Lohnt sich teure Stadionsanierung – Erstligaperspektive versus Tradition
Um in der ersten Liga bestehen zu können, muss das Ruhrstadion in Bochum saniert oder neu gebaut werden. Die VfL-Fans haben sich mehrheitlich gegen einen Neubau ausgesprochen. Wie sich jetzt zeigt, wird das für die Stadt allerdings sehr teuer. Müssten nicht eigentlich alle Bürger und Bürgerinnen entscheiden?
Die Entscheidung ist schwierig, die Meinungen kontrovers, aber nachvollziehbar. Viele Fans finden, dass Ruhrstadion an der Castroper muss unbedingt erhalten werden. Andere haben Zweifel, dass ein saniertes Stadion reicht, um dem VfL die wirtschaftliche Grundlage zu geben, die erforderlich ist, um in der 1. Bundesliga dauerhaft zu bestehen. Wieder andere lehnen sowohl Neubau wie Sanierung des Stadions ab und wollen das knappe städtische Geld lieber anders ausgeben.
Was wird die Stadionsanierung kosten?
Nach Gründung der Stadionbesitzgesellschaft werden die Zahlen zur Sanierung und Modernisierung des Stadions dazu jetzt konkreter. Auf 94,4 Mio. beläuft sich der erste Finanzbedarf. Für das laufende Geschäft der Stadionbesitzgesellschaft 14,5 Mio., 9,9 Mio. für den Kauf des Stadioncenters, an dem der VfL zu 90% beteiligt ist, sowie 70 Mio. Kapitaleinstellungen für die Stadionsanierung stellte der Rat in seiner Sitzung am 27.06.24 bereit (Mitteilung 20241415)
Die Stadionbesitzgesellschaft wird Eigentümer von Stadion, Stadioncenter, umliegender Stadioninfrastruktur, Nachwuchszentrum und Rundsporthalle. Das Stadion wird an den VfL verpachtet. Er Verein zahlt Pacht an die Stadt und sorgt für den Betrieb. Instandhaltung aller Gebäue und Anlagen sowie die Finanzierung des Stadionumbaus obliegt der Stadionbesitzgesellschaft, also der Stadt, der die Gesellschaft gehört.
Rechnet man bei der Stadionsanierung mit einer üblichen Kostensteigerung von 20%, kommen unter aktuellen Zinsbedingen in den nächsten 30 Jahren noch Finanzierungskosten von 56,9 Mio. und Instandhaltungskosten von 60 Mio. für die Stadt hinzu. Der Finanzaufwand beläuft sich für die Stadt damit für die nächsten 3 Jahrzehnte auf 226,3 Mio., rechnet man noch den angedachten Ersatzneubau der Rundsporthalle noch hinzu, sind es sogar 276,3 Mio..
Demgegenüber stehen rd. 75 Mio. Pachteinnahmen vom VfL, geht man von 2,5 Mio. Euro pro Jahr für das sanierte und modernisierte Stadion aus. Zum Vergleich, der SC Freiburg zahlt 3,8 Mio. für ein neues Stadion, das rund 7.000 mehr Zuschauer als das renovierte Ruhrstadion fasst (SC-Stadion: Die Kosten).
Für die Stadt blieben nach Abzug der Einnahmen von den Kosten ohne Betrachtung eines Ersatzneubaus der Rundsporthalle 151,3 Mio. Euro übrig, mit denen der VfL subventioniert würde. Im Falle eines Abstiegs in die 2. Bunddesliga würden die Pachteinnahmen deutlich sinken und damit der aus der Stadtkasse zu finanzierende Betrag entsprechend steigen.
Fragwürdig: Kein Investitionsanteil des VfL
Anders als in Freiburg sieht der Bochumer Plan keinen Investitionsanteil des VfL an den Kosten für die Sanierung des Stadions vor. Im Gegenteil, die Stadt zahlt dem VfL noch 90% von 9,9 Mio. In dem sie ihm das Stadioncenter abkauft. I n Freiburg hat sich der SC dagegen mit 20 Mio. an den Kosten für das Stadion beteiligt. Warum die hoch verschuldete Stadt Bochum keinen Anteil des VfL erwartet, ist nicht nachvollziehbar, andere Bundesligavereine, wie z.B. Schalke 04 und der FC Bayern haben sogar das gesamte Stadion selbst finanziert.
