11 Okt.

Die Überwindung des traditionellen Verständnisses von Zusammenhalt und Füreinander

Immer wieder schreibt sich die Politik in Bochum und dem Ruhrgebiet auf die Fahne, es müsse wieder mehr für Zusammenhalt und Füreinander getan werden. Doch das greift zu kurz, denn im Grund geht es um etwas anderes: Die Stärkung des Gemeinwesens und des Gemeinsinns in den Stadtvierteln, sowie mehr Engagement der Menschen für ihre Stadtteile, in denen sie wohnen.

Viele wünschen sich die alte Zeit zurück, in der es noch Zusammenhalt und Füreinander gab. Doch die Zeiten sind heute völlig andere. Die Schicksalsgemeinschaften von früher kommen nicht zurück und eigentlich wünscht sich auch niemand eine Rückkehr.

Schicksalsgemeinschaften als Ursache von Zusammenhalt und Füreinander

Bis in die 60er Jahre gab es in Bochum und dem Ruhrgebiet ganz andere soziale Strukturen als heute. Große Industrieunternehmen bestimmten die Stadtentwicklung und das Leben in der Stadt. Wohnviertel waren geprägt von Menschen, die nicht nur im gleichen Viertel wohnten, sondern im gleichen Werk oder der gleichen Zeche arbeiteten und deren Wohnungen oft sogar vom Arbeitgeber bereitgestellt wurden. Man sah sich jeden Tag, nicht nur auf der Straße, sondern auch auf der Schicht, auf dem Sportplatz, im Kleingarten oder in der Kneipe. Die Arbeit war hart, teilweise gefährlich, die soziale Absicherung rudimentär, die Versorgung in Krisenzeiten schwierig, der Zusammenhalt und das Füreinander überlebenswichtig.

In den Schicksalsgemeinschaften entstand ein besonderes “Wir-Gefühl”, man stand füreinander ein, half sich gegenseitig, teilte Schmerz wie Freude, stand Seite an Seite und ging gemeinsam durch dick und dünn.

Doch die Zeiten wandelten sich. Die Zechen und großen Industrieunternehmen machten zu, die Werkswohnungen wurden an Vermietergesellschaften verkauft, die soziale Absicherung organsierte der Staat, mit dem Wirtschaftswunder, musste sich über die Versorgung niemand mehr Gedanken machen. Durch die Automobilisierung der Gesellschaft erweiterte sich der Aktionsradius der Menschen drastisch. Man musste nicht mehr um die Ecke Einkaufen, Arbeiten oder in die lokale Kneipe gehen und tat das alles zunehmend weiter weg.

In dem Maße wie die Basis der Schicksalsgemeinschaften entfiel und die Mobilität wuchs, verschwand der besondere Zusammenhalt und das Füreinander. Notlagen, Defizite in den Sozialstrukturen sowie mangelnde Mobilität als wesentliche Ursachen gab es nicht mehr.

Anders als es die Politik teilweise suggeriert, lässt sich der Zusammenhalt und das Füreinander von damals jedoch nicht mehr zurückholen. Die Grundlage der Schicksalsgemeinschaften fehlt und die Zustände, die diese notwendig machten, wünscht sich niemand zurück.

Auch ist das Gegenteil von Zusammenhalt und Füreinander nicht, wie manche in der Politik meinen, eine Gesellschaft mit spitzen Ellenbogen. Vielmehr ist es Desinteresse und Teilnahmslosigkeit am Wohnumfeld, am Leben im Stadtteil, dessen Entwicklung und den Menschen, die um einen herum wohnen. Es ist das Zurückziehen aus der Gemeinschaft und Gesellschaft, eine zunehmende Vereinzelung bis hin zur Vereinsamung.

Zusammenhang von funktionierenden Stadtteilen und lebendigen Gemeinschaften wurde nicht verstanden

Stadtgesellschaft funktioniert heute grundlegend anders als noch vor 50 Jahren, statt auf Schicksalsgemeinschaften basiert diese auf funktionierenden, lebenswerten Stadtvierteln, mit denen sich die Menschen identifizieren, für die sie sich engagieren und die sie mitgestalten wollen. Doch anders als in bürgerlichen Großstädten, gibt es in Bochum und dem Ruhrgebiet dieses Verständnis für Stadtteile und deren Entwicklung nicht.

