07 Apr

Warum Bochum für englischsprachige Arbeitskräfte nicht die erste Wahl ist

Auch in Bochum werden Arbeitskräfte aus dem Ausland mit hohen Qualifikationen gesucht. Doch wer nach Bochum kommt und nur Englisch spricht, hat es schwer. Zwar bietet das Bürgerbüro jetzt englischsprachige Kundenbedienung an. Doch sonst kommt man in den meisten Lebenslagen nur mit Deutsch weiter. Wer nur Englisch spricht, wird andere Großstädte als Lebensort vorziehen.

Immer wird in Bochum und dem Ruhrgebiet beklagt, zu vielen Zuwanderern fehle es an den nötigen schulischen und beruflichen Qualifikationen, man spricht auch von Armutszuwanderung oder –migration. Kommen in andere Großstädte auch sehr viele qualifizierte Menschen, ist das im Ruhrgebiet seltener der Fall. (Ruhrgebiet – Arbeitslosigkeit, Armut und Tristesse). Warum ist das so? Warum sind Bochum und das Ruhrgebiet für hoch qualifizierte Zuwanderer eher unattraktiv?

Englisch ist die Sprache hochqualifizierter Auswanderer

Um die gestellten Fragen zu beantworten, lohnt es sich anzusehen, aus welchen Ländern die gewünschten Migranten kommen. Zu den weltweit größten Auswandererländer, die Menschen verlassen, um in anderen Länder wirtschaftlich erfolgreich zu sein, zählen Indien, China, Bangladesch, Pakistan und die Philippinen (15 größten Auswanderungsländer weltweit). Bis auf China ist in allen aufgezählten Ländern Englisch eine der Amtssprachen. Wer aus diesen Ländern auswandern will, spricht also in der Regel nicht Deutsch, dafür aber Englisch. Auf der anderen Seite suchen Einwanderer mit hohen Qualifikationen neben Deutschland, besonders Länder wie USA, Kanada, Australien oder Großbritannien, also Länder, in denen Englisch als Amtssprache gesprochen wird.

Eine neue Sprache zu lernen – dazu noch Deutsch – ist schwer und sehr zeitaufwendig. Also ist nicht zu erwarten, dass potenzielle Einwanderer, vor Ihrer Einwanderung mehrjährige Deutschkurse besuchen. Zumal in den Unternehmen, in denen sie in Deutschland arbeiten würden, heutzutage ohnehin durchgehend neben Deutsch auch Englisch gesprochen wird, für die Arbeit die deutsche Sprache also nicht benötigt wird.

Der typische hoch qualifizierte Auswanderer, z.B. ein indischer IT-Experte oder die chinesische Ingenieurin, sprechen also gutes Englisch, allerdings kein Deutsch und könnten alternativ auch in ein angloamerikanisches Land auswandern. Entscheidet sich der oder die Auswanderin für Deutschland, dann kommt nur eine Stadt in Frage, in der man auch mit Englisch gut im Leben weiterkommt.

Das gleiche gilt auch für ausländische Unternehmen wie StartUps, die sich in Deutschland niederlassen und Arbeitskräfte aus der Heimat nach hier mitnehmen wollen. Auch die werden nur in eine deutsche Stadt ziehen, in der man mit Englisch im Alltag gut klarkommt. Doch gerade in diesem Bereich zeigen sich in Bochum große Defizite.

Internationalität und Englischsprachigkeit

Eigentlich sind nur die Ruhr-Universität und die Hochschulen in Sachen Internationalität und Englischsprachigkeit in Bochum sehr gut aufgestellt. Dort gibt es alles auch auf Englisch, Informationen wie Formulare, ein Welcome-Center und englischsprachige Ansprechpartner. Studierende wie Forschende aus allen Ländern der Welt sind an den Hochschulen Alltag und man geht mit ihnen jeden Tag selbstverständlich um.

Angebote in Englisch, Stadt Bochum

Auch die Stadtverwaltung gibt sich in Sachen Englisch verstärkt Mühe. Die Internet-Seite kann mäßig komfortabel auf Englisch übersetzt werden. Auch einige Merkblätter und Formulare gibt es auf Englisch. Die Angebote des Online-Service sind aber immer noch rein deutschsprachig, englischsprachige Kundenbedienung ist nur für Dienstleistungen des Bürgerbüros buchbar.

