08 Feb.

Bochumer Politikfilz blamiert sich beim Dezernentengeschacher

Wie gewohnt wollte die Bochumer Politik den Posten des Sozialdezernenten im Rathaus nach Parteibuch besetzen, doch diesmal spielte die Bezirksregierung nicht mit. Der gewählte Dezernent erklärt den Rückzug. Rot-Grün blamiert sich und diskreditiert die kommunale Politik weiter.

Die Stadt Bochum wird geleitet vom Verwaltungsvorstand, das sind der Oberbürgermeister und fünf Dezernenten, auch Beigeordnete genannt (Dezernatsverteilungsplan der Stadt Bochum).

Der Skandal wiederholt sich

Seit Jahrzehnten ist es in Bochum üblich, die entsprechenden Dezernentenposten nach Parteibuch zu besetzen. Die Rot-Grüne-Koalition, die über die Mehrheit im Stadtrat verfügt, hat die Posten unter sich aufgeteilt (siehe Beitragsbild), über drei bestimmt die SPD (Personal, Schule und Bildung sowie Bauen), über zwei die Grünen (Finanzen, Soziales). Bei der Vergabe der Posten ist zunächst mal die parteiliche Nähe bzw. das richtige Parteibuch wichtig, Kompetenz und Erfahrung sind nachrangig.

Das zeigte sich zuletzt bei der Besetzung des Schul- und Kulturdezernenten, bei der die SPD dem Parteikollegen und ehemaligen Vorsitzenden der SPD in Gelsenkirchen einen Job versorgte, da die damals neu gewählte Schwarz-Gelbe Landesregierung ihn in Düsseldorf nicht mehr haben wollte (Dezernent für Schulen, Kultur und Sport sollte Profi sein).

Das Parteibuch war auch damals wichtiger als die Eignung für den Job. Das Ergebnis, der neue Dezernent erwies sich als ungeeignet. Die Schul- und Bildungspolitik der Stadt ist entsprechend schlecht (Zehn Beispiele für die verfehlte Bochumer SchulpolitikSchulentwicklungspläne erweisen sich immer wieder als unbrauchbar48 Klassen in Containern – Bochumer Schulpolitik an neuem Tiefpunkt).

Der Fall Roland Fischer-Dahl

Bei der Neubesetzung des Dezernenten für Jugend, Soziales, Arbeit und Gesundheit wiederholte sich das bekannte Spiel. Schon vor der Ausschreibung (Öffentliche Ausschreibung Beigeordnete*r für Jugend, Soziales, Arbeit und Gesundheit) sickerte durch, dass die Grünen den Posten ihrem Parteikollegen und Ratsmitglied Roland Fischer-Dahl zuschanzen wollten. Die Ausschreibung geriet darauf hin zur Farce, Roland Fischer-Dahl war der einzige ernsthaft Bewerber für das Amt. Eine Wahl zwischen mehreren Bewerbern bzw. Bewerberinnen gab es nicht.

SPD und Grüne gaben sich im Antrag auf Wahl des neuen Sozialdezernenten (Wahl einer/eines Beigeordneten für Jugend, Soziales, Arbeit und Gesundheit) nicht mal die Mühe zu erklären, warum dieser gewählt werden sollte. Man hielt es nicht für nötig, die Mitgliederinnen und Mitglieder des Rates von dem Kandidaten zu überzeugen. Folgerichtig sparte man es sich im Wahlantrag den Kandidaten genauer vorzustellen bzw. seine Bewerbung oder einen Lebenslauf hinzuzufügen. In der seit Jahrzehnten gepflegten Überheblichkeit war man der Meinung mit der eigenen Ratsmehrheit könnte man ohnehin wählen, wen man wolle.

Doch man hatte die Rechnung ohne die Bezirksregierung gemacht. Nachdem die CDU diese um Überprüfung des Wahl- und Ausschreibungsverfahrens gebeten hatte, stellte diese mehrere Rechtsverstöße im Ausschreibungs- und Auswahlverfahren fest, darunter die „fehlende Qualifikation“ Roland Fischer-Dahls für die Position. Damit war die Blamage perfekt und Roland Fischer-Dahl blieb nur der Rückzug.