Die Menschen wie Stadtpolitik waren es lange nicht gewohnt, sich um die Entwicklung ihrer Stadtteile selbst zu kümmern. Dafür waren immer andere zuständig. Der Arbeitsplatz hat den Wohnort bestimmt, der Arbeitgeber hat die Wohnungen gebaut, die Gewerkschaft die Versorgung mit der Konsumgenossenschaft gesichert, die Stadt hat das Gemeindehaus betrieben, die Unternehmen haben die Infrastruktur geprägt, und bestimmt wie die Menschen zur Arbeit kamen und was nötig war, um die Werke zu beliefern und die gefertigten Waren abzutransportieren. Das gesamte Leben wie die Stadtentwicklung war fremd bestimmt, die Einwohner und Einwohnerinnen der Stadt lebten in völliger Abhängigkeit insbesondere zum Arbeitgeber und Vermieter. Sich in die Entwicklung des Stadtteils einzumischen bestand weder die Möglichkeit, nicht die Zeit, noch stand vielen der Sinn danach.

So nahmen es die Menschen klaglos hin, wenn der Wochenmarkt verschwand, der Marktplatz zum Parkplatz wurde, ein neuer seelenloser Wohnblock errichtet wurde und das Stadtteilzentrum an der Hauptstraße im Verkehr erstickte. In der Folge verödeten die Zentren vieler Stadtviertel. Der Supermarkt gab auf und nach und nach verschwanden fast alle Orte, die für das Zusammenleben, das Zusammensein, das Gemeinschaftsgefühl und den Gemeinsinn in einem Stadtteil grundlegend sind. Unter der zunehmenden Verödung litt wiederum das Stadtbild, was negativ auf die Identifikation mit dem Stadtteil wirkte. Das wiederum bewirkte soziale Schieflagen. Wer sich nicht mehr mit seinem Stadtteil verbunden fühlte, zog auf kurz oder lang weg.

Die Politik erkannte das sich anbahnende Problem lange nicht, sah der Entwicklung tatenlos zu oder verschärfte die Situation durch den massiven Bau überdimensionierte Straßen noch. Damit forderte man die Menschen indirekt auf, beim Discounter oder dem Einkaufszentren auf der grünen Wiese oder in Gewerbegebieten einzukaufen und entzog so den zumeist inhabergeführten Geschäften in den Stadtteilen die Kunden wie die wirtschaftliche Grundlage. Dass funktionierende, lebenswerte Stadtteile die Grundlage für lebendige Gemeinschaften und Gemeinsinn waren, hatte die Politik nicht verstanden.

Funktionierende Stadtteile, in denen Menschen gerne leben, zeichnen sich dadurch aus, dass man sich dort mit Freude aufhält, viele Orte findet, die man gerne aufsucht, zum Beispiel um dort Nachbarn, Freunde und Bekannte zu treffen und wo die Identifikation so hoch ist, dass man sich für die Fortentwicklung des Stadtteils, interessiert, engagiert und einsetzt. Dazu kommt es nur, wenn alle Daseinsgrundfunktionen vor Ort gut erfüllt werden. Das geht von ausreichend und vielfältigen Wohnmöglichkeiten über zahlreiche Geschäfte und Einkaufsmöglichkeiten sowie wohnortnahe Schulen, Kindergärten bis zu vielfältigen Angeboten zur Erholung und kulturellen Betätigung (Parks, Kulturzentren, Sportanlagen usw.). Zudem spielen Stadtbild, Stadtgestaltung, Sauberkeit und Ordnung eine entscheidende Rolle, wie wohl sich die Menschen in ihrem Stadtteil fühlen und wie sehr sie sich mit diesem identifizieren.

Das alles bestimmt die Bereitschaft sich für sein Stadtviertel zu engagieren. Entsprechendes Engagement setzt wiederum voraus, dass die Stadt dieses ermöglicht. Das geht von, die Menschen bei geplanten Änderungen zu befragen und zu beteiligen, bis zur Überlassung der Pflege von Beeten und Baumscheiben und der Gestaltung von Fassadenbegrünung (Selbst machen: Fassadengärten auf Gehwegen anlegen). Gemeinschaft, Gemeinsinn und Identifikation leben vom gemeinsam machen und dann stolz darauf sein, was man geschaffen und mit bewegt hat.

Überwindung des traditionellen Verständnisses von Zusammenhalt und Füreinander

Es geht heute also nicht mehr um Zusammenhalt und Füreinander basierend auf Schicksalsgemeinschaften, wie man das bis in die 60er Jahre gelebt und verstanden hat, sondern um eine Stärkung der Gemeinschaft in den Stadtteilen, starke Identifikation, eine Förderung des Gemeinwesens und mehr Engagement für die Stadt und die Stadtteile.