Im Rahmen der Bochum-Strategie soll ein Welcome-Center geschaffen werden, das Ausländer*innen, die nach Bochum ziehen möchten und kein Deutsch können, in allen Lebenslagen unterstützen soll. Man befindet sich also auf dem richtigen Weg, wie so oft geht aber alles nur sehr gemächlich voran. Andere Städte sind da schon deutlich weiter und bieten spezielle Internet-Seiten für Englisch sprechende Menschen an, die in der Stadt leben möchten, z.B. Berlin (Life in Berlin – Berlin.de) oder Hamburg (Residents ─ Live, Study & Work in Hamburg – hamburg.com).

Ganz schlecht sieht es bei den Stadtgesellschaften wie Stadtwerke, USB, BOGESTRA, Jobcenter und VBW aus, diese verfügen über gar kein englischsprachiges Angebot. Die Lieferung von Strom, Gas oder Waser auf englisch organisieren oder die Entsorgung des Abfalls, eine Wohnung bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft anmieten, Kindergeld beantragen, KiTa-Platz suchen oder das Kind zur Schule anmelden, geht wie auch vieles andere in Bochum bisher nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten auf Englisch.

Überraschenderweise gibt es selbst die Tourismus-Seite in Bochum nicht auf Englisch (Die Webseite und Online-Reiseführer zur Stadt – Bochum Marketing GmbH (bochum-tourismus.de). Will man den Nahverkehr in Bochum benutzen, muss man auf die Internet-Seite des VRR ausweichen, auch die BOGESTRA ist weder auf Touristen noch andere nicht-deutschsprachige Nutzer*innen eingestellt.

Menschen aus dem Ausland bekommen keinen guten Eindruck

Für Menschen aus dem Ausland ergibt sich insgesamt der Eindruck, man ist in der deutschen Provinz gelandet, in einer Stadt, die auf Internationalität wenig Wert legt und die sich schwertut, sich auf internationale Gäste einzustellen, entweder weil sie denkt, für die zu unattraktiv zu sein oder weil man an ihnen nicht interessiert ist.

Englischsprachige Menschen, die in Deutschland einen Ort zum Leben suchen oder ausländische Unternehmen, die hier einen Firmensitz suchen, fühlen sich wenig eingeladen, werden leider eher abgeschreckt und werden daher andere Orte in Deutschland, die sich deutlich internationaler als Bochum präsentieren, bei der Wahl des Wohnortes oder Unternehmenssitzes vorziehen.

Immerhin ist man bei der städtischen Wirtschaftsentwicklung international aufgestellt. Hier kann man Angebote und Exposés auch auf Englisch bekommen und wird auch auf Englisch beraten. Bei der IHK dagegen fehlt bereits eine englische Webseite. Das ist besonders deswegen erstaunlich, weil der DIHK-Vizepräsident erst kürzlich Englisch als zweite Amtssprache gefordert hat (Deutsch für Einwanderer zu schwierig: DIHK-Vizepräsident fordert Englisch als zweite Amtssprache).

Insgesamt liegt Bochum, wie leider in viel zu vielen Bereichen, auch in Sachen Internationalität und Englischsprachigkeit zurück. Das Ziel zu verfolgen, hochqualifizierte Arbeitskräfte und ausländische Unternehmen für die Stadt zu gewinnen, ist sinnvoll. Solange es aber nicht gelingt, die Stadt entsprechend international zu präsentieren und die wichtigsten kommunalen Dienstleistungen und Angebote auch auf Englisch anzubieten, wird die Stadt die Attraktivität nicht erreichen, die nötig ist, damit die gewünschten Arbeitskräfte und Unternehmen sich ansiedeln. Bisher passiert hier noch deutlich zu wenig und das, was geschieht, viel zu langsam. Vom Bild und Ruf einer interanationalen Stadt ist Bochum noch weit entfernt.

21 Nov

Warum wollen viele Hochqualifizierte nicht im Ruhrgebiet leben und arbeiten?

Das Ruhrgebiet ist immer noch die ökonomische Sorgenregion in Deutschland. Zwar hat sich in Sachen Hochschullandschaft und Wirtschaftsförderung zur Ansiedlung von Zukunftsunternehmen viel Positives getan, jedoch fehlt es Im Ruhrgebiet weiterhin an Lebensqualität, um hochqualifizierte Fachkräfte für zukunftsträchtige Branchen anzuziehen. Was ist zu tun?