In §71 (3) GO-NRW heißt es “Die Beigeordneten müssen die für ihr Amt erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen und eine ausreichende Erfahrung für dieses Amt nachweisen.” Roland Fischer-Dahl ist seit 2009 Referent im Geschäftsbereich Beratung & Vergleiche der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) (Lebenslauf Roland Fischer-Dahl), vorher war er Sachbearbeiter in der Bochumer Verwaltung und Projektleiter bei der Bochumer Wirtschaftsförderung. Erfahrung in der Führung eines Dezernats mit über 800 Beschäftigten hat er nicht. Auch mit den Bereichen Jugend, Soziales, Arbeit und Gesundheit, war er in seinem Berufsleben allenfalls am Rande beschäftigt.

Als Referent der KGSt hat Roland Fischer-Dahl verschiedene Veröffentlichungen verfasst oder an deren Erarbeitung mitgewirkt (Arbeitsergebnisse und Veröffentlichungen Roland Fischer-Dahl). Zu seinen Aufgaben als Referent bei der KGSt zählt insbesondere in Seminaren, auf Kongressen, in Workshops und ähnlichen Formaten Verwaltungsbeschäftigte weiterzubilden: 

Bei der KGSt nimmt Roland Fischer-Dahl als Referent also kein Führungsverantwortung wahr. Er hat keinerlei Personalverantwortung. Dass Roland Fischer-Dahl die Voraussetzungen des §71 (3) GO-NRW nicht erfüllt, ist somit offensichtlich.

Roter Filz und grüner Klüngel

Dass Grüne und SPD trotzdem meinten, ihn wegen seines Parteibuchs zum Dezernenten wählen zu können, sagt viel über ihr Politikverständnis aus. Es geht bei Postenbesetzungen nicht darum, diese möglichst gut zu besetzen, es geht vorrangig um politische Macht. Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass man die Parteifreunde in der Verwaltung über das Parteibuch steuern kann. Diese Art Politik zu machen, hat in Bochum insbesondere deswegen Tradition, weil nicht die politischen Gruppierungen und Parteien im Rat die Stadtpolitik gestalten, sondern die Verwaltung die Politik bestimmt. Die Politik sieht sich als verlängerten Arm der Verwaltung, die die Verwaltungsvorschläge willig abnickt.

Der Vorgang zeigt, wie Filz und Klüngel in Bochum seit jeher funktionieren. Das Parteibuch hat Vorrang vor Erfahrung und Kompetenz. Als wäre der eigentliche Vorgang nicht schon blamabel genug, sind die verbalen Scharmützel im Nachgang und die Rechtfertigung für den Rückzug von Roland Fischer Dahl nur noch mit unterirdisch und peinlich zu beschreiben (WAZ vom 07.02.2025): SPD und Grüne werfen der CDU vor, sie sei schuld am Rückzug von Roland Fischer-Dahl. Der Vorwurf, öffentlich zu diskutieren und zu hinterfragen, dass der zukünftige Dezernent nicht die für den Job nötigen Qualifikationen vorweisen kann, hätte seine Person und sein Amt beschädigt. Dem Politikverständnis von Rot-Grün folgend, hätte man – wie gewohnt – die Angelegenheit im Hinterzimmer besprechen müssen, um dort zu einer Lösung zu kommen. Aber welche hätte das sein sollen? Vielleicht, die CDU zieht ihre Fragen an die Bezirksregierung zurück, dafür erhält sie demnächst auch ein Pöstchen?

Alles wie immer in Bochum, die Politik begeht einen schweren Fehler, aber nie will jemand verantwortlich oder schuld daran sein, man zeigt stattdessen mit dem Finger auf andere. Und doch waren es Grüne und SPD, die einen ungeeigneten Kandidaten für das Sozialdezernat aufgestellt und gewählt haben. Sie haben den Skandal ausgelöst und damit das Vertrauen in die Bochumer Politik weiter beschädigt. Der hinter der Besetzung stehende Politikstil, die Überheblichkeit, zu meinen, mit seiner Mehrheit könne man in der Stadt machen, was man wolle, ist das, was Populisten wie der AfD die Wähler und Wählerinnen in die Arme treibt.

