Zwillingsturm nun ein weiteres 08/15-Hochhaus erhalten.

              Wieder wird eine Chance vertan, an herausragender Stelle der Stadt, direkt am Hauptbahnhof, ein sichtbares Zeichen für eine innovative Stadt zu setzen. Seiner herausragenden Funktion als Wegweiser zur Innenstadt wird der Turm nicht im Ansatz gerecht. Der Entwurf bietet nicht mal architektonisches Mittelmaß. Seine Gestaltung ist in jeder Hinsicht enttäuschend.

              Planungsentwürfe 2013-2022

              Bestehen noch Chancen auf einen besseren Planungsentwurf?

              Bemühungen die Planungen doch noch zu verbessern, sind bisher nicht zu vernehmen. Weder von Seiten der Stadt noch von Seiten der Stadtgesellschaft ist in dieser Richtung etwas zu hören. Eigentlich wäre eine deutliche Stellungnahme vom Gestaltungsbeirat, IHK und den Geschäftsleuten der Innenstadt zu erwarten.

              Die große Frage ist, was hat die Stadt für ein Druckmittel gegenüber dem Investor, um diesen zu verpflichten, die von der Stadt selbst formulierten Gestaltungsansprüche zu erfüllen? Gibt der Vertrag mit dem Investor das her? Der Oberbürgermeister erklärte zu der Auswahl des aktuellen Investors LIST: “Gesprochen haben wir mit einigen, verhandelt mit wenigen und am Ende hatte LIST das beste Paket” (WAZ vom 26.08.20). Wenn die Stadt aus einer guten Auswahl an Investoren den passenden aussuchen konnte, dann sollte sie den genommen haben, der mit seinem Angebot die Ansprüche der Stadt am besten erfüllen konnte. Zudem sollte es in dieser Lage möglich gewesen sein, die Realisierung der entsprechenden Gestaltungsanforderungen vertraglich verbindlich zu fixieren.

              Dass die Wirtschaftsentwicklung die neuen Planungen bereits auf der städtischen Seite veröffentlicht hat, lässt allerdings befürchten, dass die Stadt den erneut abgespeckten Entwurf bereits abgesegnet hat Das wäre fatal. Zu klären ist jetzt, was die Stadt noch für Handlungsoptionen hat. Um dies aufzuklären, werden die STADTGESTALTER eine entsprechende Anfrage stellen.

              In letzter Konsequenz werden sich Stadt und Politik die Frage stellen müssen, ob es nicht besser ist auf einen Stadtturm ganz zu verzichten, statt einen architektonisch unambitionierten, gesichtslosen Hochhausklotz zu errichten, zu dem dann in 10 Jahren gefragt wird, wie die Stadt diesen Bau zulassen konnte.

              Fest steht schon, dass das von der städtischen Wirtschaftsentwicklung an dem Turm angebaute Parkhaus nach aktuellem Stand statt 7 Mio. Euro voraussichtlich 10 Mio. Euro kosten wird (WAZ vom 13.04.22). Damit entfallen auf jeden der 433 Stellplätze Kosten in Höhe von über 23.000 Euro.

              06 Mrz

              Akteneinsicht: Verwaltung “lenkt” große RS1-Trassensuchshow zum gewünschten Ergebnis

              Noch bevor in Bochum mit der großen Trassensuche des Radschnellwegs (RS1) durch die Innenstadt öffentlichkeitswirksam begonnen wurde, lag der Verwaltung die Streckenführung des RS1, die am 09.03.22 die Politik beschließen soll, ausgearbeitet vor. Die offizielle Trassensuche wurde zur Farce. Die Verwaltung lies das Gutachten so lange umschreiben, bis nur noch die von ihr zuvor entwickelte Streckenführung übrigblieb.

              Viele machte es gleich stutzig als die Stadt Bochum das Gutachten zur Findung der besten Streckenführung für den Radschnellweg (RS1) durch die Bochumer Innenstadt vorlegte und eine Streckenführung vorschlug, die vom Gutachterbüro mit -3 Punkten bewertet wurde, während die besten 14 Streckenführungsvarianten, die mit +1 bis +7 Punkten bewertet wurden, allesamt ohne plausible Begründung von der Verwaltung als ungeeignet verworfen wurden.

