Ausgaben für Radverkehr von Stadt unseriös ermittelt
Angeblich arbeiten seit 2019 12 Verwaltungsmitarbeiter zu relevanten Teilen für den Radverkehr und verursachen pro Jahr 289.000 Euro (2016) bis 759.000 Euro (2019) Kosten. Was und welche Aufgaben diese Mitarbeiter für den Radverkehr übernehmen, bleibt in der Antwort unerwähnt und ist damit ebenfalls nicht nachvollziehbar. Auch warum und wofür in 2016 noch 5 in 2019 nunmehr 12 Personen mit Radverkehrsaufgaben beschäftigt sind, wird nicht im Ansatz erklärt.
Die Kalkulation des Anteils der Ausgaben für Investitionen in den Straßenbau, der in den Radverkehr geflossen sein soll, erfolgte nach einem wenig realistischen Kostenschema. So werden 50% der gesamten Straßenum- bzw. neubau Kosten dem Radverkehr zugerechnet, wenn umfangreiche Sanierungsmaßnahmen im Bestand, eine wesentliche Verbesserung für den Radverkehr bewirkt haben. Wenn also eine komplette Straße mit Millionenaufwand saniert wurde, aber am Ende der neue Radstreifen nur durch eine geänderte Fahrbahnmarkierung auf der neu asphaltierten Fahrbahn entstand, dann hat die Verwaltung 50% der gesamten Sanierungskosten dem Radverkehr zugerechnet. Die von der Verwaltung verfolgte Kostenaufteilung enthält, wie die Verwaltung selbst zugibt, nicht nur Unschärfen, sie führt zu einer unangemessenen Verfälschung der Ergebnisse und ist damit nutzlos. Welche Straßenbaumaßnahmen, bei der Berechnung der Kosten wie berücksichtigt wurden, verschweigt die Verwaltung zudem in der Mitteilung ebenfalls.
Für eine seriöse Berechnung wären nur die Kosten anzusetzen gewesen, die für die Herstellung des Radstreifens oder Radweges tatsächlich aufgewendet wurden. Dabei wäre ebenfalls eine Unterscheidung nach dafür aufgewendeter Eigenmittel der Stadt Bochum und eingesetzter Fördermittel für den Radverkehr angezeigt gewesen.
Bei der Berechnung der Gesamtausgaben für den Radverkehr setzt die Stadt zudem zu 100% die Investitionen zum Bau der Springorumtrasse an, obwohl es sich bei der Trasse um einen Geh- und Radweg handelt. Die Springorumtrasse ist kein Radweg, im Gegenteil, nach der StVO, haben sich die Radfahrer dem Fußgängerverkehr unterzuordnen. Auch dieser Kostenansatz ist also nicht seriös.
Im Ergebnis ist die Berechnung in Gänze unbrauchbar, nicht nachvollziehbar und unglaubwürdig. Es ist das Bemühen erkennbar, die Ausgaben künstlich hochzurechnen und die der Kalkulation zugrunde liegende konkrete Kostenzuordnung zu verschleiern. Die von der Verwaltung ermittelten Ausgabewerte pro Einwohner für den Radverkehr von 10 bis 19 Euro pro Einwohner, abhängig von Jahr und abgerechneten Ausgaben sind entsprechend nichtssagend.
Wie hoch sind die Ausgaben für den Radverkehr pro Einwohner tatsächlich
Sehr grob kann man in Bochum zumindest die Ausgaben für Investitionen für den Radverkehr wie folgt abschätzen: In Bochum sollen bis 2022 jedes Jahr 12,3 km neue Radwege entstehen. Aufbruch Fahrrad rechnet mit Kosten von 400.000 Euro für 3 km Radwege, also 133.000 Euro/km (Kostenansatz Aufbruch Fahrrad). Nimmt man 133.000 Euro/km als Kosten an, werden bis 2022 in Bochum pro Jahr 1,64 Mio. in Radwege investiert, das sind 4,40 Euro pro Einwohner.
Zum Vergleich, Paris, das nur über etwas mehr als 72% der Fläche von Bochum verfügt, baut in 6 Jahren, von 2015 bis 2020, 700 km neue Radwege und setzt dafür 63 Mio. Euro ein (Paris will Fahrradwelthauptstadt werden). Pro Jahr entstehen also fast 117 km Radwege und nicht nur 12,3 wie in Bochum. Das kostet die Stadt Paris 10,5 Mio. Euro pro Jahr. Das wären bezogen auf Bochum 28 Euro pro Einwohner im Jahr. Das ist vergleichsweise wenig, die Stadt Kopenhagen investiert für den Radverkehr 35,60 Euro pro Kopf und Jahr, in Oslo sind es 70 Euro in Utrecht sogar 132 Euro (Wieviel investieren deutsche Städte in sichere Radwege).