Filz und Klüngel müssen beendet werden

Wie der dargestellte Skandal zeigt, ist das eigentliche Problem das untaugliche Verfahren, mit dem in Bochum seit jeher Dezernentenstellen besetzt werden. Nach Ansicht der STADTGESTALTER darf in Zukunft nicht mehr Filz, Klüngel und Parteibuch über eine Besetzung entscheiden, sondern muss es allein nach Erfahrung und Kompetenz gehen.

Das bedeutet, für eine Stelle muss eine ausreichende Zahl an geeigneten Bewerbern und Bewerberinnen gefunden werden, aus denen die Politik dann den oder die Beste auswählen kann. Die STADTGESTALTER hatten dazu bereits vorgeschlagen, im Rahmen einer offenen Ausschreibung auch eine Personalberatung zu beauftragen, die gezielt Personen ansprechen kann, die für den Job besonders geeignet erscheinen (Dezernent für Schulen, Kultur und Sport sollte Profi sein).

Um hochkarätige Bewerber und Bewerberinnen gewinnen zu können, ist unbedingte Voraussetzung, dass diese Vertrauen in das Verfahren haben und sich sicher sein können, dass die Auswahl tatsächlich nach Kompetenz und Erfahrung erfolgt und nicht nach Parteibuch. Besteht ein solches Vertrauen nicht, bewerben sich geeignete Personen, die nicht über die gewünschte Parteizugehörigkeit verfügen, erst gar nicht.

Die eingegangenen Bewerbungen müssen allen politischen Vertretern und Vertreterinnen im Rat zugänglich gemacht werden, damit diese entscheiden können, welche Person sie für den Job als Dezernenten vorschlagen bzw. wählen möchten. Die Wahl von Beigeordneten sollte zudem geheim und ohne Fraktionszwang erfolgen.

Entsprechend dürfte es auch keine Vorfestlegung geben, welche Partei für welchen Dezernentenposten ein Vorschlagsrecht ausüben darf.

Das Ziel des Auswahlverfahrens muss sein, die Dezernatsstelle bestmöglich zu besetzen, nicht jemandem einer bestimmten Partei einen Posten zu verschaffen, damit die Partei besseren Zugriff auf Verwaltungsentscheidungen erhält.

Nur wenn die Politik bereit ist, das Auswahlverfahren entsprechend zu reformieren, kann es ihr gelingen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.

24 Feb.

Klüngel stoppen

In Bochum und Wattenscheid besteht im Sozialbereich ein System auf Gegenseitigkeit beruhender Hilfeleistungen und Gefälligkeiten, dass von den Bürgern zutreffend als „Filz und Klüngel“ bezeichnet wird.

Bestimmte Sozialunternehmen und -einrichtungen erhalten von der Stadt großzügig Aufträge und Zuschüsse, weil sie der Politik nahe stehen, andere bleiben außen vor, weil sie dem etablierten Filz und Klüngel-Netzwerk nicht angehören. Ein typischer Fall für dieses System wurde an anderer Stelle bereits dargestellt (Der Fall Steinbach – Wie der Klüngel in Bochum funktioniertl).

Die Voraussetzungen für Filz und Klüngel

Es stellt sich die Frage, was ist erforderlich, damit ein solches auf gegenseitigen Hilfeleistungen und Gefälligkeiten beruhendes System funktioniert?

Zum einen städtische Zuschussrichtlinien und Regelungen, die so formuliert sind, dass sie die Bezuschussung bestimmter, politisch genehmer Einrichtungen zulassen, während andere von Zuschüssen wirsam fern gehalten werden können, zum anderen ein Konsens darüber, dass z.B. Vergabe-Regeln nicht angewandt werden, die dazu führen könnten, das andere als die genehmen Sozialunternehmen die lukrativen städtischen Aufträge erhalten.

Darüber hinaus ist ein Netzwerk von Personen aus Politik, Verwaltung und Sozialunternehmen erforderlich, das die beschriebenen Vorgehensweisen deckt, selbst wenn sie gegen geltendes Recht verstoßen.