              Streichung der besten Varianten aus dem Gutachten zur Trassensuche

              Akteneinsicht bestätigt Verdacht

              Diese nicht nachvollziehbare Vorgehensweise ließ den Verdacht aufkommen, dass die Ergebnisse des Gutachtens so lange gebogen wurden, bis nach Streichung aller guten Varianten letztlich nur noch eine bestimmte Streckenvariante zur Realisierung verblieb und zwar ausgerechnet jene, die verwaltungsintern von Anfang an präferiert wurde. “Die PARTEI und STADTGESTALTER” vorgenommene Akteneinsicht beim Tiefbauamt bestätigte jetzt diesen Verdacht.

              Zwei Trassenfindungsverfahren, ein offizielles, ein verwaltungsinternes

              Es zeigte sich, in der Verwaltung gab es zwei Trassenfindungsverfahren, ein offizielles und ein verwaltungsinternes.

              Direkt nachdem die erste Trassensuche für den Radschnellweg 2018 gescheitert war, bei der erst viel geplant wurde, dann aber die Bahn die Bereitstellung der für die zunächst geplante Streckenführung erforderlichen Flächen abgelehnt hatte, kündigte die Stadt an eine öffentliche Trassensuche mit einer groß aufgezogenen Bürgerbeteiligung zu veranstalten. 

              Einwohner*innen, Interessengruppen, die Radverbände, die Geschäftsleute und Gastronomen, also alle die Ideen hatten, sollten in der ersten Phase des Trassensuchprozesses Vorschläge zu möglichen Streckenvarianten einreichen. Daraufhin sollte ein Gutachterbüro anhand eines von ihm entwickelten Schemas alle Varianten bewerten. In der zweiten Phase des Verfahren sollten die drei am besten bewerteten Varianten als so genannte Vorzugsvarianten vorausgewählt und näher untersucht werden. Auf Basis dieser Ergebnisse sollte schließlich die Politik entscheiden, welche Vorzugsvariante realisiert werden soll. Am 31.01.19 stimmte der Stadtrat diesem Plan zu (Beschlussvorlage:20183423).

              Die geheime Trassensuche

              Die Planungen für die RS1-Streckenführung, die die Politik jetzt am 09.03.2022 beschließen soll (Beschlussvorlage 20220116), gab es allerdings schon, ehe überhaupt mit der öffentlichen Trassensuche publikumswirksam begonnen wurde. Denn während noch die Vorbereitungen für die offizielle Trassensuche liefen, hatte die Verwaltung intern, im Verborgenen, ohne Politik und Bürger*innen zu informieren, diese Trassenführung untersuchen und ausarbeiten lassen. In enger Zusammenarbeit mit einer Entwicklungsgesellschaft wurde für diesen Zweck ein Ingenieurebüro beauftragt, das bereits am 05.05.2020 eine umfassende Untersuchung vorlegte, die die entsprechende Streckenführung detailliert untersuchte und beschrieb.

              Übereinstimmung verwaltungsintern bereits 2020 präferierte Streckenführung und Ergebnis der offiziellen Trassensuche 2022

              Vom beauftragten Ingenieurebüro wurde eine rote und eine blaue Variante untersucht. Im Ergebnis wurde die Führung des RS1 über die Frederikabahn und den P&R-Parkplatz am Klever-Weg vorgeschlagen, die anschließende Brückenquerung mit Überwurf über Universitätssstraße und Buddenbergplatz sowie die Führung über die Wittener Straße durch den Kortumpark zur Akademiestraße, weiter zum Lohring, bis schließlich über die steile Straße Am Lohberg zur Springorumtrasse. Bis auf wenige Meter im Kortumpark ist das genau die Streckenführung des RS1, die in der nächsten Woche, am 09.03.22 im Mobilitätsausschuss beschlossen werden soll (Beschlussvorlage 20220116). In der Beschlussvorlage wurde noch eine Alternativstreckenführung über Ehrenfeld- und Clemensstraße ergänzt, für den Fall die Strecken entlang der Bahnlinie stünden nicht zur Verfügung.