Für Zusammenhalt und Füreinander kann die Politik nicht mit ihren Beschlüssen sorgen, schon gar nicht im traditionellen Sinn. Die Politik kann allerdings für lebendige und lebenswerte Stadtteile sorgen, in denen die Menschen gerne leben und die ihnen viele Orte und Möglichkeiten bieten, gemeinsam Dinge zu tun, ihren Gemeinsinn auszuleben und sich für die lokale Gemeinschaft einzusetzen, mit der sie sich identifizieren. Das gelingt aber nur, wenn die Politik vielfältige Möglichkeiten schafft, wie die Menschen sich bei der Fortentwicklung ihrer Stadtteile einbringen und diese konkret mitgestalten können.

17 Sep.

Sparkassenfilialen umwandeln in Bürgerfilialen

Die Sparkassenfilialen in Bochum werden immer weniger genutzt. Die STADTGESTALTER schlagen daher vor, die Filialen auch für die Erbringung anderer städtischer Dienstleitungen von Bürgerbüro, USB. Stadtwerken, VHS, Verbraucherzentrale bis VBW zu nutzen. Solche Bürgerfilialen beleben die Stadteile und ersparen den Menschen Wege.

45 Filialen betreibt die Sparkasse derzeit in Bochum, diese werden jedoch immer weniger aufgesucht. Leistungsangebot, Öffnungszeiten und das Personal vor Ort werden daher immer weiter verringert. Geld heben die Menschen mittlerweile bevorzugt am Automaten oder im Supermarkt ab, Beratungen finden vermehrt online oder in der Sparkassenzentrale statt. Die Zahl der Sparkassen-Dienstleistungen, die einen Besuch in der Filiale erfordern, wird immer kleiner.

Sparkassenfilialen wichtig für Stadtteilzentren

Gleichzeitig zählen die Geschäftsstellen der Sparkasse In vielen Stadtteilen zu den letzten Ankergeschäfte, die Menschen dazu veranlassen, die zunehmend verödenden Stadtteilzentrum noch aufsuchen.  Häufig kaufen Sparkassenkunden in benachbarte Geschäften noch etwas ein und halten diese so mit am Leben.

Im Sinne des Leitbilds einer 15 Minuten-Stadt (Sollte Bochum zur 15-Minuten-Stadt werden?) wäre es sinnvoll, dass es in jedem Stadtteil einen Ort gibt, an dem man städtische Dienstleistung und solche von städtischen Unternehmen wie Stadtwerken, USB, VBW in einem Ladenlokal analog erledigen kann und wo man auf Personen trifft, die den Menschen aus dem Stadtteil im persönlichen Gespräch vor Ort weiterhelfen können.

Umwandlung in Bürgerfilialen bietet viele Nutzungsmöglichkeiten

Sparkassenfilialen könnten also zu kleinen Bürgerfilialen umfunktioniert werden, wo man sich Ummelden, einen Pass beantragen oder den Hund anmelden und andere einfache städtische Dienstleistungen erledigen kann. Zu diesem Zweck könnte in der Filiale auch ein Bürgerterminal aufgestellt werden (Bürgerkoffer und Bürgerterminals für alle Stadtteile).

Der USB könnte die Möglichkeit anbieten, die Mülltonnengröße zu wechseln, eine Biotonne zu beantragen oder den Sperrmüll zu bestellen. Die Stadtwerke könnten die Barzahlung von Rechnung anbieten, den Wechsel des Stromtarifs oder Beratungen hinsichtlich Photovoltaik. und Fernwärmeanschlüssen. Auch die Buchung von VHS-Kursen könnte z.B. über die Bürgerfiliale erfolgen, ebenso könnten in der Filiale Wohnungsangebote der VBW oder anderer Wohnungsunternehmen auf einer Tafel angepinnt werden. Mietverträge könnten dann ebenfalls in der Filiale ausgehandelt und geschlossen werden. Die Verbraucherzentrale könnte Beratungen nach Vereinbarung oder als öffentliches Angebot anbieten. Denkbar wäre auch die Erbringung von Postdienstleistungen, also insbesondere die Annahme von Paketen oder der Versand von Einschreiben u.ä..

Filialen der Sparkassen könnten also in vielerlei Hinsicht deutlich vielfältiger zum Vorteil der Menschen, die in den Stadteilen leben, genutzt werden. Bei größeren Filialen und entsprechenden baulichen Möglichkeiten ist es ggf. sogar möglich, dass örtliche Initiativen Besprechungsräume für Treffen nutzen. Vielfältige Nutzungsmöglichkeiten sind denkbar. Für jede Filiale wäre zu prüfen, ob eine Umwandlung in eine Bürgerfiliale möglich und sinnvoll ist und welche Möglichkeiten, die Filialräumlichkeiten bieten.

