Seilbahn – Herne plant, Paris baut und Bochum staunt
Die Seilbahn in Paris ist eröffnet und zeigt, wie moderner Nahverkehr funktioniert, Herne befindet sich in den letzten Zügen der Planung. Bochum steht mal wieder mit leeren Händen da. Die Stadt staunt, dass die anderen können, was in Bochum angeblich nicht möglich sein soll.
Vor einer Woche ist die erste urbane Seilbahn im Großraum Paris (Île-de-France), die Linie Câble C1, eingeweiht worden. Herne gibt drei Tage später bekannt, dass die Seilbahn vom Hauptbahnhof Wanne-Eickel zum Technologiepark auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Blumenthal von einem Gemeinschaftsunternehmen aus Transdev und HCR (Straßenbahn Herne-Castrop-Rauxel GmbH) betrieben werden soll (WDR: Planungen gehen voran: Herne kann Seilbahngesellschaft gründen). In Bochum tut sich derweil nichts.
Erste Seilbahnidee für das Ruhrgebiet kam aus Bochum
Zu Beginn des Jahres 2014 bereits hatten die STADTGESTALTER eine Seilbahnverbindung zwischen Innenstadt und Ruhr Park vorgeschlagen und diese Idee konsequent weiterentwickelt (Seilbahn vom Ruhr Park zur Bochumer City). Doch statt sich als erste Seilbahnstadt im Ruhrgebiet zu profilieren, (er-)fanden die Verantwortlichen in Bochum viele Ausreden, warum eine fortschrittliche Seilbahn-Lösung nicht funktionieren könne, und haben es in den 12 Jahren seit dem ersten Vorschlag auch sonst nicht geschafft, nur ein Projekt auf den Weg zu bringen, dass das Bochumer ÖPNV-Netz substanziell erweitert hätte.
Câble C1 zeigt Vorteile von Seilbahnen
Besonders Paris, aber auch Herne widerlegen anschaulich, die in Bochum vorhandenen Vorurteile. Was in beiden Städten möglich ist, ließe sich auch in Bochum umsetzen.
Die Seilbahn in Paris ist 4,5 km lang, vom Ruhr Park zur Innenstadt wären es 4,9 km. Die Linie Câble C1 verfügt über insgesamt fünf Stationen. In Bochum wären es nur drei (Innenstadt, Hauptfriedhof, Ruhr Park).

Barrierefreiheit und Komfort – Die Videos aus Paris zeigen, wie einfach es ist, die Seilbahnkabinen zu besteigen. Sämtliche Stationen sind, anders als viele Bus- und Straßenbahnhaltestellen in Bochum, ebenerdig und vollständig barrierefrei. Die Fahrgäste bekommen immer einen Sitzplatz, Stehplätze gibt es nicht.
Keine Wartezeiten – Aller 30 Sekunden verlässt eine Kabine die Pariser Stationen. Betritt man eine Station, stehen immer schon Kabinen zum Einstieg bereit. Anders als bei Bussen und Bahnen gibt es keine Wartezeiten.
Umweltfreundlich -Die Seilbahn läuft nahezu lautlos, nervende Motorengeräusche und Schienengequietsche gibt es nicht. 107 MWh Strom speist eine PV-Anlage auf dem Dach der Station Limeil-Brévannes zum Betrieb der Seilbahn ein. Die Kabinen schweben so hoch über den Gebäuden, dass Einblicke in Wohnungen und Häuser anders als bei Straßenbahnen und Bussen von der Straße aus nicht möglich sind.
Geringe Fahrtzeit – 18 Minuten dauert die gesamte Fahrt auf Câble C1. Mit dem Bus dauerte es zuvor 40 Minuten. Vom Ruhr Park in die Innenstadt würde bei gleicher Seilbahntechnik (Einseilumlaufbahn 1S) die Fahrt um die 12 Minuten dauern, bisher dauert diese mit dem Bus rund 30 Minuten. Câble C1 verkehrt werktags von 5:30 bis 23:30 Uhr und am Wochenende bis 00:30 Uhr (Daten und Informationen zu Câble C1). Bis zu 12.000 Fahrgäste sollen pro Tag befördert werden.
Geringe Kosten – 125 Mio. (ohne Steuern) hat die Seilbahn in Paris gekostet, eine Verlängerung der Metro auf gleicher Strecke wäre um ein Vielfaches teurer geworden. Die Seilbahn schwebt über Bahnlinien und Autobahnen, während für eine Straßenbahnverbindung teure Tunnel- oder Brückenbauwerke hätten errichtet werden müssen.
Geringer Flächenverbrauch – Der Flächenverbrauch der Seilbahn ist gering. Nur für die Stationen und die Mastfundamente wurde Platz benötigt, eine Bahntrasse oder Fahrspur musste nicht gebaut werden. Eine Seilbahn nimmt anderen Verkehrsmitteln keinen Platz auf der Straße weg.
Kurze Bauzeit – 2019 wurde in Paris die Seilbahnstrecke festgelegt. 2022 begannen die ersten Bauarbeiten, Ende 2023 wurden die ersten von 30 Masten aufgebaut, zwei Jahre später konnte die Linie eröffnet werden. Das Beispiel Paris zeigt, Seilbahnen lassen sich erheblich schneller realisieren als Straßen-, Stadt- oder gar U-Bahn-Projekte. In Herne soll der Seilbahnbau 2026 ausgeschrieben werden, 2027 sollen die ersten Arbeiten starten, 2029 soll die Eröffnung stattfinden (WAZ vom 04.09.2024).
Hohe Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit – Während eine Seilbahnfahrt ein Erlebnis ist, besonders in der Nacht, sind Fahrten mit Bus- und Straßenbahnen oft ärgerlich, beide Verkehrsmittel sind oft unpünktlich, die Fahrzeuge stehen im Stau, werden durch Bauarbeiten behindert oder fahren über Wochen auf manchen Streckenabschnitten gar nicht, so wie derzeit die Straßenbahn nach Witten. Seilbahnen dagegen sind maximal zuverlässig, Ereignisse, die den Betrieb stören könnten, gibt es nur sehr wenige.
Bochum staunt, Chance verpasst
Seilbahnlinie könnten also auch in Bochum eine gute Option für die Erweiterung des Nahverkehrsnetzes sein, nicht nur die Linie vom Ruhr Park zur Innenstadt (Zehn neue Linien für das Bochumer Nahverkehrsnetz). Aber auch hier zeigt sich, Bochum tut sich schwer mit Innovationen. Die Stadt schafft es nicht mal die Machbarkeit einzelner Linien zu prüfen. Lieber macht man nichts, als sich ernsthaft mit modernen Nahverkehrslösungen auseinander zu setzen. So sitzt die Stadt auf der Zuschauerbank und staunt, wenn Städte wie Paris und Herne vormachen, was auch in Bochum möglich gewesen wäre.