              Für die Öffentlichkeit: Die große Trassensuchshow

              Bezeichnender Weise floss die bereits ausgearbeitete Streckenführung allerdings nicht in die große Trassensuchshow ein. Zu dieser wurde publikumswirksam im Juni und Juli 2021 eine großangelegte Öffentlichkeitsbeteiligung organisiert. Online konnten die Menschen insbesondere ihre Ideen zu Trassenvorschlägen angeben und ihre Meinungen zu Streckenführungen äußern. Ende August folgte ein Workshop mit allen Interessengruppen. Die Zahl der Rückmeldung war erfreulich hoch. Insgesamt wurden auf der Webseite 4.350 Zugriffe verzeichnet, es wurden 336 Trassenvarianten in die Online-Karte eingetragen. Basierend auf dieser großen Menge Streckenvarianten entwickelte das von der Stadt beauftragte Gutachterbüro anschließend ein aufwendiges Bewertungssystem um nach einer Vorauswahl 42 realistische Varianten bewerten und vergleichen zu können.

              Aufgrund des Vergleichs und der Bewertung der Varianten kam das Gutachterbüro zu eindeutigen Ergebnissen, die sie der Verwaltung Ende 2020 vorstellte, Das Büro kam zu dem Schluss, im weiteren Verlauf der Trassensuche sollten folgende drei Streckenführungen als Vorzugsvarianten näher untersucht werden (zu den Variantennummern, siehe Gutachten): die erste über den Boulevard (1c), die zweite über Süd- und Ostring, am Justizzentrum vorbei und dann durch den Tunnel nördlich der Springorumtrasse (5b und 7a) sowie eine dritte über das Gelände City-Tor-Ost. Südring, Wittener Straße und Altenbochumer Straße und schließlich von dort auf die Springorumtrasse (10). Die Varianten südlich der Bahnlinie sollten nach Ansicht des Gutachterbüros nicht weiterverfolgt werden. Diese seien zu schlecht bewertet, würden zu viele Hemmnisse aufweisen und ihre Herstellung sei zu (kosten-)aufwendig. Dies betraf auch die Varianten 3e und 6a, die sich in Kombination zu einem nicht unwesentlichen Teil mit der von der Verwaltung im Geheimen bereits entwickelten Streckenführung decken.

              Die Ergebnisse der Trassensuche werden von der Verwaltung auf den Kopf gestellt

              Die Ergebnisse sollten der Verwaltung nicht passen. Zunächst wurde versuchte die Bewertungskriterien beim Gutachterbüro zu erweitern und zu verändern, um bessere Bewertungen für die gewünschten Varianten zu erzielen. Doch das gelang nicht. Der Punkteabstand zu den besten Varianten war zu groß.

              Also entschloss man sich die ganze Bewertung auf den Kopf zu stellen. Mit der Begründung, die Ergebnisse des Gutachterbüros seien unzureichend, rechtfertigte man eine sogenannte “pragmatische” Lösung: Kurzerhand sollte alle Varianten, über Straßen, auf denen vor kurzem Radwege eingerichtet wurden oder gerade geplant würden, nicht weiter betrachtet werden, also solche über Alleestraße. Westring, Südring, Ostring, Hattinger Straße und Oskar-Hoffmann-Straße, Ebenso sollte die Variante über den Boulevard nicht weiterverfolgt werden, weil zu dieser Straße die Politik bereits vor Jahren gegenteiliges beschlossen habe. Und auch Varianten mit großen Strecken über die Wittener Straße sollten eliminiert werden.

              Im Handstreich führte diese im Kreis von vier Verwaltungsmitarbeiter*innen und ohne jede politische Beteiligung getroffene Entscheidung die gesamte Bewertung des Gutachterbüros ad absurdum. Hatte das Gutachterbüro gestützt auf seine aufwendige Bewertung ausschließlich Streckenführungen nördlich der Bahnlinie als sinnvoll angesehen, hatte die Verwaltung jetzt mit fadenscheinigen Begründungen fast alle Streckenführungen nördlich der Bahnlinie eliminiert und so dafür gesorgt, dass nur die schlecht bewerteten Streckenführungen südlich der Bahnlinie übrigblieben, insbesondere auch die Streckenführung, die die Verwaltung schon seit Mai 2020 in der Schublade geparkt hatte.