Ebenfalls fragwürdig, warum die Stad die Möglichkeit eines Stadionneubaus nicht weiterverfolgt. Denn schaut man sich die Vergleichsrechnung an, wird dieser für die Stadt erheblich günstiger.
Wie stark würde ein Neubau des Ruhrstadions die Stadtkasse belasten?
Geht man davon aus, in Bochum würde ein neues Stadion in der Größe wie in Freiburg gebaut, würden zwar die Baukosten für Stadion und Infrastruktur mit 135 Mio. deutlich über den Sanierungs- und Modernisierungskosten liegen und entsprechend auch die Finanzierungs- und Instandhaltungskosten (78,5 und 84,1 Mio.), aber auch die mit dem Stadion zu erzielenden Einnahmen wären deutlich höher.
Während im Ruhrstadion auch nach Sanierung und Modernisierung nichts anderes als Fußballspiele stattfinden könnten, wäre in einem neuen Stadion die Veranstaltung von mindestens 10 Konzert- und ähnlichen Evens möglich. Das würde in 30 Jahren zusätzliche Einnahmen von rund 150 Mio. Euro bedeuten (0,5 Mio. pro Event). Auch wären die Pachteinnahmen für den Fußball höher, da der VfL aufgrund von mehr Zuschauern, mehr VIP-Plätzen und besserer Stadioninfrastruktur auch bei den Spielen deutlich höhere Einnahmen erzielen und daher mehr Pacht an die Stadt zahlen könnte. Bei 4 Mio. Pacht pro Jahr kämen auf diese Weise 120 Mio. Pachteinnahmen für die Stadt zusammen. Auch wäre ein Investitionskostenanteil des VfLs in Höhe von mindestens 20 Mio. für die stark verbesserten Einnahmechancen angemessen.
So ergäben sich über 3 Jahrzehnte in Summe Einnahmen von 290 Mio. Die den Kosten von insgesamt 312,1 Mio. gegenüberstehen. Die Stadt müsste den VfL statt mit über 150 Mio. nur mit 22,1 Mio. aus der Stadtkasse subventionieren.
Großer Nachteil der Neubauvariante, der Stadionneubau wäre erheblich klimaschädlicher als eine Sanierung und Modernisierung des bestehenden Stadions. Dafür würde ein neues Stadion, dem VfL eine sichere wirtschaftliche Basis für eine Erstligazugehörigkeit verschaffen.
Bürger*innen sollten entscheiden
Die Meinungen, welche Variante, die bessere für VfL und Stadt sind, gehen in Bochum weit auseinander. Dem eher traditionellen Fan ist der Erhalt des Ruhrstadions wichtiger als eine dauerhafte Zugehörigkeit zur 1. Bundesliga. Für andere Fans steht der sportliche Erfolg im Vordergrund, dieses Ziel ist mit einem neuen Stadion besser zu erreichen. Für wieder andere ist der Fußball nicht das entscheidende Kriterium, sondern die Kosten für die Stadt, sie wollen ggf. weder Sanierung noch Neubau oder wenn, die Variante, die die Stadtkasse am wenigsten belastet.
In jedem Fall sind aus Sicht der STADTGESTALTER alle Bürger*innen der Stadt an der Entscheidung zu beteiligen, wie in Sachen Ruhrstadion weiter vorgegangen werden soll. Allein nach dem Willen der Mehrheit der VfL-Mitglieder*innen zu gehen, ist angesichts von Kosten von über 150 Mio. zu Lasten des städtischen Haushalts zu kurz gegriffen. Aufgrund der erheblich geringeren Auswirkungen auf die Stadtkasse, ist auch die Variante Stadionneubau weiter in Betracht zu ziehen.
Mehr Transparenz ist nötig
Auch müssen die Auswirkungen und Maßnahmen transparent von der Stadt kommuniziert werden. In der Ratssitzung vom 27.06.24 hatten die STATGESTALTER beantragt, dass die Beschlüsse über die Finanzierung der Stadiongesellschaft und die Ermächtigungen zur Finanzierung von 94,4 Mio. aus dem städtischen Haushalt öffentlich im Rat diskutiert (Beschlussvorlage 20241410) und beschlossen werden. Dies wurde ohne Begründung abgelehnt. Gerade bei solchen Summen ist Offenheit nötig, sonst bekommt das ganze Projekt schnell einen sehr faden Beigeschmack.
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