Der Zuschuss-Klüngel

In Bochum laufen alle Fäden des Filz-und-Klüngel-Netzwerkes im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zusammen. Die Vorsitzende Astrid Platzmann-Scholten (Die Grünen) und ihre Stellvertreterin Gabriela Schäfer (SPD) tragen Sorge dafür, dass die seit ewigen Zeiten an den Zuschusstöpfen hängenden Einrichtungen mit immer weiteren und wachsenden Zuschüssen versorgt werden, selbst wenn das Rechnungsprüfungsamt feststellt, dass eine ordnungsgemäße Verwendung der Zuschüsse nicht ordnungsgemäß belegt werden kann (Kinder und Jugendring, Krebs-Selbsthilfe, u.a.) oder städtische Zuschüsse gezahlt wurden, obwohl diese gar nicht erforderlich waren (Medizinische Flüchtlingshilfe, RPA- Bericht vom 23.01.17). Weiterlesen

11 Nov.

Roter Filz und Klüngel

Das Rechnungprüfungsamt listet schwere Versäumnisse des Sozialamtes bei der Vergabe der Leistungen zur Flüchtlingsbetreuung und –unterbringung auf (WAZ vom 06.11.17).

Versäumnisse bei der Vergabe und den Verträgen zur Flüchtlingsbetreuung

Vergabe-Richtlinien und Dienstanweisungen wurden missachtet. Verträge zu überhöhten Preisen wurden geschlossen. In den Verträgen fehlten Auflösungsklauseln Mit Caritas und Diakonie wurden 4-Jahres-Verträge geschlossen, obwohl die Unterkünfte, in denen sie die Flüchtlinge betreut haben, mittlerweile geschlossen wurden bzw. jetzt geschlossen werden. Wohlfahrtsverbände werden noch über Jahre für Leistungen bezahlt, die gar nicht mehr erbracht werden. Auch Anpassungsklauseln fehlen in den Verträgen. Werden weniger Flüchtlinge betreut, bekommen die Organisationen, die die Unterkünfte betreuen, nicht entsprechend weniger Geld. Das ist teuer, wenn Unterkünfte nur noch zu einem Drittel belegt sind.

So wundert es nicht, wenn in Bochum die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung und -betreuung dreimal höher sein sollen als in anderen Städten (Zeit vom 12.0.16).

Die Einwohner der Stadt fragen sich, wie ist so etwas möglich, ohne dass die Politik so etwas entdeckt und einen Riegel vorschiebt?

Erst durch die Arbeit des Rechnungsprüfungsamtes und der daraufhin von der Fraktion „FDP & Die STADTGESTALTER“ gestellten diversen Anfragen an die Verwaltung kommt das Ausmaß der Versäumnisse scheibchenweise ans Licht. Vieles leider nicht-öffentlich, so dass den Bürgern nur die Spitze des Eisberges bekannt ist.

Der Fall Flüchtlichgsbetreuung Nordbad

An der Auftragsvergabe des Betreuungsvertrages für die Flüchtlingsunterkunft Nordbad kann beispielhaft nachvollzogen werden, wie solche Geschäfte zwischen Verwaltung, Mandatsträgern und Wohlfahrtsverbänden geschlossen werden.

Im Fall Nordbad schließt der Geschäftsführer der AWO, SPD-Ratsmitglied Ernst Steinbach höchstselbst einen Vertrag mit dem Sozialamt, das geleitet wird von Ute Bogucki, ebenfalls mit der SPD eng verwoben und Frau des SPD-Ratsmitgliedes, Hermann Päuser. Vorstandsvorsitzender der AWO ist Serdar Yüksel, ebenfalls SPD und Landtagsabgeordneter. Bei der Vergabe saßen also nur Genossen am Tisch und schließen einen Vertrag, der, nach dem, was wir bisher wissen, finanzielle Konditionen enthält, die nicht vorteilhaft für die Stadt sind. Auch ist nicht bekannt, dass die Vergabe ausgeschrieben wurde. So konnte in diesem Fall auch nicht mit anderen Organisationen verhandelt werden, die ggf. ein kostengünstigeres Angebot hätten unterbreiten können. Weiterlesen