              Die Begründung zur Eliminierung aller nördlichen Streckenvarianten ist eine Farce. Laut Bewertungsschema des Gutachterbüros ist auf allen zur näheren Untersuchung vorgeschlagenen Varianten der RS1-Standard umsetzbar, bei den Varianten 1c und 5b sogar zu 100%, also besser als bei der von der Verwaltung favorisierten Streckenführung. Auch der frühere Beschluss des Rates, eine RS1-Führung über den Boulevard nicht mehr zu verfolgen, stand einer weiter Betrachtung dieser Variante nicht im Weg. Wenn am Ende der Trassensuche die Variante entlang des Boulevards als beste Streckenführung heraus gekommen wäre, hätte die Politik überlegen können, ihren bisherigen Beschluss ggf. zu ändern. Für den West-, Süd- und Ostring waren zum Zeitpunkt der Entscheidung noch gar keine Umgestaltungs- und Planungsmaßnahmen vom Stadtrat beauftragt worden. Die wurden erst fünf Monate später im Rahmen des Verkehrskonzepts Innenstadt beschlossen, wohl auch um zumindest pro forma die Eliminierung der entsprechenden Streckenvarianten rechtfertigen zu können. In anderen Besprechungen wurde zu der bereits im Umbau befindlichen Hattinger Straße ausgeführt, auf dieser könne der RS1 mindestens noch so lange eingeplant werden, bis der erste Randstein gesetzt werde. Warum große RS1-Strecken an der Wittener Straße zum Ausschlusskriterium für diese Straße wurden, ist aus den Akten gar nicht ersichtlich.

              Die wenig überzeugende Begründung zur Eliminierung aller Streckenvarianten nördlich der Bahntrasse erkannte die Verwaltung wohl bei Abfassung des Gutachtens selbst. Für das später veröffentlichte Gutachten verfiel man daher auf die ergänzende Formulierung, der RS1-Standard sei auf den Straßen nördlich der Bahnlinie nicht umsetzbar, obwohl dies im Gutachten selbst widerlegt wird, wo den allermeisten eliminierten Streckenvarianten ein RS1-Standard von weit über 90% bis 100% attestiert wird. Ein Wert, der in der Regel besser ist, als derjenige der Streckenführung, die von der Verwaltung favorisiert wird, denn diese weist eine 219 Meter lange, nicht RS1-Standard-konforme 7%-Steigung auf (Strecke des RS1 soll in Bochum über 7%-Anstieg gehen).

              Im Endeffekt hatte die Verwaltung die Bewertung des Gutachtens soweit ausgehebelt, dass alle gut bis sehr gut bewerteten Streckenvarianten eliminiert wurden. Damit war der Weg frei mit Hilfe des Gutachtens statt einer Streckenführung mit einer Bewertung von +1 bis +7 Punkten eine Vorzugsvariante vorzuschlagen, die nur mit –3 Punkten bewertet wurde. Diese ist zusammengesetzt aus den Varianten (3e und 6a) und sie verläuft zufällig entlang der Trassenführung, die die Verwaltung bereits ab 2019 im stillen Kämmerlein abseits der Öffentlichkeit hatte entwickeln lassen.

              Verwaltung verspielt Glaubwürdigkeit und torpediert Bürgerbeteiligung

              In der beschriebenen Weise führt man die Glaubwürdigkeit von Gutachten und Gutachter*innen ad absurdum und hintertreibt die hohe Bereitschaft der Bürger*innen sich an solchen Prozessen zu beteiligen. Tatsächlich hatten die Trassenvorschläge der Bürger*innen, Initiativen und Interessengruppen aufgrund der Voreingenommenheit der Verwaltung nie eine Chance. Die Trassensuche war nichts weiter als eine große Show, mit der die Beteiligten hinters Licht geführt wurden. Offensichtlich war nie beabsichtigt einer der vom Gutachterbüro gut bewerten Streckenführungen zu wählen. Die Bewertung der Varianten gab es allein für die Galerie. Am Ende wurde das Gutachterbüro nur benutzt, um der Verwaltung gegenüber der Politik einen Freifahrtschein für seine von Anfang an präferierte Streckenführung auszustellen.

              Zu hoffen ist, dass ein solcher Fall in Bochum bisher einmalig war und das für die Zukunft auch bleibt. Er untergräbt grundlegend die Glaubwürdigkeit in das Handeln der Verwaltung sowie zukünftig zu erstellende Gutachten. Immer steht ab diesem Vorfall der Verdacht im Raum auch andere Gutachten wurden von der Verwaltung in ähnlicher Weise verfälscht und für eigene Zwecke zurechtgebogen. Dass von der Stadt beauftragte Gutachten rein fachlich fokussierte Einschätzungen von unabhängigen Expert*innen wieder geben, wird mit Verweis auf diesen Fall in den nächsten Jahren immer wieder bezweifelt werden.

