Stadterneuerung in Wattenscheid läuft mehr schlecht als recht
Der Frust in Wattenscheid steigt, die versprochene Stadterneuerung auf Grundlage des ISEK (Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept) für Wattenscheid-Mitte verläuft zunehmend im Sande oder endet im politischen Streit.
Einige wesentliche Projekte des ISEK laufen schlecht
Während sich beim Abenteuerspielplatz Hüller Straße einiges tut, läuft es bei anderen wesentlichen Projekten des ISEK-Wattenscheid mehr schlecht als recht:
Der Umbau des Ehrenmal-Parks kommt kaum voran. Die ersten Pläne der Verwaltung vermochten Teile der Politik nicht überzeugen und wurden im Streit zerredet. Für die Wattenscheider erscheint das so, als würde wie schon so häufig in Wattenscheid viel geredet, passieren tut aber wieder mal nichts.
Für den August-Bebel-Platz wurden drei Planungsbüros beauftragt, Vorschläge für die Umgestaltung des Platzes zu entwickeln. Die vorgelegten Planungsentwürfe konnten aber weder verwaltungsintern noch die Bürger wirklich überzeugen. Wie es weitergeht, ist offen. Ebenso, wie der von den STADTGESTALTERn vorgelegte Alternativentwurf in die Diskussionen einfließen soll. Einen transparenten, offenen Diskussionsprozess aller vorliegenden Vorschläge verfolgen bisher weder Stadtteilumbaubüro noch Verwaltung.
Der Bau des WATwurms, obwohl vom bürgerlichen Engagement der Kaufleute der Westenfelder Straße wie vieler Menschen aus Vereinen, Schulen und Kirchen, die bei der Erstellung mitmachen möchten, getragen, kommt nicht voran. Im Masterplan “Bewegte und bespielte Stadt Wattenscheid” sind 650.000 Euro für eine Spiel- und Bewegungsachse in der Innenstadt vorgesehen. Der WATwurm würde deutlich weniger kosten. Seit Februar schaffen es Stadtteilbüro und Verwaltung nicht mit den Projektinitiatoren an einen Tisch zu kommen, um sich über die erforderlichen Bauvoraussetzungen auszutauschen. Die Verwaltung sagt Termine mit immer neuen Ausreden ab oder vertröstet die Initiatoren.
Um an die erforderlichen Fördermittel zu gelangen sollten über das ISEK ebenfalls Projekte finanziert werden, die eigentlich auch ohne das Stadterneuerungsprogramm von der Stadt hätten realisiert werden müssenm wie zum Beispiel der Neubau der Turnhalle wie der Mensa für die Märkische Schule. Doch hier laufen die Kosten aus dem Ruder. Statt der geplanten 9,3 Mio. wird dieses Projekt aufgrund gravierender Planungs- und Kalkulationsfehler jetzt allerdings mindestens 12,8 Mio. kosten (Kostensteigerung: +37,4%, Mitteilung 20180351).
Wie vieles bei diesem Stadtumbauprogramm ist auch das Fassadenprogramm nicht mehr als weiße Salbe. Seit April 2016 wurden 45 Fassaden saniert, für 62 eine Förderung beantragt. Angesichts von mehr als 1.000 Gebäuden im Stadtumbaugebiet, von denen ein nicht unwesentlicher Teil besonders in der Innenstadt eine Fassadensanierung bitter nötig hätte, ist das Programm jedoch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Mit 6 Mio. Euro sollte im Rahmen des ISEK die Modernisierung und Instandsetzung von vernachlässigter privater Gebäuden gefördert werden. Um die dafür vorgesehenen Fördermittel des Landes in Anspruch nehmen zu können, beauftragte die Stadt 2016 ein Architekturbüro mit der Erstellung einer Richtlinie zur Förderung (FRL) von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen. Fast ein Jahr später musste die Stadt nach diversen Gesprächen mit dem Land feststellen, dass keine sinnvolle Förderung von Einzelmaßnahmen und auch nicht von Maßnahmenpaketen möglich ist. Entsprechend soll es im Rahmen des ISEK nun doch kein Programm zur Modernisierung und Instandsetzung von vernachlässigten Gebäuden geben, die bisher dafür veranschlagten Mittel sollen auf das Fassadenprogramm übertragen werden. Sämtliche Kosten, Arbeit und Zeit, die die Verwaltung und das Architekturbüro aufgewendet haben um eine fördermittelkonforme Richtlinie zu erarbeiten, waren umsonst (Mitteilung 20172123).
