Ohne Genehmigung: BoSy geben 0,33 Mio für Eröffnungsfeierlichkeiten aus
Was würde passieren, wenn in einem Unternehmen der Abteilungsleiter ohne Genehmigung 328.183 Euro für Feierlichkeiten ausgibt, obwohl er sein Budget schon lange überzogen hat? Das könnte ein Unternehmen nicht dulden, die Unternehmensleitung würde ihm seine Papiere in die Hand drücken. Was unternehmen Verwaltungsvorstand und Oberbürgermeister in Bochum, wenn dort das gleiche passiert? – So tun, als wäre nichts geschehen.
Das Budget der Bochumer Symphoniker reichte nur für den Regelbetrieb
Obwohl die Regeln der Stadt eindeutig sind, der Kämmerer schreibt vor: „Die Einhaltung des konsumtiven und investiven Budgets zählt zu den dienstrechtlichen Verantwortungen der Budgetverantwortlichen. Drohende Budgetüberschreitungen sind sofort durch geeignete Gegenmaßnahmen abzuwenden (Bewirtschaftungsverfügung des Kämmerers).
Das gilt auch für die Bochumer Symphoniker (BoSy). Budgetverantwortlicher dort ist Generalmusikdirektor Steven Sloane. Das Budget für 2016 sah vor, dass den BoSy 9.120.417 Euro zur Verfügung stehen, davon 1.208.200 Euro aus Kartenverkäufen (13%), die verbleibenden 7.912.217 Euro aus Subventionen insbesondere der Stadt (nicht städtischer Anteil an den Zuschüssen: 1,6%).
Dem Budgetverantwortlichen war bereits Ende 2015 klar, dass die für 2016 ursprünglich eingeplanten Mittel nicht vollständig zur Verfügung stehen würden, denn bereits 2015 wurde die Fertigstellung des Musikforums auf Ende des 3. Quartal 2016 verlegt. Die Folge, die Einnahmen aus Kartenverkäufen würden statt 1.208.200 Euro nur rd. 900.000 Euro betragen. Entsprechend konnten die BoSy für 2016 realistisch nur mit 8,81 Mio. Euro planen, also ziemlich genau mit dem gleichen Betrag wie 2015.
Da Bochum sich im Haushaltssicherungsverfahren befindet, stand zudem seit 2015 fest, dass aus 2015 wie die Jahre zuvor keine Mittel nach 2016 übertragen würden. Zudem mussten bereits 2014 die Mittel der BoSy wegen Tarifsteigerungen überplanmäßig deutlich erhöht werden. Eine Verrechnung von Überschüssen mit zurückliegenden Budgetdefiziten, sieht das Haushaltssicherungsverfahren ebenfalls nicht vor.
Zudem besteht bei den BoSy keine Möglichkeit, kurzfristig die Einnahmen zu erhöhen oder die Ausgaben zu senken. Die Kartenverkäufe betragen nur 13% des Gesamtbudgets. Die Ausgaben bestehen zu über 80% aus Personalaufwendungen, die sich ebenso wenig innerhalb eines Jahres reduzieren lassen wie die Sach- und Dienstleistungen, die zwangsläufig mit den Konzerten verbunden sind.
Somit war bereits Anfang 2016 klar, dass mit den im Budget zur Verfügung stehenden Mitteln allein der Regelbetrieb der BoSy sicher gestellt werden konnte. Das für 2016 zur Verfügung stehende Budget war damit vollständig verplant. Budgetspielräume für zusätzliche Ausgaben waren nie vorhanden.
Außerplanmäßige Ausgaben sind erst zu genehmigen, dann auszugeben
Die Bewirtschaftungsverfügung des Kämmerers schreibt den Budgetverantwortlichen weiter vor: „Absehbare über- oder außerplanmäßige Aufwendungen sind unverzüglich zu beantragen. Die Genehmigung durch den Kämmerer/ HFA/ Rat muss vor Eingehen einer Verpflichtung vorliegen“ (Bewirtschaftungsverfügung des Kämmerers). Gleiches sieht auch die Gemeindeordnung NRW vor: „Sind die überplanmäßigen und außerplanmäßigen Aufwendungen und Auszahlungen erheblich, bedürfen, sie der vorherigen Zustimmung des Rates“. Entsprechend sind gemäß Haushaltssatzung der Stadt Bochum außerplanmäßigen Ausgaben über 100.000 Euro vom Hauptausschuss zu beschließen.
Obwohl den BoSy keinerlei Mittel dafür zur Verfügung standen, veranlasste der Budgetverantwortliche Steven Sloane im 3. Quartal 2016 die Ausgabe von 328.183 Euro um die Eröffnung des Musikforums im großen Stil zu feiern. Er wusste, dass er diese Ausgaben nicht mal teilweise aus seinem Budget würde decken können. Trotzdem holte er für die überplanmäßigen Ausgaben weder beim Kämmerer noch beim Rat bzw. dem Haupt- und Finanzausschuss des Rates eine Genehmigung ein.
