04 Feb

Ambiente, Flair und WAT-Marketing

Die Wattenscheider Innenstadt ist öd und leer. Leider kein seltenes Bild. Leerstände fallen auf, die Wattenscheider beklagen ein wenig ansprechendes, teilweise schmuddeliges Stadtbild. Der ganz eigene Charme der Fußgängerzone aus den 70er und 80er Jahre spricht die Kunden nicht mehr an, also bleiben sie aus.

Verunstaltete Fassaden in der Wattenscheider Innenstadt

Die Diskussionen, was zu verbessern ist, damit es entlang der Einkausmeile wieder aufwärts geht, sind endlos. Über Jahrzehnte meinte die Stadt mit mehr und günstigen Parkplätzen die Lage verbessern zu können. Geändert am stetigen Niedergang der Innenstadt hat das leider nichts. Auch das Gertrudis-Center brachte keine Wende. Eher hat es die Kunden aus der Innenstadt abgefischt.

Doch welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, damit die Wattenscheider Innenstadt wieder der belebte Anziehungspunkt der Stadt wird, den sich die Einwohner wünschen?

Das Institut für Handelsforschung an der Universität Köln hat jüngst folgende Fragen untersucht: Was macht Innenstädte wirklich attraktiv und welche Rolle spielt das Handelsangebot für die Vitalität von Stadtzentren? Was erwarten die Besucher? Dazu hat das Institut deutschlandweit 60.000 Innenstadtbesucher befragt („Vitale Innenstädte“ 2016, IFH Köln).

Die Befragung kommt zu dem Schluss „Ambiente und Flair einer Stadt haben den größten Einfluss auf die Bewertung der Gesamtattraktivität durch die Passanten – Das Einzelhandelsangebot folgt auf Platz zwei.“ „Wichtigster Einzelaspekt für das Ambiente und Flair einer Innenstadt sind, aus Sicht der Befragten, die Gebäude der Innenstadt. Den zweiten Rang belegen Plätze und Grünflächen.“

Flair und Ambiente

Bei den Gebäuden der Innenstadt hätte Wattenscheid viel zu bieten. Mit den interessanten Gründerzeitgebäuden ließe sich ein einzigartiges Ambiente schaffen (Beispiel). Leider wurde bei den meisten Gebäuden im Laufe der Jahrzehnte die Erdgeschossetage baulich verunstaltet und mit überdimensionierten Werbeanbauten unansehnlich gemacht.

Attraktive Plätze und Grünflächen gibt es kaum. Der August-Bebel-Platz ist wohl der hässlichste Platz, den die Gesamtstadt Bochum zu bieten hat. Dort wo die Innenstadt grüner und besser gestaltetet ist, etwa am Saarlandbrunnen, da ist auch in Wattenscheid erheblich mehr los.

Die Schwächen der Wattenscheider Innenstadt hinsichtlich Ambiente und Flair sind eklatant. Innenstädte, in denen aber Ambiente und Flair fehlen, sind für Kunden uninteressant sind. Fehlen die Kunden, dann bleiben auch die Ladenbesitzer und Geschäftsbetreiber weg. Innenstädte, die die Kunden unattraktiv finden, sind kein lohnender Platz für Geschäftsinvestitionen.

Für eine Belebung muss diese Abwärtsspirale durchbrochen werden. Um Ambiente und Flair der Innenstadt zu erhöhen, reicht es aber nicht ein paar neue Blumenkübel oder Bänke aufzustellen, bloße Kosmetik wird nicht die erhoffte Wende bewirken können. Ein grundlegender Aufbruch ist erforderlich, ein umfassendes Konzept, das eine grundsätzliche Neugestaltung vorsieht, ein Konzept, das man Geschäftsleuten vorlegt und diese überzeugt, in Wattenscheid neue Geschäfte zu eröffnen. Wattenscheid braucht einen Plan, in dem die tiefgreifenden Veränderung fest geschrieben werden, die das Vertrauen schaffen, dass Ladenbesitzer und Geschäftsbetreiber benötigen, ehe sie in Wattenscheid neu investieren, bestehenden Geschäfte ausbauen oder modernisieren.

