Zukunftsweisende Neuausrichtung der Stadtbücherei
Die Büchereien kosten die Stadt eine Menge Geld, werden aber immer weniger genutzt. Die Zahlen der Ausleihen sinken, die Einnahmen und insbesondere die Zahl der Einwohner mit Benutzerausweisen (-13% von 2014 zu 2011) ebenso. Die Erhöhung der Nutzergebühren und Säumniszuschläge 2012 hat nicht zu den gewünschten 35% Mehreinnahmen geführt, sondern nur zu einer kurzfristigen Erhöhung der Einnahmen um 23% (2012). 2013 und 2014 gingen die Einnahmen aber jedoch wieder weiter bis fast auf das Niveau von 2011 zurück. Also wurden nunmehr weitere Erhöhungen der Gebühren beschlossen.
Die Bewohner nehmen die Angebote der Büchereien immer weniger an. Auch sinkt die Einwohnerzahl generell. Das geänderte Nutzerverhalten der Einwohner, die immer weniger Bücher lesen und vielmehr digitale Medien konsumieren, macht der Bücherei zu schaffen. Einigen Stadtteilbüchereien droht die Schließung.
Gleichzeitig ist absehbar, dass die Hauptbücherei im BVZ über kurz oder lang dort ausziehen muss, da das Gebäude wegen der Schadstoffbelastungen grundsaniert, vermutlich sogar abgerissen werden muss. Diese Zäsur sollte Anlass sein, über eine Neuausrichtung der Stadtbücherei nachzudenken, die dem sich ändernden Nutzerverhalten Rechnung trägt.
Um Konzepte zu entwickeln, wie die Stadtbibliothek zukunftsfähig ausgerichtet werden kann, lohnt ein Blick nach Aarhus, Dänemark (Bericht über die Stadtbibliothek Aarhus). Die Stadt mit 300.000 Einwohnern baut gerade eine neue Bibliothek. Das Konzept der Bücherei in Aarhus befindet sich schon seit Jahren in einem grundlegenden Wandel. Nicht mehr die Ausleihe von Büchern steht im Vordergrund, statt dessen entwickelt sich die Bibliothek zu einer Erlebnis- und Experimentierstätte.
Obwohl der Etat der Bibliothek in Aarhus seit den 80er-Jahren nicht erhöht wurde, steigen die Ausleih- und Besucherzahlen ständig. Dies liegt nicht zuletzt an den für Bibliotheken günstigen Rahmenbedingungen in Dänemark, aber auch an dem besonderen System, die Bibliothek immer an den aktuellen Bedürfnissen der Einwohner der Stadt auszurichten. Alle Mitarbeiter sind verpflichtet 10% ihrer Arbeitszeit Innovationen zu widmen. Über spezielle Workshops und Projekte wird die Kreativität und das innovative Potential der Mitarbeiter erschlossen, um die Bücherei weiter voran zu bringen. Das Teamverständnis und die Identifikation mit der Stadtbibliothek ist entsprechend beispielhaft.
Die Mitarbeiter entwickeln ständig neue Serviceleistungen und bieten diese an. Die Bibliothek ist nur noch teilweise Ruhe- und Studienort. Es gibt ebenso Gaming- und Musikzonen. So werden neue Nutzerkreise angelockt. Es werden Veranstaltungen angeboten, die durchaus 3-stellige Besucherzahlen anlocken. Der Bedarf der Nutzer steht im absoluten Mittelpunkt. Dieser wird ständig erfragt, die Veranstaltungen und Ausleihmöglichkeiten dem Nutzerbedarf angepasst. Ständig werden neue Kooperationen gesucht, z.B. auch mit Hacker- und Markerspaceszene, um neue Nutzergruppe zu erschließen. Auch können die Benutzer eigene Kunstwerke und Medien der Bücherei zur Leihe an andere Bürger überlassen. So wird die Bücherei auch zu einem Ort, der Kreativität und Kunst fördert.
Der Prozess des Erwerbs, der Einarbeitung und Auswahl der Medien wird dagegen nur noch zu einem geringen Teil in der Bibliothek in Aarhus durchgeführt. Auch geschieht die Entleihe außerhalb der Kernöffnungszeiten ohne Personal. Die Nutzer können die Medien selbständig ausleihen, sich in den Bibliotheksräumen aufhalten oder das offene WLAN nutzen. Missbrauch und Vandalismus wird allein durch Kameraüberwachung vorgebeugt. Trotz beständigem Stellenabbau auch in Aarhus, nimmt der Service zu.
Jetzt sollen die Bibliotheken in so genannte Community-Center umgewandelt werden, in denen die Mitarbeiter auch typische Bürgerdienste anbieten sollen, wie Personalausweis oder Führerschein ausstellen. In einigen Zweigstellen wie im Stadtbezirk Gellerup werden bereits Informations- und Serviceleistungen des Gesundheitsamtes, des Jobcenters, externe Rechtsberatung und mehr angeboten (Community-Center Gellerup). Auch dies bringt neue Nutzer in die Bibliotheken. In manchen Zweigstellen steigen zwar durch die genannten Angebote die Besucherzahlen, allerdings nicht die Ausleihzahlen.
Die Verknüpfung von Bürger- und Bibliotheksdiensten führt aber letztlich zu einer besseren und kostengünstigeren Nutzung des städtischen Personals und mehr Service für die Bürger.
Letztlich ist die Stadtbibliothek in Aarhus (300.000 Einwohner) breiter aufgestellt als die in Bochum (365.000) und bietet neben der Ausleihe deutlich mehr Serviceleistungen an. Die Bibliothek in Aarhus betreut 2 Mio. Besucher und führt 5,3 Mio. Ausleihen in 18 Zweigstellen durch. Bei uns werden 650.000 Besucher betreut und an 7 Orten 2,2 Mio. Ausleihen durchgeführt.
Die Mitarbeiterzahlen sind leider aufgrund der unterschiedlichen Dienstleistungsangebote nicht vergleichbar. In Aarhus sind es 430 (2009), bei uns 89 (80 Stellen, 2014). Gleiches gilt für das Budget, das liegt in Aarhus bei 24 Mio. (2009), in Bochum bei 7,5 Mio. (2014).
Der Weg, die Bibliotheken in Gemeindezentren umzugestalten und diese zu Erlebnis- und Experimentierstätten zu entwickeln, ist allerdings auch für Bochum mehr als nur eine Überlegung wert. Das Konzept der Stadt Aarhus bedeutet mehr Service für die Bürger, attraktivere Bibliotheken und Gemeindezentren in den Stadtvierteln und mehr Besucher für die Büchereien. Werden die Dienstleistungen intelligent auf die Büchereien übertragen, lassen sich auf diese Weise zudem Sach- und Personalausgaben in nicht unerheblicher Höhe sparen.
Wenn die Zentralbücherei in Kürze neu gebaut werden muss, dann sollten gleich die baulichen Voraussetzungen geschaffen werden, die eine neue Ausrichtung der Stadtbibliothek ermöglichen. Mit der Entwicklung der Konzepte für die neue Ausrichtung der Stadtbücherei müssen wir dagegen schon heute beginnen, da ist besonders das Personal der Stadtbibliothek aufgerufen Vorschläge zu erarbeiten.
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