              Die Verwaltung hätte intransparent, ohne Information von Politik und Öffentlichkeit neben der großen Trassensuche keine eigene Untersuchung von Streckenvarianten betreiben dürfen. Zumindest hätte die aus der internen Streckensuche resultierende Variante als von der Verwaltung bisher favorisierte Streckenführung transparent in die große Trassensuche eingehen müssen. Die Einmischung in die Trassenfindung hätte nie so weit gehen dürfen, dass die Verwaltung die Ergebnisse des Gutachterbüros mit fadenscheinigen Begründungen quasi auf den Kopf stellt. Es fehlte der Verwaltung an dem für die Begleitung eines solchen Bewertungs- und Auswahlverfahrens erforderlichen Mindestmaß an Unvoreingenommenheit. Wäre das Gutachten nach Meinung der Verwaltung nicht brauchbar gewesen, dann hätte die Politik darüber entscheiden müssen, ob das Trassensuchverfahren beendet wird und wie es weiter gehen soll. So zeigt sich, man hätte sich in diesem Fall die teure Beauftragung eines externen Gutachterbüros sparen können, wie es die Fraktion “FDP und STADGESTALTER” bereits 2019 beantragt hatte (Änderungsantrag 20183423).

              Die von der Verwaltung präferierte Streckenführung ist ungeeignet

              In der Sache ist auch den Dokumenten der Akteneinsicht zu entnehmen, die jetzt von der Verwaltung vorgeschlagene Streckenführung ist extrem teuer. Allein die Brückenanlage zwischen Klever Weg über Universitätsstraße, Hauptbahnhof, Buddenbergplatz und Wittener Straße zum Kortumpark soll laut Schätzungen der Stadt 18,5 bis 26,5 Mio. Euro zuzüglich üblicher Baukostensteigerungen verschlingen.

              Die Variante ist darüber hinaus wenig attraktiv und langsam, zum einen wegen der 7%-Steigungsstrecke Am Lohberg und der weiteren nicht unerheblichen Steigungen im sonstigen Streckenverlauf, (Strecke des RS1 soll in Bochum über 7%-Anstieg gehen) zum anderen wegen der vielen engen 90°-Kurven.

              Fahrtdauer A: Schnellste Route unter aktuellen Bedingungen B: RS1-Streckenführung Verwaltung (unter aktuellen Bedingungen) C: Variante 1 über Südring und Rottstraße

              Aktuell benötigt man über die vorgeschlagene RS1-Strecke vom Maarbacher Tunnel bis zur Buseloh-Brücke 31 Minuten. Durch den Umbau zum RS1 ist kaum mit einer hohen Beschleunigung zu rechnen, denn die 90°-Abbiegungen bleiben. Auch in den Fahrradstraßen, die Teil der Strecke sind, ist bei Autos im Gegenverkehr das Tempo kaum zu erhöhen. Bestenfalls wird es möglich sein die Fahrtdauer auf 24-26 Minuten zu verkürzen. Allerdings schafft man über Südring oder Boulevard die gleiche Verbindung heute bereits in 20 Minuten. Mit den für die Zukunft auf dieser Strecke geplanten Radwegen werden es sogar 18 Minuten oder noch weniger sein.

              Die geplante Streckenführung ist also für einen Radschnellweg ungeeignet. Das Grundprinzip des Radschnellwegs ist, schnell und direkt unterwegs zu sein. Dieses Prinzip scheint die Bochumer Verwaltung bei der Entwicklung der von ihr favorisierten Streckenführung jedoch nicht verfolgt zu haben.

              Absehbar ist, wer mit dem Rad schnell durch die Bochumer Innenstadt kommen will, wird nicht den geplanten Streckenabschnitt des RS1 nehmen, sondern über Südring oder Boulevard fahren. Das wird insbesondere an der Kreuzung zur Kortumstraße für Chaos sorgen, wenn dort zu viele Radfahrende auf zu viele Fußgänger*innen treffen. Die Schaffung solcher Gefahrenpunkte sollte eigentlich durch eine gute geplante RS1-Führung vermieden werden.