Hochqualifizierte Menschen, die über einen akademischen Bildungsabschluss oder einen Meistertitel verfügen, wandern eher aus Bochum ab als zu. Unternehmen haben große Schwierigkeiten Menschen mit hohen Berufsqualifikationen für die Stadt zu gewinnen. Zwar studieren in den Hochschulen des Ruhrgebiets mittlerweile genug Menschen, aber viele sehen keinen Anlass im Ruhrgebiet zu bleiben und ziehen nach dem Bildungsabschluss in den Süden Deutschlands oder in attraktive Großstädte in Deutschland und Europa.

Zu wenig Hochqualifizierte im Ruhrgebiet

Den Städten des Ruhrgebietes gelingt es weiterhin kaum hochqualifizierte Menschen für einen Umzug ins Ruhrgebiet zu gewinnen. Entsprechend tun sich Unternehmen schwer ins Ruhrgebiet zu kommen, die auf hochqualifizierte Beschäftigte angewiesen sind. Viele ziehen weiterhin andere Regionen und Großstädte Deutschlands bei der Ansiedlung vor.

Gemäß einer Untersuchung des IW-Instituts (Eine Betrachtung der Qualifikationsstrukturen in den deutschen Regionen, IW-Report 51/20) zählt der Regierungsbezirk Arnsberg, in dem auch Bochum und Dortmund liegen, zu den Regionen mit dem niedrigsten Anteil Hochqualifizierter (rund 25%), nur in den Regionen Sachsen-Anhalt, Weser-Ems und Niederbayern ist der Anteil noch geringer. Bei den Niedrigqualifizierten (maximal Schulbesuch bis Klasse 10 und ohne beruflichen Abschluss) zählt Arnsberg wiederum zu den drei Regionen mit dem höchsten Anteil (über 18%).

In Sachen Forschung auf Zukunftsfeldern wie Künstlicher Intelligenz, Industrie 4.0, IT-Sicherheit und umweltfreundlichen Technologien spielt das Ruhrgebiet mittlerweile vorne mit (Wirtschaftswoche 30.11.20), wie in Bochum die Ansiedlung des Max-Planck-Instituts für IT-Sicherheit und der Institute der RUB auf Mark 51°7 belegen. Dazu liegt das Ruhrgebiet in Sachen Start-Up-Gründungen mittlerweile auf Platz zwei hinter Berlin. Die Wissenschaftslandschaft ist zu einer der großen Stärken des Ruhrgebiets geworden. Innovative Unternehmen finden im Ruhrgebiet die benötigte räumliche Nähe zu Wissenschaftspartnern, allerdings haben sie große Schwierigkeiten die hochqualifizierten Beschäftigten zu gewinnen, die sie ebenfalls benötigen. Denn in Sachen Attraktivität, Wohn- und Lebensqualität hinkt das Ruhrgebiet immer noch weit hinterher.

Warum wollen viele Hochqualifizierte nicht im Ruhrgebiet leben und arbeiten?

Bei der Gewinnung von Hochqualifizierten steht Bochum im Wettbewerb zu allen Großstädten Deutschlands, ja häufig sogar Europas. Hochqualifizierte können sich aussuchen, bei welchem Unternehmen und in welcher Stadt sie arbeiten wollen. Suchen sie eine neue Herausforderung und Arbeit können sie regelmäßig aus einer Reihe Angebote in den unterschiedlichsten Städten auswählen. Denn die Nachfrage nach hochqualifizierten Beschäftigten ist deutlich höher als die Zahl der Menschen mit entsprechenden Qualifikationen. Die Akademiker-Arbeitslosenquote entspricht mit knapp über 2 % Vollbeschäftigung.

Menschen mit hohen beruflichen Qualifikationen ziehen bevorzugt in Städte, die hinsichtlich Wohn- und Lebensqualität als besonders attraktiv gelten. Hinzu kommt, dass Menschen, die schon in entsprechend lebenswerten Städten leben, ungerne in Städte umziehen, die ähnliche Qualitäten nicht bieten können.

Ganz praktisch werden Menschen, die sich aussuchen können, in welcher Stadt sie leben möchten, bei einem möglichen Wechsel des Arbeitsortes eine Checkliste machen, um zu prüfen, ob es für sie in Frage kommt nach Bochum zu ziehen. Eine solche Checkliste zählt die Kriterien auf, die in der Stadt erfüllt sind, die aktuell Wohnort ist. Geprüft wird dann, sind diese auch in Bochum erfüllt. Leider zeigt sich oft, Bochum kann bei einigen Kriterien positiv punkten, bei anderen aber leider nicht.