Sicher ist der Vergleich der Ausgaben für den Radverkehr zwischen den Städten schwierig. Insbesondere stellt sich die Frage, welche Ausgaben werden in Berechnung einbezogen, nur die für Investitionen oder auch die Ausgaben für Unterhaltung und Instandsetzung? Darüber hinaus birgt die Kostenaufteilung viele Streitpunkte. Zum Beispiel, ist der Bau einer Ampel wegen des Radverkehrs erforderlich, oder wegen des Autoverkehrs. Welcher Anteil der Kosten sollte welchen Verkehrsträgern zugerechnet werden?
Bochum tut zu wenig und ist beim Ausbau des Radwegenetzes zu langsam
12,3 km neue Radwege pro Jahr zeigen in jedem Fall, Bochum tut viel zu wenig für den Radverkehr und deutlich weniger als andere Städte. Die bereits vorhandenen Radwege und -streifen weisen zumeist schwere Planungsmängel auf, sie sind zu schmal, Auf- und Ableitungen sind gefährlich, es stehen Hindernisse auf den Wegen, Straßenmarkierungen und Wegeführungen sind nicht nachvollziehbar, die Vorgaben der ERA werden nicht eingehalten und anderes mehr. Es sind keine einheitlichen Standards erkennbar, nach denen die Radwege geplant werden, jede Kreuzung jede Straße die neu mit Radwegen versehen wird, sieht anders aus. Kaum wurden Radwege angelegt, werden Nachbesserungen eingefordert. Zuletzt forderte die SPD Nacharbeiten beim Radweg Bessemerstraße und bei der Springorumtrasse. Die Qualität der Radverkehrsplanung in Bochum ist unzureichend und schlecht. Das können geschönte, unseriöse Berechnung der Ausgaben für den Radverkehr nicht verschleiern.
Dazu arbeitet die Radverkehrsplanung unzumutbar langsam. Die zuständige Verwaltung schafft es in über 6 Jahren nicht das vom Stadtrat beschlossene Radverkehrskonzept vorzulegen (Stadt und Politik verweigern Radwegeausbau), sie schafft es nicht die Anfrage der Linken zu den Ausgaben zum Radverkehr in angemessener Zeit zu beantworten und sie ist auch nicht in der Lage oder Willens, nach fast vier Wochen die vom Ausschuss für Infrastruktur gestellte Anfrage (Niederschrift zur Sitzung vom 31.03.20) zu beantworten, inwieweit aufgrund der deutlichen Reduzierung des Autoverkehrs seit Beginn der Corona-Krise Fahrspuren ausschließlich für den Radverkehr freigegeben werden könnten (Pop-up-Radwege). Während andere Städte wie Berlin solche Wege seit Wochen einrichten, brütet die Verkehrsplanung in Bochum seit Wochen über einer Antwort. Wenn die Beantwortung noch bis zum Ende der Krise dauert, wird die Verwaltung verkünden können, dass eine Einrichtung zwar sinnvoll gewesen wäre, aber jetzt nicht mehr möglich sei, da der Verkehr wieder zunehmen werde. Wie schon beim neuen Radverkehrskonzept gewinnt man den Eindruck, die Verkehrsplanung verschleppt auch hier die Dinge ganz bewusst.
Die Verkehrsplanung muss reorganisiert und personell besser ausgestattet werden
Die Beispiele zeigen beim Radverkehr ist die Verwaltung nicht in der Lage die vorliegenden Arbeitsaufträge in angemessener Zeit abzuarbeiten, gleichzeitig weigert sich die Verwaltung dort mehr Personal einzusetzen. Wegen der immer wieder lückenhaften und wenig nachvollziehbaren Informationen und der schleppenden Umsetzung der Ratsbeschlüsse wird die Verkehrsplanung derweil mit Sachstandsanfragen und Anregungen zum Radverkehr von Bochumern Einwohnern überschüttet, die endlich sehen wollen, dass der Ausbau des Radwegenetzes ernsthaft in Angriff genommen und nicht nur immer neu versprochen wird.
So, wie die Verkehrsplanung derzeit aufgestellt und organisiert ist, erscheint es unrealistisch, dass sie die angekündigten Projekte, anders als jetzt, in Zukunft im angesetzten Zeitrahmen umsetzen kann. Damit in Bochum in wenigen Jahren ein flächendeckendes Radwegenetz aufgebaut werden kann, muss zunächst die Verkehrsplanung so reorganisiert und personell ausgestattet werden, dass sie diese Aufgabe überhaupt erfüllen kann.