Weit über 10 Mio. Euro für fast 950 zusätzliche ungenutzte Parkplätze
Bisher standen in Bochum im Schnitt jede Woche 3.000 – 4.000 Stellplätze in den städtischen Parkhäusern in und um die Innenstadt leer, jetzt sind es noch fast 950 mehr. Denn für weit über 10 Mio. Euro hat die Stadt zwei neue Parkhäuser mit 942 zusätzlichen Plätzen in Betrieb genommen, die nicht benötigt werden. Der Bau der Parkhäuser war ein Akt sinnloser Geldverschwendung.
Bisher standen in der Innenstadt selbst sowie in der näheren Umgebung 5.585 Autoparkplätze zur Verfügung. Von denen im Wochenschnitt 3.000 bis 4.000 Stellplätze leer standen (55 – 70%), selbst in Spitzenzeiten waren rund 1.600 bis 2.000 ungenutzte Parkplätze zu verzeichnen (z.B. Parkplatzauslastung 07.05.2023 – 14.05.2023, Quelle: Verkehrswatch BO).
942 zusätzliche Parkplätze in zwei neuen Parkhäusern
Obwohl also in der Innenstadt schon seit jeher Parkraum im Überfluss besteht, hat die Stadt in den letzten Monaten noch zwei weitere Parkhäuser mit 942 zusätzlichen Stellplätzen in Betrieb genommen. Erst Anfang November wurde das neu Parkhaus P7 eröffnet. Es bietet 430 Fahrzeugen Platz. Der Bau hat 10 Mio. Euro gekostet, hinzu kommen für den Abriss des alten P7 nochmals 450.000 Euro.
Einige Monate vorher wurde das neue Parkhaus unter dem Husemann Karree mit 510 Stellplätzen zum Parken frei gegeben. Hier wurde das eigentliche Parkhaus von der Gesellschaft gebaut, die das ganze Karree errichtet hat. Die Stadt allerdings hat das Parkhaus unter dem Husemannplatz saniert und den Zugang zum neuen Parkhaus ermöglicht. Das kostete 3 Mio. Euro. Ein wesentlicher Teil des Geldes floss in die Sanierung der Zufahrt Viktoriastraße, die auch für das neue Parkhaus genutzt wird und den Anschluss der neuen Parketagen an das bestehende Parkhaus unter dem Platz.
Jetzt verfügt die städtischen Parkhäuser in und um die Innenstadt also über 6.527 Autostellplätze, von denen in Spitzenzeiten 2.600 bis 3.000 nicht genutzt werden. Der Zahl der ungenutzten Autostellplätz nimmt um fast 1.000 zu.
Schaffung von 942 zusätzlichen Stellplätzen, für die der Bedarf fehlt
Trotzdem es überhaupt keinen Bedarf gab, noch mehr Autoabstellplätze und Parkhäuser zu bauen, gab die Stadt bzw. die von ihr finanzierte Gesellschaft, die die Parkhäuser betreibt, deutlich über 10 Mio. Euro aus, um fast 950 Autostellplätze zu bauen, die jetzt ungenutzt leer stehen.
Da angesichts des fortschreitenden Niedergangs der Innenstadt und bei ernsthafter Verfolgung der Mobilitätswende eher eine abnehmende Anzahl Kunden zu erwarten ist, erscheint die Annahmen, dass die zusätzlichen Stellplatzkapazitäten jemals ausgenutzt werden, abwegig. Die 950 zusätzlichen Stellplätze braucht jetzt und in Zukunft niemand. Sie wurden ohne Sinn und Verstand gebaut.
Aber wie konnte es dazu kommen, dass die Stadt fast 942 weitere Parkhausstellplätze baut, ohne dass dafür irgendein Bedarf besteht? Warum wurde vor dem Bau der neuen Parkhäuser nicht zunächst überprüft, ob überhaupt Bedarf für noch mehr Parkraum besteht?
Wie konnte es zu der Fehlplanung kommen?
Die Ursache liegt in einer beispiellos autofixierten Denkweise von Stadt, Politik und Einzelhandel. Man hängt immer noch dem Irrglauben an, mit mehr Parkplätzen könne man automatisch mehr Kunden für die Innenstadt gewinnen. Doch diese Rechnung geht schon seit Jahrzehnten nicht mehr auf. Trotz immer mehr Stellplätzen und immer luxuriöseren Parkhäusern kommen nicht mehr, sondern immer weniger Kunden in die Bochumer City. Die Annahme, Kunden würden Innenstädte wegen toller Parkplätze im Überfluss ansteuern, wird durch die in Bochum festzustellende Realität widerlegt.
Verfügen Innenstädte dagegen über viel Flair, Ambiente, Aufenthaltsqualität und Attraktionen, sind die Kunden bereit hohe Parkhauspreise zu bezahlen und mangels günstiger Stellplätze im Zentrum der Innenstadt Park & Ride-Angebote in Verbindung mit außerhalb der Innenstadt liegenden Parkplätzen oder –häusern zu nutzen. Fehlt es dagegen – wie in Bochum – an Flair, Ambiente, Aufenthaltsqualität und Attraktionen, kommen die Kunden auch dann nicht, wenn die Parkplätze noch so schick, zahlreich und günstig sind. Insbesondere bleiben die Kunden weg, die einen hohen Anspruch an Attraktivität und Stadtbild einer Innenstadt haben. Fataler Weise sind das besonders die Kunden mit hoher Kaufkraft.
