Bochum 2025 – Beschreibungs- und Zumutungsangst

Im Wahlkampf haben sich weder lokale Politik noch Presse getraut, die Herausforderungen zu beschreiben, vor denen Bochum und das Ruhrgebiet stehen, noch welche Zumutungen bei Lösung der Probleme auf die Menschen in den nächsten Jahren zukommen werden.
Der Kommunalwahlkampf 2025 ist fast vorbei, am 28.9. findet noch die OB-Stichwahl statt. Zeit Bilanz zu ziehen. Wie ist der Wahlkampf in Bochum gelaufen?
Wahlprogramme – Viele Schlagwort und Phrasen, kaum echte Inhalte und Lösungen
Wahlkampf sollte eigentlich ein Wettbewerb der Positionen, Zielen und Ideen sein. Das war er in Bochum leider nicht. Die politischen Gruppierungen verfolgten weitgehend die gleichen Ziele, überall stand in den Wahlprogrammen so oder ähnlich “Bochum soll sicherer werden”, “Die Stadtteile sollen sich wieder positiv entwickeln”, “Es soll mehr für Bildung und Schulen getan werden”, “Der ÖPNV soll besser werden”, „Bochum soll sauberer werden” usw.. Konkrete Ideen und Konzepte, wie diese Ziele erreicht werden sollten, fehlten dagegen weitgehend.
Sofern Maßnahmen vorgeschlagen wurden, waren die selten geeignet, die selbst gesetzten Ziele nur annähernd zu erreichen. Beispiel Bildungspolitik: So wird es einen kaum nennenswerten Effekt auf den Bildungsgrad haben, wenn man die Mittel für das Programm Bildung und Teilhabe erhöht, mehr Familienzentren an den Grundschulen einrichtet und die Schulhöfe netter gestaltet. Um dauerhaft das Bildungsniveau zu erhöhen, wären grundsätzlichere und tiefgreifendere Maßnahmen erforderlich, die insbesondere bei mehr pädagogischem Personal und mehr individueller Lern- und Sprachförderung ansetzen. Auch andere Lernkonzepte, wie klassenübergreifender Unterricht in den Grundschulen wären notwendig. Statt grundlegender Reformen bleibt es in den Wahlprogrammen leider überwiegend bei Aktionismus. Das Angehen von Problemen wird nur vorgetäuscht. Bei näherer Betrachtung, zeigt sich, die vorgeschlagenen Maßnahmen sind nicht geeignet ist, die Probleme zu lösen.
Beschreibungs- und Zumutungsangst
Auch wurden die gewaltigen Herausforderungen, vor denen die Stadt in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten steht, im Wahlkampf nicht thematisiert (Die acht großen Herausforderungen, denen sich Bochum stellen muss). Die Politik war nicht bereit, den Menschen unmissverständlich zu sagen, welche gravierenden Probleme in der Stadt bestehen und dass sich die Menschen, um diese in den Griff zu bekommen auf grundlegende Veränderungen einstellen müssen. Die Politik hat sich im Wahlkampf nicht getraut, den Menschen zu erklären, dass die Politik ihnen in den nächsten Jahren einiges zumuten wird, damit die Stadt nicht in einen ähnlichen Abwärtsstrudel gerät, wie etwa Gelsenkirchen und Duisburg.
Überwiegend wurde der falsche Eindruck erweckt, dass sich eigentlich nichts grundlegend ändern müsse, da die Stadt auf einem gar nicht so schlechtem Weg sei.
Beschreibungsangst – Lokalpolitik und -presse trauen sich nicht, den Menschen klar zu sagen, wo die Stadt steht. Besonders, dass man nach 65 Jahren immer noch nicht den Strukturwandel bewältigt hat, dass Stadteile drohen sozial zu kippen (u.a. Niedergang Wattenscheid-Mitte), der Stadthaushalt vor dem Kollaps steht (180 Mio. Defizit – Haushaltsnotlage 2.0) und die Stadt auf eine drohende wirtschaftliche Rezession in Deutschland nicht vorbereitet ist. Diese würden Bochum wie das Ruhrgebiet mit einer Härte treffen, die alles in den Schatten stellt, was Bochum seit dem zweiten Weltkrieg erlebt hat.
Die akuten Probleme und die sich damit stellenden Herausforderungen wurden im Wahlkampf nicht schonungslos beschrieben, sondern durchweg verharmlost und schöngeredet.
Die Beschreibungsangst besteht dabei nicht nur bei der Politik, sondern auch bei den lokalen Medien. WAZ-Bochum und Radio Bochum waren während des Wahlkampfs nicht in der Lage die großen Herausforderungen und Probleme der Stadt klar zu benennen und zu analysieren. Entsprechend wurde auch nie die Frage gestellt, wie diese angegangen werden sollen.