Obwohl das Gelände, auf dem der Zeche Holland Turm steht, zum Gebiet des Stadterneuerungs.Programms gehört, kümmert sich das Stadtteilbüro um die zukünftige Nutzung und Entwicklung dieses Geländes bisher nicht. Die Planungen hierzu hat die AWO Ruhr-Mitte übernommen. Die von Werner Ollbrink 2011 gegründete Stiftung ist mittlerweile fest in AWO Hand und durchgehend mit AWO-Mitarbeitern besetzt. Auf dem Gelände will die AWO ein Gebäude errichten, indem das AWO-Centrum Cultur und der Verein aktuelles Forum e.V. unterkommen (WAZ vom 24.03.18).Treibende Kraft in der AWO Ruhr-Mitte wie dem Verein ist Serdar Yüksel (SPD), der in beiden Vorständen sitzt und bei der AWO als Vorsitzender agiert. Zwar ist die AWO laut eigenem Statut parteipolitisch unabhängig (AWO-Statut), bei der AWO-Ruhr-Mitte jedoch wird die gesamte Leitung von SPD-Mitgliedern getragen (Neben Serdar Yüksel u.a. Bernd Wilmert, Karl-Heinz Meier, Ernst Steinbach und Maria Hagemeister). Das Stadtteilbüro, das den ISEK-Prozess eigentlich steuern soll und eigentlich für eine transparente und offene Entwicklung unter Einbindung der gesamten Stadtgesellschaft auch dieses wichtigen Stücks der Wattenscheider Identität sorgen müsste, lässt SPD und AWO nach Belieben walten Das überrascht nicht, schließlich werden zwei von vier Mitarbeitern des Büros von der AWO Ruhr-Mitte bezahlt (AWO, PM vom 20.05.2016).
Der eigentlich für Projekte von Bürgern eingerichtete Verfügungsfond (Flyer Stadtteilverfügungsfond) wird nicht so nachgefragt, wie das eigentlich sein sollte, also werden davon insbesondere Projekte und Veranstaltungen von Sozialunternehmen (u.a. der AWO Ruhr-Mitte) und der Werbegemeinschaft finanziert.
Auf der Oststraße und am Alten Markt soll, obwohl dort dringend Bedarf für bauliche Stadterneuerungsmaßnahmen bestünde, im Rahmen des ISEK nichts passieren. Die Begründung, dieser Teil von Wattenscheid-Mitte befände sich nicht in einer sozialen Schieflage. Bauliche Maßnahmen zur Stadterneuerung mit Mitteln aus dem Stadterneuerungsprogramm werden nur in Stadtbereichen mit sozialen Problemen realisiert. Allerdings wird die mit ISEK-Mitteln finanzierte neue Citymanagerin ohne grundlegende Neugestaltungsmaßnahmen im Bereich der Fußgängerzone auch bei größten Anstrengungen nicht das fehlende Flair und Ambiente in die Wattenscheider Innenstadt zaubern können. Auch dieses Vorgehen erscheint angesichts der Problemlage zu kurz gedacht.
Bereits bei Beginn der Stadtteilerneuerung wurde befürchtet, dass das Stadterneuerungs-Programm nur eine sehr begrenzte Wirkung auf die anhaltend negative Entwicklung von Wattenscheid haben würde. Angesichts des überdimensionierten Stadtentwicklungsgebiets sind die über das ISEK verfügbaren Finanzmittel viel zu gering. Allerdings ließen sich die Fraktionen der Bezirksvertretung mit dem ISEK und den damit verbundenen, auf den ersten Blick hoch erscheinenden Millionenbeträgen blenden. Grundlegende Veränderungen, die geeignet wären, den Abwärtstrend in Wattenscheid, besonders der Innenstadt zu stoppen, sieht das ISEK mit Ausnahme der Umgestaltung des Bebel-Platzes nicht vor. Einen Plan wie es nach dem ISEK weitergehen soll, gibt es ebenfalls nicht. Immer mehr zeigt sich, das Stadterneuerungs-Programm diente der Politik in erster Linie dazu behaupten zu können, man tue endlich etwas für Wattenscheid, doch ausreichend und nachhaltig wirken wird das ISEK nicht.