              Die Bewertung der jetzt von der Stadt vorgeschlagenen Streckenführung liegt also nicht umsonst bei –3 Punkten, während andere Streckenführungen mit +7 bewertet wurden. Sie ist für Alltagsradler unattraktiv, sie hat keinen wirtschaftlichen Effekt für die Innenstadt und wird daher nicht gut angenommen werden. Wird sie realisiert, wird sie als weitere millionenteure Fehlplanung in die Geschichte der Stadt eingehen.

              Es ist zu hoffen, dass die Fraktionen des Stadtrats vor der Entscheidung am 09.03 nochmal in sich gehen und sich die Akten zu der Trassensuche ebenfalls sehr genau ansehen. Eine Entscheidung auf Grundlage dieses von der Verwaltung diskreditierten Trassensuchprozesses, sollte in einer Stadt, der Bürgerbeteiligung und Transparenz wichtig sind, nicht erfolgen. Die Auswahl der für die Streckenführung des RS1 durch die Bochumer Innenstadt in Frage kommenden Streckenvarianten muss auf Basis der vom Gutachterbüro gut bewerteten Varianten wiederholt werden. Danach erst kann eine seriöse Entscheidung der Politik fallen. Der Stadtbaurat sollte die Größe besitzen und die aktuelle Beschlussvorlage von sich aus zurück ziehen.

              30 Jan

              Strecke des RS1 soll in Bochum über 7%-Anstieg gehen – Sollen die Radfahrenden schieben?

              Nach Jahren legt die Stadt endlich einen Vorschlag vor, wie der Radschnellweg RS1 durch die Innenstadt geführt werden soll. Bei näherem Hinsehen erweist sich die Führung als ungeeignet. Sie erfüllt an wesentlichen Stellen nicht die Grundanforderungen, die an den Bau von Radschnellwegen gestellt werden. In einem Streckenabschnitt ist die Strecke so steil, dass viele ihr Rad hochschieben werden. Für einen Radschnellweg ein Witz.

              Erst plant die Stadt über Jahre eine Führung südlich entlang der Bahnlinie von Essen nach Dortmund. Danach erst spricht sie 2018 mit der Deutschen Bahn, um die für die Umsetzung der Planungen erforderlichen Grundstücke zu erwerben. Die Bahn erteilt eine Absage und jahrelange Planungsarbeiten sind für die Tonne. Also musste 2018 mit der Suche nach einer Trasse wieder bei Null angefangen werden (Vorlage 20183423). Es dauerte sagenhafte weitere 4 Jahre, bis nunmehr eine neue Trassenführung vorgeschlagen wird, die in einer Variante wiederum die Nutzung der Bahnflächen vorsieht, deren Abgabe die Bahn 2018 abgelehnt hatte. Und wieder wird etwas vorgeschlagen, ohne dass man mit der Bahn gesprochen hat. Aber das ist nicht der einzige eklatante Mangel der vorgeschlagenen RS1-Führung.

              “Kreuzungsfreie Strecke südlich der DB” ist mitnichten kreuzungsfrei
              Der ganze Vorschlag zu der neuen Streckenführung ist eine Mogelpackung. In ihrer Beschlussvorlage (Vorlage 20220116) bezeichnet die Verwaltung die von ihr favorisierte Trassenführung als “Kreuzungsfreie Strecke südlich der DB”, nur eines ist diese RS-1 Strecke tatsächlich nicht, kreuzungsfrei.

              Mängel der geplanten RS1-Führung im Bereich Innenstadt

              Sie führt zu der Kreuzung von gleich drei Hauptverkehrsstraßen: der Bessemerstraße, der Königsallee und der Gahlenschen Straße. Die zuletzt genannte Kreuzung wird erforderlich, weil die von der Verwaltung vorgeschlagene Streckenführung, nur über eine Zuwegung über den Tunnel unter der Alleestraße zu erreichen ist, die wiederum eine nicht kreuzungsfreie Querung der Gahlenschen Straße zur Folge. Lediglich bei der in der Verwaltungsvorlage ebenfalls genannten optionalen Trassenvariante, direkt entlang der Bahnlinie wäre eine Kreuzung von Bessemerstraße und Königsallee nicht erforderlich. Der RS1 würde bei dieser Option zwei der drei Straßen mittels ehemaliger Bahnbrücken queren. Die für diese Option erforderliche Abtretung der entsprechenden Bahngrundstücke hat die Bahn aber bereits 2018 abgelehnt und neue Gespräche mit der Bahn wurden bis heute nicht geführt. Dass sich die Verwaltung eine Kostenschätzung für die optionale Streckenführung spart, weist darauf hin, dass sie auch selbst nicht mit einer Realisierbarkeit rechnet.

