Gesamtschulstandort ist ungeeignet
Bochum investiert 21 Mio.in eine neue Gesamtschule. Was auf den ersten Blick gut klingt, ist auf den zweiten Blick eine millionenteure Notlösung der chaotischen Bochumer Schulpolitik.
Aktuelle Planungen
In der Stadt fehlen rund 150 Gesamtschulplätze, insbesondere in Wattenscheid. Die neue Gesamtschule soll aber nicht in Wattenscheid, sondern 700 m entfernt von der bestehenden Heinrich-Böll-Gesamtschule nördlich der Bochumer Innenstadt entstehen. Zudem wird sich die Gesamtschule auf zwei Standorte aufteilen, die fast 20 Minuten Fußweg auseinander liegen. Die beiden Standorte (Feldsieper Str. 94 und Gahlensche Straße 204b) gehören bisher zu der Gemeinschaftsschule Bochum-Mitte, die nach nur 5 Jahren wieder aufgelöst werden soll. Zudem soll die neue Gesamtschule die Räume der Feldsieper Grundschule übernehmen, die dafür nebenan einen Neubau erhalten soll.
Historie von Sanierungen und Fehlinvestitionen
Das Schulgebäude an der Feldsieper Straße wurde bereits 2011 und 2015, damals für die Gemeinschafts- und die Grundschule saniert. Das kostete 13 Mio. Euro. Geplant waren nur 9,5 Mio. aber wie bei fast jedem städtischen Bauprojekt liefen die Kosten aus dem Ruder. Weitere Millionen wurden in die ehemalige Hermann-Gmeiner-Schule am Standort Gahlensche Straße 204b investiert. Nun sollen nur 2 Jahre nach dem letzten Umbau weitere 21 Mio. für einen erneuten Umbau investiert werden. Die chaotische Schulpolitik kommt die Stadt teuer zu stehen.
2006 erhielt die Feldsieper-Grundschule den Ganztagstrakt. Kurz danach sollte sie ganz geschlossen werden, denn die damalige Realschule sollte das gesamte Gebäude übernehmen. Die Grundschule wurde dazu 2009 zunächst auf 2 Züge reduziert. Wegen der anhaltend hohen Anmeldungen ließ man den Plan wieder fallen. 2010 wurde die Schule wieder 3-zügig. Es folgt die erste Sanierung. Dafür stampfte man die Realschule ein. Jetzt war die Gemeinschaftsschule das Maß der Dinge. Also wurden auch hier weitere Mio. investiert. Der Schulversuch scheiterte. 2019 ist Schluss. Die Landesregierung gibt das Experiment auf. Die Schule wurde nie richtig angenommen, nie gab es genug Anmeldungen, um die Schule auszulasten.
Die Notlösung
Schnell musste eine alternative Lösung her. Also plante man überstürzt eine neue Gesamtschule. Die ist nicht Ergebnis einer zielgerichteten Schulentwicklungsplanung, sondern eine Notlösung, um irgendwie die Investitionen in die Gemeinschaftsschule doch noch zu retten. Schaut man sich das Stadtgebiet an, dann fehlen im Norden und Süd-Westen bzw. im Süden von Wattenscheid Gesamtschulen (Einzugsbereiche der Gesamtschulen). Doch das war bei der Wahl des Standortes für die neue Gesamtschule nie ein Kriterium. Wichtig war, die beiden Standorte der Gemeinschaftsschule irgendwie weiter zu führen. Nicht das Ziel kurzer Schulwege für die Kinder bestimmt in Bochum die Schulplanung, es sind die Fehlinvestitionen.
Eine Schule an zwei Standorten, die fast 20 Minuten Fußweg auseinander liegen, ist im Unterhalt teuer, an beiden Standorten müssen naturwissenschaftliche Räume, Mensen, und Sporthallen betrieben werden. Die Lehrer müssen mit dem Auto hin und her fahren, weil es zu Fuß in den Pausen nicht zu schaffen ist und es keine geeignete Nahverkehrsverbindung gibt. Die Schüler gehen in den ersten Jahren zum Standort an der Gahlenschen Straße danach zur Feldsieper Straße. Am Standort Feldsieper-Schule gibt es zudem nur eine Sporthalle, die von Grund- und Gesamtschule zusammen genutzt werden müssten. Die Schüler müssen daher mit Bussen zu anderen Hallen gefahren werden. Eine solche Lösung ist für Schüler und Lehrer untragbar. Zumindest müsste die ganze Gesamtschule an einem Standort untergebracht werden. Nutzt man dazu zwei Grundstücke links und rechts der Hofsteder Straße und baut eine zusätzliche Doppelsporthalle, dann wäre auch das möglich (Lösungsvorschlag).