Damit die Geschäftsinhaber investieren, müssen die wesentlichen Punkte des Planes in einem zeitlich überschaubaren Schritt umgesetzt werden: z.B. die Umgestaltung der Plätze (insbesondere August-Bebel-Platz, Alter Markt, Platz vor dem alten Rathaus), der Fußgängerzone und der Erdgeschosse der verunstalteten Ladengeschäfte binnen 18 Monaten. Kein Geschäftsbetreiber vertraut in ein Konzept, bei dem es Jahre bis Jahrzehnte dauert, bis alles endlich vollständig umgesetzt worden ist. Für den Neuanfang sollte es einen festen Termin geben, zu dem die wichtigsten Umgestaltungsprojekte fertig gestellt sind. Ab diesem Datum beginnt für die Wattenscheider Innenstadt eine neue Zeitrechnung, mit attraktivem Ambiente und besonderem Flair sowie neuen, interessanten Geschäften.

WAT-Marketing

Damit ein solches Konzept aufgestellt und umgesetzt werden kann, benötigt Wattenscheid eine professionell arbeitende Gesellschaft, die zunächst die Umgestaltung vorantreibt und maßgeblich steuert. Vorbild dazu könnte Bochum-Marketing oder das City-Marketing Passau sein.

In Passau organisierten sich 2007 im City-Marketing die Geschäftsbetreiber der Innenstadt unter finanzieller Beteiligung von zwei Dutzend Immobilienbesitzern an der Modernisierung und Entrümpelung der Passauer Einkaufsmeile. „Ein professionelles Leerstandsmanagement erfasst … wichtige Informationen zu allen 490 Ladenlokalen in der Stadt, achtet auf den Branchenmix, macht Vorschläge zur sinnvollen Zwischennutzung oder Umwandlung nicht mehr benötigter Flächen etwa in Wohnraum“ (Die Welt, Wie die deutsche Innenstadt überleben kann). So gelang in Passau die erfolgreiche Umgestaltung der vielfach reparierten, tristen 70er-Jahre-Fußgängerzone zu einer attraktiven und belebten Einkaufsmeile.

Die STADTGESTALTER schlagen für Wattenscheid die Gründung einer Gesellschaft „WAT-Marketing“ vor. Neben dem Leerstandsmanagement und der maßgeblichen Beteiligung an der Entwicklung und Realisierung des beschriebenen Umgestaltungskonzeptes sollte Aufgabe der Gesellschaft das innerstädtische Veranstaltungsmanagement sein (u.a. die Organisation eines Weihnachtsmarktes) sowie ein eigenständiges Marketing für die Stadt Wattenscheid. Über 30 Mitarbeiter beschäftigt Bochum-Marketing, in Wattenscheid könnte man schon mit fünf Stellen eine Menge bewirken. Nach dem Vorbild aus Bochum sollte die Hälfte der Gesellschaftsanteile von WAT-Marketing der Stadt gehören, die andere Hälfte mindestens 30 in Wattenscheid engagierten und aktiven Unternehmen, Geschäftsbetreibern, Gastronomen, Immobilienbesitzern sowie Vereinen und Initiativen. Würde für einen Gesellschaftsanteil ein Wert von 250 bis 2.000 Euro festgelegt, dann könnte WAT-Marketing mit einem Gesellschaftsvermögen von 60.000 Euro ausgestattet werden.

Mit einer ähnlichen Organisationsstruktur wie in Bochum könnte WAT-Marketing professionell arbeiten und wäre überdies erster Anlaufpunkt für die Wattenscheider Werbegemeinschaften, Veranstalter und Initiativen. Aufgabe der Gesellschaft wäre es weiterhin die verschiedensten Werbeinitiativen und Veranstaltungen der unterschiedlichsten Interessengemeinschaften zu koordinieren und zu bündeln. Ziel ist ein effizientes und gut wahrnehmbares Wattenscheider Marketing aus einem Guss.

