City-Tower – Vom architektonischen Highlight zum trostlosen Klotz
Eigentlich sollte der neue City-Tower am Hauptbahnhof ein spannendes architektonisches Highlight werden, um auch optisch den Eingang zur Innenstadt aufzuwerten. Doch dann wurde der ambitionierte Entwurf immer weiter abgespeckt, bis jetzt nur noch ein trostloser Klotz gebaut werden soll, wie er in jedem Gewerbegebiet zu finden ist. Wieder wird eine Chance vertan, der Stadt ein besonderes Gesicht zu geben.
Bochum, „Leider total verbaut Aber g’rade das macht dich aus „, heißt es in der Stadthymne von Grönemeyer. Eigentlich will die Stadt von der belang- und ideenlosen 08/15 Architektur weg, mit der über Jahrzehnte die Stadt zugebaut wurde. Als neues Ziel wurde ausgegeben, architektonisch hochwertige, das Stadtbild prägende Gebäude zu bauen, die Bochum unverwechselbar machen.
Ziel: Landmarken und das Stadtbild prägende Architektur
Ausdrücklicher Wunsch die Stadtpolitik ist es in der Stadt augenfälligen Landmarken zu schaffen, damit Besuchern und Besucherinnen wie auch Durchfahrende sofort erkennen, dass sie sich in Bochum befinden. Eine solche Landmarke hätte der City-Tower sein können, wenn nicht müssen. Die Stadt selbst spricht von einer “herausragenden städtebaulichen Funktion des Gebäudes und dessen künftig weithin sichtbaren Figur” und stellt im Bebauungsplan fest, der äußeren Fassadengestaltung käme eine besondere Bedeutung zu (Begründung Bebauungsplan 31.01.2019)
Direkt am Hauptbahnhof, am Eingang zur Innenstadt gelegen, soll das Hochhaus als erstes von denen, die in die City kommen oder mit der Bahn die Stadt durchfahren, gesehen werden. Der erste Eindruck von einer Stadt ist prägend. Ist der Bau gelungen sorgt er für einen Aha-Effekt, die Besucher*innen werden neugierig auf die Stadt und wollen mit einer positiven Grundstimmung die weitere Stadt entdecken. Ist das Gebäude dagegen langweilig und strahlt schnöde Belanglosigkeit aus, werden alle gegenüber Bochum bestehende Vorurteile bestätigt. Die Grundstimmung gegenüber der Stadt ist dann im besten Fall gleichgültig, eher sogar negativ. Um das zu vermeiden, sollte der City-Tower ein besonderes Bauwerk werden. Die Wirtschaftsentwicklung verkündete, der Stadtturm werrde das neue Tor zur Innenstadt. Mit diesem Vorsatz sollte der City-Tower am Hauptbahnhof konzipiert werden.
105 Meter hoher Glasturm – Die lange Planungsgeschichte des Turms begann 2013 mit der Vorstellung eines 105 Meter hohen Hochturms. Als Mieter im Gespräch war die Europazentrale von BP/Aral, später die Sparkassen-Akademie. Der Entwurf des Architekten Gerhard Spangenberg, der schon das Exzenter-Haus entworfen hat, sah einen futuristisch anmutenden Glasbau mit verschiedenen Schrägebenen vor (Gerhard Spangenberg Stadtturm Bochum). Durch seine markante Bauform hätte der Turm einen einmaligen Blickfang dargestellt. Doch die gewünschten Mieter für den Stadtturm fanden sich nicht, das Projekt konnte nicht realisiert werden.
Hochhaus für Studierende und Hotelgäste – 2017 wurde ein 60 Meter hohes Gebäude geplant, das 400 Studierenden und zusätzlich den Gästen eines Hotels zur Verfügung stehen sollte (Planung City Tower Basecamp). Die Architektur sollte besondere Akzente setzen und sich optisch in die vorhandene Umgebungsbebauung einfügen.
Im Hinblick auf diese Planung wurde 2019 der Bebauungsplan in Kraft gesetzt, der seitdem den Bau eines Stadtturms bis zu einer maximalen Höhe von 69 Metern zulässt. Der neue Entwurf erhob den Anspruch einen “hohen, städtebaulich deutlichen Akzent” zu setzen. Gerber Architekten ersetzten den eher futuristischen Stadtturm von Spangenberg durch eine um 40 Meter geschrumpfte solide Architektur, die durch ausgeklinkte verglaste Eck- und Fassadenteile optisch gewinnende Akzente versprach. Im Bebauungsplan wird der Entwurf wie folgt beschrieben. “Aufgrund der herausragenden städtebaulichen Funktion des Gebäudes und dessen künftig weithin sichtbaren Figur, besitzt die äußere Fassadengestaltung eine besondere Bedeutung. Zur deutlichen Akzentuierung des Hochhauses ist – nach aktuellem Planungsstand eine Loch-Fassade bestehend aus Glaselementen und Beton/Stein – vorgesehen. Hierdurch soll die Wirkung einer aufgelockerten Fassade entstehen. Durch größere, eingeschobene Öffnungen soll diese Wirkung weiter verstärkt werden, indem Glaselemente zwei Geschosse überspannen und den dahinterliegenden Gemeinschaftsräumen eine besondere Akzentuierung in der Fassade verleihen.” Doch auch dieses Projekt scheiterte, der Investor sprang ab. Er sah sich aufgrund steigender Baupreise nicht mehr in der Lage das Projekt zu realisieren.