Er wusste, hätte er vor Ausgabe des Geldes bei der Politik angefragt, ob er 328.183 Euro für die Feierlichkeiten ausgeben könne, hätte er von der Politik zumindest in dieser Höhe keine Genehmigung erhalten. Die Politik hatte den Bürgern zuvor zugesichert, dass der städtische Haushalt für das Musikforum neben den Betriebskosten in Höhe von 850.000 nicht für weitere Ausgaben aufkommen werde. Die SPD schrieb wörtlich (in Fettschrift mit Ausrufezeichen): „Der Haushalt der Stadt Bochum wird über die bislang „eingepreisten“ Zahlen hinaus nicht belastet!“ (SPD: Fakten zum Musikzentrum). Steven Sloane veranlasste aber genau das.
Für die Durchführung von Feierlichkeiten besteht keine unabweisbare Notwendigkeit
Auch hätte die Politik nach den Vorgaben des Kämmerers gar keine Genehmigung erteilen dürfen, denn „für die Bereitstellung der notwendigen Deckungsmittel sind sämtliche Ansätze auf ihre Unabweisbarkeit zu prüfen“ (Bewirtschaftungsverfügung des Kämmerers).
Unabweisbarkeit liegt aber erst dann vor, wenn Ausgaben bzw. Auszahlungen und Aufwendungen aus rechtlichen, vertraglichen oder anderen vergleichbaren Gründen geleistet werden müssen und zeitlich nicht aufgeschoben werden können. Die Durchführung eines Festes ist nicht unabweisbar. Es gab weder einen rechtlichen, vertraglichen oder sonst einen vergleichbaren Grund dieses trotz fehlenden Geldes durchführen zu müssen.
Also entschloss sich Steven Sloane, offenbar mir schweigender Zustimmung des Verwaltungsvorstandes und des Oberbürgermeisters (Mitteilung 20163177), das Geld einfach ohne die vorgesehene Genehmigung auszugeben und sich die bereits verausgabte Summe erst von der Politik bewilligen zu lassen, wenn das Geld schon ausgegeben und die Festivitäten vorüber waren.
Politik versagt bei Kontrolle der Verwaltung
Auch verschwieg die Verwaltung Politik und Bürgern zunächst die Höhe der Kosten für die Feierlichkeiten. Erst auf Anfrage der Fraktion „FDP & Die STADTGESTALTER“ musste die Verwaltung einräumen, dass ohne jede Deckung dafür 328.183 Euro ausgegeben wurden (Mitteilung 20163075).
Ein solches Vorgehen verstößt im Hinblick auf die Bewirtschaftungsverfügung des Kämmerers nicht nur gegen das geltende Dienstrecht, sondern auch gegen das Primat der Politik, die solch hohe außerplanmäßige Ausgaben erst zu beschließen hat, ehe sie von der Verwaltung verausgabt werden.
Der Vorgang wirft ein Schlaglicht auf das Verhältnis zwischen Politik und Verwaltung in Bochum, Verwaltung und Oberbürgermeister machen was sie wollen und die Politik lässt sie arglos gewähren. Folgerichtig kritisierten SPD, CDU und Grüne das Vorgehen mit keinem Wort, sondern bewilligten nachträglichen den Ausgleich des mit 421.000 Euro überzogenen BoSy-Budgets ohne Murren, nur die Fraktion „FDP & Die STADTGESTALTER“ stimmte dagegen.
So verstärkt sich der Eindruck, dass in der Stadt für die BoSy-Lobby andere Rechte gelten als für andere. Denn um hier Dinge möglich zu machen, sind Verwaltungsvorstand und Oberbürgermeister offenbar bereit die geltenden rechtlichen Regeln über jedes Maß zu dehnen.
Ein Präzedenzfall, der die Haushaltsdisziplin untergräbt
Wer mit solch fragwürdigem Vorgehen Ausgaben für Prestigeprojekte erzwingt, verspielt weitere Glaubwürdigkeit bei den Bürgern, das sollte allen bewusst sein. Wer solchen Verfahren in der Politik zustimmt, muss sich darüber hinaus den Vorwurf gefallen lassen, dass er als Ratsmitglied seine Rolle, die Aufsicht über die Verwaltung auszuüben, nicht mit dem erforderlichen Ernst verfolgt.
Der Verwaltungsvorstand, insbesondere der Kämmerer, der wie der Oberbürgermeister offenbar die Überziehung des Budgets stillschweigend geduldet hat, muss sich nicht wundern, wenn dieses Vorgehen demnächst bei anderen Budgetverantwortlichen und Amtsleitern in der Verwaltung Nachahmer findet. Mit der Haushaltsdisziplin nimmt es die Verwaltung offensichtlich nicht so genau, wie man es den Bürgern gerne zu vermitteln versucht.
Hier wurde ein Präzedenzfall geschaffen. Man darf gespannt sein, wie Verwaltung und Politik reagieren, wenn Schulleiter demnächst zur Eröffnung von Mensen, Ganztagsschulen und neuen Schulgebäuden große Festivitäten veranlassen, ohne dafür über die erforderlichen Finanzmittel zu verfügen. Dass sie, anders als die BoSy, darauf vertrauen können, dass SPD, CDU und Grüne die Mehrausgaben ebenfalls nachträglich abnicken, dürfte indes bezweifelt werden.
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