Autofixierte Denkweise und Realitätsverlust
In Bochum ist diese Erkenntnis aber noch offenbar nicht angekommen. Man baut weiter sinnfrei Parkhäuser, ohne sich zu fragen, ob die benötigt werden. Jede Maßnahme, die den Autoverkehr fördert, ist aus Sicht von Stadt, Politik und Einzelhandel, eine gute Maßnahme, egal wie viel sie kostet. Es wird gar nicht hinterfragt, ob die Ausgaben überhaupt einen Effekt haben oder ob es vielleicht Maßnahmen gibt, wo die Stadt bei gleichem Geldeinsatz einen viel höheren Nutzen für die Innenstadt erzielen kann. Man ist so in der autofixierten Denkweise gefangen, die Autokunden müssten subventioniert werden, um die Innenstadt zu retten, dass man die Realitäten völlig aus dem Blick verloren hat.
In der Realität fehlt am Bochumer Hauptbahnhof ein Fahrradparkhaus, kein Autoparkhaus. Überall drängen sich Fahrräder, die Radstation ist überfüllt, der Ruf der Radfahrenden, nach mehr Abstellplätzen unüberhörbar. Doch dafür hat die Stadt kein Ohr. Die 170 mit dem Bau des Parkhauses P7 angekündigten Radstellplätze hat die Stadt bis heute nicht geschaffen, man will mit dem Bau erst beginnen, wenn der Citytower fertig ist (Vorlage 2022)2693), obwohl derzeit völlig unklar ist wann bzw. ob der überhaupt jemals errichtet wird. Statt dringend notwendigen Radparkplätzen hat die Stadt am Hauptbahnhof also lieber 430 überflüssige Autostellplätze bauen lassen.
24 Fahrräder können auf der Fläche eines Autostellplatzes in einem Fahrradparkhaus geparkt werden. Zum Abstellen von 170 Fahrrädern werden also nur 7 Autostellplätze benötigt. Der Flächenverbrauch und Investitionsaufwand ist Im Vergleich zu dem für 430 Autos somit lächerlich gering. Priorität hat das sichtbar Notwendige in Bochum aber trotzdem nicht. In der Denkweise von SPD und Oberbürgermeister ist die einseitige Bevorzugung des Autos bei der Stadtplanung seit Jahrzehnten gelebte Normalität.
Politik und Stadt nehmen nicht mehr wahr, wenn die Autofixierung absurd wird. Auch der grüne Koalitionspartner trägt diese Politik widerstandslos mit. Mobilitätswende, Umweltschutz und Klimaschutz sind für die Bochumer Grünen lästige Randthemen, die man willig der SPD überlässt. Eilfertig spricht man sich auf dem Papier und bei Wahlkampfveranstaltungen zu jeder Gelegenheit für mehr Stellplätze für Radfahrende aus. In der Realität allerdings nickt man die Schaffung von 942 zusätzlichen Auto- und nicht Radabstellplätzen ab.
Stadtgestaltung hat in Bochum keine Priorität
Die sinnfrei Schaffung von fast 950 überflüssigen Autostellplätzen zeigt leider auch, welchen Wert Stadtgestaltung bei Politik, Stadt und Einzelhandel in Bochum haben. Nämlich so gut wie keinen. Für Ortsfremde sind die Mängel von Stadtbild und Stadtgestaltung in der Innenstadt offensichtlich und entscheidend dafür, ob man nach Bochum fährt oder lieber nicht.
Doch in Bochum stört man sich anscheinend eher wenig daran. Sonst hätte man die 13,5 Mio, für P7 und das neue Parkhaus man Husemann-Patz., nicht für Stellplätze im Überfluss, sondern in Stadtgestaltungsprojekte gesteckt (Innenstadt: Die Stadt gibt fast 10x mehr für Parkhäuser aus als für Stadtgestaltung https://die-stadtgestalter.de/2023/02/19/innenstadt-die-stadt-gibt-fast-10x-mehr-fuer-parkhaeuser-aus-als-fuer-stadtgestaltung/). Dr.-Ruer-Platz, Propstei-Platz, der obere Teil des Boulevard und viele andere Ecken der Innenstadt haben dringend eine städtebauliche Überarbeitung nötig. Doch in Bochum hält man die Schaffung von mehr Parkplätzen für wichtiger, selbst dann noch, wenn es dafür gar keinen Bedarf gibt.
Das ganz Gerede, man müsse die Innenstadt neu aufstellen, andere Wege gehen, mehr für die Stadtgestaltung tun, erweist sich als heiße Luft, wenn in der Realität dann doch das Geld wieder wie eh und je in Parkhäuser fließt.
Bochum lernt nicht aus Fehlern
Die Stadt lernt nicht. Leere Autostellplätze bringen keine Kunden in die Stadt. Ehe man etwas baut, muss nachweisbar sein, dass es dafür einen Bedarf gibt. Die eindimensionale Investition allein in Autokunden rechnet sich nicht. Wäre es anders, sähe die Innenstadt anders aus und würde von Kunden überlaufen.
Es wird Zeit sich einzugestehen, dass diese Politik gescheitert ist und das Gegenteil von dem erreicht wurde, was man bewirken wollte. Einfach stur immer weiter noch und noch mehr Parkplätze zu bauen, ist reine Geldverschwendung, es führt zu nichts. Der Kurswechsel muss real statt finden, nicht nur in Sonntagsreden. Vertreter*innen von Stadt, Politik und Einzelhandel, die immer wieder blumig erklären, man habe verstanden, dass Flair, Ambiente, Aufenthaltsqualität und Attraktionen, die Menschen in die Innenstadt locken und nicht schicke Parkplätze im Überfluss, um danach doch wieder das Geld für zusätzliche Autostellplätze zu verschwenden, sind unglaubwürdig.
Quartiersparkhäuser in Wohngebieten zu errichten, ist sinnvoll, der Bau neuer Parkhäuser für Innenstadtbesucher*innen ist hingegen überflüssig und sinnlos.