Mix-Use-City-Tower – 2020 findet sich ein neuer Investor. Im Tower sollen jetzt auf 21 Ebenen Nutzungen von Hotel, Büro, Serviced Apartments, Gastronomie bis Handel untergebracht werden. Vom Investor wird dieses Konzept als Mix-Use bezeichnet.
Im Juli 2020 stellen die Architekten von mo.studio unter dem Namen “City Tower & City Garden Bochum” neue Planungsentwürfe sowie ein neues Planungskonzept für den Turm vor (Planung City Tower Bochum). Highlight diesmal: auf den Etagen 2 bis 4 sowie der obersten, 20. Etage sollen Bäume und große Büsche in die Fassade integriert werden, ein vertikaler Garten soll entstehen. Es wird zunächst vermutet der Investor wolle jetzt diesen Entwurf realisieren, aber das Konzept kommt nicht zum Zug,
Der aktuelle Planungsentwurf ist belang- und anspruchslos
Letzten Endes wird doch wieder auf den Planungsentwurf der Gerber Architekten aus dem Jahr 2017 zurückgegriffen. Allerdings wurde dieser zwei Mal abgespeckt, zunächst 2020 und nunmehr erneut.
Der gerade veröffentlichte Entwurf sieht nur noch einen 60 Meter hohen gesichtslosen Klotz vor, an dem man sich spätestens nach 10 Jahren satt gesehen hat. Jede architektonische Finesse ist verschwunden. Was die Stadt noch versucht als neues Wahrzeichen zu verkaufen (Der City-Tower-BO). ist nicht mehr als ein ideenloser Büroturm, wie man ihn in jedem großstädtischen Gewerbegebiet im Dutzend findet. Zwar wird der jetzt City-Tower-BO genannte Turm weithin sichtbar sein, doch das Zeug zum Hingucker hat er nicht. Er wird nach Vonovia-Hauptverwaltung (Vonovia-Zentrale – eine neue Bausünde) und Sparkassenneubau am Dr.-Ruer-Platz (Gähn-Moment statt Wow-Effekt – Neubau der Sparkasse am Dr.-Ruer-Platz) ein weiteres sichtbares Zeichen dafür sein, dass beim Bau markanter Gebäude in Bochum viel zu häufig nur unterer Durchschnitt realisiert wird. Mal wieder klaffen der ursprüngliche Anspruch an das Projekt und das, was dann realisiert werden soll, weit auseinander. Nach jetzigem Stand wird der Kurt-Schumacher-Platz nach dem billig aussehenden Hotel-Zwillingsturm nun ein weiteres 08/15-Hochhaus erhalten.
Wieder wird eine Chance vertan, an herausragender Stelle der Stadt, direkt am Hauptbahnhof, ein sichtbares Zeichen für eine innovative Stadt zu setzen. Seiner herausragenden Funktion als Wegweiser zur Innenstadt wird der Turm nicht im Ansatz gerecht. Der Entwurf bietet nicht mal architektonisches Mittelmaß. Seine Gestaltung ist in jeder Hinsicht enttäuschend.
Bestehen noch Chancen auf einen besseren Planungsentwurf?
Bemühungen die Planungen doch noch zu verbessern, sind bisher nicht zu vernehmen. Weder von Seiten der Stadt noch von Seiten der Stadtgesellschaft ist in dieser Richtung etwas zu hören. Eigentlich wäre eine deutliche Stellungnahme vom Gestaltungsbeirat, IHK und den Geschäftsleuten der Innenstadt zu erwarten.
Die große Frage ist, was hat die Stadt für ein Druckmittel gegenüber dem Investor, um diesen zu verpflichten, die von der Stadt selbst formulierten Gestaltungsansprüche zu erfüllen? Gibt der Vertrag mit dem Investor das her? Der Oberbürgermeister erklärte zu der Auswahl des aktuellen Investors LIST: “Gesprochen haben wir mit einigen, verhandelt mit wenigen und am Ende hatte LIST das beste Paket” (WAZ vom 26.08.20). Wenn die Stadt aus einer guten Auswahl an Investoren den passenden aussuchen konnte, dann sollte sie den genommen haben, der mit seinem Angebot die Ansprüche der Stadt am besten erfüllen konnte. Zudem sollte es in dieser Lage möglich gewesen sein, die Realisierung der entsprechenden Gestaltungsanforderungen vertraglich verbindlich zu fixieren.
Dass die Wirtschaftsentwicklung die neuen Planungen bereits auf der städtischen Seite veröffentlicht hat, lässt allerdings befürchten, dass die Stadt den erneut abgespeckten Entwurf bereits abgesegnet hat Das wäre fatal. Zu klären ist jetzt, was die Stadt noch für Handlungsoptionen hat. Um dies aufzuklären, werden die STADTGESTALTER eine entsprechende Anfrage stellen.
In letzter Konsequenz werden sich Stadt und Politik die Frage stellen müssen, ob es nicht besser ist auf einen Stadtturm ganz zu verzichten, statt einen architektonisch unambitionierten, gesichtslosen Hochhausklotz zu errichten, zu dem dann in 10 Jahren gefragt wird, wie die Stadt diesen Bau zulassen konnte.
Fest steht schon, dass das von der städtischen Wirtschaftsentwicklung an dem Turm angebaute Parkhaus nach aktuellem Stand statt 7 Mio. Euro voraussichtlich 10 Mio. Euro kosten wird (WAZ vom 13.04.22). Damit entfallen auf jeden der 433 Stellplätze Kosten in Höhe von über 23.000 Euro.