Zumutungsangst – Glaubt man den Darstellungen von lokaler Politik und lokaler Presse, kann die nächsten Jahre und Jahrzehnte eigentlich alles so weiterlaufen wie bisher. Die Politik, will den Menschen keine Veränderungen zumuten. Es wird der Eindruck erweckt, den Wandel, der sich weltweit vollzieht, die Verschiebung des globalen Wirtschaftsgewichts hin nach Asien könne man ignorieren und aussitzen. Man müsse sich nicht am Wettbewerb, in dem sich die Metropolen der Welt befinden, beteiligen, der relative Wohlstand des Ruhrgebiets wäre ein Selbstläufer, auf den auf ewige Zeiten ein Anspruch bestünde. Ein fataler Trugschluss.
Ohne entsprechende Wirtschaftskraft wird das Ruhrgebiet weiter verarmen und immer mehr am Tropf von Subventionen und Almosen hängen. Um im Wettbewerb der Städte und Metropolen mithalten zu können, bedarf es tiefgreifender Veränderungen insbesondere bei zeitgemäßer Stadtentwicklung, metropolengerechter Infrastruktur und der Bündelung der Wirtschaftskraft als Metropole Ruhrstadt.
Bisher fehlt der lokalen Politik der Mut und die Bereitschaft, die nötigen Veränderungen den Menschen zuzumuten. Immer noch hängt man der sterbenden Industrie nach, vermittelt den Menschen, mit dem Angebot von ein paar neuen Gewerbeflächen wie Mark 51°7 würden sich die Probleme von selbst erledigen. Dass man sich, um wirtschaftlich mithalten zu können, an den Entwicklungen in den global führenden Metropolen orientieren und ebenfalls als Metropole Ruhrstadt aufstellen muss, will man nicht wahrhaben, auch aus Angst, die Menschen dann von der Notwenigkeit vermeintlich unbequemer Veränderungen überzeugen zu müssen.
Ein solche falsche Vorstellung wird auch bei den Stadtfinanzen vermittelt. Das Thema wurde im Wahlkampf ignoriert. Es wurde so getan, als wäre bei den Stadtfinanzen alles im grünen Bereich.
Dabei hat die Stadt ohne eine radikale Verwaltungsreform mit dem Ergebnis einer massiven Senkung der Personalkosten keine Zukunft. Liegen die städtischen Ausgaben dauerhaft über den Einnahmen der Stadt und können die erdrückenden Schulden nicht wesentlich abgebaut werden, wird die Stadt handlungsunfähig, sie kann nicht mehr investieren, damit wird jede positive Stadtentwicklung unmöglich.
An einer schmerzhaften Sanierung des Stadthaushalts (Konzept zur Sanierung des Bochumer Stadthaushalts) führt kein Weg vorbei, auch wenn das Geradeziehen der Stadtfinanzen den Menschen einiges abverlangen und zumuten wird. Die Stadt hat nichts zu verschenken. Wirkungslose und überflüssige Subventionen haben keine Existenzberechtigung, auch wenn sich die Menschen daran gewöhnt haben, wie etwa an billiges bis kostenfreies Anwohnerparken.
Im Wahlkampf wurde den Bürgerinnen und Bürgern dagegen der falsche Eindruck vermittelt, es wäre möglich, dass alles so bleibt wie es ist, die Politik könne den Wohlstand erhalten, ohne dass sich für die Menschen wesentlich was ändert. Dieses Versprechen wird die Politik jedoch nicht erfüllen können. Erfolgreiche Großstädte und Metropolen sehen anders aus, sie sind völlig anders organisiert als Bochum oder die Ruhrstadt (Ruhrstadt – Die Metropole, die keine sein will, aber trotzdem eine ist). Will man im Wettbewerb mithalten, muss man sich an den Wettbewerbern orientieren, daran, was die Konkurrenz macht und weshalb sie erfolgreich ist.
Beschreibungs- und Zumutungsangst stärkt Populisten
Sind lokale Politik und Medien nicht bereit, den Menschen unbeschönigt zu erklären, wo Bochum und das Ruhrgebiet stehen, welche Probleme und Risken bei der weiteren Entwicklung bestehen und ihnen nicht erklärt, was an Veränderungen nötig ist, um den Wohlstand zu erhalten, werden sie weiterhin ihre (Wahl-)Versprechungen nicht erfüllen können und treiben damit immer mehr Wähler und Wählerinnen den Populisten in die Arme.
Erforderlich ist, den Menschen unumwunden zu vermitteln, dass Bochum und das Ruhrgebiet vor immensen Herausforderungen stehen, die nur zu bewältigen sind, wenn es zu einschneidenden Veränderungen kommt, die auch mit erheblichen Zumutungen für jeden Einzelnen verbunden sind. Die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt müssen überzeugt werden, dass die für den unvermeidlichen Wandel erforderlichen Maßnahmen unbedingt notwendig sind, um den bestehenden Wohlstand zu sichern, und dass es sich lohnt, sich darauf einzulassen, weil es die eigene Zukunft wie die der Kinder und Enkel im Ruhrgebiet sichert.
Die nächsten Kommunalwahlen finden 2030 statt. Es sind also nur 5 Jahre, in denen Lokalpolitik und -presse ihre Beschreibungs- und Zumutungsangst überwinden können.