Wie kann der Stadterneuerungs-Prozess wieder in Gang gebracht werden?
Das Stadtteilbüro ist schlecht aufgestellt. Das Büro macht viel, die Mitarbeiter sind engagiert, doch trotzdem kann man mit der Arbeit nicht zufrieden sein. Denn eigentlich ist das Büro mit dem “Stadtteilmanagement” beauftragt. Über die erforderlichen Kompetenzen, die Dinge selbständig voran zu treiben und zu “managen” verfügt das Büro allerdings nicht. Zudem ist die politische Verquickung des Büros mit der politisch gesteuerten AWO fragwürdig. So ist das Stadtteilbüro nicht in der Lage unabhängig aufzutreten und den Interessen der AWO offen entgegen zu treten. Wo sich politisch ein Arm hebt, duckt sich das Stadtteilbüro weg. Dabei wäre es Aufgabe des Stadtteilbüros die Prozesse unabhängig und neutral zu leiten sowie sicher zu stellen, dass alle Vorschläge und Ideen gleichberechtigt diskutiert und behandelt werden. Das Stadtteilbüro müsste die dafür erforderlichen Formate und Plattformen organisieren. Das Büro muss somit dringend reorganisiert und mit den erforderlichen Kompetenzen ausgestattet werden, um seine Aufgaben unabhängig und neutral erfüllen zu können.
Die Verwaltung muss darüber hinaus den Vorhaben in Wattenscheid Vorrang einräumen. Bisher drängt sich der Eindruck auf, Maßnahmen, die im Rahmen des ISEK in Wattenscheid laufen, werden eher am Rande mitgemacht. Dass Initiatoren von bürgerschaftlichen Projekten über Monate hingehalten werden, darf nicht passieren. Auch muss für die Menschen vor Ort endlich sichtbar werden, dass in Wattenscheid tatsächlich etwas für die Stadterneuerung getan wird. Für die großen Projekte des ISEK-Wattenscheid (August-Bebel-Platz, Ehrenmal u.a.) müssen verbindliche Zeitpläne aufgestellt werden, die den Bürger transparent machen, wann welche Entscheidungen getroffen, wo wann mit den baulichen Maßnahmen begonnen und wann diese beendet werden sollen.
Aufgabe der Politik ist es, jetzt schon Folgeprogramme zum ISEK auf den Weg zu bringen. U.a. muss ein Weg gefunden werden, wie die Stadterneuerung entlang der Oststraße und am Alten Markts sowie an der Hochstraße weiter gehen soll. Auch die Planungen zur Nahverkehrsachse August-Bebel-Platz – WAT-Bahnhof – Höntrop-Kirche – Höntrop S müssen zeitnah in Angriff genommen werden. Wichtig ist, dass der Stadterneuerungs-Prozess nach dem Ende des ISEK nahtlos weiter geht.
Mit den Wattenscheidern muss ehrlicher umgegangen werden. Realistisch sollte eingeschätzt werden, was mit dem laufenden ISEK bewirkt werden kann und was noch alles erforderlich ist, um den anhaltenden Abwärtstrend in Wattenscheid zu stoppen. Der Stadterneuerungs-Prozess wird mindestens ein Jahrzehnt dauern und ein Vielfaches an Finanzmitteln kosten, die bisher für das ISEK bereitgestellt wurden. Die Folgen von über vier Jahrzehnten Vernachlässigung durch die Stadt, lassen sich nicht mal eben in wenigen Jahren mit 57,2 Mio. Euro beheben. Auch hilft es nicht, die Probleme in Wattenscheid mit ein bisschen Farbe zu kaschieren. Grundlegende, kostenintensive Umgestaltungsmaßnahmen sind erforderlich, um die Probleme dauerhaft zu lösen. Dazu ist es erforderlich, dass die Politik den Mut findet, die Lage realistisch einzuschätzen und aufhört sich diese schön zu reden.
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