Flickschusterei statt nachhaltige Schulpolitik
Aber im Fokus der Bochumer Schulpolitik steht nicht das Ziel bestmögliche Unterrichtsbedingungen für Schüler und Lehrer herzustellen, wichtiger ist das irgendwie auch auch an der Gahlenschen Straße noch Unterricht stattfindet. Immerhin hat man die Gebäude dort ja mit Millionenaufwand renoviert.
Schulverwaltungsamt und der Vorsitz des Schulausschusses sind mit der langfristigen Planung der Bochumer Schullandschaft vollständig überfordert. Aller zwei Jahre werden Ziele, Planungen und Schulen über den Haufen geworfen und wieder neue Pläne für andere Schulen gemacht. Eine Gesamtplanung für die Stadt gibt es nicht. Da der neue Schulentwicklungsplan immer noch nicht vorliegt, wurde die Planung für die neue Gesamtschule in einem außerordentlichen Teilplan jetzt vorgezogen. Eigentlich hätte man eine Gesamtlösung für alle Stadtteile finden müssen. Es fehlen offensichtlich zwei Gesamtschulen, mindestens eine davon für Wattenscheid. Die Frage bestand also darin. Einen Schulentwicklungsplan vorzulegen der dauerhaft sicherstellt, dass alle Schüler einen Platz an der Schule und bei der Schulform finden, die sie gewählt haben. Dieses Ziel wird auch mit der neuen Gesamtschule nicht erreicht. Der bisher geplante Standort wird das Problem nicht lösen, mindestens aber ist eine Schule mit zwei Standorten abzulehnen.
Die Bochumer Schulentwicklungsplanung hatte bisher leider nie die Gesamtstadt im Blick, es werden mit zu kurz gedachten Lösungen immer nur die Löcher gestopft, die sich gerade wieder auftun, weil sich die zuvor veranlassten Maßnahmen als untauglich erwiesen haben. Zu befürchten ist, die übliche Flickschusterei wird weiter gehen. In wenigen Jahren werden dann weitere Millionen fällig, um die Schulstandorte doch noch zusammen zu legen. Oder, wenn auch der neuen Schule wie schon der Gemeinschaftsschule die Schüler fehlen, während woanders weiter Gesamtschüler abgewiesen werden, werden an einem anderen Standort wieder Millionen ausgegeben, um dort doch noch eine weitere Gesamtschule zu bauen.
Suche nach geeigneten Standorten für neue Gesamtschulen
Die Entscheidung eine zusätzliche Gesamtschule einzurichten war richtig. Die Umsetzung ist allerdings genauso kurzsichtig wie alle Planungen in den 10 Jahren davor. Es muss zunächst eine weitere Entscheidung gefällt werden: Brauchen wir noch eine weitere Gesamtschule und welche (Haupt-)Schulen geben wir dafür auf? Dann muss im zweiten Schritt unabhängig von bestehenden Gebäuden geklärt werden, an welchen Orten die Gesamtschulen am sinnvollsten einen Standort finden sollten, damit die Wege der Schüler zu den Schulen möglichst kurz sind. Möglich wären z.B. Standorte am ehemaligen Kirmesplatz in Gerthe, im Süden von Eppendorf, an der Grenze zwischen Günnigfeld und Hordel oder im Innovationsquartier auf Mark 51°7 (Mögliche Alternativstandorte). Gibt es in direkter Nähe zu den sinnvollen Standorten keine bestehenden Gebäude, die man weiter nutzen kann, dann müssen die Schulen ganz neu gebaut werden.
Dann allerdings wären die Sanierungen der Gebäude an der Feldsieper Str. 94 und der Gahlenschen Straße 204b Fehlinvestitionen gewesen. Es darf aber auch nicht der Fall eintreten, dass um die teuren Folgen der Fehlentscheidung möglichst gering zu halten, neue millionenteure Fehlentscheidungen getroffen werden. Am Ende würde der Schaden für die Stadt nur größer, nicht geringer.
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