Entwicklungsplan für die Grundschulen ist unbrauchbar
In Bochum und Wattenscheid werden in den ersten Klassen der Grundschulen statt wie vom Land NRW vorgesehen nicht 22-23 Schüler unterrichtet (Klassenfrequenzrichtwert 22,5*), sondern im Durchschnitt 27 Schüler (Anmeldungen Grundschulen). Die Klassen sind viel zu groß. Zudem soll in den nächsten 5 Jahren die Zahl der Grundschüler um 1.220 auf 12.025 steigen (Prognose der Stadt). In der Folge würde sich die durchschnittliche Klassengröße auf 29-30 Kinder pro Eingangsklasse erhöhen.
Damit die angestrebte Klassengröße von 22-23 Kindern in Zukunft an allen Grundschulen in Bochum und Wattenscheid eingehalten werden kann, müsste die Stadt also dringend umfangreiche Maßnahmen ergreifen um mehr Klassenräume zu schaffen.
Der jetzt dazu mit einem Jahr Verspätung vorgelegte Plan zur Entwicklung der Grundschulen bis 2022/23 (Schulentwicklungsplan 2018) sieht allerdings keine Maßnahmen vor, die geeignet sind die bestehenden Raumkapazitäten nennenswert zu erhöhen.
Schon der letzte Grundschulentwicklungsplan war ein Desaster
Der letzte Schulentwicklungsplan für die Grundschulen wurde 2012 beschlossen. Mit ihm wurde die Zahl der Grundschulen von 51 auf 43 reduziert. Acht Schulen wurden geschlossen oder zu Teilstandorten anderer Grundschulen degradiert. Das geschah schon damals in dem Wissen, dass die Schließungen dazu führen würden, dass die damals angestrebte Reduzierung der Klassengrößen auf 24 und weniger Kinder unmöglich werden würde (Das Märchen von Schulschließungen aufgrund abnehmender Schülerzahlen).
Spätestens 2015 wurde der Plan aufgrund der steigenden Zahl zu beschulender Flüchtlingskindern endgültig zur Makulatur. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Plan spätestens an die völlig veränderten Gegebenheiten angepasst werden müssen. Politik und Verwaltung erwiesen sich jedoch als unfähig den Plan entsprechend zeitnah zu überarbeiten. 3 Jahre, bis 2018 passierte nichts, das Schulverwaltungsamt machte einfach ohne Plan weiter. Statt die Schließungen zurück zu nehmen oder Schulerweiterungen auf den Weg zu bringen, schaffte die Verwaltung Container an, um damit an 7 Grundschulen 8 Containerklassen zu bauen. Teure Provisorien, mit denen die Kinder jetzt solange leben müssen, bis die Stadt endlich die erforderlichen Kapazitäten in dauerhaften Schulgebäuden schafft.
In den Grundschulklassen sitzen 4-5 Kinder mehr als vorgesehen
Im vorliegenden Entwurf zur Fortschreibung des Schulentwicklungsplans wird als Planungsmaxime zwar festgelegt, dass „die Bildung möglichst gleichgroßer Klassen im gesamten Stadtgebiet mit in der Regel 23 Schülerinnen und Schülern je Klasse“ angestrebt werde (Schulentwicklungsplan, S. 6), es fehlt aber jeder Ansatz, wie es die Stadt in den nächsten 5 Jahren schaffen will, die Raumkapazitäten in den Grundschulen entsprechend dem gesetzten Ziel zu erhöhen. In den ersten Klassen der Bochumer und Wattenscheider Grundschulklassen sitzen schon heute im Durchschnitt 4 bis 5 Kinder mehr als vom Land vorgesehen (Statt bei 22,5 liegt die durchschnittliche Klassengröße bei 27 Kindern (Tabelle Einschulungen).
In Bochum fehlen Räumlichkeiten für 80 bis 90 Klassen – ein Problem, das der Schulentwicklungsplan ignoriert
Die wenigen im Schulentwicklungsplan genannten Maßnahmen sind nicht im Ansatz geeignet daran etwas zu ändern. Die für die nächsten 5 Jahre für die Schulen festgelegten Klassen pro Jahrgang unterscheiden sich nur unwesentlich von den aktuellen. Auch in Zukunft sollen an den 43 Grundschulen insgesamt 114 Erste Klassen gebildet werden. Dabei erwartet die Stadt laut eigener Prognose bis zum Schuljahr 2022/23 einen Zuwachs von rund 1.120 Schülern (+ 10,3%, Schulentwicklungsplan 2018).