              Option entlang der Bahnlinie ist ungeklärt und unwahrscheinlich

              Dem Rat der Stadt eine Streckenführung unter falschem Label vorzuschlagen, mit einer Option, bei der völlig ungelöst bis unwahrscheinlich ist, dass sie überhaupt realisiert werden kann, ist unseriös. Erst klärt man die Realisierbarkeit, dann macht man der Politik einen Vorschlag. Der Hintergedanke der Verwaltung scheint zu sein, die Politik die vorgelegte Streckenführung in der Hoffnung beschließen zu lassen, die Option könne trotz der bisher klaren Ablehnung der Bahn doch noch realisiert werden. Auf diese Weise käme die Verwaltung, wenn die DB bei ihrer ablehnenden Haltung bleibt, zu einem Beschluss des Rates, der eine Streckenführung für den RS1 vorsieht, die nicht den Grundanforderungen, die an Radschnellwege gestellt werden, entspricht und den die Politik unter anderen Vorzeichen aller Voraussicht nach auch nicht treffen würde.

              Denn die Grundanforderungen an den Bau von Radschnellwegen sehen eine möglichst kreuzungsfreie Führung vor, bei der dem RS1 an Kreuzungspunkten so weit wie möglich Vorrang eingeräumt werden soll (Vorlage 20183423). Dass bei der vorgeschlagenen Streckenführung dem Radverkehr bei der Kreuzung von Gahlenscher Straße, Bessemerstraße und Königsallee gegenüber dem Autoverkehr Vorrang eingeräumt wird, ist wohl kaum realistisch.

              7%-Steigung Am Lohberg, würden viele Radfahrende zum Schieben zwingen

              Aber es gibt noch einen weiteren Streckenabschnitt, bei dem die vorgeschlagene Strecke nicht den Grundanforderungen an den Bau von Radschnellwegen entspricht. Die Trasse soll über die Straße Am Lohberg führen, Diese hat auf 130 Metern eine extreme Steigung von über 7% (9,20 Meter).

              Steigung der geplanten RS1-Führung Am Lohberg

              Durchschnittliche Bochumer Radfahrende werden diese Straße aus eigener Kraft regelmäßig nicht hoch kommen. Gemäß Qualitätsstandards an den RS1 soll dieser steigungsarm sein und nur in Ausnahmefällen Steigungen bis maximal 6% aufweisen (Vorlage 20183423). Die Stadt Bochum will ernsthaft einen Radschnellweg mit einem Streckenabschnitt bauen, an dem viele ihr Rad hochschieben werden. So wird aus dem Schnell- ein Schiebeweg.

              2018 hatte die Stadt noch selbst ausgeführt (Vorlage 20183423): Es “ist festzuhalten, dass zum Beispiel 6 %-ige Steigungen (Längsneigung) auf längerer Strecke von Radfahrern nicht als positiv bewertet werden. Je stärker die Steigung, umso geringer ist die Attraktivität. Aus diesem Grund bemüht sich die Stadt Bochum 6 %-ige Steigungen zu vermeiden.” Diesen Vorsatz hat die Stadt offenbar aufgegeben. Die Attraktivität des Radschnellwegs für die Radfahrenden scheint bei der Auswahl der Streckenvariante eine eher untergeordnete Rolle gespielt zu haben.

              Führung über den Buddenbergplatz am Hauptbahnhof ist sinnvoll

              Lediglich die Führung des RS1 über den Buddenbergplatz kann überzeugen. Diese wurde von den STADTGESTALTERn bereits 2018 vorgeschlagen. Die Führung über den Platz würde den Bau einer Mobilitätsstation auf dem Buddenbergplatz hinter dem Hauptbahnhof ermöglichen, die direkt am RS1 liegt, so wie das die Planungen der STADTGESTALTER bereits vorsehen (Buddenbergplatz – Vom Platz zur Mobilitätsstation).