Die Wattenscheider Innenstadt soll sich zukünftig von anderen Innenstädten des Ruhrgebietes deutlich abheben. Gemäß der Befragung des Instituts für Handelsforschung in Köln wünschen sich mehr als die Hälfte der Befragten zudem kostenfreies WLAN, Click and Collect und online Informationen über die Unternehmen in der Innenstadt. „Diese Services bieten einen direkten Mehrwert für die Besucher und können vergleichsweise einfach umgesetzt werden“ („Vitale Innenstädte“ 2016, IFH Köln). Die umfassende „Digitalisierung“ der Wattenscheider Innenstadt sollte daher ein weiteres Handlungsfeld von WAT-Marketing darstellen.

Für die mögliche Gründung von WAT-Marketing ist in einem ersten Schritt zu klären, ob sich in Wattenscheid eine ausreichend große Zahl von aktiven Unternehmen, Geschäftsbetreibern, Gastronomen, Immobilienbesitzern sowie Vereinen und Initiativen finden lässt, die sich für die Gründung solch einer Gesellschaft engagieren würden. Die STADTGESTALTER werden daher in den nächsten Wochen mögliche Gesellschafter ansprechen. Interessierte können sich aber auch gerne von sich aus melden: mail@die-stadtgestalter.de.

Finden sich genug Interessierte, die von dem Nutzen der Gesellschaft WAT-Marketing überzeugt sind, müsste im nächsten Schritt mit der Stadt ausgehandelt werden, mit welchen Zielen und Aufgaben und welcher städtischen Unterstützung die Gesellschaft gemeinsam gegründet werden kann. Bei allen Unternehmungen zur zukünftigen Gestaltung der Wattenscheider Innenstadt sind die Bürger der Stadt angemessen zu beteiligen, denn es muss ein Konzept gefunden werden, dass von einer breiten Mehrheit der Wattenscheider getragen wird.

2 Gedanken zu „Ambiente, Flair und WAT-Marketing

  1. Ja, wenn wir den Bebel Platz in einen Park umgestalten, dann haben wir ja noch mehr Leerstand. Wenn die, überwiegend ältere Generation nicht mehr dort parken können, fallen noch mehr Kunden weg und für die Jüngeren gibt es, egal was geplant wird, einfach keine attraktive Angebote und Geschäfte.. Wir brauchen nicht den 8 Obst un und Gemüseladen oder den 18 Frisör.. -(von der Post bis im Gertrudiscenter sind inkl.der Nebenstraßen 17, wenn nicht sogar mehr
    • Der August-Bebel-Platz ist heute so gestaltet, dass er Menschen, die nach WAT kommen, signalisiert, "Uns ist eine attraktive Gestaltung der Innenstadt nicht wichtig, Investoren und Kunden bleibt bitte weg." Und genau das passiert. Unternehmen investieren in Städten, die sich mit einer ensprechenden Gestaltung Mühe geben und Plätze mit hoher Aufenthaltsqualität besitzen. Kunden verhalten sic zu einem großen Teil ebenso. Der Nieder gang der Innenstadt ist aufgrund der massiven optischen Defizite also kein Wunder. An einem schönen Park siedeln sich Gastronomie-Betriebe an und Geschäfte, die von der hohen Aufenthaltsqualität und den Menschen, die sich auf dem Platz bzw. Park gerne aufhalten, als Kunden profitieren. Die Autos die aktuell über den Platz fahren, bringen so gut wie keine Kunden, die Menschen fahren mit ganz anderen Zielen über den Platz. Parkplätze gibt es auch in unserem Plan. Im Norden haben wir ein zweistöckiges Parkhaus eingeplant. Autokunden finden also nach wie vor den gewünschten Stellplatz

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