Checkliste – Leben und Arbeiten in Bochum (Ruhrgebiet)

In Bochum lässt sich günstig leben und wohnen, die Menschen sind herzlich und offen, die Kriminalität ist niedrig, das Angebot an Grünflächen, Parks, Kultur sowie Gastronomie ist ausgezeichnet, in Sachen Wohnqualität, Einkaufsangebot, Sauberkeit und Ordnung sowie Mobilität kann Bochum und das Ruhrgebiet allerdings nicht mit anderen Großstädten mithalten. So fehlt es an urbanen, belebten Plätzen, Kinder kommen nicht sicher alleine zur Schule, die Einkaufsmöglichkeiten in den Stadtteilzentren wie in den Innenstädten zeichnen sich nicht durch Vielfalt aus, um sicher und schnell zur Arbeit oder anderswo hinzukommen braucht man häufig zwingend ein Auto, die Qualität der städtischen Schul- und Bildungslandschaft kann nicht mithalten, auch hat Bochum und das Ruhrgebiet weiterhin ein Imageproblem.

So fällt die Entscheidung nach Abarbeitung der Checkliste leider oft gegen einen Wohnortwechsel nach Bochum und das Ruhrgebiet aus.

Aber es bleiben auch diejenigen häufig nicht hier, die an Bochumer Hochschulen ausgebildet wurden. Klopfen Unternehmen aus anderen deutschen oder europäischen Großstädten an, die für ihre hohe Lebens- und Wohnqualität bekannt sind, ziehen viele ohne zu zögern aus dem Ruhrgebiet weg. Nur besondere familiäre Bindungen im Ruhrgebiet oder eine intensive, bereits während des Studiums zu einem Unternehmen aufgebaute Beziehung vermögen die Hochqualifizierten bewegen im Ruhrgebiet zu bleiben.

Ohne Hochqualifizierte keine innovativen, zukunftsfähigen Unternehmen

Dabei sind Unternehmen, die besonders auf die Beschäftigung von hochqualifizierten Menschen angewiesen sind, entscheidend für die positive wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Entsprechende Firmen sind besonders gut im globalen Wettbewerb aufgestellt. Sie bieten in der Regel überdurchschnittliche Einkommen und zukunftsfähige Arbeitsplätze, nicht nur für Hochqualifizierte. Dazu sind die Unternehmen regelmäßig wirtschaftlich überdurchschnittlich erfolgreich und zahlen entsprechend viel Steuern und Abgaben an die Stadt. Bochum muss also ein besonderes Interesse haben gerade diese Unternehmen für die Stadt zu gewinnen. Das kann aber nur gelingen, wenn die Unternehmen sicher sein können, dass sie für eine Niederlassung in Bochum auch die erforderlichen Mitarbeiter*innen mit den gewünschten Qualifikationen gewinnen können. Unbedingte Voraussetzung für die Ansiedlung solcher Unternehmen ist also, die Lebens- und Wohnbedingungen zu schaffen, die Hochqualifizierte von Städten erwarten, in denen sie leben und arbeiten wollen.

Bochum im Wettbewerb mit den modernsten Städten Deutschlands und Europas

Im Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte befindet sich Bochum nicht im Wettbewerb mit den anderen Städten des Ruhrgebiets, sondern in einem Wettbewerb mit allen modernen deutschen und vielen europäischen Großstädten. Maßstab für die Stadtentwicklung in Bochum sind also nicht Städte wie Essen, Dortmund oder Duisburg, sondern moderne europäische Städte wie Aarhus, Uppsala, Gent, Utrecht, Nantes oder Freiburg.

Der Anspruch muss sein in Sachen Stadtentwicklung zu den Vorreitern in Europa zu gehören. Damit erst ändert sich das Image der Stadt. Mut zur Innovation und der Wille zur Veränderung müssen der aktuell immer noch zu beobachtenden Zögerlichkeit bei der Stadtentwicklung weichen. Nicht erst die Dinge bei uns in der Stadt umsetzen, wenn alle anderen Städte sie schon haben, sondern innovative Lösungen schon dann in der Stadt realisieren, wenn noch kaum eine andere Stadt sie hat, sollte der Anspruch sein. Soll in der Stadt etwas neu gebaut oder umgestaltet werden, dann sollte nach der Lösung gesucht werden, die noch einen Grad innovativer ist, als die Lösungen, die man in anderen Städten vorfindet. Eine Stadt, die die bestqualifiziertesten Menschen des Landes gewinnen will und die innovativsten Unternehmen, sollte selbstbewusst an sich den Anspruch stellen, das Ziel zu verfolgen mittelfristig zur Avantgarde der europäischen Städte gezählt zu werden.