              Für die hohen Kosten bekommt man eine bessere Lösung für die Innenstadt

              Die Kosten für die Realisierung der von der Verwaltung vorgeschlagenen Streckenführung schätzt die Stadt auf 20,6 Mio. Euro. Eine erste Kostenschätzung für die optionale Streckenführung entlang der Bahnlinie, gibt die Verwaltung erst gar nicht an, diese dürfte wegen der zusätzlich zu nutzenden Brückenbauwerke nochmal deutlich höher liegen. Legt man die bei solchen Bauprojekten der Stadt Bochum üblichen Kostensteigerung zugrunde, ist eine Verdoppelung der Kosten bis zur Fertigstellung durchaus realistisch.

              Das ist eine Menge Geld, für eine Streckenführung, die letztlich nicht, wie eigentlich auch von den Geschäftsleuten der Innenstadt gewünscht, direkt durch die Innenstadt verläuft, sondern daran vorbei. Neue Radkunden für die Innenstadt werden mit dieser Trassenführung kaum zu gewinnen sein. Die beiden von den STADTGESTALTERn vorgeschlagenen steigungsarmen Streckenlösungen ohne Kreuzungen mit Hauptverkehrsstraßen, die eine am Südring entlang (Radschnellweg über Rottstraße und Südring) , die andere über eine Hochtrasse entlang des Bongard-Boulevards durch die Innenstadt (Den Radschnellweg (RS1) über eine Hochtrasse mitten durch die Innenstadt führen), dürften am Ende im gleichen Kostenrahmen liegen, aber der Innenstadt viel mehr nutzen.

              Beschlussvorlage zur Streckenführung und Trassenauswahl ist intransparent

              Warum die Verwaltung der Politik ausgerechnet diese dargestellte Streckenführung vorschlägt und nur diese und keine weitere, wirft Fragen auf. Trotzdem angeblich 336 Trassenvarianten vorgeschlagen und geprüft wurden, stellt die Verwaltung der Politik in ihrer Beschlussvorlage bewusst nicht mehrere alternative Streckenführungen zur Auswahl und Abstimmung. Die Politik bekommt keine Wahl. Der Stadtrat soll entweder für diese eine Trasse stimmen oder sie ablehnen. Auch wird der Politik vorenthalten, wie die Verwaltung dazu kommt, dass ausgerechnet diese Streckenführung, die beste ist. Das entsprechende Gutachten, in dem die verschiedenen Varianten untersucht und bewertet worden sein sollen, wird der Politik vorenthalten und ist nicht Gegenstand der Beschlussvorlage. Diese Intransparenz gegenüber Politik und Einwohner*innen ist nicht zu tolerieren und beschädigt das Vertrauen in die Seriosität des verwaltungsinternen Auswahlprozesses, der zum Vorschlag der Streckenvariante geführt hat.

              Der Stadtrat sollte die Beschlussvorlage zurückweisen

              Zusammenfassend ist festzuhalten, auch nach mittlerweile fast 8 Jahren schafft die Verwaltung es nicht, eine Streckenführung vorzuschlagen, die den Grundanforderungen für den Radschnellwegebau entspricht. Die Verwaltung will den Radschnellweg über einen Abschnitt führen, auf dem viele Radfahrer ihr Rad schieben werden, weil der ihnen zu steil ist. Die Verwaltung schlägt eine Option zu der Streckenführung vor, deren Realisierung bisher ungeklärt und unrealistisch ist. Allerdings sollte, bevor geklärt ist, ob die Option überhaupt realisierbar ist, kein politischer Beschluss erfolgen. Der Prozess wie die vorgeschlagene Variante verwaltungsintern aus 336 vorgeschlagenen Varianten ermittelt wurde, ist nicht nachvollziehbar und intransparent. Schließlich fehlt die Möglichkeit, dass die Politik zwischen mehreren möglichen Streckenführungen eine auswählt.

              Somit sollte der Stadtrat die Beschlussvorlage zurückweisen und die Verwaltung beauftragen unverzüglich eine Vorlage auszuarbeiten, die eine Abstimmung über mindestens drei alternative Streckenführungen vorsieht, die alle drei sämtliche Grundanforderungen erfüllen, die an den Bau von Radschnellwegen gestellt werden.