Erprobung in Köln und Wesel sehr erfolgreich

Ohne weitere Nutzung wird die Sparkasse Bochum auf Dauer einen Großteil der Filialen schließen müssen, weil der Nutzen des dichten Filialnetzes für die Sparkassen im Verhältnis zu den Kosten, die das Netz verursacht, zu gering ist. Es ist also an der Zeit über neue Nutzungsmodelle nachzudenken.

In Köln wird bereits mit großem Erfolg die Möglichkeit erprobt, einmal die Woche etwa Personalausweise und Reisepässe in Sparkassenfilialen zu beantragen oder Ummeldungen zu erledigen. Die angebotenen Termine sind schnell ausgebucht. Vor allem ältere und mobil eingeschränkte Personen schätzen das Angebot sehr (Tagesschau vom 26.02.2023). Vor Ende der Testphase wurde bereits die Ausweitung des Angebots ins Auge gefasst (Wenn die Sparkasse zum Bürgeramt wird).

Auch am Niederrhein können in ausgewählten Sparkassenfilialen u.a. Ausweise, Pässe und Führungszeugnisse beantragt werden, der Wohnsitz geändert oder Meldebescheinigungen ausgestellt werden. Auch der Führerschein-Umtausch, die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis oder Schwerbehindertenangelegenheiten werden dort bearbeitet (Mobiler Bürgerservice in den Geschäftsstellen Meerbeck, Repelen und Kapellen).

Für die Sparkasse Bochum könnte sich die anderweitige Filialnutzung ebenfalls als Gewinn erweisen, wenn Menschen, die wegen anderer Dienstleistungen in die Filiale kommen, auf Angebote der Sparkasse aufmerksam werden und so erwägen Sparkassenkunden zu werden.

Anfrage der STADTGESTALTER

Sparkassenfilialen in Bürgerfilialen umzuwandeln, könnte also zum Nutzen der Bürger und Bürgerinnen sein, zum Vorteil der Stadtteilzentren und ein Gewinn für die Sparkasse. Im ersten Schritt  werden die STADTGESTALTER mit einer Anfrage im Beteiligungsausschuss prüfen lassen, ob Stadt und Sparkasse Möglichkeiten sehen, dass in Geschäftsstellen der Sparkasse zeitweise auch Serviceleistungen des städtischen Bürgerbüros angeboten werden können.

25 Dez.

9 Vorschläge für Höntrop

Wie so manchen Stadtteilen in Wattenscheid und Bochum fehlt auch Höntrop fehlt ein echtes Stadtteilzentrum. Ein Teil der Geschäfte befindet sich entlang der Höntroper Straße vom S-Bahn-Halt bis zur Kreuzung mit dem Wattenscheider Hellweg, ein anderer am Hellweg, Sparkasse, Bäcker und ein Café liegen wiederum im an der Westenfelder Straße westlich des Germanenviertels. Der größte Supermarkt liegt am Rand des vermeintlichen Zentrums ohne Anbindung an andere Geschäfte.

Einige attraktive Wohnviertel, aber kein zusammenhängendes Stadtteilzentrum und eine zu hohe Verkehrsbelastung

Es gibt einige ansprechende Geschäfte und Gastronomiebetriebe, Einen netten Platz, wo man sich gerne aufhält oder eine ansprechende Einkaufsstraße sucht man jedoch vergebens. Die frühere Einkaufsstraße Wattenscheider Hellweg wird durch die übergroße Breite mit 4 Fahrbahnen plus Parkstreifen und Straßenbahntrasse entwertet. Das Zentrum von Höntrop bildet eine überdimensionierte, öde und trostlose Kreuzung. In Höntrop ein lebendiges, ansehnliches Stadtteilzentrum zu schaffen war bisher leider nie Ziel der Bochum Stadtplaner, bis in die 80er-Jahre wurde der Maxime alles autogerecht umzubauen alles andere untergeordnet. Nicht der Mensch war Maßstab der Planungen, sondern das Auto.

Entsprechend hoch ist die Verkehrsbelastung an den Hauptstraßen in Höntrop. Und weiterer Verkehr ist zu erwarten, wenn in Kürze die Regionalbahnlinien vom Bahnhof Wattenscheid zum S-Bahn-Halt Höntrop verlegt werden.

Andererseits zeichnet sich Höntrop durch viele attraktive und durchaus begehrte Wohnviertel aus, in denen die Menschen gerne leben. Allerdings zeigt der Sozialbericht der Stadt, dass das in den 70er Jahren errichtete Hochhausquartier, das so genannte Germanenviertel, wie viele Hochhaussiedlungen zu einem Problemviertel zu werden droht. Die zunehmende soziale Schieflage ist diesem Viertel anzusehen. Hier besteht besonderer Handlungsbedarf. Weiterlesen