Das bedeutet, 2022/23 müssten in den städtischen Schulen insgesamt 12.025 Kinder unterrichtet werden. Bei der angestrebten durchschnittlichen Klassengröße von 22,5 Schülern würden Räume für 534 Klassen benötigt. Bisher bestehen aber nur Räumlichkeiten für 447 Klassen.
In der Stadt besteht ein zusätzlicher Bedarf an Räumlichkeiten für 80 bis 90 Klassen. Um dem Bedarf gerecht zu werden müssten sechs bis sieben Grundschulen mit jeweils 3 Klassen pro Jahrgang neu gebaut werden. Der Bau einer Schule dauert einschließlich Planung 3 bis 5 Jahre. Damit 2022/23 die erforderlichen Schulen verfügbar sind, müsste in jedem Bezirk schon heute die Einrichtung mindestens einer neuen Grundschule auf den Weg gebracht werden. Entsprechendes sieht der Schulentwicklungsplan nicht vor. Der Plan verliert dazu kein einziges Wort.
Auch fehlt jede Angabe, wann und wo die Containerprovisorien durch dauerhafte Schulgebäude ersetzt werden sollen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Schulverwaltungsamt plant, die Container wie schon in der 70ern zu einem dauerhaften Missstand werden zu lassen.
Eine relevante Beteiligung von Schulen, Lehrern, Eltern und Bürgern an der Erstellung des Plans fehlte
Der Schulentwicklungsplan ist unbrauchbar. Auch ist der Plan erneut nicht in einem Beteiligungsverfahren zwischen Schulen, Lehrern, Eltern, Ämtern und Politik entstanden. Während in anderen Städten unter Beteiligung von Schulleitungen, Lehrern, Schulpflegschaftsvorsitzenden, Vertretern aus Politik und Verwaltung sowie Bürgerinnen und Bürgern in umfangreichen Wochenendveranstaltungen konkrete Maßnahmen und eine gemeinsame Strategie zur zukünftigen Ausrichtung der Schullandschaft entwickelt wurden (Schullandschaftsplanung in Minden) waren es, wie Stimmen aus dem Schulverwaltungsamt berichten, in Bochum der Leiter des Schulausschusses Ernst Steinbach (SPD) und der ehemalige Schuldezernent Michael Townsend (SPD) bei der Erstellung bestimmend, während selbst der Leiter des Schulverwaltungsamtes Martin Stempel (SPD) die Vorschläge seines Fachamtes nicht durchsetzen konnte. Allen anderen fehlten bei der Erstellung des Plans relevante Beteiligungsmöglichkeiten.
Insgesamt ist der Grundschulentwicklungsplan ungenügend. „Wenn keine Leistung erbracht wird oder die Leistung den Anforderungen nicht entspricht und selbst die Grundkenntnisse so lückenhaft sind, dass die Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden können, ist eine Arbeit mit ungenügend zu benoten.“ Der Schulentwicklungsplan zeigt keine Maßnahmen auf, wie das Ziel von 22-23 Schülern pro Grundschulklasse erreicht werden soll. Wie schon bei den Planungen zu den weiterführenden Schulen (Verwaltung versagt bei Schulplanung) wird auch der Plan zu den Grundschulen den bestehenden Anforderungen in keiner Weise gerecht. Diejenigen, die den vorliegenden Entwurf zum Schulentwicklungsplan erstellt haben, sollten eigentlich über die notwendigen Kenntnisse verfügen, die zur Erstellung einer solchen Planung erforderlich sind. Wenn die Verantwortlichen unter diesen Umständen in den Planungsentwurf bewusst keine Maßnahmen aufnehmen, um die genannten Ziele erreichen zu können, dann ist das Leistungsverweigerung. Es wird höchste Zeit, dass die Politik ebenso wie der neue Schuldezernent die erforderlichen personellen Konsequenzen zieht.
Darüber hinaus muss umgehend ein grundlegend neuer Zukunftsplan für die Grundschulen erarbeitet werden. Der aktuelle Entwurf ist unbrauchbar.
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* Der Klassenfrequenzrichtwert beschreibt die durchschnittliche Klassengröße, die auf Schulebene anzustreben ist.
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